Diese spannende Frage kann aus meiner Sicht nicht eindeutig beantwortet werden. Es fehlen, um genaue Aussagen machen zu können, die notwendigen Dokumente. Dennoch können ungefähre Angaben gemacht werden.
Es haben sich schon andere Autoren mit dieser Frage beschäftigt und sich auf Zahlen festgelegt: So schreibt im September 1928 Rudolf Baehr in den ‚Reckenfelder Mitteilungen': "[...] mein Begleiter führte uns von einem Depot zum anderen, so daß ich über die Größe des Geländekomplexes sehr erstaunt war. Es mag schon wahr sein, daß hier zur Kriegszeit 3.000 Gefangene und 2.000 deutsche Soldaten in den Munitionslagern beschäftigt gewesen sind. Wie würden die armen Gefangenen und auch die deutschen Soldaten, die das Kriegsschicksal hierher geführt, diese Depots mit ihren mörderischen Munitionslagern noch weit mehr als Stätten des Grauens empfunden haben, wenn nicht die herrlichen Waldungen gewesen wären. Im Winter die großen Kiefern und Tannen und im Sommer der frische grüne Wald von Fichten, Birken, Eichen, Buchen, Erlen usw. Der lustige Gesang der Vögel, der Blick in das immer frische Grün des Waldes und der Wiesen, im Sommer die blühende Heide und der Erika und dazu die reine, würzige Luft werden den Soldaten ihr Schicksal weniger hart haben empfinden lassen [...]"
Zitat einer anderen Quelle aus dem Jahr 1998: "[...] Tausende von Soldaten kommen, und schaffen ein Munitionslager", entspricht ebenso nicht den wirklichen Verhältnissen. Meine Recherchen haben ergeben, daß
militärisches Personal aus Münster (wahrscheinlich) täglich bis zum Winter 1917/1918 bzw. Frühjahr 1918 hin und her gefahren wurde
Kriegsgefangene aus Münster - wahrscheinlich - bis Mai/Juni 1917 täglich hin und her gefahren wurden
Kriegsgefangene nach Fertigstellung des Depot-Gefangenen-Arbeitslagers von hier eingesetzt wurden (Anmerkung: Es wird angenommen, daß sowohl Kriegs- als auch Zivilgefangene hier zum Einsatz kamen).
Ausländische Arbeitskräfte eingestellt wurden
Zivilpersonen im Depot wohnten und arbeiteten
Zivilpersonen von außerhalb täglich per Fahrrad bzw. zu Fuß oder - so weit eine Verbindung bestand -, mit dem Zug aus Greven, Emsdetten, Rheine, Nordwalde und den Bauerschaften ihre Arbeitsstelle erreichten
Eine oder zwei Kompanien des Bataillons 409 ab Frühjahr 1918 im Depot stationiert waren und die zügige Fertigstellung des Depots maßgeblich beeinflussen
Frauen im Depot arbeiteten.
Es wurde auch sonntags (samstags sowieso) gearbeitet, und es wurde zeitweise in Schichten gearbeitet.
In einer so zusammengewürfelten Belegschaft war, wie das Beispiel zeigt, das Gefühl für Solidarität nicht mehr stark entwickelt. Viele der in die Rüstungsproduktion strömenden Arbeitskräfte besaßen weder eine Verbundenheit mit dem für sie fremden Betrieb noch eine Bindung an die gewerkschaftlichen Organisationen. Das machte sie zu einem unruhigen, für Unternehmer gleichermaßen schwer zu kontrollierenden Element. Es war kein Zufall, daß gerade diese Arbeiter besonders reizbar auf die sich verschlechternden Arbeits- und Lebensbedingungen reagierten und als erste dagegen zu rebellieren begannen.
Amtmann Hueske, Amt Greven, am 28. Juli 1917 an das Unternehmen Büscher & Sohn: " [...] daß die Verpflichtungen der hier vorhandenen Angestellten und Arbeiter einen Vormittag und auf Wunsch auch am Sonntag, den 5. August 1917, vormittags gegen 9½ Uhr erfolgen können. Die Verpflichtung der übrigen Personen kann nur erfolgen, sofern eine Bescheinigung der zuständigen Behörde vorliegt, daß sie Deutsche [...] und zuverlässig sind."
Im Allgemeinen Departement des Kriegsministeriums wurde im Jahr 1915 ein Referat (B5 (S)9) geschaffen, das die grundsätzliche Frage entscheiden mußte, ob Arbeit auf die Grundlage privatrechtlicher Verträge oder der militärdienstlichen Verpflichtungen gestellt werden sollte. Das Kriegsministerium entschied sich für die Aufrechterhaltung der freiwilligen Arbeitsform, solange dem Staat genügt wird. An der Freiwilligkeit wollte das Departement festhalten, solange nicht die Not den Zwang bedingt. Dementsprechend sollten Wehrpflichtige nicht zur Arbeit kommandiert, sondern entlassen und zurückgestellt oder beurlaubt werden. Es erging eine Anweisung an die Zensurstellen, von der öffentlichen Verbreitung von Anzeigen alle Gesuche nach Arbeitern auszuschließen. Bei der Arbeitsbeschaffung mußte es dem Kriegsministerium darauf ankommen, den Bedarf möglichst nicht aus Wehrpflichtigen zu decken, diese brauchte das Heer.
Das Kriegsamt in Berlin verfügte am 16. November 1916: "Facharbeiter dürfen den für die Kriegsversorgung arbeitenden Betrieben - vorläufig - nur durch Ausheben entzogen werden, wenn der Arbeitgeber nach seiner Angabe ohne Schädigung des Betriebes darauf verzichten kann," um im Juli 1917 die gemachte Verfügung wieder einzusammeln: "Das Kriegsamt muß [...] mit aller Schärfe das Auskämmen der Facharbeiter in dem beabsichtigten Umfang durchführen!" Beauftragt wurden mit dieser Auskämmung die stellvertretenden Generalkommandos. Für den Depotbau befand sich die zuständige Stelle in Münster. Verfügt wurde auch: "Falls das stellvertretende Generalkommando eine Überweisung von Arbeitskräften nicht vornehmen kann, ist umgehende Fühlungnahme mit den Nachbarkorps angezeigt."
Im Frühjahr und Sommer 1918 verlangte die OHL gebieterisch Ersatzmannschaften, Kriegsgerät und Munition, Munition und nochmals Munition! Auf der anderen Seite rief die Unternehmerschaft nach Arbeitern, besonders fachlich ausgebildeten! Dazu kamen die zahllosen Zurückstellungsgesuche aus politischen Gründen.
Das zur Verjüngung der Front angeordnete Tauschverfahren der jüngeren Arbeiter aus der Heimat mit den alten Familienvätern an der Front konnte nur zum Teil zur Entfaltung kommen, weil die Leute an beiden Stellen zur gleichen Zeit benötigt wurden.
Die Unternehmen griffen aufgrund der Lage zu einem probaten Mittel, in dem sie den Militärbehörden mitteilten, daß ihr Auftrag - z.B. der Depotbau - nicht ausgeführt werden kann, wenn die angeforderten Personen nicht zurückgestellt werden! Die Beschwerden der Unternehmen schienen ‚oben' angekommen zu sein, denn der Minister für Handel und Gewerbe schrieb an die Gewerbeinspektionen in einer Verfügung: "[...] jede Zurückstellung eines Wehrpflichtigen ist eine Schwächung unserer Wehrkraft [...] andererseits aber erfordert die Sorge um die rechtzeitige Herstellung und Lieferung des fortlaufend erforderlichen unmittelbaren und mittelbaren Kriegsbedarfs, daß der einschlägigen Industrie nicht ihre notwendigen und anderweitig unersetzlichen Facharbeitskräfte durch Einziehung zum Heeresdienste genommen werden, und sie dadurch an der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gehindert wird."
An anderer Stelle heißt es: "[...] das Fehl an qualifizierten Facharbeitern infolge zahlreicher Einberufungen ist aber trotz des Einsatzes von Jugendlichen, Frauen und Kriegsgefangenen nicht vollständig zu ersetzen. Überstunden, Feiertags- und Wochenendschichten sind notwendig, um die Produktionsziele zu erreichen. Die Motivation für diese Zusatzbelastungen fördern viele Unternehmen durch die Verteilung von Sonderrationen und Nahrungsmittelvergünstigungen."
Sehr bald ergab sich die Notwendigkeit, die arbeitsfähigen Kriegsbeschädigten der Arbeit zuzuführen und ausländische Arbeiter, besonders Gefangene heranzuziehen. Bei der Beschäftigung von Ausländern verdienten die Einwohner besetzter feindlicher Landesteile den Vorzug vor neutralen Ausländern.
"Die ‚kv'-Leute (kriegsverwendungsfähig) aus Grenz- und Bahnschutz, Gefangenenbewachung und Militärverwaltung sind abzulösen," hieß es in einer Verfügung, und weiter: "Hilfsdienstpflichtige sind auch im Heere (Garnison, Arbeitsdienst, Schreiben, Burschen) [...] zu verwenden."
Die Heranziehung von Arbeitern aus den besetzten Gebieten, Beschäftigung garnisonsverwendungsfähiger (gv) Wehrpflichtiger wurde empfohlen. Die behördlichen Beschaffungsstellen und mobilen Kommandostellen waren vielfach in einem schwierigen Zwiespalt der Pflichten und Interessen.
Aufgabe der Eisenbahntruppen, die aus dienstpflichtigem Personal der Eisenbahnverwaltungen hervorgingen, war der Bau und Betrieb von Eisenbahnen.
Für die Beschäftigung von Kriegsgefangenen hieß es seitens des Kriegsministeriums: "[...] die Gefangenen sind zu weiterer Ausdehnung ihrer Heranziehung zu ermutigen. [...] Die Bedingungen der Gefangenenbeschäftigung müssen durchweg so gehalten sein, daß sie die Unternehmer nicht von ihrer Verwendung abschrecken. Um so leichter wird dann die Entziehung wehrpflichtiger Arbeiter vor sich gehen, besonders, da die Gefangenen nach den geltenden Grundsätzen nur mit ihrer Zustimmung beschäftigt werden, also ihre Verwendungsmöglichkeit den Beschränkungen des Artikels 6 der Haager Landkriegsordnung von 1907 nicht unterliegt."
Hierbei ging das Kriegsministerium von der Erwägung aus, "daß einer Verwendung von Gefangenen die Landkriegsordnung nicht entgegenstehe, daß vielmehr über den Artikel 6, der besagt, daß die Arbeiten in keiner Beziehung zu den Kriegsunternehmungen stehen dürfen [...]" Für den Bau des Depots bedeutete das, daß das Vorbereiten und Legen von Gleisanlagen sowie der Transport von Materialien für den Bau von Schuppen und der Gebäude sowie das Anlegen der Wege selbst keine Verstöße nach den Haager Konventionen darstellten.
Am 5. Januar 1916 schrieb Eichler (Referent von von Wrisberg) - unter geheim - ein Protokoll über eine Besprechung mit den Chefs der Generalstäbe der Generalkommandos. "[...] von den insgesamt etwa 1.150.000 Kriegsgefangenen, die in preußischen Gefangenenagern untergebracht sind, sind rund 800.000 in der Industrie, Landwirtschaft und Forstwirtschaft und rund 200.000 in der Etappe beschäftigt."
