Dieses Kapitel "Verkauf des Depots" ist in der schon außergewöhnlichen und abwechslungsreichen Entstehungsgeschichte des heutigen Wohnortes Reckenfeld noch ein besonderes dazu: Da entstand mit dem Geld (Kriegsanleihen) der damaligen Bevölkerung in den Jahren 1916-1919 eine Militäranlage zur kurzfristigen Lagerung von Nahkampfmitteln für die Front in Frankreich.
Für die Immobilie wurden dafür mehr als 11 Millionen Mark aufgewendet, und als der Erste Weltkrieg im November 1918 zu Ende ging, war diese riesige Anlage zwar vorhanden, deren Nutzung war jedoch gegenstandslos geworden: der Krieg war für Deutschland verloren! Auch eine Nutzung in Friedenszeiten - wie es die Militärverwaltung 1916 geplant hatte - war hinfällig geworden.
Das Munitionsdepot wurde zu einer Zeit, als die ersten Siedler dieses als ihre neue Siedlungsstätte (entstehender Ort) nutzten, an eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung verkauft! Durch einen Kaufvertrag wurde die Gesellschaft im August 1923 zur Eigentümerin gemacht.
Noch einmal: Eine Gesellschaft war Besitzerin einer Siedlung (Ort) geworden!
Und nicht nur das: Der Ort wurde zu einem günstigen Preis verkauft! Als wenn das noch nicht reichte: Bezahlt wurde mit wertlosem Papiergeld (Inflationsgeld)!
Eine ähnliche Transaktion dürfte es in unserem Lande wohl nicht noch einmal gegeben haben.
Was sich in diesem Zusammenhang in den Jahren nach Kriegsende im Bezug auf das Nahkampfmitteldepot zugetragen hatte, wird in verschiedenen Kapiteln unter der Themenleiste "Entstehung" dieser Website abgehandelt.
Wie es zu dem Verkauf der ehemaligen Militäranlage - dem späteren Reckenfeld kam, wird in diesem Kapitel eingehend behandelt.
Die Berliner Behörden legten in der Zeit nach 1920 verstärkt ihre Aktivitäten darauf, Unternehmen zur industriellen Nutzung der ehemaligen Militäranlage zu gewinnen. Das Interesse hielt sich jedoch in Grenzen, auch, weil die beiderseitigen Vorstellungen eher gegensätzlicher Natur waren.
Das betraf die Art der Nutzung: Sollte vermietet, verpachtet oder verkauft werden?
Hinzu kam noch, dass der zunehmende Verfall bei den Gleisanlagen und der Bausubstanz an den Schuppen und Gebäuden immer offensichtlicher wurde. Die eingelagerte Munition als auch die Zerlegung derselben sowie die Einlagerung und Vernichtung von Sprengstoffen hatten gewaltige Spuren hinterlassen.
Und, die IMKK machte enormen Druck: Zerstörung des Depots!
Niemand der Interessenten schien nach Ansicht der zuständigen Behörden das erwartete Angebot abgegeben zu haben. War deshalb der einzige Ausweg aus dieser Misere der Verkauf zu günstigsten Konditionen?
In dem Jahr 1922 hatte sich in Berlin eine Gesellschaft gegründet, die Interesse für diese Militäranlage bekundete, nämlich die Eisenhandelsgesellschaft-Ost GmbH (EHG) mit dem Geschäftsführer Bernhard Wolf, dem Prokurist Ernst Ludwig Wilde und dem Kollektiv-Prokurist Kurt Marschner. |
Ernst Ludwig Wilde
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Der Präsident (Schmedding) des Landesfinanzamtes (LFA) Münster schrieb am 6. Dezember 1922 an das Reichsministerium: (Anmerkung: § 8 des Reichsgesetzes über die vorläufige Reichsgewalt vom 10. Februar 1919 (Reichs-Gesetzblatt 169): Die Geschäfte des Reichs werden durch das Reichsministerium geführt. Das Reichsministerium besteht aus den Reichsministern, die ein Ressort leiten.) "Der Reichsverband hat mir mitgeteilt, dass Vertreter einzelner Firmen das Gelände in Hembergen besichtigt hätten. Das Eisen- und Stahlwerk Mesum hat ein Konsortium gebildet und die Absicht bestünde, zum Erwerb von Hembergen eine e.G.m.b.H. unter Mitbeteiligung des Reichsfiskus zu bilden. Da das Konsortium beabsichtigt, das gesamte Gelände für industrielle Zwecke, verbunden mit Arbeitersiedlungen auszunutzen, - die reine Ausschlachtung also nicht in Frage kommt - erscheint mir das Vorhaben auch in sozialer Beziehung sehr beachtenswert."
Das Stahlwerk Mesum, bei Rheine, schrieb darauf an den Präsident des Landesfinanzamtes am 10. Januar 1923 und machte konkrete Vorschläge: "[...] haben den Beschluss geführt, dass zum Zwecke des Erwerbs des Nahkampfmittelparks eine eingetragene Genossenschaft m.b.H. unter dem Namen ‚Wirtschaftsbund Hembergen, e.G.m.b.H.' zu gründen mit dem Sitz in Hembergen, Emsdetten oder einem anderen noch zu vereinbarenden Orte. Der Zweck des Unternehmens soll sein
Der Erwerb des Nahkampfmittelparks Hembergen, wie er steht und liegt, vom Landesfinanzamt, Abteilung Liegenschaften, in Münster
Der Erwerb weiterer Liegenschaften
Die Veräußerung, Verpachtung oder sonstige Verwertung von Liegenschaften und Zubehör
Die Gründung von Wirtschaftsunternehmungen, und Beteiligung an solchen. [...] Der Geschäftsanteil an den Wirtschaftsbund soll mit 10.000,-- Mark bemessen werden.
Die Genossenschaft soll nicht eher gegründet werden, bis ein Kapital von 10 bis 20 Millionen zusammengebracht ist. Zu Geschäftsführern sollen eine oder zwei Personen bestellt werden, und der Aufsichtsrat soll aus drei Mitgliedern bestehen. Für den Erwerb des Nahkampfmittelparks Hembergen kommen als wesentliche Bestandteile in Frage
Die Liegenschaft nach dem uns vorliegenden Plan
Die eingebauten Gleise
Die vorhandenen Baulichkeiten und sonstigen Anlagen. Vorschläge für die Berechnung und Bezahlung
Es muss von unkultiviertem Gelände gesprochen werden
Das Reich muss ein lebhaftes Interesse für das unproduktiv liegende Gelände haben, durch Heranziehen industrieller Unternehmen und Ansiedlungen von Beamten und Arbeitern
Die Wertbemessung von Grund und Boden kann deshalb nur mit einem Betrag von 1.000,-- Mark je Hektar in Rechnung gestellt werden
Die im Park liegenden Gleise sind kaum zu irgend einem Zweck, außer einem militärischen, verwendbar. Allerdings ist das Gleis von der Station Hembergen bis zum Depot D mit einer Länge von 4,5km interessant
Der Übergabebahnhof muss von der Übernahme ausgeschlossen werden
Der Abstellbahnhof ist sowohl was Gelände wie auch sämtlichen Einbau anbelangt, für eine Neuanlage wertlos. Trotzdem muss ein Teil liegen bleiben
Der Verwaltungsbezirk hat nur ein Zugangsgleis, welches liegen bleiben muss
Die übrigen vier Depots müssen mindestens ein Zugangsgleis behalten
Den Preis pro Tonne bei den Gleisen um 50% mindern, der am Tage des Abschlusses als Kernschrottpreis festgesetzt ist
Von den vorhandenen Baulichkeiten ist nicht ein Gebäude in bezugsfertigem Zustand
Bei der augenblicklichen Entwertung der Mark wird die Instandsetzung ungeheure Summen erfordern
Die für Sprengstoffe errichteten Schuppen sind weder abbruchfähig, noch für Werkswohnungen verwendbar
Die Kosten, welche aufgewandt werden müssen, um aus einem Schuppen eine bewohnbare 4-Zimmerwohnung herzustellen, sind nach sorgfältiger Berechnung auf 2,5 Millionen Mark bei der heutigen Valuta für den 70qm großen Schuppen zu veranschlagen
Wir würden den Wert der vorhandenen Verwaltungsgebäude mit dazugehörenden Wasserleitungen, Röhren, elektrischen Leitungen und Kabeln auf 20 Millionen Mark veranschlagen
Wenn Gemeinden Arbeiterwohnungen bauen, erhalten sie vom Staat einen erheblichen Zuschuss [...] und bei industrieller Ansiedlung gewährt der Staat Steuerfreiheit bis zu 80% [...]
