Die Anschrift lautete: Sprengstoffabriken Hoppecke - Munitionszerlegung - Ihringhausen, bei Kassel. Die Hoppecke ist ein Sauerlandflüßchen, das bei Marsberg in die Diemel mündet. Von der ‚Deutschen Sprengstoffindustrie' (Generalkartell) wurden 1905 die ‚Sprengstoffabriken Hoppecke AG, Hamburg' gegründet. Hoppecke nahm 1908 die Produktion auf. In Düsseldorf war die (finanzkräftigere) ‚Hoppecke AG' ansässig. Beide Gesellschaften wurden zusammengelegt. Nachdem die ‚Hoppecke AG' in ‚Dominitwerk' umformiert worden war, wurde diese am 1. Juli 1926 von der DAG übernommen.
Für die Zerlegung der Munitionsbestände im ehemaligen Nahkampfmitteldepot Hembergen war einzig und allein die Firma Hoppecke zuständig. Sie stellte das Fachpersonal als auch die Arbeiter, die die Tätigkeiten durchzuführen hatten. Hoppecke machte in einem Schreiben vom 25. April 1920 an den Regierungspräsident die weitere Beschäftigung von Hilfspersonal des Neben-Artilleriedepots davon abhängig, ob und wie zügig die Genehmigung zur Zerlegung der im Depot gelagerter Munition eintreffe. Die RTG (Reichstreuhandgesellschaft) übernahm ab dem Zeitpunkt die restlichen Arbeiten, als Hoppecke die an sie gestellten Aufgaben erledigt hatte. Der Aufsichtsbeamte Stuhlemmer von der RTG überwachte die Arbeiten im Depot.
Das Reichsvermögensamt Münster teilte dem Landesfinanzamt mit: "Auf Antrag des Sprengstoffkonzerns fand am 21. Februar 1920 eine Besichtigung des Nahkampfmitteldepots Hembergen statt, um auch dessen Eignung für die Pläne des Konzerns zu prüfen. Es stellte sich heraus, dass entgegen den früheren Angaben des Neben-Artilleriedepots Hembergen noch beträchtliche Mengen Beutemunition lagern. Diese Munition ist im Friedensvertrag der Entente zugesprochen worden. Eine Verfügung steht noch aus. [...]
Es wird noch eine geraume Zeit vergehen, bis die Munition beseitigt ist. Ein Abtransport auf größere Entfernungen kommt nicht in Betracht, weil die Munition als äußerst unsicher anzusehen ist. Die Zünder sind vielfach scharf geworden, der Sprengstoff ist teilweise schon ausgeblüht. Zerlegungen und Sprengungen an Ort und Stelle können nur bei sehr sorgfältiger und daher zeitraubender Einzelarbeit vorgenommen werden. Für derartige Maßnahmen kommt das Ad. zunächst nicht in Betracht, da die Abwicklungsstellen der Feldzeugmeisterei bzw. der Ad-Depots die Weiterbehandlung dieser Munition als nicht mehr zu ihren Aufgaben gehörig, ablehnen.
So bleibe nur übrig, die Arbeit einem Privatunternehmen zu übertragen (z. B. dem Zerlegekonzern). Jedes derartige Privatunternehmen bedarf der Genehmigung der Gewerbeaufsichtsbehörden und der Gewerbepolizei. Es wird jedoch wahrscheinlich die Konzession verweigert werde, weil im Abstand von weniger als 1.000m sich Feuerstellen befinden. Die Beutemunition lagert im Depot A. Das bedeutet, dass an eine Verwertung des Depots B oder gar des Verwaltungsbezirks solange nicht angegangen werden kann, als die Beutemunition nicht aus dem Depot A entfernt ist. Es käme auch noch ein Abtransport nach D in Betracht, ist aber zeitraubend und damit teuer. Am zweckmäßigsten würde es sein, wenn hierzu eine aktive sachverständige Truppe herangezogen werden könnte."