Das Kriegsministerium am 13. September 1916 - geheim - an Behörden und die Polizeiverwaltung Münster i. Westf.: "Bei Verwendung von Kriegsgefangenen in den Werken der Heeresverwaltung und sonstigen Betrieben wird es sich nicht vermeiden lassen, daß Kriegsgefangene insbesondere Dolmetscher, aber auch solche, die der deutschen Sprache mächtig sind, Gelegenheit finden, sich mit den betreffenden Verhältnissen eingehend vertraut zu machen. Es wurde deshalb für notwendig erachtet, von denjenigen Kriegsgefangenen, bei denen ein Verrat militärischer oder technischer Einrichtungen zu befürchten wäre, Photographie und Fingerabdruck herstellen zu lassen. Hoffmann."
In Münster waren die Kommandantur und die Gefangeneninspektion stationiert, die u.a. für das Kriegsgefangenenlager II zuständig waren. Der Einsatz und die Versorgung der Kriegsgefangenen-Arbeitskommandos wurden von hier koordiniert. Aus dem Lager II an der Rennbahn wurden die Gefangenen für das Nahkampfmitteldepot Hembergen zusammengestellt und mit der Eisenbahn zur Blockstation Hembergen gefahren.
Obwohl der Haltepunkt Hembergen erst am 15. September 1917 für den öffentlichen Personenverkehr geöffnet wurde, verkehrten wahrscheinlich je nach Bedarf Sonderzüge mit Gefangenen von Münster nach Hembergen hin und zurück bereits zu Beginn des Jahres 1917.
Die Eisenbahndirektion bzw. die Linienkommandantur werden auf Veranlassung der Intendantur des VII. A.K. bzw. der Gefangenen-Inspektion einen Sonderzug zwischen Münster und Emsdetten für die benötigten Arbeiter (Kriegsgefangene) eingelegt haben, der an vorbereiteter Stelle an der späteren Blockstelle Hembergen zum Aussteigen gehalten hat, desgleichen für die Rückfahrt.
Möglich wäre auch bei kleineren Gruppen von Kriegsgefangenen die Fahrt mit einem Regelzug im öffentlichen Verkehr zwischen Münster und Rheine und einem außerplanmäßigen Halt an einem vorbereiteten Notbahnsteig an der Blockstelle Hembergen, ebenso für die Rückfahrt. Bei kriegswichtigen Maßnahmen wie dem Depot Hembergen dürfte das sehr schnell möglich gewesen sein.
Beim Lager Rennbahn handelte es sich 1916 um ein internationales Lager mit Mannschaftsdienstgraden aus Frankreich, England, Rußland, Belgien, Italien, Portugal, Rumänien und Serbien. Die Zahl der Offiziere lag bei lediglich zwei Dutzend.
Auf Merkblättern (Herausgeber waren u.a. das Kriegsministerium und die Gefangenen-Inspektion des VII. A.K) wurden Bedingungen, die im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Kriegsgefangenen stehen, bekanntgegeben. Dabei wurde unterschieden, zwischen dem Einsatz von Kriegsgefangenen
in der Land- und Forstwirtschaft (auch gemeinnützigen Einrichtungen)
in der Industrie
in kriegswirtschaftlichen Betrieben (auch Handwerk, Gewerbe, Bergbau, Eisenbahn, Gemeinden u. anderen staatlichen Behörden).
Die Bedingungen unterschieden sich sowohl in den Leistungen, die die Arbeitgeber zu erbringen hatten (in der Ernährung und in der Bezahlung der Gefangenen), als auch in den Leistungen der Heeresverwaltung. Das Nahkampfmitteldepot Hembergen fiel unter den Begriff ‚kriegswirtschaftlicher Betrieb'.
Nur ein Teil der Gefangenen in Münster - zwischen 20 und 25 Prozent - lebte in den Lagern, der große Rest war zu Arbeitseinsätzen, sogenannten Kommandos, abgeordnet, denn die Arbeitskräfte wurden dringend benötigt. Einerseits stellten die ungefähr 90.000 Kriegsgefangenen in der Umgebung Münsters eine beträchtliche logistische Herausforderung dar: Ernährung, Kleidung, Transport, Verteilung von Paketen - das alles kostete Zeit und Geld und strapazierte die ohnehin angespannte Kriegswirtschaft. Andererseits versuchte man, die Gefangenen als Arbeitskräfte zu nutzen, um die an der Front kämpfenden Männer in der Heimat zu ersetzen.
Arbeitseinsätze boten den Gefangenen eine Gelegenheit, das Lager zu verlassen und sich etwas Geld zu verdienen. Dennoch schienen sie unbeliebt gewesen zu sein, da nur wenige das Lager als ‚sicheren Hafen' gegen die Ungewißheit des Kommenden eintauschen wollten. Zudem erwartete die Gefangenen oft schwere körperliche Arbeit und eine nicht immer dafür angemessene Verpflegung. Ein weiterer wichtiger Grund lag sicher in dem Unwillen, den Feind durch eigene Arbeitskraft zu unterstützen." (Anmerkung: Die Gefangenen werden beim Bau des Depots recht bald bemerkt haben, wofür sie diese Anlage mit errichten).
Je weiter der Krieg fortschritt, desto mehr wurden Kriegsgefangene in kriegswirtschaftlichen Unternehmen und Unternehmungen gebraucht. Deshalb schrieb die Inspektion des Gefangenenlagers in Münster an den Landrat in Münster am 25. Dezember 1917 "[...] der Einsatz von Kriegsgefangenen in der Landwirtschaft muß nach Beendigung der Ernte zurückgestellt werden, um die Kriegsgefangenen in den kriegswirtschaftlichen Betrieben und in der Rüstungsindustrie einsetzen zu können, denn hier werden sie dringend benötigt, da ein großer Mangel an Arbeitskräften herrscht. Jeder Kriegsgefangene in Arbeitskommandos in der Landwirtschaft ist nach Möglichkeit zurückzugeben! Gez. von Bitter."
Der tägliche Transport (Anmerkungen: Die Transportkosten (Eisenbahn) trug der Arbeitgeber. Es galt der Satz für Klasse IV 2Pf. für den Kilometer. Bei 30 und mehr Kriegsgefangenen 1,5 Pf., für tägliches Hin- und Zurückfahren war der Satz 1Pf./km. Folgende Preise gelten für den öffentlichen Personenverkehr):
der Gefangenen von Münster zum Depot Hembergen und wieder zurück wurde eingestellt, nachdem das Gefangenen-Arbeitslager im Depot fertiggestellt war. Das Arbeitslager bestand aus acht Baracken, drei davon waren reine Aufenthalts- und Schlafbaracken.
Klasse I
Klasse II
Klasse III
Klasse IV
Pf/km
Pf/km
Pf/km
Pf/km
ab 1907:
7,0
4,5
3,0
2,0
ab 1. April 1918:
9,0
5,7
3,7
2,4)
Ein Gefangenen-Arbeitslager vor Ort zu haben, hatte zwei wesentliche Vorteile: Zum einen fielen die Zeiten für die Transporte der Gefangenen weg - diese Zeit konnte für den Arbeitseinsatz genutzt werden - und zum zweiten, standen die Waggons und Lokomotiven für Transporte an die Front zur Verfügung.
Ein Zeitzeuge
"Viele Jahre standen 2 Militärspinte aus Holz vom Wachtpersonal aus dem Depot in Reckenfeld auf dem Boden in einem unserer Häuser. Eine große Tür rechts zum Hängen von Kleidungsstücken und links Fächer. Oben ein verschließbares Fach mit Blech ausgeschlagen. Auch war jeder Spint mit einem Vorhängeschloß abschließbar. Die Spinte waren aus Fichtenholz und das Fach mit dem Blech konnte für Lebensmittel genommen werden und war durch das Blech vor Mäusen gesichert. Nach vielen Jahren der Abwesenheit stellte sich auf dem Hof ein ehemaliger Arbeiter vor, der noch zu Großvaters (geboren 1866) Zeiten einige Zeit beschäftigt war. Er hatte mit Opa und Pferd und Wagen aus dem Depot die beiden Spinte geholt, und seit dieser Zeit standen sie auf dem Dachboden. Die Spinte gibt es nicht mehr - sie sind verfallen."
Es ist davon auszugehen, daß die Gefangenen, die einmal für das Arbeitslager im Depot Hembergen abkommandiert waren, auch dort blieben. Ein Austausch bzw. ein Nachschub von Gefangenen wird nur erfolgt sein bei Ausfall durch Krankheit oder wenn Gefangene entwichen waren.
Eine Art Rotationsprinzip ist für das Lager II in Münster nicht bekannt. Ein solches Verfahren wäre auch für die Deutschen nicht effizient gewesen, zumal die Kriegsgefangenen häufig hätten transportiert und zusätzlich immer wieder neu angelernt werden mußten.
Bevor die Arbeitskommandos zum Einsatz kamen, wurden sie im Stammlager in Münster entlaust und ärztlich untersucht. Die Kosten für ärztliche Untersuchungen und Behandlungen sowie für Arzneimittel waren vom Arbeitgeber zu übernehmen. Die Haare der Gefangenen waren kurz geschnitten, um die Ausbreitung von Ungeziefer zu unterbinden.
Das Kriegsministerium wies daraufhin, daß die Militärverwaltung keine Gewähr für Leistungen der Kriegsgefangenen übernimmt. Die Arbeitgeber hatten darauf zu achten, daß die Kriegsgefangenen die gleiche Arbeitszeit hatten, wie die freien Arbeiter, und freie Arbeiter durften mit Kriegsgefangenen nicht zusammenarbeiten. Das zu verwirklichen wird im Depot kaum möglich gewesen sein, denn die Arbeitskolonnen standen neben- und hintereinander: Militärpersonen, Gefangene, freie Arbeiter usw. Selbst wenn sprachliche Barrieren vorhanden waren, so konnte man sich durch Zeichensprache verständigen, wenn man denn wollte [...]
Die Bekleidung der Kriegsgefangenen hatten die Berner Vereinbarungen vom 26. April 1918 geregelt. Danach hatte der Nehmerstaat Bekleidung, Wäsche und Schuhwerk zu liefern und für regelmäßigen Ersatz und Ausbesserung zu sorgen. Für jeden Kriegsgefangenen waren 1 Kopfbedeckung, 1 Tuchhose, 1 Waffenrock oder Bluse, 1 Mantel, 2 Hemden, 2 Unterhosen, 2 Paar Socken, 2 Paar Stiefel, 1 Handtuch, je nach Art der Beschäftigung 1 Arbeitsanzug aus Drillichzeug zu liefern. Die Bekleidung der Kriegsgefangenen setzte sich aus drei Gruppen von Bekleidungsstücken zusammen
Bekleidungsstücke der feindlichen Staaten, also die Uniformen der kriegsführenden Völker
Bekleidungsstücke des deutschen Reiches, also die Gefangenenanzüge
Eigene Bekleidungsstücke der Gefangenen.
Die Gefangenen trugen stets sichtbare und leicht erkenntliche Kompanieabzeichen und Personalnummern, entweder aus aufgenähten Stofflecken (meist rotbrauner Zeltstoff) oder aus Metall. Für die Gestellung von Arbeitskleidung und Schuhen als auch von Arbeitsgeräten hatte der Arbeitgeber aufzukommen. Auf Antrag konnte der Arbeitgeber von der Heeresverwaltung einen Zuschuß von 30 Pfennig pro Person als Höchstgrenze erhalten. Gegen eine Leihgebühr von 50 Pfennig im Monat konnten Sachen bei der Heeresverwaltung ausgeliehen werden.