Wir müssen für die Werksbauten einen Staatszuschuss von 20 Millionen verlangen, so dass sich Einnahmen und Ausgaben ausgleichen würden
In Anbetracht des Umstandes, dass die durch die fortschreitende Geldentwertung immer mehr ansteigende Unkosten die nötig werdenden Kapitalien zum Auf- und Ausbau von Hembergen ins Unermessene wachsen lassen, würden wir es begrüßen, wenn von einer Anzahlung abgesehen werden kann. [...] Um unseren guten Willen zu zeigen, würden wir bereit sein, 10 Millionen Mark als Anzahlung zu leisten
Wir schlagen vor, das Landesfinanzamt wird mit dem Restbetrag seiner Forderung Mitglied des Wirtschaftsbundes Hembergen. Dadurch ist der Besitztitel in dem Besitz des Wirtschaftsbundes übergegangenen Liegenschaften indirekt gesichert.
Für vorliegendes Angebot liegt die Zustimmung des in Aussicht genommenen Aufsichtsrates und der Geschäftsführung schriftlich vor."
Der Präsident des Landesfinanzamtes in seiner Antwort an das Stahlwerk in Mesum vom 2. Februar 1923 (Auszüge):
"Da es nicht ausgeschlossen ist, dass der Reichsminister aus staatsrechtlichen Bedenken den Eintritt des Reichsfiskus in die e.G.m.b.H. nicht zu genehmigen vermag, [...] ist zu klären, ob dem Fiskus nicht in anderer Weise ein Einfluss gesichert werden könnte
Gegenüber den verhältnismäßig großen Werten, welche der Reichsfiskus in der Gesamtanlage von Hembergen besitzt, erscheint ihr Preisangebot nicht ausreichend [...] und der Fiskus darf nicht darauf verzichten, sich nach Kaufliebhabern umzusehen, die die Anlagen günstiger als Sie, und zum Teil ohne allzu kostspielige Veränderungen betriebsfähig gestalten können [...] und die ein für den Reichsfískus annehmbares Angebot zu machen
Der vorhandene Waldbestand würde allein 150 Millionen betragen
Ein 1-km-langes fertig eingebautes Gleis - wie es in der Hembergener Ausstattung steht und liegt, wird Ende 1922 etwa einen Wert von 30 Millionen Mark gehabt haben
Auch Ihre Einschätzung der Verwaltungsgebäude trifft nicht annähernd das Richtige. Der Staat muss von einem erheblich vielfachen von 20 Millionen ausgehen
Ihre Ausführungen bezüglich der Anrechnung des Wertes der Lagerhäuser auf Staatszuschüsse sind mir nicht verständlich.
[...] nochmals zu prüfen und mir ein für den Reichsfiskus annehmbares Angebot vorzulegen."
Ein anderer Bewerber machte Angebote für die Immobilie Hembergen, nämlich die Henschel - Lothringen-Essener-Steinkohlen G.m.b.H., in Hannover. Sie schrieb am 22. März 1923 an das Reichsschatzministerium: "[...] bitte ich ergebenst, meinem Konzern für Hembergen bei Münster i./Westf. den Zuschlag für 320.000.000.-- Mark (i. W. Dreihundertzwanzig Millionen Mark) erteilen zu wollen. Ich beabsichtige, dieses Unternehmen meinem Konzern einzugliedern. Generaldirektor Gehres."
Wenige Tage später korrigierte das LFA den Wert von 320 Millionen und teilte mit, dass es sich hierbei wohl um einen Irrtum handelte, da allein die Gleisanlagen einen Wert von mehr als 3 Milliarden haben! Inzwischen hatten sich am 27. März 1923 erneut zwei technische Beamte des Konzerns im Lager Hembergen umgesehen.
"[...] dass die Verkaufsverhandlungen mit dem Henschel Konzern nicht wunschgemäß haben gefördert werden können. Auf mein Schreiben vom 17. April 1923 an Gehres und Hilgenstock, bin ich bisher ohne Antwort geblieben", stellte das LFA am 25. April 1923 fest.
"In einem Schreiben vom 16. März 1923 hat der Deutsche Siedlungsverband in Leipzig nochmals betont, dass ihm das Gelände zu Siedlungszwecken durchaus geeignet erscheine. [...] gleichzeitig machte der Verband ein vorläufiges Angebot von 250 Millionen Mark. Ein endgültiges Angebot will der Verband jedoch abgeben, sobald die Bestandsnachweisungen von Hembergen vorliegen", teilte das Landesfinanzamt dem Reichsfinanzamt (RFM) am 25. April 1923 auf Anfrage mit.
Der Deutsche Siedlungsverband Zentralgenossenschaft gemeinnütziger Siedlervereinigungen e.G.m.b.H., Leipzig, am 26. Juli 1923 an das Landesfinanzamt: "[...] falls zwischenzeitlich die Verhandlungen mit dem Konzern der Schwerindustrie noch nicht abgeschlossen sein sollten, wären wir für eine Fortsetzung der Verkaufsverhandlung sehr verbunden."
Der Präsident des Landesfinanzamtes schrieb an das Reichsschatzministerium am 31. März 1923: "Wertschätzung von Hembergen. Das Finanzamt in Münster sieht keine andere Wahl und empfiehlt dem Reichsschatzministerium in Berlin am 31. März 1923 den Verkauf des Depots: "[...] Da nach der allgemeinen Geschäftslage zu urteilen die Unternehmungslust und die Kaufkraft immer schwächer werden und das Lager immer mehr verfällt, empfehle ich dringend recht baldigen Verkauf. Eine öffentliche Ausschreibung hat insofern bereits stattgefunden, als alle bei der Art des Lagers irgendwie in Betracht kommende Bewerberkreise bereits durch Ankündigungen des Reichsverbandes der Industrie unterrichtet sind."
Die EHG schien vorbauen zu wollen und sie ließ sich auf Anforderung von der Bergbau-AG-Lothringen, Gerthe, am 12. April 1923 bestätigen, "[...] dass infolge der Maßnahmen der französischen Besatzung vorläufig eine Weiterbearbeitung des von uns in Aussicht genommenen Ankaufs des Lagers Hembergen nicht erfolgen kann."
Nun wollte ein paar Tage später das RFM vom LFA wissen, wie der Stand mit der Lothringer-Bergbau-AG ist: "Mit dem Ersuchen um Kenntnisnahme und Bericht über den Stand der Verhandlungen mit dem Lothringer Konzern [...] und welches Interesse haben diese noch inzwischen von Hembergen noch gezeigt. Pieszczek."
"Das Angebot, welches Direktor Hilgenstock von der Lothringner-Bergbau-AG noch am 20. März 1923 mündlich abgegeben hatte, lautete
für die Gleisanlagen 3,300 Milliarden Mark
für die Gebäude ohne C und D 56 Millionen Mark
für die Be- und Entwässerung 40 Millionen Mark
für den Grund und Boden mit Baumbestand 11,5 Millionen Mark
Bei seinem Besuch erklärte ich ihm an Hand der von der Baugruppe des Landesfinanzamtes aufgestellten Wertschätzung, dass er sein Angebot erheblich erhöhen müsste, wenn er Aussicht haben wollte, den Zuschlag zu erhalten", antwortete der Präsident des Landesfinanzamtes.
Die EHG-Ost schrieb an das Landesfinanzamt am 3. April 1923 und startete einen ersten Ballon in Richtung Übernahme des ehemaligen Depots. Die EHG: "Laut Verhandlungen vom 9. Februar 1923 haben wir von Ihnen Teile des Hembergener Lagers übernommen, mit der ausdrücklichen Bestimmung, dass dort selbst Lokomotiven verschrottet werden. Vorgesehen ist in dieser Verhandlung insbesondere eine Gleisanlage am Übergabebahnhof mit Anschluss an die Reichsbahn.