Auf der Grundlage des Syndikatsvertrages begannen im Reich die Zerlegearbeiten im Oktober 1919. Wegen des vorhandenen Zeitdrucks erklärte sich das Reichsverwertungsamt einverstanden, die Zerlegearbeiten einer umfassenden Bestandsaufnahme voranzustellen.
Im März 1920 ließ der Leiter des Neben-Artilleriedepots Leutnant Palm die Menge der eingelagerten Munition [PDF-Datei] zählen und schickte die angeforderte Aufstellung an das Reichsvermögensamt. In dem Begleitschreibung fügte Palm noch folgendes hinzu: "Es wird jedoch darauf aufmerksam gemacht, daß zufolge Verfügungen [...] vorläufig an niemand Munition abgegeben werden darf. [...] Der Zeitpunkt der gänzlichen Beseitigung ist völlig unbestimmt, da bisher fast jede Woche eine andere einschneidende Verfügung erlassen wurde. Beutemunition bleibt laut Friedensvertrag zur Verfügung des Verbandfeindes. Eine vorherige Verladung kommt wegen ihrer Transportunsicherheit nicht in Frage. Ein Transport nach C oder D könnte evtl. erfolgen, die Munition muß dann zuvor von einem Oberfeuerwerker, einem Vorarbeiter und 10 Mann untersucht werden. Dauer dieser Untersuchung einschließlich Umlagerung etwa 2 Monate. Nach mündlicher Besprechung mit der Verbandskommission wird die Munition infolge ihrer Transportunsicherheit gesprengt."
"Mit Datum vom 9. Dezember 1919 sind die Munitionsbestände des ehemaligen Nahkampfmitteldepots Hembergen an eine Verwertungsgesellschaft verkauft mit der Verpflichtung, sie binnen zwei Monaten nach Ratifizierung des Friedensvertrages (Anmerkungen: Der Versailler Vertrag wurde am 28. Juni 1919 unterzeichnet und am 10. Januar 1920 trat er in Kraft) zu verschrotten, widrigenfalls die Entente die Munition beschlagnahmt. Da zur Zeit die Bahn für Munitionstransporte gesperrt ist, muß die Verwertungsgesellschaft die Munition im Depot an Ort und Stelle zerlegen", lautete eine Verfügung. Diese Tatsache war auch Inhalt eines Schreibens des Reichsschatzministeriums Abt. III: "[...] Die von der Heeresverwaltung im Lager Hembergen dem Reichsverwertungsamt freigegebenen Munitionsbestände sind bereits an ein Syndikat (Hoppecke) verkauft."
Die Sprengstoffabrik Hoppecke, Köln, erhielt daraufhin am 19. Mai 1920 eine vorläufige Genehmigung zur Zerlegung von Munition. Die Firma beendete ihre Zerlegearbeiten am 10. Juni 1921.
Und schrieb unterwürfig an den Regierungspräsident am 25. April 1920: "Euer Exzellenz gestatte ich mir nachstehende Bitte ganz gehorsamst zu unterbreiten: Außer anderen Beständen haben wir auch die gesamten Munitionsbestände in dem früheren Nahkampfmitteldepot Hembergen zum Zerlegen käuflich erworben. [...] zumal mit zunehmender Wärme besonders für die im Freien lagernde und als ganz ladeunsicher und unzuverlässig zu bezeichnende Munition der Gefahrenmoment für die Umgebung ganz erheblich zunimmt. Es lagern im Block C des Depots etwa 43.000 leichte Minen, von denen die Zünder bereits vor Übernahme der Bestände durch uns abgeschraubt und die Treibladung aus dem Boden ausgeschraubt sind. In der also zündlosen Hülle befindet sich nur noch der Sprengstoff, der aus Perdit besteht. Diesen Perdit-Sprengstoff zu entfernen soll die erste Arbeit sein, damit der ganze Block C (Anmerkung: Im Block C waren vier Schuppen mit Munition belegt) für andere Zwecke verfügbar ist. Die Arbeiten sollten in den Schuppen 45 und 46 des Blockes C vorgenommen werden. Der durch das Zerlegen gewonnene Sprengstoff würde sofort an unsere Fabrik abtransportiert werden. [...] beabsichtige ich, die bereits abgeschraubten Zünder, von denen nur noch rd. 5.000 Stück vorhanden sind und die im Block A lagern, nach dem Block B zu transportieren und dort zu zerlegen. Ich bitte Euer Exzellenz um die erbetene Erlaubnis für die vorausgeführten Arbeiten in Ihrer Eigenschaft als Demobilmachungskommissar Hochgeneigtes erteilen zu wollen. Im Interesse der öffentlichen Sicherheit mit der Unschädlichmachung so gefährlicher Munitionsbestände endlich und möglich zu beginnen."