Im Artikel 7 der Haager Landkriegsordnung von 1907 wurde den Gefangenen zugebilligt: "In Ermangelung einer besonderen Verständigung zwischen den Krieg Führenden sind die Kriegsgefangenen in Beziehung auf Nahrung, Unterkunft und Kleidung auf demselben Fuße zu behandeln wie die Truppen der Regierung, die sie gefangengenommen hat." In einem Brief des Meliorationsbauamtes teilte Baurat Herman mit, daß die ‚Bauverwaltung an Unterkunftsraum für den Mann 2,5qm Grundfläche' verlangt. Das deckte sich mit einer Notiz in anderen Akten: "Der Luftraum für jeden Kriegsgefangenen hat 5,0cbm zu betragen."
Für die Unterbringung der Kriegsgefangenen und Wachmannschaften hatte der Arbeitgeber zu sorgen. Die Kosten der Unterkunft übernahm ebenfalls der Arbeitgeber.
Die Betten bestanden aus Stroh. Das größte Problem dieses provisorischen Lagers scheint der Morast gewesen zu sein, der angesichts des feuchten Wetters nicht zu vermeiden war", hieß es in einem Bericht vom Gefangenenlager in Münster.
Und im Depot, wie sah es dort aus? Das hiesige Gelände war ständig tief naß, und Matsch und Schlamm waren an der Tagesordnung. Also auch nicht besser, höchstens schlechter. Und wie sah es mit der Hygiene aus? Aborte waren vorhanden, aber der Gestank und die Fliegen waren in den Sommermonaten unerträglich. Für ‚Bedürfnisse' des nachts wurden Kübel aufgestellt. Die Türen der Baracken waren nämlich wegen Fluchtgefahr verschlossen.
"Seife zum Waschen war selten vorhanden, Sand diente als Ersatz, der war sehr rauh am Körper [...]" (Anmerkung: Ein weiteres Problem bestand darin, sauber zu bleiben. Weil Tierfette knapp waren, gab es kaum Seife).
Auszug aus einer Aufstellung aus dem Lager in hiesiger Nachbarschaft über die Einrichtung der Wohnbaracke. Es waren vorhanden: Bettstellen (eiserne, hölzerne), Bettlaken, Kopfpolster, Tische, Bänke, Wascheimer, Waschtisch, Waschbecken, Wasserkannen, Eisenöfen, Gabeln, Löffel, Messer, Eßnäpfe, Becher, Handtücher, Tischlampen.
Für die Verpflegung - es gab feste Sätze- sah es wie folgt aus: Überschau der festgesetzten Wochenmengen an Nahrungsstoffen (Zeitpunkt 10. Juni 1917): 1.610g Brot -Erlaß des Kriegsministeriums-, 75g Speisemehl, 300-350g Fleisch, 100-200g Wurst, 400-600g Fisch, 150g Hering, 30-75g Käse, 250g Magermilch, 50-70g Margarine, Oel, 1.750-2.800g Kartoffeln, 1.600g Gemüse, 450-1.050g Hülsenfrüchte, 150g Graupen, 100-133g Zucker, 50g Obst, 50-75g Marmelade (Anmerkung: Die Menge von 1.610g Brot pro Woche entspricht 1-2 Schnitten pro Tag).
In der Regel waren die Arbeitgeber auf den Kommandos zuständig, also diejenigen, die die Kriegsgefangenen anforderten und einsetzten. Nach den Dokumenten im Stadtarchiv Greven arbeiteten im Depot zwei verschiedene Gruppen von Gefangenen: Einmal waren es die Gefangenen, die von der Militärverwaltung - also von der Intendantur in Münster - angefordert wurden, und die Gefangenen, die von den Baufirmen zur Arbeit im Depot zusätzlich benötigt wurden. Die Firmen waren Büscher & Sohn, Münstersche Bauvereinigung und andere (Anmerkung: Wurden die Gefangenen täglich hin- und hergefahren - wie das im Depot gelegentlich vorkam - erhielten sie Marschverpflegung. Die Kosten dafür trug die Heeresverwaltung).
Und wie wurden die Gefangenen in den Arbeitslagern außerhalb ihres Stammlagers verpflegt? Zumindest auf dem Papier stand dies: "Die Verpflegung besteht aus Morgen-, Mittag- und Abendkost. Die Kost ist in ausreichender Menge und guter Beschaffenheit zu gewähren. Die Kriegsgefangenen können zu ihrem Brot beim zweiten Frühstück noch was zu kaufen."
Für das Lager im Nahkampfmitteldepot Hembergen ist die Verpflegung in einigen Dokumenten belegt. Aus diesen ‚Bruchstücken', und wie die Versorgung mit Essen in den zwei anderen Arbeitslagern (Saerbeck und Dülmen) abgelaufen ist, läßt sich Folgendes annehmen: Die Lebensmittel wurden in einem Eisenbahnwaggon wahrscheinlich ein- bis zweimal wöchentlich von Münster bis zur Blockstelle Hembergen gebracht. Begleitet wurde der Transport dieser wichtigen Güter durch das Militär bzw. von der Gefangenen-Inspektion bestimmten Zivilpersonen. Das Militär-Neubauamt mußte gelegentlich dafür auch Leute abstellen. Das Problem war nur, daß der Transport einige Zeit mehr in Anspruch nahm, als von den Empfängern erwartet, denn um den Waggon in das Depot einfahren zu können, mußten Lok und Waggon bis Emsdetten fahren. Von Emsdetten aus wurde die Lieferung zurück in das Depot als ‚Sperrfahrt' durchgeführt (Anmerkung: Während einer Sperrfahrt darf kein anderer Zug diesen Streckenabschnitt befahren).
Erst wenn der Waggon im Übernahmebahnhof eingetroffen war, wurde die Ankunft vom Diensthabenden der Blockstelle Hembergen dem Gefangenlager gemeldet. Entweder wurden die Sachen von einem Pferdefuhrwerk oder von der Depot-Lokomotive abgeholt. Die als Stückgüter bezeichneten Waren konnten dann bis ins Gefangenenlager gebracht werden. Die Kantinenbesitzerin, Thea Schmidt, konnte ein Lied davon singen, wenn sie eine Lieferung bestellt hatte, und die Ware mit Verspätung eintraf (Anmerkungen: a) Ihre Lieferanten waren u.a. private Betriebe (Bäckereien, Metzgereien, Händler, Landwirte etc.), denn staatliche Lebensmitteldepots konnten nur einen Teil der Versorgung abdecken. b) Die Bestellungen der Arbeitgeber/Kantinenbesitzerin für Artikel aus Versorgungslagern in Berlin wurden über die Kommandantur an das Kriegsministerium gerichtet).
Dieses umständliche Verfahren wurde aber nur bis zu dem Zeitpunkt der Abnahme der Gleisanlagen am 8. Februar 1918 durchgeführt. Danach regelte der Fahrdienstleiter im Bahnhof Hembergen die Zustellung in eigener Zuständigkeit.
Die Lebensmittel wurden, wenn reichlich mitgeliefert, in der Versorgungsbaracke eingelagert. Das Essen wurde entweder in einer Baracke mit Kochmaschinen und sonstigem Zubehör oder in vorhandenen Feldküchen aus den Beständen zubereitet (Anmerkungen: a) Im Lager Saerbeck war ein Koch vorhanden. Für die Essenszubereitung kamen Kochmaschinen zum Einsatz. b) Eine andere Variante, eine Art ‚Essen auf Rädern', also bereits zubereitete Speisen täglich von Münster anzuliefern, schied aus logistischen Gründen aus. Auf demselben Transportweg wurden die Gefangenen mit Geräten und Arbeitskleidung etc. versorgt. Die eingehenden Paket- und Briefsendungen gehörten ebenfalls dazu).
Für die Versorgung der Kriegsgefangenen im Depot werden wahrscheinlich die Feldküchen eingesetzt worden sein, denn die Kriegsgefangenen waren oft weit entfernt im Einsatz. Allein für den Hin- und Rückmarsch z.B. vom Depot D bis zum Barackenlager wäre viel zu viel Zeit für die Essensaufnahme vertan worden. Mancherorts wurden den Kriegsgefangenen auf den Kommandos die Lebensmittel lediglich zur Verfügung gestellt, die sie dann selbst zubereiten mußten, auch wenn diese Praxis von der Inspektion nicht gutgeheißen wurde.
Das für die Kriegsgefangenenlager des VII. A.K. zuständige Verpflegungsamt hatte seinen Standort in Hiltrup. Diesem Verpflegungsamt waren die Kopfzahl der Gefangenen als auch die Dauer des Einsatzes der Gefangenen für die Zuteilung der Lebensmittel von den Baufirmen über das Amt Greven zu melden. Das Verpflegungsamt stellte nach Lage der wirtschaftlichen Verhältnisse die Lebensmittellieferungen zusammen. So teilte es im April 1917 dem Arbeitgeber z.B. in Saerbeck mit, "[...] daß als Dörrgemüse Steckrübenschnitzel geliefert werden."
Gleichzeitig mit der Lieferung der Rohware konnte das zeitweise in Münster gebackene Brot mitgeliefert werden. Zu Beginn des Jahres 1918 änderte sich jedoch dieses Verfahren zur Brotlieferung, wie das Amt Greven im Mai 1918 dem Landrat mitteilte: "Die 290 Kriegsgefangenen und die 27 Wächter wurden von dem Gefangenlager Münster nicht mit Brot versorgt, sondern erhalten das Mehl vorschußweise vom Kommunalverband und lassen sich das Brot von dem Bäcker Wessels in Emsdetten bestellen."
Aufgrund ihrer körperlich schweren Arbeit im Depot Hembergen erhielten die Gefangenen zusätzliches Mehl für die Herstellung von Brot zugewiesen, wie in der Mehlverbrauchsanzeige des Amtes Greven für die Zeit vom 16. Januar bis 15. Februar 1918 zu entnehmen ist.
In einer Aufstellung vom 28. Februar 1918 erfolgte die Aufschlüsselung: Das Amt Greven beantragte beim Landrat für den Zeitraum 16. März - 15. April 1918 folgende Zusatzmengen an Mehl für die Kriegsgefangenen und Wachmannschaft in Hembergen:
Personen | Anzahl | Tage | Gramm | Mehl |
Gefangene | 288 | 28 | 185 | 1.491,000kg |
Wachmannschaft | 31 | 28 | 370 | 321,160kg. |
Der Kreisausschuß Landkreis Münster setzte am 9. April 1918 die Kommandantur des Kriegsgefangenenlagers Münster II in Kenntnis, daß vom Amt Greven immer wieder Klagen laut werden: Demnach hätten die für das Depot Hembergen zu liefernden Mehlmengen nicht zeitig, zum 16. d. Monats, geliefert werden können, weil der für Hembergen arbeitende Bäcker in Emsdetten, also außerhalb des Landkreises Münster wohnt, und die Überweisung einige Tage in Anspruch nimmt. Im Interesse einer beschleunigten und regelmäßigen Belieferung wurde daher ersucht, das Brot für die Gefangenen-Arbeitskommandos Hembergen selbst backen zu lassen. Daraufhin wurde wieder für einige Zeit das Brot in Münster gebacken und per Zug für die Gefangenen ins Depot mitgeliefert (Anmerkung: Maismehl wurde zur Streckung für die Brotherstellung eingesetzt. Durch Streckungsmittel wurde das Brot eher schimmelig. Durch den hohen Kleiegehalt blieb das Brot innen feucht. Zwieback wurde als Brotersatz hergestellt, um wenigstens das Hungergefühl zu vertreiben).