Diese Gleisanlagen sind baulich in derartig schlechtem Zustand, dass die vorgesehene Verschrottung von Loks nicht ohne Betriebsgefahr durchgeführt werden kann. Sie haben sich bisher geweigert, diese nötigen Instandsetzungsarbeiten am Gleis selbst vorzunehmen."
Das Landesfinanzamt konterte der EHG am 7. April 1923 auf ihr Schreiben vom 3. des Monats und legte die Rechtslage vor: "Es zeugt von vollständiger Verkennung der Rechtslage, wenn Sie zum Ausdruck bringen, dass Sie von mir lt. Verhandlung vom 9. Februar 1923 Teile des Lagers Hembergen übernommen haben. Zweck der Verhandlung vom 9. Februar 1923 war nur, der DAG gegenüber mein Einverständnis zur Untervermietung von Teilen des Lagers an Sie und zwar in dem festgelegtem Umfang gab. Der Abschluss des Mietvertrages mit Ihnen war Sache der DAG! Ihrem Vertrag mit der DAG fehlt die erforderliche Genehmigung meinerseits; er ist daher rechtungültig! Ich ersuche Sie, Ihren Betrieb im Lager Hembergen sofort einzustellen und den Platz sofort zu räumen. Sie müssen das Lager spätestens am 20. April 1923 verlassen haben. Jegliche Schadensersatzleistungen an Sie lehne ich grundsätzlich ab."
"[...] Sie stellen mit Ihren Ausführungen vom 7. April die wahre Rechtslage auf den Kopf und wir müssen diese daher wie folgt richtig stellen: [...] dass Sie an DAG die ganzen Anlagen vermietet haben, das trifft nicht zu. Es handelt sich nicht um einen Miet-, sondern um einen Pachtvertrag. [...] danach kann die DAG das Pachtgelände nach Belieben fruktifizieren. [...] gegen Ihre Erklärung, dass Sie sich an die Verhandlung vom 9. Februar 1923 nicht mehr gebunden halten, müssen wir protestieren. Zu einem Rücktritt fehlt Ihnen jede Rechtsgrundlage. Sie ersuchen uns, den Betrieb im Lager Hembergen sofort zu räumen und stellen eine Frist bis spätestens 20. April 1923. Wir haben gegen diese Kündigung protestiert. Wir werden Sie für entstandene Schäden durch Ihren evtl. Eingriff auf jeden Fall regresspflichtig machen. [...] dass sie Arbeiten, die wir in Hembergen durchführen, im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegen, zumal es Ihnen zur Genüge bekannt ist, dass wir nach Schließung unseres Düsseldorfer Betriebes, Arbeiter in Hembergen untergebracht haben, die in Düsseldorf nicht mehr arbeiten können. [...] wir werden Mittel und Wege finden, Ihre Stellungnahme sowohl höheren Ortes als auch in der Öffentlichkeit bekannt zu geben", antwortete die EHG dem Landesfinanzamt am 11. April 1923.
Das wiederum liess nicht locker und schrieb am 11. April 1923 der Eisenhandelsgesellschaft wie folgt: "[...] Ich bemerke dabei von vornherein, dass sich meine Beurteilung der Rechtslage trotz der von Ihnen geltend gemachten Einwendungen in keiner Weise ändert hat. Der Vertrag wäre daher zutreffender als "Miet- und Pachtvertrag" zu bezeichnen gewesen. Ich war unter allen Umständen berechtigt, die Untervermietung seitens der DAG von meinem Einverständnis abhängig zu machen. Der mit der DAG und Ihnen abgeschlossene Vertrag ist für mich nicht rechtsverbindlich. Zur Zahlung der in der Verhandlung ausbedungenen Summe sind Sie verpflichtet, weil Sie die Anlagen in Benutzung genommen haben. Um Weiterungen aus diesem Anlass zu vermeiden, will ich mich trotz Ihres eigenartigen Geschäftsgebarens damit einverstanden erklären, dass der Termin zur Räumung des Lagers auf den 30. April 1923 hinausgeschoben wird."
Das Landesfinanzamt an das Reichfinanzministerium am 1. Juni 1923: "Die Verhandlungen mit Henschel über den Erwerb des ehemaligen Nahkampfmitteldepots sind wieder aufgenommen. Am 28. Mai 1923 waren Vertreter des Konzerns hier und teilten mit, dass der Konzern die Absicht, das Lager Hembergen zu erwerben schon aufgegeben hatte, da die Eisenhandelsgesellschaft Ost, Berlin der Bergbau-AG-Lothringen geschrieben hatte, dass ihr das Lager bis Ende 1926 mietweise überlassen worden sei. Die EHG-Ost hatte in Erfahrung gebracht, dass die Bergbau-AG das Lager Hembergen kaufen wolle, und darauf in ihrer genügsam bekannten unlauteren Art der Gesellschaft mitgeteilt, dass sie in den zwischen Landesfinanzamt und der DAG bestehenden Vertrag - und zwar bis zum 1. Januar 1926! - eingetreten sei und dass eine Benutzung des Lagers durch den Lothringer Konzern von ihrer Zustimmung abhinge. Hiernach hielt der Konzern eine Weiterführung der Verhandlungen mit dem Landesfinanzamt nicht mehr für angezeigt!"
Und ließ sich von der Reichsbahndirektion Münster am 23. Juli 1923 bestätigen: "Unter Bezugnahme auf Ihren Antrag vom 19. Juli 1923 bestätigen wir Ihnen hierdurch, dass es im allgemeinen wirtschaftlichen sowie eisenbahnfiskalischen Interesse liegt, dass die gesamten Gleis- und sonstigen Anlagen des Hembergener Lagers der industriellen Verwendung erhalten werden. Insbesondere versprechen wir uns große Vorteile für den Reichbahnfiskus von dem von Ihnen beabsichtigen Ausbau der Anlagen und Einrichtung von Werkstätten, da zur Zeit in Folge derartiger Betriebe großer Arbeitsmangel herrscht."
Die EHG ging im Bezug auf den Erwerb der Immobilie Hembergen einige Etagen höher: Am 16. April 1923 schrieb die Gesellschaft an das Reichsfinanzministerium (Bearbeiter: Pieszczek). "[...] dass wir nach wie vor größtes Ankaufsinteresse an dem früheren Sprengstofflager Hembergen haben, da wir infolge der Ruhrbesetzung und der Stillegung des Düsseldorfer Betriebes ein Lager für unsere eigenen Zwecke dringendst benötigen. Wir haben erfahren, dass die Bergbau-AG-Lothringen kein Ankaufsinteresse für Hembergen mehr hat. Demnach dürfte wohl die Bergbau-AG als ernstlicher Interessent für den Ankauf ausscheiden. [...] bitten wir Sie, den Kaufvertrag für das Lager recht bald mit uns abzuschließen, da wir nur auf eigenem Boden einen rentablen Betrieb errichten können. [...] dürfte es im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegen, wenn wir recht bald im Hemberger Lager uns endgültig einrichten könnten, zumal wir dann in der Lage wären, nicht nur eine große Anzahl ortsansässiger Arbeiter zu beschäftigen, sondern auch gerne Ruhrflüchtlingen Beschäftigungen und Unterbringung zu gewähren."
"Mit dem Ersuchen um weitere Veranlassung - da die EHG-Ost auf Ansprüche irgendwelcher Art aus den stattgefundenen Verhandlungen verzichtet hat, trage ich mit Rücksicht auf die Beschäftigung der von ihr angenommenen Arbeiter keine Bedenken, die EHG-Ost für noch drei Monate in Hembergen zu lassen. Bis dahin dürften die Verhandlungen mit den Interessenten über die Verwertung der Hembergener Anlagen zu einem Ergebnis geführt haben. Pieszczek", war der Text des RFM eines weiteres Schreibens mit Datum vom 20. April 1923, welches dem LFA zuging.