Am 11. Mai 1920 schickte das Landesfinanzamt ein Telegramm an das Reichsschatzministerium: "zerlegungskonzern bittet um genehmigung zum sofortigen beginn der zerlegungsarbeiten in hembergen"
Der Regierungspräsident war sehr zögerlich mit der endgültigen Vertragsunterzeichnung mit Hoppecke. Es galt zwar die vorläufige Genehmigung Munition zu vernichten, doch Auflagen über die Vorgehensweise wurden dennoch gemacht. Diese teilte der RP den Sprengstoffabriken Hoppecke am 21. Mai 1920 mit (Auszüge): "[...] den Antrag in dem Block C des Munitionsdepots Hembergen mit der Entleerung von leichten Minen - ohne Zünder - beginnen zu dürfen, wird stattgegeben. Die Genehmigung zur Ausführung der nachstehenden Arbeiten:
Entladen von Minen und Geschossen, ohne Zünder sind ohne Treibladungen je nach Bedarf in den Blöcken C und D des Depots in Hembergen möglich
Entladen der dort vorhanden Beutemunition (Handgranaten) im Block A des Depots Hembergen
Ich bedinge dabei aus, daß die Vorschriften der [...] für die Betriebe zum Zerlegen von Minen, Geschossen, Zündern etc. mit der Maßgabe sorgfältigst zu beachten sind, daß in einem Umkreis von 150 m, von der Zerlegestelle aus entfernt, weitere Sprengminen und Geschosse nicht zerlegt werden dürfen. Auflagen:
Es dürfen nur handelsübliche Sprengstoffe und Munition ohne Zünder gelagert werden (Anmerkung: der RP ging wahrscheinlich davon aus, daß zu der hier gelagerten Munition noch weitere augrund der Heeresminderung angeliefert werden könnte, um sie im Depot zu vernichten)
Guter Blitzschutz der gefährlichen Räume wegen Korrosion der Blitzschutzanlagen alljährlich und nach Gewitter überprüfen
Keine Lagerung brennbarer Munition in der Nähe der gefährlichen Räume
Sorgfältige Kontrolle des Lagerchefs und der Wächter
Anbringen von Feuermeldern und Löschvorrichtungen. Schaffung einer Feuerwehr
Ausstattung der Arbeitsräume mit wassergefüllten Kübeln, Löschbesen und Löschdecken
Alle Arbeiten sind mit genauer Anweisung zu versehen, wie sie sich im Brandfalle zu verhalten haben."
Im August 1920 wurden die Verträge zwischen dem RP und Hoppecke unterschrieben.