Daß die Versorgung der Gefangenen mit einem der Grundnahrungsmittel, dem Mehl, große Probleme bei den deutschen Behörden aufwarf, zeigt der Schriftverkehr zwischen dem Amt Greven und dem Landrat betreffs Mehlüberweisung für das Gefangenenarbeitskommando und für das Kriegsgefangenenlager Münster II im Mai 1918: "[...] die für das Arbeitskommando an den Bäcker Wessels in Emsdetten gelieferten monatlichen Mehlmengen sind seitens des Kommunalverbandes stets nachträglich vergütet worden. Das Amt ist jedoch nicht in der Lage, aus eigenen Beständen einen derartigen Vorschuß monatlich nach Emsdetten zu liefern [...] und bittet deshalb, das Mehl im Voraus zu liefern oder das Mehl direkt an den Bäcker Wessels zu liefern." Der Landrat lehnt am 11. Mai 1918 "eine direkte Belieferung an Wessels ab, da bereits am 15. Dezember 1917 für Hembergen die doppelte Menge Mehl zugeteilt wurde."
Bei der Essensausgabe empfingen die Kriegsgefangenen, in Reihe und Glied aufgestellt, einzeln ihren Anteil im Napf. An Trinkgefäßen besaß fast jeder seinen Becher und eine Feldflasche. Zusätzliche Waren - Getränke und Nahrungsmittel - konnten die Gefangenen in der in einer Lagerbaracke vorhandenen Kantine und auf einigen Verkaufsstellen an den Baustellen in den vier Depots A, B, C und D kaufen.
Das Einrichten einer Kantine für die Kriegsgefangenen legte die Inspektion fest und teilt mit, was dort verkauft werden darf und was nicht. Es durften verkauft werden: Käse, Marmelade, geräucherte Fische, alkoholfreie Getränke, Tabak, Zigaretten, Körperpflegemittel, Putz- und Waschmittel etc. Nicht verkauft werden durften: Butter, Speck, Margarine, Fette, Büchsenkonserven. Bier und Wein auf Antrag bei der Heeresverwaltung.
Am 23. Oktober 1917 wurde von den o.a. Artikeln der Verkauf von Marmelade und Tabak durch die Kommandantur des Gefangenenlagers II untersagt. "Die Revisionsoffiziere wollen auf ihren Reisen feststellen, ob auf den Arbeitskommandos entsprechend verfahren wurde, und Kommandoführer, die den Verkauf verbotener Gegenstände dulden, zur Meldung zu bringen [...]
Das Kriegsministerium unterbreitete Ende Dezember 1916 den Arbeitgebern über die Kommandanturen ein ‚Nahrungsmittelangebot für Kriegsgefangenenverpflegung'. Das Kriegsministerium wollte sich nur als Vermittler, nicht als Lieferant, verstanden wissen: Keine Reklamationen möglich! [...] Für Kantinenbesitzer galten die Einkaufspreise nur, wenn sie nicht mehr als 10% Gewinn nahmen.
Private Unternehmen, wie Heinrich Hegemann aus Greven, belieferten z.B. das Depot mit alkoholfreien Getränken. Solche Lieferungen und dessen prompte Bedienung, das wurde von der Gefangenen-Inspektion verlangt. Es dürfte für die Versorgung im Lager noch zu weiteren Vereinbarungen zwischen Händlern (z.B. Obsthändler, Metzger u.a.) und den Arbeitgebern bzw. der Gefangeneninspektion gekommen sein.
Etwas, worauf ein Teil der Gefangenen fast täglich wartete, waren die Paketlieferungen ihrer Angehörigen. Wenn es die wirtschaftlichen Verhältnisse in ihren Familien zuließen, waren die Pakete gefüllt mit Konserven und Dauerwaren. Die Gaben ihrer Lieben gaben zumindest für einige Tage einen volleren Magen (Anmerkung: Das galt nur für die westlichen Gefangenen, nicht aber für die wenig begüterten Russen).
In einer Verfügung des Kriegsministeriums vom 15. April 1915 wurden Grundsätze der Bezahlung für Verpflegung und Unterbringung festgelegt: Danach hatten die Baufirmen im Depot (Büscher, Münstersche Bauvereinigung und andere), wenn sie zusätzlich Kriegsgefangene anforderten und einsetzten, für die Unterbringung und Verpflegung der Kriegsgefangenen und der Wachmannschaften zu sorgen. Die Übernahme der Kosten war wie folgt geregelt: Die Baufirmen zahlten an die Heeresverwaltung einen Betrag, wie er der Höhe des Bruttolohnes für den Tag eines freien Arbeiters gleichen Betriebes entsprach.
Der Verdienstanteil der Kriegsgefangenen betrug höchstens 25% des Bruttolohnes. Vom Bruttolohn waren abzuziehen: Verdienstanteil, Unterkunft und Verpflegung, Kosten für Beschaffung von Arbeitskleidung, anteilige Kosten für Unterkunft und Verpflegung der Wachmannschaften. Jede Abweichung der Arbeitsleistung wie Unlust, Krankheit, Verweigerung etc. wurde mit Verdienstabzug bestraft.
Die Heeresverwaltung zahlte dem Arbeitgeber eine Rückvergütung für die Unterkunft je Kopf und Tag von 15 Pfennig. Für Kost erhielt der Arbeitgeber von der Heeresverwaltung eine Rückvergütung je nach Kopfzahl pro Person und Tag zwischen 1,10 und 1,30 Mark. Lieferte die Heeresverwaltung Brot, so verringerte sich der Satz von 4 Pfennig pro 100g.
Die Auszahlung des Lagergeldes erfolgte durch die Parkverwaltung bzw. durch den Arbeitgeber an Hand von Auszahlungslisten. Jeder Empfänger hatte den Erhalt der Zahlung zu quittieren. Nach den vorliegenden Werten konnte ein Kriegsgefangener im Depot einen Tageslohn von etwa 2,50 bis 3,00 Mark erzielen. Den Kriegsgefangenen standen auch Zulagen, wie den freien Arbeitern zu. Wachmannschaften erhielten eine Zulage von 50Pf. täglich, die von dem Arbeitgeber zu tragen war (Anmerkung: a) Kriegsgefangene erhielten in der Landwirtschaft einen Tageslohn von 30 Pfennig für jeden Werktag. b) Bei seinen Recherchen hatte Pöppinghege festgestellt, daß die Bezahlung sowohl örtlich als auch zeitlich schwankte und immer wieder geändert wurde).
Geldangelegenheiten wurden von der jeweiligen ‚Kassenverwaltung der Kommandantur des Kriegsgefangenenlagers' geregelt. Jedes Lager in Münster hatte eine Kassenverwaltung. Geldbeträge wurden von hier den Arbeitgebern u.a. per Post übersandt. Lagergeld wurde 1916 eingeführt. (Anmerkungen: a) Die Einführung von Lagergeld erwies sich als notwendig. Kein Kriegsgefangener durfte mehr Bargeld besitzen, nur noch Lagergeld. Auch auf den Arbeitskommandos war die Entlohnung durch die Arbeitgeber (Büscher etc.) in Lagergeld Vorschrift. Ein Viertel des Verdienstes erhielten sie als ‚Arbeitsbelohnung' oft in Lagergeld ausgezahlt. Damit konnten sie in den Verkaufsbaracken kleine Dinge des täglichen Bedarfs kaufen. b) Neben Lagergeld wurden auch Scheckmarken eingeführt, damit konnten die Gefangenen Lebensmittel bezahlen).
Russen wurden nach der folgenden Vereinbarung bis dahin anders bezahlt als die westlichen Gefangenen, denn gemäß Vereinbarung mit der russischen Regierung über die Verbesserung der Lage der russischen Kriegsgefangenen, hatte das Kriegsministerium die Entlohnung der Russen wie folgt geändert: "[...] für die in der Industrie und in sonstigen Betrieben tätigen Kriegsgefangenen ist der volle Tageslohn auszuzahlen, abzgl. der Kosten für Unterbringung und Verpflegung und der Tilgung der Kosten für die Arbeitskleidung. Alle Kosten für Arbeitsgeräte sind ebenfalls wie bisher in Abzug zu bringen. Der Reingewinn, der den russischen Gefangenen zugebilligt werden muß, hat arbeitstäglich wenigstens 50 Pfennig zu betragen. Die Verwendung von Lagergeld wurde nicht geändert." (Anmerkung: Die Anzahl an russischen Gefangenen im Depot war gering).
Das stellvertretende Generalkommando für den Bereich des VII. Armeekorps hat bei Arbeitskommandos mit einer Mindestgröße von zehn Gefangenen einen Wachmann zugelassen. Der Kommandierende General des VII. Armeekorps Frhr. von Gayl veranlaßte darauf hinzuweisen, daß für die Bewachung von Kriegsgefangenen auch Hilfswachmannschaften Aufgaben übernehmen müssen: "[...] Dem Mangel an Wachpersonal kann wirksam nur begegnet werden, wenn mehr noch als bisher geeignete Zivilpersonen als Hilfswachmänner herangezogen werden [...] Diese sollen wesentlich dazu dienen, die Überwachung auf der Arbeitsstelle und bei Hin- und Rückmarsch zu übernehmen, die Militärwachmannschaften zu vertreten und zu ergänzen [...] Hilfswachmänner sind durch eine Armbinde mit entsprechender Aufschrift und amtlichen Stempel sowie durch einheitliche Kopfbedeckung kenntlich zu machen [...] alles Bemerkenswerte bei den Kriegsgefangenen, jede Unfolgsamkeit, Lässigkeit bei der Arbeit haben die Hilfswachmänner spätestens bei der abendlichen Einlieferung zu melden." Der General erläßt auch eine Dienstanweisung. "[...] Dem Wachmann ist auf Wachposten, bei Kontrollgängen und Transport der Gebrauch der Waffe gestattet [...] der Hilfswachmann ist befugt und verpflichtet, auf jeden Gefangenen, der sich der Gefangenschaft durch die Flucht zu entziehen beabsichtigt, nach einmaligem vorherigen Anruf, wenn der Gefangene auf diesen nicht sofort stehen bleibt, zu schießen!"