Die Antwort vom LFA vom selben Tag des Brieferhalts an das RFM und hegte ebenfalls die Hoffnung, dass diese Immobilie einen Käufer finden könnte und damit einen Teil ihrer Sorgen weniger hätte: "[...] auf ihr Ansuchen habe ich der EHG-Ost Bestandsnachweisungen übersandt, welche die Gesellschaft bei ihrem Angebot auf Hembergen anwenden will. Für den Fall, dass die EHG-Ost bis Ende April 1923 als ernstliche Bewerberin in Betracht kommen sollte, könnte von den ihr angedrohten strengen Räumungsmaßnahmen, welche allein auf das höchst eigenartige Gebaren der Firma zurückzuführen sind, abgesehen werden."
Nachdem einige der Mitbewerber ihr Interesse an dem Hembergener Lager zurückgefahren bzw. eingestellt hatten an deren Entscheidungen die EHG mitgewirkt hatte, setzte die EHG nun weitere Duftmarken, nicht mehr in Münster, sondern bei den Berliner Behörden, vornehmlich im Reichfinanzministerium. Nach dem Motto, mit der einen Hand geben, mit der anderen nehmen, teilte sie dem Reichsfinanzministerium am 28. April 1923 mit, "[...] und machen Ihnen heute - unter Bezugnahme auf die gestern mit unserem Herrn Wilde gehabte Rücksprache - nachfolgenden Vergleichsvorschlag: Sofern wir nicht gehindert werden, im Hembergener Lager auf die Dauer von drei Monaten - gerechnet ab 1. Mai 1923 - unsere Arbeiten weiter fortzuführen, verzichten wir auf irgendwelche Ansprüche an den Fiskus, welche wir auf Grund der Verhandlung vom 9. Februar 1923 herleiten können, für Instandsetzungsarbeiten an den Gleisanlagen oder sonstigen Einrichtungen im Lager. Wir vergüten dem Fiskus - wie bisher - monatlich 100.000 Mark und erklären bereits heute, dass wir auch im Laufe der nächsten drei Monate alle Instandsetzungsarbeiten pp. für unsere eigene Rechnung vornehmen werden. Wie Ihnen bekannt, werden im Hembergener Lager z.Z. 20 Arbeiter beschäftigt, die von uns nicht ohne weiteres entlassen werden können. Wir (EHG-Ost) erklären uns ferner bereit, das Lager am 1. August zu räumen, sofern dies vom Fiskus verlangt wird ohne die Geltendmachung irgendwelcher Ansprüche. Wilde."
Parallel zu den weiteren Bewerbungen um Ankauf des Lagers erarbeitete das Landesfinanzamt in Münster einen Entwurf über einen Kaufvertrag mit der EHG aus und stellte diesen dem RFA zur Überarbeitung zur Verfügung.
Die EHG-Ost an das Reichsfinanzministerium am 20. Juli 1923 "[...] auf die mit Ihnen geführten Verhandlungen erklären wir uns hierdurch bereit auf umgehende Zusage das gesamt frühere Nahkampfmitteldepot Hembergen bei Münster in Westfalen wie folgt zu übernehmen:
Der Verkauf des gesamten Objektes erfolgt in dem Zustande wie es steht und liegt
Alle von Seiten der Inter Allied Controlkommission verlangten Umänderungen bzw. Umbauten des Lagers werden von uns ausgeführt, so daß alle Kosten, die hierdurch entstehen zu unseren Lasten gehen. Die Verhandlungen mit der Commission sind von uns ausschließlich zu führen
Der Kaufpreis beträgt zwölf Milliarden
Zahlung erfolgt vor Auflassung innerhalb vier Wochen nach Bestätigung des Vertrages
Wir verpflichten uns, dem Regierungspräsidenten von Münster in Westfalen weitgehendst von den vorhandenen bewohnbaren Räumlichkeiten zwecks Unterbringung von Ruhrflüchtlingen, die in unserem Betriebe beschäftigt werden sollen, zur Verfügung zu stellen
[...] wir haben einen Eisenbahnmaterialien-Verarbeitungsbetrieb auf dem Lager bereits errichtet, der nach unserem Bauprogramm nunmehr weiter ausgebaut werden soll
Wir benötigen hierzu sämtliche vorhandenen Einrichtungen nebst Gleisanlagen. Bisher haben wir für die Reichsbahndirektion Münster umfangreiche Verarbeitungen an Lokomotiven, Tendern und Waggons bereits vorgenommen. Zur Zeit sind über 300 Waggons in Verarbeitung, welche uns aus den Beständen der Reichsrücklieferungskommission zugewiesen wurden
[...] und hoffen daher, dass Sie den Kaufabschluss uns recht bald bestätigen."
Das LFA an das RFM am 30. Juli 1923: "Der Kaufvertrag ist als Entwurf beigefügt. Das in § 2 erwähnte Parzellenverzeichnis wird noch gefertigt und später dem Vertrage beigefügt werden. Von sofortiger Aufstellung dieses Verzeichnisses ist zunächst abgesehen, weil die aus der beigefügten Zusammenstellung ersichtlichen Parzellen z. Z. noch nicht im Grundbuch eingeschrieben sind." (Anmerkung: Es handelte sich um 8 Parzellen)
Wahrscheinlich handelt es sich hier um ein internes Schreiben innerhalb des Reichsfinanzministerium vom 7. August 1923 (Anmerkung: Absender und Empfänger sind auf dem Belege nicht mehr zu erkennen). Zweifellos gehört das frühere Nahkampfmitteldepot seinem Werte und seiner Bedeutung zu Siedlungszwecken nach an sich zu denjenigen Grundstücken, zu deren Veräußerung nach § 47 RHO die Zustimmung des Reichsrats und des Reichstags erforderlich ist. In Würdigung der in der gefl. Zuschrift angegebenen Gründe glaubt die Abteilung indes sich auch mit einem sofortigen Verkaufe einverstanden erklären zu sollen. Wegen des bei der Durchsicht der Aktenunterlagen gewonnenen, nicht gerade günstigen Eindrucks über die hier unbekannte Käuferin, die nach dem Berichte des Landesfinanzamtes Münster vom 1. Juni 1923 "in ihrer genugsam bekannten unlauteren Art die Bergbau-AG-Lothringen durch eine unrichtige Mitteilung von ihren Kaufabsichten auf das Lager abzubringen versucht hat und deren Schriftwechsel mit dem Landesfinanzamt und Reichsschatzministerium aus März und April 1923 über die Instandsetzung der Lagergleisanlagen und über die Räumung nicht ganz einwandfrei erscheint, wird aber vorausgesetzt, dass dort über die Integrität der Firma keine Zweifel bestehen. Auch kann um hinterher etwaigen Vorwürfen im Parlamente begegnen zu können, wegen der nach dem Votum R IV vom 27. Juli nur bedingt als ausreichend bezeichneten Kaufsumme von 12 Milliarden Mark und wegen der seit der Abgabe des Angebotes bis heute erheblich fortgeschrittenen Geldentwertung noch versucht werden müsse [...] die Zustimmung nur dann gegeben werden, wenn die Kaufsumme in Goldmark festgesetzt wird."
Wahrscheinlich aus obigem Hinweis, dass 12 Milliarden im Kaufvertrag als Kaufsumme nicht für ausreichend erachtet worden waren, wurde der Wert in Goldmark umgeschrieben.
Der Reichsfinanzminister teilte am 28. August 1923 mit, dass die Hauptverbindungsstelle der Heeresfriedenskommission von dem Vertrag zwischen der EHG-Ost und dem Reichfiskus in Kenntnis gesetzt worden ist.
Sie schrieb am 16. August 1923 dem Reichsfinanzminister: "Laut den im Kaufvertrag über das Hembergener Lager mit Ihnen am 9. August 1923 getroffenen Vereinbarungen werden wir die Anlagen des Hembergener Betriebes nunmehr umbauen. Da wir zu diesem Umbau ca. 5.000m noch brauchbare Eisenbahnschienen benötigen, bitten wir Sie höflichst, durch das Verkehrsministerium Berlin das Eisenbahn-Zentralamt dahingehend zu verständigen, dass die einzelnen Reichsbahndirektionen angewiesen werden, uns möglichst bevorzugt zu Konkurrenzpreisen diese Schienen zu überlassen. [...] dass wir diese Schienen dringendst benötigen, da ein großer Teil der jetzt in dem Lager eingebauten Schienen mit Rücksicht auf die notwendige Betriebssicherheit ausgewechselt werden muss [...] sollen weitere Ruhrflüchtlinge in unserem Betriebe untergebracht werden und bitten von möglichst großen Schienenbeständen, die der Eisenbahnfiskus abzugeben hat, an uns erwirken zu wollen."