Eine mögliche Variante, wie ein Teil der Munition vernichtet wurde: Die immensen Munitionsbestände welche sich noch in den Munitionsschuppen befanden, wurden nach und nach per Ausschmelzung (Ausdüsen) unschädlich gemacht wurden. Beim Ausschmelzen von Granaten in der Zerlegungswerkstätte wurden von diesen zunächst die Zünder entfernt und gesprengt, dann erhitzte man in großen Wasserkesseln die Granaten mit der Öffnung nach unten, bis der Sprengstoff ‚Pigrin' vollständig herausgelöst war. Das Gemisch aus Wasser und Pigrin leitete man durch Rohrleitungen in tiefe Erdgruben, welche anschließend zugeschüttet wurden; an die Folgen dieses gedankenlosen Vergrabens von hochgiftiger Sprengmasse dachte damals noch keiner. Die leeren Hüllen der Granaten wurden [...] auf dem Schienenweg abtransportiert und an Hochöfen zum Einschmelzen verkauft. Aber nicht nur die im Depot lagernde deutsche Munition, sondern auch die der Franzosen wurde teilweise angekauft und erwerbsmäßig zerlegt. (Anmerkung: so beschrieben, wie es im Nahkampfmitteldepot Kelsterbach aufgelaufen sein soll).
Als Standorte für die Munitionszerlegestellen wurden in der Mehrzahl militärische Anlagen gewählt, in denen bereits während des 1. WK mit Munition umgegangen wurde (insbesondere Munitionsdepots und Munitionsanfertigungsstellen)Eine Reihe von Zerlegestellen befanden sich auch in Fabriken, in denen vorher Munition, Munitionsteile oder Explosivstoffe hergestellt wurden. Da nach dem Vertrag ‚KD 122' die Firmen des Zerlegesyndikats berechtigt waren, an ‚Ort und Stelle' den Zerlegebetrieb zu errichten, kann im Allgemeinen davon ausgegangen werden, daß sich die gesamte Zerlege- und Vernichtungstätigkeit auf die bereits bis Kriegsende genutzten reichseigenen bzw. zusätzlich in Anspruch genommenen Flächen beschränkte. Meist wurde durch das Unternehmen angestrebt, für ihre Arbeiten einen zusammenhängenden Bereich innerhalb der Liegenschaft zu nutzen und abzugrenzen. Grundsätzliche Voraussetzung war, daß die für die Zerlegearbeiten erforderlichen Gebäude, Schuppen und Flächen zur Verfügung standen. Baumaßnahmen sollten sich möglichst nur auf den Einbau der erforderlichen Zerlegetechnik sowie Schutzmaßnahmen (z. B. zusätzliche Trennwände) beschränken. Eine wesentliche Bedeutung hatte die Dampferzeugung für das Entfernen der Füllungen. Da ein längerer Weg über Dampfleitungen wegen der dabei entstehenden Energieverluste ausgeschlossen werden sollte, kann von einer maximalen Entfernung von 150 m ausgegangen werden. Bekannt ist auch eine stationäre Aufstellung einer Dampflokomotive, soweit sich ein Normalbahnanschluß in der Nähe befand (war bei Ad's meist der Fall). In dem Merkblättern der ZAUF (Anmerkung: Zentralaufsichtsstelle für Sprengstoff- und Munitionsfabriken) waren eine Reihe von räumlichen Forderungen fixiert. In getrennten Gebäuden waren durchzuführen:
Abschrauben der Zünder und Entfemen des Zündladungskörpers
Abschrauben der Mundlochbuchse, des Kopfes oder des Geschoßbodens (Vorbereitung)
Mechanische Bearbeitung der Geschoßfüllung
Ausschmelzen der Füllung
Ausblasen und Ausspülen der Füllung
Verpacken der zu versendenden entladenen Stoffe. (Anmerkung: UBA (Thieme))
Teil eines Schreibens vom 22. April 1920: "Die Zerlegungsarbeiten werden für den Reichsfiskus die wichtigeren sein. Denn die transportunfähige Munition (auch Beutemunition) kann aus Hembergen ohne Sprengung einschließlich ihrer Vorarbeiten überhaupt nicht beseitigt werden, die transportfähige Munition muß erst entsichert werden, ehe sie verladen werden kann. [...] Es handelt sich hierbei um sehr bedeutende Mengen, deren Abfuhr dadurch erschwert wird, daß keine feuerlose oder Benzollokomotive vorhanden ist, so daß die einzelnen Bahnwagen große Strecken stückweise geschoben werden müssen, ehe sie durch Staatsbahnlokomotiven zu Zügen zusammengestellt werden können."