Die Bewachung der Gefangenen wurde bis dahin hauptsächlich von Landsturmmännern wahrgenommen. Dies könnten beispielsweise ehemalige Berufsoffiziere, ältere oder kriegsverwundete bzw. -untaugliche Soldaten sein." "Wachposten sind überall, in unserem Bereich und auch im äußeren Lager. Der äußere Bereich des Lagers ist mit den üblichen Stacheldrahtzäunen umgeben. In der Nacht wurde das Lager von Scheinwerfern erleuchtet, die aus Bogenlampen bestehen und an hohen Pfosten hängen. So hat man uns jederzeit unter Bewachung", schreibt ein Gefangener. Das traf auch für das Lager im Depot Hembergen zu, denn ein Stacheldrahtzaun umschloß das Gelände, Strommasten und Leitungen waren ebenfalls vorhanden. Somit konnten Scheinwerfer auch die drei Wohn- und Schlafbaracken direkt anstrahlen, um Fluchversuche zu minimieren. |
Ein Landsturmmann |
Der Kommandierende General des VII Armeekorps in Münster wies auf mögliche Gefahren hin, als er an die Inspektion des Gefangenenlagers II am 7. Juli 1917 schreibt: "[...] bei irgendeinem Betrieb, in dem Kriegsgefangene oder freie feindliche Ausländer beschäftigt sind, ob bei Betriebsstörungen etc., wo Kriegsgefangene und freie Ausländer in Frage kommen! Kein Verdachtsmoment darf ausgelassen werden! Es ist sofort der zuständigen Lagerkommandantur von dem Vorgang Mitteilung zu machen und auch auf die Arbeitgeber von Kriegsgefangenen einzuwirken." Dieser Appell betraf im Depot im Besonderen die Firmen Büscher und die Münstersche Bauvereinigung.
Zeitzeuge Gerd Strotmann, Reckenfeld
"Der erste Mann meiner Mutter - Franz Dömer - hat ‚Aufsicht' zu Zeiten des Depotbaus im Gefangenenlager geschoben. Ich gehe davon aus, daß das am Tage bei den Arbeitseinsätzen war, denn nachts waren die Gefangenen in dem Arbeitslager unter militärischer Aufsicht."
Bauunternehmer Büscher schrieb am 17. Juli 1917 an das Amt Greven: "Wir haben bei der Inspektion des Gefangenenlagers die Überweisung von 100 Kriegsgefangenen zur Arbeitsleistung auf unserer Baustelle Nahkampfmitteldepot Hembergen beantragt. Da ein großer Mangel an militärischen Wachposten vorhanden ist, beabsichtigen wir unsere Schachtmeister und geeignete Arbeiter als Hilfswachleute verpflichten zu lassen."
Dasselbe Ansinnen stellte Büscher noch einmal im Januar 1918. Auch das Bauunternehmen Münstersche Bauvereinigung stellte beim Amt Greven den Antrag, "daß sieben geeignete Männer als Hilfswachmannschaft für die Gefangenenaufsicht vereidigt werden. Wir erlauben uns vorzuschlagen, daß die Genannten am Sonntag mit dem 5-Uhr-Zug (Anmerkung: gemeint ist nachmittags, 17.00 Uhr) nach Greven reisen, damit wenig Arbeitszeit versäumt werde." Der Bürgermeister bestellte die sieben Männer für Freitag nachmittag ins Amt. Noch am 29. August 1918 wurde erneut Wachpersonal benötigt. Diesmal sollen zwei Polinnen als ‚Hülfskräfte' vom Amt vereidigt und im Depot eingesetzt werden, was auch geschieht."
Zählappelle fanden morgens vor dem Abmarsch zur Arbeitsstätte und abends nach Rückkehr von dieser im Lager statt.
Ein Vermerk vom Amtmann Hueske am 29. Januar 1918: "Das Nahkampfmittel-Depot teilt mit: Heute Nacht sind 4 französische Kriegsgefangene entwichen, sie tragen Gefangenenkleidung und haben wahrscheinlich die Richtung Gronau genommen."
Die Kommandantur schrieb an einen Arbeitgeber: "Bei Arbeitsverweigerung von Kriegsgefangenen werden sie vom Kommandoführer gemaßregelt. Meldung an Kommandantur hat zu erfolgen, um nötigenfalls die Gefangenen zur Arbeit zu zwingen. Der Arbeitgeber darf keine Zwangsmaßnahmen anordnen. Zu Fluchtversuchen trotz Bewachung und Umwehrung kommt es immer wieder."
Die Inspektion führte Revisionen bei den Arbeitskommandos durch, so wie es in den Konventionen vorgeschrieben war. Beanstandungen wurden offen gelegt und der Arbeitgeber hat Stellung zu nehmen. Im Beispiel des Arbeitskommandos in Saerbeck schreibt die Gefangenenlager-Inspektion u.a. "Nicht zugelassen wird, daß der Arbeitgeber die Rohmaterialien anliefert, und die Kriegsgefangenen ihr Essen selbst zubereiten müssen [...] Einseitige Ernährung wird hiermit angemahnt, weil die Arbeitskraft darunter leidet [...] Fehlende Lebensmittel, die die Heeresverwaltung nicht besorgen kann, sind von hiesigen Bauern zu besorgen. Daß Bauern sagen, ‚wir haben auch nichts', kann nicht hingenommen werden. Es herrscht scheinbar der Eindruck, die Kommandantur habe für das Essen und dessen Rohmaterialien zu sorgen." Der Bürgermeister gibt den schwarzen Peter zurück und schreibt "[...] Wie soll der Koch Schmackhaftes zubereiten, wenn die Beschaffung von Lebensmitteln nicht in gewünschter Weise durchgeführt werden kann.
Ein anderes Kontrollorgan waren die Alliierten. Und wie damit umzugehen war, teilte der Kommandantur des Kriegsgefangenenlagers an die Arbeitgeber von Arbeitskommandos mit " [...] hat das Kriegsministerium es für erforderlich gehalten, die Bestimmungen über den Besuch von Arbeitsstätten der Kriegsgefangenen neu zu regeln. Vor dem Besuch einer Arbeitsstätte durch Vertreter der Schutzmächte war beim stellvertretenden Generalkommando nachzufragen, ob
die Arbeitsstätte ohne Einschränkung oder
nur die Kriegsgefangenen oder ihre Unterkunft besucht werden können
nur Gespräche mit den Kriegsgefangenen außerhalb der Arbeitsanlage zulässig sind.
Aus staatlichen Interessen darf in den Fällen zu 2. und 3. die Unterhaltung mit den Kriegsgefangenen nicht mehr ohne Ohrenzeugen stattfinden [...]"
Um das Leben in den Gefangenen-Arbeitslagern (Anmerkung: auch das im Nahkampfmitteldepot Hembergen) bewerten zu können, muß ein Vergleich mit dem Schicksal derjenigen gezogen werden, die als Soldaten an der Front kämpfen. Dabei ergibt sich, daß jene Nachteile des Gefangenendaseins auch für die Soldaten an der Front gelten: Sie sind aus ihrem sozialen Umfeld gerissen, können ihrem gewohnten Beruf nicht nachgehen, sind fremdbestimmt durch Vorgesetzte und müssen sich ohne jeglichen Komfort, schlechten sanitären Verhältnissen und mitunter mangelhafter Ernährung zufrieden geben. Dagegen können die Gefangenen relativ sicher sein, den Krieg zu überleben, sieht man von dem harten körperlichen Arbeitseinsatz bei erhöhter Gesundheitsgefährdung im Lager ab (Anmerkung: Während der Kriegsjahre starben 1,35% der Kriegsgefangenen an Tuberkulose, 0,95% an Lungenentzündung).
Als negativ sehen viele Gefangene die Arbeitseinsätze an, die schlecht entlohnt werden, doch auch die Frontkämpfer verdienen keine Reichtümer." Durch die langen Einsätze bei der Arbeit im Depot von zeitweise zehn und mehr Stunden werktäglich blieb den Gefangenen wenig Zeit für andere Sachen, wie Sport, Musizieren, Lesen oder ähnliches, wie es im Lager II in Münster möglich ist. Dieses Lager allein verfügt im November 1916 über einen ansehnlichen Bestand von 7.000 Bänden in Französisch, Englisch, Russisch, Deutsch, Polnisch und Flämisch.
Nach Artikel 20 der Haager Landkriegsordnung von 1907 sollen "[...] nach dem Friedensschlusse die Kriegsgefangenen binnen kürzester Frist in ihre Heimat entlassen werden."
Bei der Aufstellung vom 1. Juni 1918 über Zulagen für Lebensmittel des Amt Greven waren Kriegsgefangene enthalten, in gleichen Aufstellungen vom 2. September 1918 und 2. Oktober 1918 waren keine Kriegsgefangenen mehr aufgeführt (Anmerkungen: Entweder gab es im September und Oktober 1918 keine Berechtigten für Zulagen unter den Kriegsgefangenen mehr oder die Kriegsgefangenen waren nicht mehr im Depot. Im September 1918 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Versorgungsbereichen im VII. A.K. in Münster und dem Amt Greven über die Zuständigkeit bei der Gewährung von Zulagen für Fleisch und Fette in Rüstungsbetrieben. Im wesentlichen ging es darum: Was ist maßgebend? Der Beschäftigungsort oder der Wohnort der Arbeiter. Amt Greven schlug vor, eine einheitliche Zulagenregelung im Interesse der Arbeiter zu erlassen, daß der Wohnort des Arbeiters - wie beim Brot - ausschlaggebend ist).
Bei der Zählung von 1919 war wiederum Kolon Westrup für die Bauerschaft Herbern und das Depot zuständig: 805 männlich Anwesende, 792 weiblich Anwesende, zusammen 1.597, davon in Herbern: 386 Personen. Wie viel davon im Depot anwesend waren, ist nicht zu erkennen. Es waren jedoch keine Militärpersonen und Kriegsgefangenen mehr aufgeführt. (Das genaue Datum der Zählung geht aus den Akten nicht hervor).
Als im März 1919 das Amt Greven Kriegsgefangene als Arbeitskommando anforderte, teilte die Kommandantur am 27. März 1919 mit, daß "[...] monatelang hier keine Gefangenen mehr untergebracht sind."
Das deckt sich mit der Mitteilung des Demobilisierungsamtes vom 29. Januar 1919 "[...] daß der Abtransport der französischen, englischen, italienischen, belgischen und amerikanischen Gefangenen beendet ist (Anmerkung: Briten und Franzosen hatten das Deutsche Reich bis Ende Januar 1919 verlassen, Russen blieben wegen der unsicheren Verhältnisse in der Heimat teilweise bis 1921, einige ließen sich einbürgern).
Neben den Kriegsgefangenen wurden auch andere ‚ausländische' Arbeitskräfte eingesetzt.
In einer Verfügung des VII. Armeekorps an das Amt Greven vom 30. Mai 1917 wurde auf folgendes hingewiesen: "Im Laufe der Zeit ist eine Zahl von Zivilgefangenen aus Gefangenenlagern zur freien Arbeit in der Heeresindustrie entlassen worden. Es hat sich herausgestellt, daß über die Behandlung dieser Leute Zweifel bestehen und daß auch ihre Bewachung an vielen Orten unterschiedlich ist. Nach den Bestimmungen des Kriegsministeriums verlieren diese Personen, die mit ihrer Zustimmung auf Grund von Arbeitsverträgen der Kriegs- und Volkswirtschaft als freie Arbeiter zugeführt werden, und aus diesem Grunde aus den Lagern entlassen werden, ihre Eigenschaft als Zivilgefangene. Meldungen über diese Personen haben die Ortspolizeibehörden der Kommandantur einzureichen."
Als Folge dieses Schreibens teilte der Unternehmer Büscher alle Veränderungen der Ortspolizei mit (Anmerkung: a) Für die Firma Büscher waren u.a. unterschriftsberechtigt: Prior, Schäfer und Gröger. b) Wer von den ausländischen Arbeitern der Firma Büscher Urlaub haben wollte, mußte das über die Firma vom Amt Greven genehmigen lassen. Bei den Antragstellern handelte es sich u.a. um Italiener, Russen, Belgier, Polen).