Am 17. August 1923 gab das Reichsfinanzamt das Anliegen an das den Reichverkehrsminister weiter.
Mit gleichem Datum - 16. August 1923 - stellte die EHG beim Reichsfinanzamt einen weiteren Antrag: "[...] werden von uns vornehmlich Eisenbahnmaterialien verarbeitet. Da der Auftragsbestand, den wir haben, zunächst etwa noch vier Wochen eine Beschäftigung unserer Arbeiter zulässt und wir dringendst weitere Arbeiten suchen, bitten wir Sie, sowohl das Verkehrsministerium in Berlin, wie auch das Eisenbahnzentralamt und die geschäftführenden Reichbahndirektionen dahingehend zu verständigen, dass unserer Firma nach Möglichkeit bevorzugt Aufträge zugewiesen werden sollen, damit wir in der Lage bleiben, die in unserem Betriebe aufgenommenen Arbeiter weiter zu beschäftigen. Wir sind in unserem Hembergener Lager z.Z. eingerichtet auf umfangreiche Waggons- und Lokomotiv-Zerlegungen mit denen wir wie eingangs ausgeführt, unsere Arbeiter z.Z. noch beschäftigen. (Wilde)"
Die Commerz- und Privat-Bank in Hannover schrieb am 6. September 1923 per Eilboten an die Reichshauptkasse in Berlin: "Im Auftrag und für Rechnung der EHG-Ost übersenden wir in der Anlage den Scheck über 5.000 Pfund a/London mit der Bedingung, dass mit diesem Scheck gezahlt werden soll: der Kaufpreis von 100.000,-- Goldmark in englischen Pfunden, der nach dem Kaufvertrag vom 9. August 1923 dem Deutschen Reichsfiskus, vertreten durch den Reichsminister der Finanzen, seitens der obigen Gesellschaft zu zahlen ist, sowie, dass der Fiskus sich dieses Schecks nur bedienen darf, sobald die Auflassung der in genanntem Kaufvertrag vom 9. August 1923 aufgeführten Grundstücke auf die EHG-Ost eingetragen ist."
Das Landesfinanzamt trat am 20. September 1923 an die Reichskasse Berlin heran: "Vom Reichsminister der Finanzen ist mir eine dortseits am 7. September 1923 ausgestellte Quittung über 5.000 englische Pfund, eingegangen von der EHG-Ost, zugesandt worden. Dieser Geldbetrag stellt das Kaufgeld für das an die genannte Gesellschaft käuflich abgetretene ehemalige Nahkampfmitteldepot Hembergen dar. Ich bitte mir mitzuteilen:
Ob die Quittung etwa dem Einzahler - der EHG-Ost - ausgehändigt werden soll
Mit welchem Papiermarkbetrage die 5.000 englische Pfund dort zu Buch gebracht wurden.
Dieser Betrag ist der Oberfinanzkasse in Münster gutzuschreiben, da diese Kasse mit Anweisung zur rechnungsmäßigen Vereinnahmung des Betrages versehen werden wird."
Die EHG-Ost an das Reichsfinanzministerium am 23. Oktober 1923: "Wir teilen ihnen mit, dass nunmehr die Eintragung des Hembergener Grundbesitzes erfolgt ist. Nach § 3 des Vertrages ist der Kaufpreis entweder in englischen Pfunden oder in Reichsmark, umgerechnet zum amtlichen Berliner Mittelkurse, wobei 1 engl. Pfund - 20 Goldmark sind, zu zahlen.
Wir bitten um Anweisung an die Reichshauptkasse, dass sie den entsprechenden Reichsmarkbetrag gegen Aushändigung des unsererseits hinterlegten, inzwischen abgelaufenen Pfundschecks in Zahlung nimmt. Wie vereinbart, werden wir Ihnen unsere Umrechung der Pfunde in Reichsmark zur Genehmigung vorlegen."
Erneut die EHG-Ost an das Reichsfinanzministerium - und nun wurde sie ganz konkret - am 25. Oktober 1923: "Wir nehmen Bezug auf unser Schreiben vom 23. Oktober 1923 und geben Ihnen nachfolgend wie vereinbart laut § 3 des Vertrages die Umrechnung auf: Die Eintragung in das Grundbuch erfolgte laut uns nunmehr zugegangener Nachricht am 19. Oktober 1923. Der amtliche Berliner Briefkurs beträgt für das Pfund -
(In Worten: Zweihundertneunundsechzig Billionen, dreihundertfünfundzwanzig Milliarden Mark). Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt für das Jahr 2005 hatte Gesamtausgaben von 254,3 Milliarden Euro, das sind rein zahlenmäßig von obiger Summe: 0,0943%!
Wir bitten nunmehr die Reichshauptkasse anzuweisen, uns den von der Commerz- und Privatbank hinterlegten Pfundscheck gegen Übergabe dieses Betrages im Scheck der Commerz- und Privatbank gefälligst auszuhändigen.
Zusammenfassung | Wert |
Herstellungswert des Depots | 11,3 Millionen Mark |
Sollwert (Nachkriegswert) siehe weiter unten) | 1,7 M i l l i o n e n G o l d m a r k |
Kaufpreis in Reichsmark (1. Version) | 12 Milliarden Reichsmark |
Kaufpreis-Angebot EHG (2. Version) | 40.000 Goldmark |
Kaufpreis in Goldmark (3. Version) | 100.000 Goldmark |
Bezahlt in Reichsmark (Inflationsgeld) | ? (269,3 Billionen Reichsmark) |
Der Rechnungshof des Deutschen Reiches Nr. V 790 Potsdam, den 1. Mai 1924, forderte den Präsidenten des Landesfinanzamtes in Münster auf: "Aus Anlass der örtlichen Prüfung der Rechnungsunterlagen für 1923 ist folgendes zu bemerken: Während des Krieges ist in der Gemarkung 1. der Ems das Nahkampfmitteldepot Hembergen errichtet. Die Grundstücke sind seiner Zeit auf Grund des Gesetzes über die Kriegsleistungen in Anspruch genommen.
Da nach Beendigung des Krieges eine Einigung mit den Eigentümern nicht erzielt werden konnte, genehmigte der Reichsschatzminister durch Verfügung vom 20. Januar 1920 II/1737.20 den Erwerb der Grundstücke.
Das Depot umfasst eine Fläche von 153ha 05a 57qm. Der Kaufpreis für die Grundstücke hat rd. 1,25 Millionen Mark betragen. Von diesem Gelände sind 142 ha mit darauf befindlichen Gebäuden - ausschließlich elektrische Leitungen - im August 1923 an die EHG-Ost zum Preise von 100.000 Goldmark verkauft.
Unter Berücksichtigung der Grunderwerbskosten, der Kosten für die Gebäude und für die sonstigen Aufwendungen ist eingehend zu erörtern, ob der Verkauf des Geländes mit darauf befindlichen Gebäuden bei der Geldentwertung als im Reichsinteresse liegend angesehen werden kann.