Die Sprengstoffabrik Hoppecke suchte weiter nach geeigneten Geländeabschnitten für ihre Arbeiten, und bat deshalb im September 1920 den Amtmann Hueske in Greven um Genehmigung: "Durch Einlagerung von Sprengstoffen (Anmerkung: Durch die DAG) im Depot wurden uns die Sprengungen, welche wir sonst im Block B ausführten, verboten. Schulze-Mersch in Westerode will uns ein unkultiviertes Gelände etwa 500-600 m von der Chaussee Altenberge - Greven zur Verfügung stellen. Wir bemerken, daß wir unsere Sprengungen nur mit losem, in die Erde eingegrabenem Pulver ausführen. Es fliegt lediglich Erde hoch und verstreut in einem Umkreis von 25m Eisensplitter pp. Wir bitten um Genehmigung."
Am 25. November 1920 erteilte das Amt Greven den Beschluß: "[...] auf dem an der Chaussee Greven - Altenberge 500-600m entfernt liegendem Heidegrundstück des Colon Karl Mersch in Westerode unter Beachtung der sicherheitspolizeilichen Bestimmungen können unter bestimmten Bedingungen Sprengstoffe vernichtet werden."
Firma Hoppecke teilte am 20. November 1920 der Amtsverwaltung Greven mit: "[...] bisher geschah die Zerlegung von Beutemunition und die hierbei entstandenen Sprengstoffe zu vernichten, auf dem Gelände des Depots in dem nicht belegten Depot B. Seitdem nun die Dynamit AG sämtliche Schuppen mit Sprengstoff bzw. Pulver belegt hat, ist ein Vernichten der Sprengstoffe im Depot nicht mehr möglich. Mit Leißing wurde vereinbart, das Vernichten auf seinem Gelände durchzuführen. Ein 20 Morgen großes Heidestück steht zur Verfügung. Da die Zerlegung der Beutemunition beendet ist, bittet die Firma Hoppecke, daß Sprengstoff bei Leißing vernichtet werden kann."
Die Genehmigung wurde vom Preußischen Gewerbeaufsichtsamt Münster ausgestellt und der Landrat in Münster erteilte die Genehmigung am 11. Dezember 1920.
Vierzehn Tage später erreichte die Firma Hoppecke die Genehmigung und folgende Auflagen strengstens einzuhalten:
Die Sprengungen dürfen nur unter ständiger Aufsicht eines Schießmeisters ausgeführt werden
Ein Lagerbuch zu führen
Die Sprengungen sind so auszuführen, daß weder Personen noch Tiere [...] beschädigt werden
Muß die Gefahrenzone sicher abgesperrt oder bewacht werden
Der Sprengstoff muß in festen und dichten Behältern oder Säcken befördert und bewahrt werden
In der Nähe dürfen keine Sprengstoffe gelagert werden
Ein Wetterdach ist einzurichten
Zündköpfe müssen gesammelt und durch Verbrennen vernichtet werden.
Ein Zeitzeuge
"Dort, wo der Hundeverein seinen Platz hatte - neben Leihsings -, wurde nach dem Ersten Weltkrieg Munition aus dem Depot gesprengt. Dort waren große Sprenglöcher (Trichter) zwischen den Wallhecken. Diese Löcher kenne ich auch noch."
Die Zerlegung von Munition fand wie bereits beschrieben innerhalb des Depots statt, aber auch außerhalb wurde Munition vernichtet. Noch im August 1922 wurde Depot-Beutemunition (PDF) in einer von einem Gutsbesitzer unentgeltlich zur Verfügung gestellte Kiesgrube gesprengt: Es handelte sich hierbei um ca. 7.000 Munitionseinheiten.