Einen Großteil der Arbeiter für den Depotbau mußten sich die zuständigen Firmen selbst besorgen. Aber der Arbeitsmarkt war leergefegt. Noch waren die über 60Jährigen nicht vom Militär erfaßt. Das wird sich bald ändern, denn die Forderungen der Heeresleitung wurden immer rabiater: Vorgesehen war eine Heraufsetzung des wehrpflichtigen Alters von 45 Jahren auf 60 Jahre. Die OHL ließ aber im Dezember 1917 den Vorschlag wieder fallen. Dennoch: Im Depot arbeiteten und waren beim Amt Greven gemeldet 60 Jahre und älter: 12 Männer.
Die Anlernung von Arbeitslosen, von gelernten und ungelernten Arbeitern wurde angeregt. Es ging noch weiter: "Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren sind heranzuziehen, doch Gewährung größerer Ruhepausen sind angezeigt. Sonntagsarbeit für Jugendliche wird nicht zu umgehen sein. Befreiung von Fortbildungs- und Gewerbeschulen ist unerläßlich." (Anmerkung: Allein in der in diesem Kapitel folgenden Auflistung waren acht Jugendliche beim Amt Greven gemeldet. Wie viele gab es wirklich?)
Ein Teil der Zivilpersonen, die als Fachkräfte oder ‚einfache' Arbeiter von den verschiedenen Baufirmen eingestellt wurden, wollten bzw. mußten im Depot wohnen, und wurden deshalb dem Amt Greven gemeldet (Anmerkung: Die im Depot arbeitenden Menschen wurden schon deshalb beim Amt Greven gemeldet, weil sie erst dadurch Anspruch auf Zulagen für Brot, Fleisch und Speck hatten).
Es stellte sich allerdings die Frage: Wo haben diese Personen gewohnt? Häuser und Schuppen gab es noch nicht bzw. sie waren ab dem Frühjahr 1918 in der Entstehung. Blieben also nur noch Baracken übrig. Oder, diese Arbeiter haben in einem Raum in der ‚Arbeiterkantine' für die Dauer ihres Arbeitseinsatzes genächtigt, denn, aus einer Mitteilung vom 12. März 1918 des Unternehmers Büscher an das Amt Greven, läßt sich entnehmen, "daß dreizehn Zentner Stroh zum Zwecke der Strohsache für die Arbeiterkantine geliefert worden sind". Wofür sonst das Stroh, wenn nicht für die dort untergebrachten Arbeiter in einer größeren Baracke.
Andere zivile Kräfte ‚reisten' täglich an. Ihre Wohnorte waren u.a. Greven, Emsdetten, Nordwalde und Rheine. Arbeiter, die mit dem Fahrrad bzw. zu Fuß aus Emsdetten kamen, konnten das Depot über Leihsings-Hof erreichen, die Grevener konnten über die Hemberger Straße und den Wittlerdamm zum Depot gelangen. Auf dem westlichen Teil des Geländes zwischen dem Hemberger Weg und dem Weg zum Verwaltungsbezirk wurde eine Unterstellmöglichkeit (Fahrradbaracke) gebaut.
Auszüge aus Interviews:
Zeitzeugin Hildegard Wieskötter, Reckenfeld, im März 2000
"Mein Großvater, Fritz Boes, wohnte in Greven-Wentrup, auf einem Kotten an der heutigen B 481, links hinter der Emsbrücke - Richtung Greven. Weil er schlecht hören konnte, mußte er nicht in den Ersten Weltkrieg. Seinen Militärdienst leistete er im RAD. Er mußte im Depot Hembergen seinen Dienst leisten: Er war bei der Erstellung des Nahkampfmitteldepots dabei. Sein morgendlicher/abendlicher Weg zum und vom Depot machte Boes zu Fuß. Er durchschritt im Sommer die Ems an einer seichten Stelle. Boes war zu dieser Zeit 41 oder 42 Jahre alt." (Anmerkung: Am 3. Januar 1918 beantragte die Firma Büscher beim Amt Greven für den ‚Arbeiter Friedr. Boes aus Wentrup' ihn als Hilfswachmann zur Kontrolle der Kriegsgefangenen m Depot in Hembergen zu verpflichten)
Zeitzeuge Ferdi Gauselmann, Reckenfeld, im März 2000
"Mein Vater, Anton Gauselmann, hat 1917 bei der Militärverwaltung auf dem Büro im Depot gearbeitet. Er hatte den Rang eines ‚Vizefeldwebels' obwohl er nicht zum Krieg eingezogen wurde. Er hatte als Kind eine Hand durch einen Unfall verloren. Vater trug eine Kunsthand. Sein Büro - eine Baracke - stand gegenüber dem Wohlfahrtsgebäude. Zu einem späteren Zeitpunkt ist er von Dynamit Alfred Nobel GmbH als Lohnbuchhalter eingestellt worden. Sein Büro war im ehemaligen Doppelverwaltungsgebäude für A und C. Mein Vater ist bis 1921 täglich zu Fuß von Emsdetten bis zum Depot gelaufen."
Zeitzeuge Gustav Eitze, Greven, Breslauer Str. 6, am 18. August 2003
"Mein Vater Gustav Eitze, geboren 1880, gestorben 1949, war im Depot Hembergen Lokomotivführer. So weit ich weiß, während der Kriegszeit. Er ist von Greven mit dem Zug nach Hembergen zur Arbeit gefahren."
Zeitzeuge Paul Berkenheide, Wittlerdamm, im August 2003
"Mein Vater war im Depot als Arbeiter beschäftigt. Er ist von Zuhause (Herbern) zur Arbeitsstelle gelaufen. Andres Niepagenkämper hat auch dort gearbeitet. Er hat bei uns gewohnt."
Zeitzeuge Hanns Ottenjann, Greven, im Juni 2008
"Ein Onkel von mir, Paul Ottenjann, war von Beruf Schreiner. Er wurde als Soldat im Ersten Weltkrieg an der Front eingesetzt und kurz nach Beginn des Krieges verwundet. Zunächst wurde er im Lazarett untergebracht, dann aber nach Hause geschickt. So kam er zurück nach Greven. Hier wurde er, nicht mehr kriegstauglich aber arbeitsfähig, beim Bau des 'Munitionsdepots Hembergen' eingesetzt. Seine handwerklichen Fähigkeiten als Schreiner hat man dort sicherlich gut gebrauchen können. So weit ich weiss, ist er wohl täglich von zu Hause bis zur dortigen Arbeitsstelle (und zurück) gelaufen."
Zeitzeuge Herr Wortmann, Greven, im Juli 2003
"Mein Großvater, Johannes Deters, wohnhaft in Greven, war als 16/17Jähriger im Depot beschäftigt, aber nur eine kurze Zeit. Geboren 1902, verstorben 1983.
Die Unternehmer hatten es nicht einfach mit den Beschäftigten: Zum einen konnten nicht ausreichend Fachleute eingestellt werden, weil diese nicht vorhanden waren, dann wurden die ‚kv'-Leute auch noch zur Front abkommandiert, und wiederum blieben andere einfach ihrer Arbeit fern. Obwohl die Gefangenen bewacht wurden, gelang es dem einen oder anderen zu fliehen. Einige der Arbeiter verhielten sich auch nicht so, wie sie es sollten. Und so wurden einige Vorkommnisse den Grevener Behörden gemeldet (Auszug):
Einen Monat später: Firma Büscher schreibt an das Amt Greven: "[...] daß unsere Bemühungen bzgl. der Namen der Übeltäter bisher resultatlos verlaufen sind. Wir bleiben bemüht auf unsere Arbeiter entsprechend einzuwirken, können jedoch für deren Handlungen außer der Arbeitszeit keine Verantwortung übernehmen."
Büscher schrieb am 30. Mai 1917 an das Amt Greven: "Der belgische Arbeiter ist nicht mehr zur Arbeit gekommen ist. Es liegt die Vermutung nahe, daß derselbe mit den aus der hiesigen Bauerschaft entflohenen französischen Kriegsgefangenen getürmt ist."
Das Militär-Eisenbahnbauamt Münster hat Bedenken, wenn in der Nähe des Depots Feuer entfacht wird und schreibt am 12. Mai 1917 an die Polizeibehörde in Greven: "Der Waldbrand im Gillhaus´schen Grundbesitz ist auf Unachtsamkeit eines Gefangenen zurückzuführen. Anliegende Besitzer des Depots haben ihre Arbeitsleute - namentlich Gefangene - anzuweisen, sehr vorsichtig beim Abbrennen von Unkraut, Heide und Holz zu sein, tunlichst es ganz zu unterlassen."
Während des Depotbaus wurden nach den Unterlagen der Polizei Greven einige Arbeiter erwischt und auch verurteilt:
Christian Basso aus Herbern arbeitete als Schachtmeister. Er hatte sich beim Meldeverfahren schuldig gemacht und wurde am 22.10.1917 zu einer Geldstrafe von 21 Mark oder sieben Tagen Gefängnis verurteilt.
Schwerer wog da schon die Strafsache des Versuchs eines Sittlichkeitsverbrechens. Ludwig Fallbrügge - beschäftigt als Verwalter am Bahnhof Hembergen - wurde deshalb am 16.1.1918 zu vier Monaten Gefängnis verurteilt.
Der Ingenieur Heinrich Hauck hatte sich nach dem Kriegsgefangenengesetz schuldig gemacht. Er wurde mit zwei Tagen Gefängnis bestraft. Das Urteil erging am 28.8.1917.
Der Ausländer Henri Mouvet machte sich ebenfalls des Meldeverfahrens schuldig, und wurde bereits am 5.9.1916 (wahrscheinlich in Abwesenheit verurteilt). Es ist anzunehmen - aber nicht gesichert -, daß er schon zu dieser Zeit in irgendeiner Beziehung zu den Vorarbeiten für den Depotbau stand.
Das Kriegsministerium ordnete in einem geheimen Erlaß am 11. März 1918 an: "Für die Personalbesetzung [...] sind die Nahkampfmittel-Park-Bataillone Nr. 407 (Bentschen und Ostdeutschland), Nr. 408 (Kelsterbach, Ulm, Neuwied, Halbe) und Nr. 409 (Hembergen, Cöln-Delbrück und Düsseldorf) mit zusammen 3.148 Köpfen zu bilden.
Wenn man einmal davon ausgeht, daß die kleineren Nahkampfmitteldepots Cöln-Delbrück und Düsseldorf jeweils einen geringeren Anteil - des Drittels der insgesamt ca. 3.100 Mann - an Kräften hiervon erhielten, könnte es sein, daß dem größeren Depot Hembergen zwei Kompanien, das wären dann ca. 500 Mann, zur Verfügung gestanden haben. In den vorgefundenen Dokumenten ist allerdings nur eine Kompanie (die 1.) genannt.
Diese Baukompanien hatten die einzige Aufgabe, die Bauten (Schuppen, Verwaltungsgebäude und sonstigen Einrichtungen) zu erstellen, nachdem die Gleisanlagen fertiggestellt waren. Deshalb war zu einem früheren Zeitpunkt - ab 1917 - kein Nahkampfmittel-Park-Bataillon für den Bau abkommandiert worden.