Der Präsident des Landesfinanzamtes am 17. Mai 1924 an das Reichsfinanzministerium: "[...] da die Verkaufsverhandlungen mit der EHG-Ost dort geführt und auch der Vertrag unmittelbar von dort abgeschlossen ist, bitte ich um Entscheidung, in welcher Weise ich die Erinnerung (vom Rechungshof) beantworten soll. [...] Größe der Grundstücke wird wie folgt erläutert:
Angekauft sind | 149ha 48a 68qm |
Dazu in die einzelnen Depots eingezogenen Wegeparzellen | 3ha 56a 89qm |
153ha 05a 57qm |
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Davon sind besonders verkauftan die Reichsbahn (Genehmigung v. 10. August 1923) | 0ha 19a 12qm |
an Ansmann und Gerling (Genehm. v. 21. Juni 1923) | 3ha 25a 06qm |
an Landwirt Westerode (Genehmigung v. 8. Dezember 1922) | 0ha 27a 52qm |
Unentgeltlich an die Interessengemeinschaft des Reckenfeldes | |
zur Anlegung neuer Wege anstelle der in die Depots eingezogenen Wege abgetretenen | |
(Genehmigung vom 25. August 1923) | 7ha 15a 87qm |
Bleiben an die EHG-Ost verkauft | 142ha 18a 00qm |
Das Reichsfinanzministerium an den Präsidenten des Landesfinanzamtes am 3. Juni 1924: "Betr. Erinnerung des Rechnungshofes wegen des Verkaufs des Nahkampfmitteldepot Hembergen. "Zu oben genannter Erinnerung ersuche ich, zumal der Verkauf selbst den dortigen Vorschlägen entsprach und der hier erzielte Kaufpreis die von dort vorgelegten Angebote überstieg, dort zu beantworten. Im einzelnen wird u.a. folgendes auszuführen sein: Der Verkauf musste erfolgen, weil
Die IMKK die Zerstörung des Depots verlangte und sich überdies auf den Standpunkt stellte, dass es durch die Reichskommission zu verwenden sei
die Gebäude größtenteils unfertig waren und zu verfallen drohten, ein Ausbau durch das Reich selbst war ausgeschlossen
infolge des Ruhreinfalls die volkswirtschaftliche Verwendung des Depots zu industriellen und Wohnzwecken infolge des Drängens der Reichsbahndirektion Münster, des Regierungspräsidenten Münster und des Amtes Greven nicht länger aufgeschoben werden konnte.
Die erfolgte Verwertung entsprach auch den Absichten der Landesverteidigung. Trotz der Bemühungen des Reichsverbandes der deutschen Industrie der um Vermittlung gebeten war, und die Industriealisierung von Siedlungsverbänden hatten sich um das Depot nur drei Reflektanten beworben. Der Grund der geringen Nachfrage ist einmal darin zu führen, dass das Depot lediglich für bestimmte reine militärische Zwecke gebaut, so dass es für industrielle Zwecke ohne Umbau hierfür oder gar nicht verwendbar und für Siedlungszwecke ebenfalls nicht geeignet war. Außerdem kam noch das Risiko infolge der Stellungnahme der IMKK hinzu.
Der vereinbarte Kaufpreis konnte daher nur auf Grund schwierigster Verhandlungen erzielt werden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Käuferin in dem Vertrag folgende Verpflichtungen übernommen hat:
Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer sind ausgeschlossen insbesondere für Mängel, die durch Einwirkung der IMKK entstehen
Die Käuferin verpflichtet sich, das Depot nebst den brauchbaren Gleisanlagen industriell unter Beschäftigung einer möglichst großen Arbeiterzahl zu verwerten. Die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung berechtigt den Verkäufer zum Rücktritt vom Vertrage
Die Käuferin verpflichtet sich, die vorhandenen und hierzu geeigneten Gebäude, soweit sie für einzurichtende Betriebe nicht verwendbar sind bzw. nicht gebraucht werden, zu Wohnzwecken einzurichten und in Verbindung mit dem Regierungspräsidenten zu Münster als dem Leiter der Ruhrflüchtlingsfürsorge möglichst Ruhrflüchtlinge dort unterzubringen und zu beschäftigen.
Ergänzung auf Grund der dortigen Kenntnis des Verhältnisses wird anheim gestellt. Pieszczek."
Das Reichsministerium (Liegenschaftsverwaltung Abt. I H) an Abt. IV am 18. Oktober 1924: (Anmerkung: Abteilung IV muss wohl Abt. I aufgefordert haben, Stellung zu der 100.000-Goldmark-Kaufsumme zu nehmen)
"[...] der schleunige Verkauf des ehemaligen Nahkampfmitteldepots für industrielle Zwecke erforderlich war [...] nahmen an ihm lediglich der sogenannten Lothringen-Konzern und die jetzige Eigentümerin, die es bereits zu industrielle Zwecken ermietet hatte, Interesse. Der Konzern bot einen Betrag, der völlig unannehmbar war und die jetzige Eigentümerin 12 Milliarden in Papiermark, und als sie zu einem Goldangebot aufgefordert wurde, 40.000 Goldmark. Dieses Angebot ist dann in zweitägigen Verhandlungen, die abwechselnd von dem zuständigen Referenten und dem Dirigenten - Geh. Rat Dr. Weissmüller in Vertretung - geführt wurden, auf 100.000 Goldmark heraufgeschraubt worden. Eine weitere Erhöhung erwies sich als unmöglich. Da das Angebot vom 20. Juli 1923 in Papiermark und mit Rücksicht auf den zu erwartenden weiteren Niedergang der Mark abzusehen war, dürfte von einer Ermäßigung des Angebots nicht gesprochen werden können.
Eine weitere Beteiligung der dortigen Abteilung, nachdem sie zu der Verwertung bereits Stellung genommen hatte, hätte nur in Form der Teilnahme an den mündlichen Verhandlungen erfolgen können. Eine solche Beteiligung, gegen die ich schon zur Vermeidung eines zeitraubenden Schriftwechsels, wie des vorliegenden, keine Bedenken habe, wenn ich auch die Endentscheidung über den Verkauf, da dieser lediglich Verwaltungsangelegenheit sein dürfte, mir vorbehalten muss, ist aber in Fällen wie dem vorstehenden mit Rücksicht auf die Unterbringung der beiden Abteilungen in verschiedenen Gebäuden mit Schwierigkeiten verbunden und, wenn die dortige Abteilung zu einem anderen Reichsministerium übertreten sollte, ausgeschlossen!!
Was den Ausbau von Gleisen betrifft, so erfolgt er auf Grund der Forderungen der IMKK, also gemäß § 1 Abs. 2 des Vertrages. Die Käuferin ist hier vorstellig geworden, um in den Depots der R.G.G. Getreide einlagern zu lassen. Die Besprechungen mit den beteiligten Ressorts haben aber zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt.
Genaue Angaben können aus bestimmten Gründen nur mündlich gemacht werden, wozu der zuständige Referent jederzeit zur Verfügung steht."
Der Rechnungshof des Deutschen Reiches, Potsdam, den 6. Februar 1925 trat erneut an den Reichsminister der Finanzen heran: "Betrifft: Ankauf des Nahkampfmitteldepots Hembergen: "Während des Krieges 1917/1918 wurde eine Fläche von 152ha 05ar 57qm gebaut. Da nach Beendigung des Krieges mit den Eigentümern der Grundstücke eine Einigung nicht erzielt werden konnte, genehmigte der Reichsschatzminister durch Verfügung vom 20. Januar 1920 II/1737.20 den Erwerb der Grundstücke. Gelegentlich der örtlichen Prüfung wurde bei Durchsicht des Reichsgrundbesitzverzeichnisses festgestellt, dass der obige Grundbesitz damals noch nicht in beregten Verzeichnis nachgewiesen wurde, und dass von dem Gelände eine Fläche von rd. 142 ha mit allen Auf - und Einbauten, Gleis- und sonstigen Anlagen, alles wie es steht und liegt, sowie mit allen aufstehenden Holzbeständen durch Vertrag vom 9. August 1923 zwischen dem Reichminister der Finanzen und Eisenhandelsgesellschaft Ost, GmbH, Berlin zum Preise von 100.000 Goldmark in den Besitz dieser Gesellschaft übergegangen ist. Durch die von der Baugruppe des Landesfinanzamtes Münster am 23. März 1923 vorgenommenen Werteermittlung sind nachstehend aufgeführte Nutzungs- bzw. Abbruchwerte ermittelt worden und zwar:
Nutzungswert | Abbruchwert |
|
Papiermark |
Papiermark |
|
Geländewert (3-fache der Gestehg.Kosten 17/18) | 4.000.000 |
4.000.000 |
Holzung | 129.000.000 |
129.000.000 |
Depot A Bauanlagen ohne Gleise | 1.314.000.000 |
117.000.000 |
Depot B Bauanlagen ohne Gleise | 1.175.000.000 |
90.000.000 |
Depot C Bauanlagen ohne Gleise | 836.000.000 |
66.000.000 |
Depot D Bauanlagen ohne Gleise | 1.087.000.000 |
89.000.000 |
Abstellbahnhof | 44.000.000 |
6.000.000 |
Betriebsblock | 1.033.000.000 |
149.000.000 |
Gleisanlagen | 2.850.000.000 |
2.125.000.000 |
Nach dem Nutzungswert | 1.702.553,12 Goldmark | |
Nach dem Abbruchwert | 557.664,00 Goldmark. |
Verkauft ist dieses aus fünf Komplexen bestehende Gelände nach § 9 des vorgenannten Vertrages zu einem Kaufpreis von 100.000 Goldmark.