Ein Zeitzeuge
"Mein Vater hatte in Reckenfeld aus den Schuppen mit unserem Pferdegespann Kisten und Körbe herausgeholt und weggefahren. Die Pferde mußten zwischen den Schienen und Schwellen herumtrampeln. Sie seien oft wie Rehe herumgesprungen. Was in den Kisten war, weiß ich nicht." (Anmerkung: Die im Depot vorhandene Munition war in Kisten und Körben angeliefert und eingelagert worden. Daß sie als Kind von den gefährlichen Transporten von ihrem Vater nicht mehr erfahren hat, erklärt sich von selbst.)
Die Reichstreuhandgesellschaft Aktiengesellschaft (Abteilung Warenbestimmung) in Berlin teilte am 30.8.1922 dem Reichsschatzministerium in Berlin die Zerstörung von Beutemunition mit, die unser Herr Brecht zerstört hat: "Der Lagerplatz der Beutemunition ist völlig ausgeräumt, abgesucht und gereinigt. Vorgefundene Munitionsreste wurden vernichtet bzw. verbrannt. Umherliegende Holz- und Papierabfälle etc. die mit Pulver und Sprengstoffen in Berührung gekommen waren, wurden beseitigt. Der Platz wurde von unserem Herrn Brecht der Dynamit AG übergeben, von der eine schriftliche Erklärung über die ordnungsgemäße Räumung eingefordert ist. Bei den Sprengungen sind Personen nicht verletzt worden. Gebäudeschäden sind, wie von Herrn Brecht durch Umfragen bei den Anliegern festgestellt wurde, nicht vorgekommen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß die Dynamit AG noch den Ersatz von 2 angeblich beim Sprengen zerbrochenen Fensterscheiben anmeldet. Die im Auftrag des Herrn Brecht von einem Gutsbesitzer unentgeltlich zur Verfügung gestellte Kiesgrube wurde nach Erledigung der ganzen Sprengarbeiten, diesem Herrn wieder übergeben. Das aus den Sprengungen entstandene Zerstörungsprodukt, 460kg Blechschrott verschiedener Stärken wurde, da das BLMG (Bureau de Liquidation de Materiel de Guerre) auf seine Ansprüche verzichtet hatte, zu Gunsten des Reichs an Ort und Stelle für 2.484 Mark verkauft und bei der Abrechnung der Zerstörungskosten mit verrechnet."
Ein Zeitzeuge aus Nordwalde
"Während meiner Schulzeit (etwa 1935) haben wir als Kinder bei der Brennerei Paul Schwer am Reutersee im Schwienbrock an einem Sandloch Granatspitzen gefunden. Wir wollten diese verhökern. Von den 'Eisen- und Lumpensammlern' haben wir jedoch dafür eine Holzflöte, aber kein Geld erhalten. Diese Granatspitzen waren Reste der Munition von den Sprengungen der Munition aus dem Depot Hembergen. Sie bestanden nicht aus Kupfer, eher aus Zink oder Blei. Sie waren grau."
Die Hoppecke AG in einem Schreiben vom 9. Nov. 1920 "[...] ob die Zerlegearbeiten mit Ablauf d. J. beendet sein werden, kann mit Sicherheit nicht angegeben werden. Es steht aber zu erwarten, daß uns noch kleinere Mengen, die infolge der Heeresverminderung von 200.000 auf 100.000 frei werden, übergeben werden. In Hembergen ist außer dem Zerlegen von kleineren Munitionsmengen (Eierhandgranaten p.p.) noch das Zerlegen von Zündern für leichte Minen vorzunehmen, welche Arbeiten sich nach oberflächlicher Berechnung bis März nächsten Jahres hinziehen werden."
Für die Zur-Verfügung-Stellung der Depotanlage erhielt der Staat auf Grund des Vertrages mit dem Zerlegekonzern eine monatliche Miete in Höhe von 200.000 Mark.
Nicht nur, daß in drei von vier Depots (A, C und D) Munition lagerte und die Zerlegung im Depot B stattfand, nun rollten auch noch Güterzüge mit Sprengstoffen an, die ebenfalls in Schuppen zwischengelagert werden mußten, da wurde es eng mit den Platzreserven.