Aus dem Erlaß vom 2. November 1916: "[...] wenn Depotkompanie zu 250 Mann (Arbeiter oder Kommandante) nötig wird, so hat sie in feldmäßigen Holzbaracken zu erfolgen." Daran hielten sich die hiesigen Militärs, denn die Unterbringung der Depot-Kompanie(n) erfolgte in zwei Baracken vor dem Hauptverwaltungsgebäude.
Das Amt Greven schrieb an die 1. Kompanie: "Wir haben den Auftrag 200 Zentner Kartoffeln zu liefern und es sollen diese Mengen von Landwirten aus den Bauerschaften Hembergen, Herbern, Westerode am Samstag, den 20. April 1918, nach dort geschafft werden. Es wird um umgehende Mitteilung ersucht, wann (ob im Laufe des Vor- oder Nachmittags) und wo die Kartoffeln angeliefert werden können. Ob auf sogenannten Fuhrwerkswagen eine größere Menge geliefert werden kann, und ob 4-5 Mann zur Entladung der Wagen unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden können."
Die 1. Kompanie des Nahkampfmittel-Park-Bataillons 409 teilte dem Amt Greven mit: "[...] sind der Kompanie 112 Zentner Kartoffeln überwiesen worden. Durch genaues Nachwiegen durch die Kompanie wurde festgestellt, daß nur 106,14 Zentner geliefert wurden. Von 106,14 Zentner sind 5 Zentner verfault und für menschlichen Genuß völlig unbrauchbar. Weitere 15 Ztr. sind nur von Haselnußgröße und für jede Art ungeeignet. Die Kompanie verweigert die Annahme dieser 20 Ztr. Da der Kompanie 150 Ztr. zustehen sind noch 63,86 Zentner zu liefern. Schneider oder Schröder, Leutnant." (Anmerkung: Weshalb nur 150 Ztr. zustehen, statt der vom Amt avisierten 200 Ztr., ist nicht bekannt).
Amtmann Hueske war am 23. April 1918 im Depot vor Ort und gab dem Leutnant in einigen Punkten recht. Beide Seiten einigten sich jedoch darauf, daß insgesamt 100 Ztr. als geliefert gelten, und somit noch 12 Zentner nachgeliefert werden sollten. Am 4. Mai 1918 erhielt die 1. Kompanie 409 weitere 50 Zentner Kartoffeln geliefert. Am 18. Mai 1918 bescheinigte der Leutnant den Erhalt von 62 Zentnern gut brauchbarer Kartoffeln. Die Kartoffeln wurden durch die Landwirte per Wagen angeliefert.
Am 15. Juni 1915 gibt das Kriegministerium - Unterzeichner war von Wrisberg - unter dem Aktenzeichen A.Z. (S) die ‚Richtlinien für die Behandlung der Arbeiterfrage in den für Kriegsbedarf tätigen Gewerbezweigen' heraus.
Darin heißt u.a.: "Frauen können in vielen Zweigen der Kriegsindustrie nützliche Dienste leisten und zahlreiche männliche Kräfte ersetzen [...] vor allem muß aber im kaufmännischen Personal ein umfassendes Auswechseln männlicher gegen weiblicher Kräfte vor sich gehen." Zunächst trotzig mit vielen Protesten und Hindernissen, aber dann ziehen die Frauen in die Betriebe ein.
Bekannt ist, daß Frauen im Depot in der Kantine gearbeitet haben. Die Leitung der Kantine oblag ebenfalls einer Frau. Ob in anderen Bereichen auch noch Frauen eingesetzt wurden, ist nicht überliefert.
Bereits am 3. März 1917 meldete Büscher dem Amt Greven, daß auch Frauen als Arbeitnehmerinnen eingestellt worden sind. Wer von den Arbeitern bzw. Arbeitnehmerinnen Urlaub haben will, muß das - über Büscher - beim Amt Greven beantragen. In diesem Fall handelte es sich um eine Polin.
Für die Besoldung, Bekleidung, und Verpflegung der Truppe etc. war die jeweilige Intendantur verantwortlich. Der stellvertretenden Intendantur in Münster, die die Proviantdepots der Sammelstationen zu versorgen hatten, waren bestimmte Lieferbezirke zugewiesen, wie das Nahkampfmitteldepot Hembergen (Anmerkung: Im Oktober 1917 wurde die Hierarchie des Versorgungssystems in fünf Gruppen aufgeteilt: Heer und Marine; Rüstungsarbeiter insbesondere Schwer- und Schwerstarbeiter, Schwer- und Schwerstarbeiter außerhalb der Kriegslieferungsindustrie, Bedürftige Bevölkerungsgruppen: Säuglinge, Kinder und schwangere Frauen, Jugendliche, Alte und Kranke, die ‚normalversorgungsberechtigte' Bevölkerung).
1917 wurde in Deutschland wegen zunehmender Lebensmittelrationierung gestreikt. In dem schlimmen ‚Kohlrübenwinter' 1916/17 lasteten die Ernährungsnöte schwer auf der darbenden Heimat. Sie trafen hauptsächlich den Mittelstand. Teuerung und Zwangswirtschaft regten das Volk auf, die Entbehrungen zermürbten die Widerstandskraft. Klagende Briefe von Angehörigen aus der Heimat wirkten sich natürlich demotivierend auf die Männer an der Front aus. Die Menschen hatten unter dem Krieg zu leiden: Sie hatten wenig zu essen, sie hungerten zeitweise.
Der Chef des Generalstabes erkannte die Lage in der Heimat, und wollte mit seinem Schreiben - Az II Nr. 51102 0p. vom 26. März 1917 an den Kriegsminister General der Artillerie von Stein - vorbeugen: "Die Ernährungslage in der Heimat und die Aussichten für die Zeit bis zur neuen Ernte sind derart, daß von militärischer Seite alles nur irgend Mögliche geschehen muß, um die Lage im Innern zu erleichtern. Es kommt in erster Linie auf die Deckung des Fehlbedarfs an Brotgetreide an. Ernste Schwierigkeiten werden nur dann vermieden werden, wenn wir es erreichen, daß aus den ursprünglich für das Heer vorgesehenen Vorräten 500.000 Tonnen Brotgetreide (oder Mehl) den heimischen Behörden zur Verfügung gestellt werden. gez. Hindenburg."
Ein Beispiel für die miserable Versorgungslage im hiesigen Bezirk: "Als dann die Zentrale-Einkaufs-Gesellschaft [...] dem Oberpräsidenten 300t Hülsenfrüchte für die Provinz zuweist, dauert es einen Monat bis die vorgesehene Menge in den Regierungsbezirken ankommt. Ein Verteilerschlüssel war vom Oberpräsidenten nicht vorgegeben, er hat lediglich verfügt, daß ¾kg Hülsenfrüchte pro Kopf und Woche für ‚Schwerstarbeiter' ausgegeben werden sollen. Da bei ca. 300.000 gemeldeten Schwerstarbeitern pro Kopf drei Kilo Hülsenfrüchte verfügbar sind, ergibt sich durch die Verteilung des Oberpräsidenten eine Versorgungsdauer von ca. einem Monat und nicht wie beabsichtigt von zehn Wochen."
Auszug aus dem Buch ‚Die Kriegsernährungswirtschaft 1917' - herausgegeben im Februar 1917 vom Kriegsernährungsamt, Berlin: "[...] Es muß in das Gehirn eines jeden Deutschen eingemeißelt werden, daß es nicht um die Befriedigung des täglichen Ernährungsbedürfnisses, um das Essen und Trinken, nicht um das Geldverdienen [...] geht, sondern darum, was aus unserem deutschen Vaterlande und Volke werden soll [...]
In Kenntnis der Lage, daß auch andere von der hiesigen Kartoffelernte beliefert werden mußten, wurde am 18. Januar 1918 ein Zeitungsaufruf veranlaßt: "Seid sparsam im Verbrauch mit Kartoffeln! Jedermann sei sparsam mit den Einkellerungskartoffeln. Jede Hausfrau teile ihren Vorrat wöchentlich ab. Dem Wunsch der Eingesessenen gemäß war mit einigen Ausnahmen alles für den Winter verteilt worden. Eine neue Verteilung von Kartoffeln kann erst im Frühjahr erfolgen und selbstverständlich nur an diejenigen, welche ihren Bedarf noch nicht ganz gedeckt haben und wo Zuzug gekommen ist. Sehe sich also jeder vor und schicke sich in der Zeit. Der Amtmann."
Das Amt Greven beantragte am 28. Februar 1918 beim Landrat für den Zeitraum 16. März -15. April 1918 folgende Zusatzmengen an Mehl für Schwer- und Schwerstarbeiter für die Arbeiter der Firmen Büscher und Bauvereinigung in Hembergen
Personen | Anzahl | Menge | Mehlmenge |
Schwerarbeiter | 275 | 1.900g | 547,000kg |
Schwerstarbeiter | 210 | 3.800g | 798,000kg. |
Amt Greven - Hueske - ließ am 23. Juli 1918 durch Aushang veröffentlichen: "Infolge der außergewöhnlichen Mehlknappheit muß die Brotmenge für die nächsten 10 Tage auf die Hälfte (von 500g auf 250g täglich) herabgesetzt werden. Die Umlagen für Schwer- und Schwerstarbeiter bleiben unverändert bestehen." (Anmerkung: Die verschärfte Lebensmittelknappheit schlug sich negativ auf den Gemütszustand der Arbeiter nieder, den das stellvertretende Generalkommando in Münster als ‚recht gedrückt und teilweise erregt' umschrieb).
Die Verpflegung für die Menschen, die das Depot bauten, war nicht wesentlich besser. Es ist davon auszugehen, daß eine geregelte Verpflegung der Arbeiter und Gefangenen nicht stattgefunden hat.
Für die im Depot bei den Unternehmen beschäftigten Arbeiterinnen und Arbeiter sowie für die Kriegsgefangenen gab es aufgrund unterschiedlicher Arbeitsbelastungen Zulagen für Brot, Fleisch, Fette als auch für einige andere Nahrungsmittel. Die Zusatzrationen unterschieden sich grundsätzlich in
Zulagen für Schwerarbeit, hier betrug die Zulage 3.000g Brot oder 1.900g bzw. 2.220g Mehl
Zulagen für Schwerstarbeit, hier betrug die Zulage 5.000g Brot oder 3.800g Mehl. Diese Mengen der Brotversorgung waren durch Neuregelung im Oktober 1917 festgesetzt.
Am 23. Juli 1918 veröffentlichte das Amt Greven durch Aushang: "Infolge der außergewöhnlichen Mehlknappheit muß die Brotmenge für die nächsten 10 Tage auf die Hälfte herabgesetzt werden. Die Umlagen für Schwer- und Schwerstarbeiter bleiben unverändert bestehen." Damit kann bereits nach vier Monaten die Zusage nicht mehr gehalten werden. "[...] die Brotzulagen für Schwerarbeit werden auf 750g und für Schwerstarbeit auf 1.000g herabgesetzt. Im Juli 1918 werden an die Bauarbeiter wöchentlich 100g Fett und 100g Fleisch und 1.250g Brot als Grundmenge (ohne Zulage) verteilt." (Anmerkung: Nach Ansicht eines Depot-Unternehmers fallen Maurer, Zimmermänner, Maurerpoliere darunter. Das Bestreben der Unternehmer im Depot ist: Soviel Zulagen an Lebensmitteln wie eben möglich für die Arbeiter zu beantragen und durchzusetzen, um damit Streiks abwenden zu können).