Dem Umstande, dass die gesamte Anlage für rein militärische Zwecke geschaffen und daher für industrielle Unternehmen ohne Umbau schwer wird, verwendet werden könnte, ist bei der am 26. März 1923 aufgestellten Werteermittlung insofern Rechnung getragen, als nicht der gemeine Marktwert, sondern der derzeitige Nutzungswert und Abbruchwert in Papiermark ermittelt worden sind.
In Anbetracht der vorstehenden Berechnungsart muss der Verkaufspreis mit 100.000 GM auch unter Berücksichtigung der von der Käuferin übernommenen Verpflichtungen - als recht niedrig bezeichnet werden.
Der Rechnungshof kann bei dieser Sachlage im Hinblick auf § 96 Ziffer 3 der RHO den Nachweis nicht entbehren, dass bei der Veräußerung der fraglichen Anlage mit der gebotenen Wirtschaftlichkeit verfahren wurde, die im Interesse der Reichskasse erforderlich ist.
Sie werden gebeten, in einer Nachprüfung dieser Angelegenheit einzutreten und dem Rechnungshof von dem Ergebnis möglichst bald Kenntnis zu geben. Saemisch."
Der Reichsminister der Finanzen am 11. April 1925 an den Rechnungshof des Deutschen Reiches in Potsdam zu dortiger Nummer V 493 vom 6. Februar 1925 (Auszüge): "Das ehemalige Nahkampfmitteldepot Hembergen war mit Genehmigung der IMKK bis 31. Dezember 1923 an die DAG zur vorübergehenden Lagerung von Sprengstoffen vermietet. Der Versuch, die für das Reich entbehrliche Anlage zu verkaufen. Wobei die Vermittlung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie in Anspruch genommen worden ist, haben zu einem voll befriedigenden Ergebnis nicht geführt. Von den wenigen Reflektanten hatte der Hentschel-Lothringen-Essener-Steinkohlenkonzern zunächst ein einigermaßen annehmbares Gebot 28. Juni 1923 mit 3,5 Milliarden Papiermark abgegeben. [...] Infolgedessen wurde der EHG-Ost der Zuschlag zu ihrem Angebotspreis von 100.000 Goldmark, zahlbar in Devisen (5.000 Pfund Sterling) gegeben und am 9. August 1923 der Kaufvertrag beurkundet. [...] Bei der Beurteilung des Kaufvertrages ist zunächst zu beachten, dass der Verkauf bald erfolgen musste, weil die IMKK die Zerstörung des Depots verlangte. Sollten die Werte der Reichskasse noch einigermaßen erhalten werden, so war beschleunigte Entschließung notwendig. Ferner waren die Gebäude größtenteils unfertig und die ganze Anlage überhaupt in schlechtem Zustande, der sich naturgemäß mit fortschreitenden Zeit auch durch unvermeidliche Diebstähle usw. immer mehr verschlimmerte.
Zur Beurteilung der Höhe des gezahlten Kaufpreises, der nur auf Grund schwierigster Verhandlungen hat erzielt werden können, ist es aber vor allem unerlässlich, die weiteren Verpflichtungen zu berücksichtigen, die die Käuferin in dem Vertrag vom 9. August 1923 übernommen hat:
Welche Forderungen die IMKK stellen würde [...] war damals noch gar nicht zu übersehen. Die Käuferin musste damit rechnen, dass u.U. die Zerstörung der ganzen Anlage verlangt würde.
Gleichwohl übernahm die Käuferin die Verpflichtung, dass Depot nebst den Gleisanlagen alsbald industriell unter Beschäftigung einer möglichst großen Arbeiterzahl zu verwerten.
Die Käuferin verpflichtete sich, die Gebäude, soweit sie für den einzurichtenden Betrieb nicht verwendbar waren, zu Wohnzwecken einzurichten [...] und zur Verfügung zu stellen.
[...] Die Anlage ist ohne Rücksicht auf den Kostenpunkt lediglich für einen ganz speziellen militärischen Zweck eingerichtet worden. Ein Ausbau der zahlreichen meist kleinen zerstreut liegenden ganz leicht gebauter Häuser als Schuppen, die vielfach kaum mehr einen Abbruchwert besitzen, erscheint unwirtschaftlich.
Der Gutachter, der ausdrücklich auf die damals herrschende allgemeine Geschäftsflauheit als hinderlich für den Verkauf ansieht, spricht der Anlage einen gemeinen oder Marktwert ab, so dass sich ihr Wert für den Verkäufer vielmehr ausschließlich nach dessen persönlichen Bedarf richtet. Der Gutachter hat einen theoretischen Nutzungswert von rd. 8,5 Milliarden Papiermark angenommen, diesen Wert aber selbst unerreichbar genannt und den mit rd. 2,77 Milliarden Papiermark ermittelten Abbruchwert als die unterste Grenze des Erreichbaren bezeichnet.
Demgegenüber muss hervorgehoben werden, dass der von der EHG-Ost gebotenen Preis von 100.000 Goldmark, zahlbar in Devisen, für damalige Zeitverhältnisse eine außerordentlich hohe Summe darstellte. Es geht nicht an, den im März 1923 bauamtlich geschätzten Mindestwert von 2,77 Milliarden Papiermark nach dem damaligen Dollarstand in Goldmark umzurechnen und dieser Summe - rd. ½ Million Goldmark - den im Spätherbst 1923 mit 100.000 Goldmark in Devisen in Devisen bar ausgezahlten Kaufpreis gegenüberzustellen. [...] Die Gesellschaft hat später glaubhaft gemacht, dass sie das 10-fache des von ihr in den Hembergener Anlagen investierten Kapitals hätte verdienen können, wenn sie sich nicht damals gerade auf diese missglückte Spekulation eingelassen hätte.
[...] es ist zu berücksichtigen, dass die IMKK der Gesellschaft dauernd die größten Schwierigkeiten bei der Verwertung der Anlagen gemacht und zuletzt den Ausbau sämtlicher Eisenbahngleise und den Umbau der Gebäude zu Wohnzwecken, jedenfalls aber eine Änderung ihres jetzigen Charakters als Depoträume verlangt hat.
Die EHG-Ost hat dem Drängen der IMKK nachgeben müssen und ist zu Verkauf der Gleisanlagen geschritten. Der hierbei erzielte und noch zu erzielende Erlös wird vielleicht dem gezahlten Kaufpreis gleichkommen. Andererseits hat die Gesellschaft nach ihren Angaben in dem verflossenen Jahr ganz erhebliche Aufwendungen für die Instandhaltung der Gebäude und insbesondere der Ausbesserung der Gleise, die teilweise ohne richtigen Unterbau verlegt waren, so dass Rangierlokomotiven wiederholt bei Befahren umgestürzt sind, machen müssen.
Auch die Bewachung der Anlage verursacht große Kosten. [...] Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass ein Rücktritt vom Vertrage nicht gerechtfertigt wäre, weil die Nichteinhaltung des Versprechens der industriellen Ausnutzung der Anlagen nicht auf ein Verschulden der Gesellschaft, sondern in der Hauptsache auf die durch die IMKK gestellten Anforderungen zurückzuführen ist.
[...] bin ich in Verhandlungen mit der Gesellschaft wegen nachträglicher Änderungen des Vertrages zum Vorteil der Reichskasse eingetreten. Die Gesellschaft hat hierbei, obwohl sie durch die Rechtslage hierzu u.E. nicht genötigt war, anerkennenswertes Entgegenkommen bewiesen.