Im Mai 1921 fiel das Ergebnis der Kontrolle nicht so günstig für Hoppecke aus: "[...] mehrere Lagertüren sind nicht verschließbar, es kann gestohlen werden, die Fenster der Arbeitsräume sind nachts und sonntags zu verschließen. Fast alle Handlöschpumpen sind völlig unbrauchbar, bei den Wasserlöschfässern waren keine Handeimer, zur Beförderung der Eisenbahnwagen innerhalb der Lagerumzäunung dürfen Lokomotiven nur dann benutzt werden, wenn sie vom Gewerberat besonders zugelassen worden sind. Im Lager muß ständig, also auch nachts, sowie an Sonn- und Feiertagen ein verantwortlicher Leiter anwesend sein. Die Hauptlöscheinrichtung, die das ganze Lager umfaßt, ist so bald wie möglich instand zu setzen."
Zu diesem Zeitpunkt hatte bereits die Hoppecke AG ‚ihre Koffer bereits gepackt' und stand kurz vor dem Abzug aus dem Depot.
Am 31. März 1920 wurde die gegründete Reichstreuhand-Gesellschaft AG zur 'rechtsgeschäftlichen Verfügungen über Militärgut' ermächtigt. Am 5. November 1920 wurde zwischen dem BLMG und der Reichstreuhandgesellschaft ein Vertrag abgeschlossen, der die Zusammenarbeit zwischen beiden Behörden und die Veräußerung bzw. Zerstörung des Kriegsmaterials regelte. Die Reichstreuhand A.G. besaß am 1. April 1921 60 Zerlegestellen für Waffen, 44 für Artillerie- und Minenwerfermunition, 9 für Zünder, 9 für Handwaffenmunition, 21 Verbrennungsstellen für Pulver, 1 Zerlegestelle für Leuchtmunition. In den Jahren 1920 bis 1922 erfolgten die gesamten Zerlegearbeiten in dieser Organisationsstruktur. Nachdem der Umfang ab Anfang 1922 immer mehr abnahm, wurde die RTG schließlich am 08.09.1924 aufgelöst.
Was geschah mit den Mengen, die von dem Zerlegekonsortium 1919/1920 nicht angekauft worden sind? Es wurde entschieden, die Vernichtung des Pulvers durch Verbrennen zu beginnen. In einem Bericht des Reichsschatzministerium, Abt. III an den Reichsschatzminister über die Unbrauchbarmachung des Pulvers vom 30. Juni 1920 hieß es: "[...] Die Gefährlichkeit der Pulvermengen bewog die Abteilung III unter Benachrichtigung der Verbandsmächte, die Reichstreuhand-Gesellschaft bereits Ende Mai anzuweisen, die Vernichtung der Pulvervorräte in sachgemäßer Weise in Angriff zu nehmen."
Das geschah auch im Depot Hembergen, wie es die vorliegenden Dokumente zeigen: Die RTG Berlin teilte der Heeresfriedenskommission am 19. Juli 1921 mit, daß die vorhandene Fliegerabwurfmunition einschl. Zündungen nach dem Stand vom 1. Juni 921 in Hembergen vernichtet wurden, und zwar waren es 25 Bodenzünder und 62 Kopfzünder. Beide Arten wurden an Ort und Stelle lt. Anweisung des engl. Offiziers Wray (IMKK) zerstört.
Der Bezirksausschuß wurde über die vertragliche Regelung der Munitionsvernichtung in Kenntnis gesetzt und um Zustimmung gebeten. Im Juni 1921, also nach mehr als einem Jahr der erteilten Genehmigung durch den RP, antwortete der Bezirksausschuß: "[...] muß ich mich gegen die Erteilung der Genehmigung (vom Mai 1920) aussprechen und um Ablehnung des Antrages bitten. [...] Ich führe noch an, daß am 23. April 1920 in der Nähe des Depots C und D des Lagers ein Waldbrand ausgebrochen war, wodurch letztere stark gefährdet gewesen sind. Infolgedessen herrscht unter den Bewohnern von Greven und Emsdetten eine berechtigte Erregung wegen der zur Zeit bereits vorhandenen Gefahr, welche durch die Genehmigung der Feuerwerkerei noch gesteigert werden würde."