Das Amt Greven wurde vermehrt für die Lieferung von weiteren Lebensmitteln - wie Kartoffeln - auch für das Gefangenenlager ersucht. Das Proviantamt in Münster übernahm anschließend die Bezahlung gelieferter Waren (Die Proviantämter unterstanden den stellvertretenden Intendanturen).
Landwirte aus der Umgebung (z.B. Scherphues) lieferten nach Auftrag durch das Amt Greven Kartoffeln an die im Depot tätige Firma Büscher. "Für die laufende Versorgungsperiode sind uns für unsere Menage (Haushalt) auf Baustelle Hembergen mit einer durchschnittlichen Teilnehmerzahl von 30 Personen 100 Zentner Kartoffeln zur Verfügung gestellt, welche durch den Gutsbesitzer Temming Hanhoff geliefert wurden. Zur Anlieferung gelangten, blaue Riesen, eine Kartoffel, bei welcher bedeutende Abfälle unvermeidlich sind. Infolge dieser Qualitätsverluste und der teilweise erhöhten Menageteilnehmerzahl würde die verfügbare Menge bis zum Beginn der neuen Versorgungsperiode nicht ausreichen, um so weniger, als die Dringlichkeit der Bauarbeiten im Laufe der nächsten Monate eine Mehreinstellung von Arbeitskräften erforderlich macht und voraussichtlich auf 40 Personen erhöht werden muß. Wir bitten deshalb zu den 100 Zentnern noch 30-35 Zentner zu liefern", schrieb Büscher an das Amt Greven am 22. April 1918.
Die Landwirte erzielten im Mai 1918 für den Zentner Kartoffeln einen Preis von durchschnittlich 5,25 Mark.
Mitte des Jahres 1918 rumorte es erneut unter den Arbeitern im Depot: Die Verpflegung wurde immer spärlicher, und deshalb schrieben die Betroffenen an karikative Verbände: Daraufhin wendete sich der ‚Centralverband christlicher Bauarbeiter' am 24. Juli 1918 an den Chef des Amtes in Greven: "Da sich unter dem in Hembergen arbeitenden Arbeitern in zunehmenden Maße eine Mißstimmung über die Schwerstarbeitzulagen festzusetzen beginnt, darüber Aufschluß zu geben, welche Lebensmittelzulagen außer den wöchentlichen 100g Fett, 100g Fleisch und sonst noch pro Kopf ausgegeben sind bzw. ausgegeben wurden." Hueske antwortete einen Tag später dem Centralverband: "Vor langer Zeit sind den Schwerstarbeitern der Rüstungsindustrie 700g Graupen und Graupensuppe überwiesen worden, welche damals an die Arbeiter der Firma Büscher und Münstersche Bauvereinigung Hembergen abverfolgt wurden. In dieser Woche sind 1.000g Graupen und 1 Suppenwürfel für jeden Arbeiter überwiesen.
Während der ersten Phase der Bauarbeiten diente eine Baracke in Nähe des noch zu bauenden Doppelverwaltungsgebäudes als Kantine. Später, etwa ab August 1918, nachdem das Gebäude fertiggestellt war, wurde die Kantine in das fertige Gebäude verlegt.
Das Amt Greven: "Die Kantine des Parks ist an Frau Thea Schmidt, Hembergen, verpachtet. Dieselbe hat z.Z. außer der Kantine, in einer Baracke des Gefangenenlagers, eine Verkaufsstelle auf der Baustelle. Diese Verkaufsstelle dient den Bedürfnissen dem z.Z.
zum Bau kommandierten militärischen Personal
den Kriegsgefangenen
und auch den Zivilarbeitern der verschiedenen Bauunternehmen.
Der Wirt Micheel aus Herbern, der abseits vom Depot lag, und sich beklagte, daß er augenblicklich keine Kundschaft mehr hat, stellte den Antrag beim Amt Greven, eine Kantine an der Haltestelle ‚Herbern' (Anmerkung: Es mußte Hembergen heißen)
errichten zu können. Seinem Antrag wurde allerdings erst einige Monate später stattgegeben, einen Erfrischungsraum an der Haltestelle (östlich der Bahn) einrichten zu können.
Der Seltersfabrikant Hegemann, Greven, verkaufte auf dem Depotgelände an die Arbeiter der Münsterschen Bauvereinigung Zigaretten, Zigarren, Mineralwasser, Bier und sonstige kleine Bedarfsartikel.
Die Kantinenpächterin Thea Schmidt eröffnete noch zwei weitere Verkaufsstellen auf dem Depotgelände, und zwar in den Depots C und D. "Sie werden von den auf der Baustelle beschäftigten Personen, Arbeitern und Gefangenen in Anspruch genommen." Das Amt Greven stellte fest, "daß es sich bei den Letztgenannten um den Begriff ‚Schenkwirtschaft' handelt, da es sich um offene gewerbsmäßige Lokale und Feilhalten handelt." Daraufhin wurde die Kantinenpächterin aufgefordert, einen Konzessionsantrag zu stellen.
Am 24. Juli 1918 teilte die Parkverwaltung dem Amt Greven mit, "der Frau Schmidt wurde von hier aus wegen verschiedener Unregelmäßigkeiten auf den 15. August 1918 gekündigt. Die Münstersche Bauvereinigung hat Frau Schmidt aufgefordert, die Baukantine zu räumen. Ob ein neuer Pächter vorhanden ist, ist nicht bekannt."
Das Ehepaar Kippenbrock hatte sich auch ein zweites Standbein aufgebaut. Sie hielten sich eine Kuh und verkauften an die Beschäftigten im Depot Butter und Milch. Im Januar 1919 waren bis auf die Kantine und dem privaten Verkauf der Kippenbrocks sämtliche Verkaufsstellen aufgelöst. (Anmerkung: Felix Kippenbrock arbeitete als Fuhrmann im Depot. Sein Transportgut war Munition)
Die Versorgung der arbeitenden Menschen im Depot läßt sich in drei Gruppen aufteilen. Es mußten versorgt werden:
Vom Militär eingesetztes Personal
Die Kriegsgefangenen
Von den Unternehmen beschäftigte Menschen, einschließlich ‚ihrer' Gefangenen.
Jede dieser drei Gruppen hatte eine eigene Versorgungsstelle, die je nach Marktlage Fleisch, Fette, Nährmittel, Getränke etc. in das Depot bringen mußte. Das meiste der Lebensmittel wurde mit dem Zug herangefahren und vor Ort in Feldküchen eßfertig zubereitet. Den Arbeitern der Unternehmen stand eine behelfsmäßig eingerichtete Kantine zur Verfügung. Diese wurde, als das Doppelverwaltungsgebäude für A/C fertiggestellt war, mit integriert, auch vom Militär genutzt. Da nicht an jedem Tag alle satt wurden, hatten Händler diese Marktlücke erkannt und boten ihre Sachen an, die auch von den Anwesenden genutzt wurden. Außerdem herrschte ein ständiger Kampf um Anerkennung auf Schwer- und Schwerstarbeit für alle Gruppen, um den Verlust an Energie aufgrund der zum Teil körperlich schweren Arbeit durch Zusatzleistungen an Brot, Fetten und sonstigen Nährmitteln zu kompensieren.
Brot und Kartoffeln waren die Hauptnahrungsmittel für die arbeitenden Menschen im Depot. Doch mit Kartoffeln sah es sehr schlecht aus: es waren kaum welche zu beschaffen, und das notwendige Mehl zum Brotbacken war in Münster noch knapper als in Greven. Deshalb wurden zwischen dem Kommunalverband in Münster und dem Amt Greven die Zuständigkeiten zur Lieferung des dringend benötigten Mehls hin und her geschoben, zum Nachteil für die Menschen im Depot.
In einem Schreiben vom 3. Mai 1919 teilte die Firma Büscher dem Amt Greven mit, daß sie den Kantinenbetrieb eingestellt hat.
Der Mann, der im Felde stand, hatte vorher einen Durchschnittsverdienst um die M 130,-- monatlich nach Hause gebracht. Der entfiel - Vater Staat zahlte dem Soldaten eine Löhnung (Sold), die je nach Dienstgrad M 9,-- bis M 13,50 betrug, und den Familien der im Feld stehenden Soldaten eine Beihilfe (je nach Kinderzahl) von M 25,-- bis M 40,--. Das reichte nicht annähernd zur Deckung des Existenzminimums, und die Frauen mußten berufstätig werden.
Das Kriegsministerium legte im März 1915 fest: "[...] Die Heeresverwaltung trägt für die Kriegsgefangenen und die militärische Bewachung die Kosten der Unterbringung, der Verpflegung, der ärztlichen Behandlung, der gewöhnlichen Kleidung, der Nebenbedürfnisse, des Hin- und Rücktransportes und die Abfindung der Kriegsgefangenen mit einem Verdienstanteil. In den Fällen, in denen gemäß Vereinbarung der Arbeitgeber oder ein Unternehmer die Unterkunft und Beköstigung stellt, erstattet die Heeresverwaltung für Unterbringung von 15 Pfennig für Kopf und Tag. Für Beköstigung einschließlich Brot für den Kriegsgefangenen 75 Pfennig pro Tag, für den militärischen Wachmann 1,20 Mark pro Tag. Der Arbeitgeber stellt die nötigen Arbeitsgeräte, auch etwaige besondere Arbeitskleidung (Wasserstiefel). [...] Die Abfindung bemißt sich hier von selbst nach dem Fleiß des Kriegsgefangenen."
Artikel 17 der Haager Landkriegsordnung von 1907 besagte, daß die gefangenen Offiziere dieselbe Besoldung erhalten, wie sie den Offizieren gleichen Dienstgrads in dem Lande zusteht, wo sie gefangengehalten werden; ihre Regierung war zur Erstattung verpflichtet.
[...] als bekannt wird, daß in Haltern am 8. November 1918 ein Soldatenrat bestünde, entschließt der Chef des Stabes, die Bildung eines Soldatenrates in Münster selbst in Angriff zu nehmen, da er der Auffassung ist, daß dessen Einrichtung nach der ‚ganzen schweren Lage unvermeidlich und unaufschiebbar' geworden ist. Am Morgen des 9. November 1918 hat sich im Wartesaal des Hauptbahnhofs Münster ein örtlicher Soldatenrat etabliert, und am 13. November 1918 nimmt ein Generalsoldatenrat des Bezirks des VII. A.K. seine Arbeit auf.
Zum Ende des Ersten Weltkrieges bildete sich unter den im Depot arbeitenden Menschen ein Soldatenrat. Die Emsdettener Volkszeitung berichtete davon am 11. November 1918 in ihrer Montagsausgabe. "Soldatenbewegung in Hembergen. Auch hier hatte sich ein Soldatenrat gebildet, der das Depot und auch die Aufrechterhaltung der Ordnung in Emsdetten und Greven übernommen hat. Seit Samstagabend werden Bahnhof, Amt und Post usw. militärisch bewacht. Polizeigewalt und Lebensmittelkontrolle liegt in den Händen des Soldatenrates, welcher am Sonntag durch Maueranschlag folgenden Aufruf mit der Überschrift ‚An die Mitbürger von Emsdetten, Greven und Umgebung - Der Freiheitsmorgen ist angebrochen [...] Der Soldatenrat Hembergen i.A.: Hofmann - Kradenpoth - Jahnke.'"
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