Ich habe mich in dem Nachtragsvertrag verpflichtet, die Gesellschaft bei der Verwertung der Grundstücke nach Möglichkeit zu unterstützen.
Aus den vorstehenden Ausführungen dürfte hervorgehen, dass bei Verkauf der Hembergener Anlagen mit der gebotenen Sorgfalt verfahren worden ist und dass die Interessen der Reichskasse in den Grenzen des Möglichen durchaus gewahrt worden sind."
Vor dem Ministerialrat Dr. Fischbach, zur Beurkundung durch das Reichsfinanzministerium bestellt, wird zwischen dem Deutschen Reichsfiskus (Reichsfinanzverwaltung) vertreten durch den Herrn Reichsminister der Finanzen - Geheime Regierungsrat Hermann Worbs - und der Eisenhandelsgesellschaft Ost G.m.b.H., (EHG-Ost) Berlin, - der Prokurist Ernst Wilde - folgender Vertrag geschlossen:
"[...] ist am 9. August 1923 ein Vertrag geschlossen über den Verkauf des ehemaligen Nahkampfmitteldepots in Hembergen. Die IMKK hat in der Zwischenzeit derartige Forderungen betreffend Zerstörung dieser Anlagen gestellt, dass beide Parteien eine Ergänzung zu obigen Vertrag für erforderlich erachten. Sie treffen daher heute in Ergänzung des Vertrages vom 9. August 1923 nachfolgende Vereinbarung:
(Es folgen Auszüge aus dem Vertrag vom 24. Februar 1925)Der Reichsfiskus erkennt an, dass die EHG-Ost bemüht gewesen ist, den Vertrag vom 9. August 1923 in allen Punkten zu erfüllen. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die im § 9 des Kaufvertrages vorgesehene industrielle Ausnutzung nur insoweit noch durchgeführt werden kann, wie dies im Hinblick auf die Maßnahmen der IMKK, nachdem namentlich die Gleise größtenteils ausgebaut werden müssen, noch möglich ist. Dies vorausgeschickt verzichtet der Reichsfiskus auf ein ihm zustehendes Recht auf Rücktritt aus dem §9 des Vertrages vom 9. August 1923.
Im §10 des Kaufvertrages ist vorgesehen, dass Wohnungen für Ruhrflüchtlinge bereitzustellen seien. Diese Verpflichtung ist gegenstandslos geworden und wird daher aufgehoben.
[...] Die EHG-Ost führt Verkaufsverhandlungen über Grundstücke und Gebäude selbständig. Das Landesfinanzamt ist von dem geschlossenen Verkauf zu verständigen, und innerhalb von 14 Tagen hat das zuständige Landesfinanzamt zu erklären, ob sie die Zustimmung geben wird oder nicht.
Die Beteiligungsquote des Reichsfiskus bei dem Verkauf von Grundstücken beträgt 20% des Nettogewinnes der EHG-Ost. Derselbe wird wie folgt berechnet: Der Gesamtwert der jeweilig verkauften Grundstücke ergibt sich aus der Notariatsverhandlung über die Verkäufe. Von dieser Summe werden in Abzug gebracht:
Der laut Vertrag vom 9. August 1923 von EHG-Ost gezahlte Betrag für die verkauften Parzellen. Derselbe wird von der Katasterbehörde festgestellt, da die EHG-Ost seiner Zeit ein Pauschalbetrag für die gesamten Anlagen gezahlt hat. Hierdurch wird der Grundpreis für jeden qm festgelegt.
Sämtliche von der EHG-Ost bisher für die verkauften Parzellen gemachten Aufwendungen und Unkosten, soweit solche zur Verbesserung der Substanz durchgeführt wurden.
Sämtliche bei dem Verkauf sich ergebenden Unkosten, Abgaben und Steuern [...] von der verbleibenden Summe, dem Nettonutzen, wird der Reichsfiskus mit 20% beteiligt.
Bezüglich der noch vorhandenen Gleisanlagen wird vereinbart, dass die EHG-Ost im Falle der weitern Veräußerung von Gleisen (Eisenmaterial) ohne den zugehörigen Grund und Boden einen Anteil von 10% des Verkaufserlöses an den Reichsfiskus zahlt.
Der vorherigen Einholung der Genehmigung zu Verkäufen entsprechend § 3 und § 4 dieses Vertrages bedarf es bei Schienenverkäufen nicht. Der Nachweis des erzielten Kaufpreises ist bei der Abrechnung von Gleisverkäufen zu führen.
Als Gegenleistung für die Gewinnbeteiligung verpflichtet sich der Reichsfiskus, der EHG-Ost bei Verkäufen zu unterstützen.
Diese Vereinbarungen über die Beteiligung des Reichsfiskus sind gültig für sämtliche Verkäufe, welche die EHG-Ost nach dem 1. Februar 1925 bis zum 1. Februar 1936, abschließt.
Als Sicherheit für die sämtlichen Ansprüche aus diesem Vertage bewilligt die Gesellschaft dem Reichfiskus eine Sicherheitshypothek in Höhe von 50.000,-- Reichmark. Diese Sicherheitshypothek wird auf die Grundstücke und Gebäude der Gesellschaft eingetragen [...] sie liegen nördlich der chaussierten Straße, abgehend vom Abstellbahnhof in Richtung Emsdetten. Es handelt sich um die im Grundbuch verzeichneten Parzellen 976/210, 969/209, 969/210, 1059/209, 1060/210.
Auf diesen bezeichneten Parzellen befinden sich an Gebäuden:
das zweistöckige Hauptverwaltungsgebäude
das frühere Wachgebäude
ein bewohntes einstöckiges Gebäude
ein Wasserbehälter. [...] es wird angenommen, dass das zum Verkauf in Frage kommende Gelände noch 100ha groß ist.
Berlin, den 24. Februar 1925.
"Auf Ihr Schreiben vom 26. Februar 1925 [...] dass wir nach eingehender Prüfung der räumlichen und bautechnischen Voraussetzungen in Hembergen leider zwangsläufig zu der Meinung gekommen sind, dass die vorhandenen Schuppen nur durch erhebliche Aufwendungen wärme- und wohnwirtschaftlich befriedigend gestaltet werden können. Voraussichtlich würden die fertiggestellten Häuser um nichts billiger sein als völlige Neubauten, aber in Aufstellung und äußerer Gestalt weniger günstig. Aus diesen Gründen heraus sind wir zur Zeit nicht in der Lage, dem Ankauf der beiden Lager näherzutreten, zumal es sich bei dem Lager Hembergen um ein ehemaliges Nahkampfmitteldepot handelt, dessen Wohnungen nur an entfernt wohnende Arbeiter, Angestellte pp. vermietet oder verkauft werden können", das teilte die Westfälische Heimstätte GmbH, Münster, der EHG am 25. März 1925 mit.
Noch im selben Jahre wurden die ersten Musterhäuser von der EHG als Bauträger erstellt, zum Teil mit staatlicher Unterstützung.
Zum Abschluß nochmals der Rechnungshof des Deutschen Reiches am 18. Mai 1925 mit einem Schreiben an den Reichsminister als Antwort vom 11. April 1925: "[...] Die außerordentlich wertvolle Gleisanlage, die Holzbestände und er sehr gering berechnete Grundstückswert ließen es vielmehr geboten erscheinen, den Verkaufspreis (100.000 Goldmark) als recht gering anzusehen. [...] Nachdem jedoch einerseits die von der IMKK gestellten Anforderungen auf Zerstörung der Anlagen das Vorhaben der EHG-Ost recht ungünstig beeinflusst und der Gesellschaft auch wesentliche Kosten verursacht haben, andererseits aber die Gesellschaft durch den neuen Vertrag vom 24. Februar 1925 dem Reichsfiskus durch Beteiligung am Gewinn hinsichtlich der Veräußerung von Gleisen und dem Verkauf von Grundstücken wesentlich entgegengekommen ist, sehen wir - auch mit Rücksicht auf die sonstigen Ausführungen des dortigen Schreibens - von der Weiterverfolgung der Angelegenheit ab. Saemisch."
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