Zeitzeuge
"Auf unserem Grundstück verlief ein Wall, auf dem wir als Kinder in den 1930er Jahren mit dem Schlitten hinuntergerodelt sind. Das könnte eine Aufwerfung gewesen sein, die von durchgeführten Sprengungen stammte." Im Jahr 2004 war auf der Wiese noch ein quadratischer Hügel zu erkennen. "Der Hügel war früher zwar früher höher, ist aber noch gut zu erkennen."
Der Minister des Innern, Berlin, Unter den Linden, wandte sich am 27. Juli 1920 an den Reichsschatzminister zwecks Zuweisung des Munitionslagers Hembergen an die Sicherheitspolizei: "Dem Kommando der Sicherheitspolizei Rheinland-Westfalen stehen keine Munitionsräume zur Lagerung der Reserve-Munitionsbestände zur Verfügung. Die dauernde Unterbringung dieser Bestände im Artillerie-Depot widerspricht den Bestimmungen und gefährdet die Umgebung. Ich bitte daher um Einverständnis zur Unterbringung dieser Bestände in dem Munitionslager Hembergen. Es käme die Lagerung nachstehender Mengen in Frage:
3.000.000 |
S-Patronen |
600.000 |
Pistolenpatronen |
25.000 |
Stielhandgranaten |
3.800 |
leichte Sprengminen |
3.000 |
Haubitzengranaten 15 |
400 |
mittlere Minen |
Für eine baldige Zuweisung des Munitionslagers in Hembergen würde ich sehr dankbar sein. Soweit mir bekannt, ist das genannte Lager frei; sollte über dieses jedoch anderweitig verfügt sein, so bitte ich, mir ein anderes in der gleichen Gegend liegendes Lager zur Verfügung zu stellen. Ich bitte Sie, die Zustimmung ohne Rücksicht auf die in Spa übernommene Verpflichtung zur Entwaffnung der Sicherheitspolizei geben zu wollen, da über das Maß der Sicherheitspolizei namentlich in der neutralen Zone zu belassenen Waffen weiter mit der IMKK verhandelt wird."
Der Reichsminister war mit dem Vorschlag einverstanden und schrieb an den Minister des Innern am 8. August 1920: "Gegen die Lagerung von Munition der Sicherheitspolizei für Rheinland und Westfalen im Nahkampfmitteldepot Hembergen habe ich nichts einzuwenden!"
Über die mögliche Einlagerung der Sipo-Munition wurde am 11. August 1920 in Münster verhandelt. Verhandlungs-Partner: Sicherheitspolizei Oberstleutnant Leuschner DAG Vormann Reichsvermögensamt Reg. Baurat Linz.
Auszug aus dem Protokoll: "[...] Es handelt sich um Munition, die bisher im Ad. (Anmerkung: Artilleriedepot) behelfsmäßig ohne Berücksichtigung irgendwelcher Sicherheitsvorschriften lagert. Die Polizei erhebt Widerspruch. In Münster besteht keine Möglichkeit zu vorschriftsmäßiger Lagerung, nachdem die Munitionsanstalt Mauritz-Heide durch Explosion im Jahr 1915 vernichtet wurde. Als Lager besaß das Ad. nur die Anstalten in Neuenkirchen-Land und Hembergen, von der die erstere an die Dynamit AG verkauft, die letztere an die DAG verpachtet werden soll. Das Hemberger Lager kommt allein zur Unterbringung in Betracht. Die Sipo hat sich daher an die DAG mit der Bitte gewandt, ihr entsprechende Räume in Hembergen pachtweise abzutreten.
Die DAG ist bereit, dem Antrag zu entsprechen und mit der Sipo einen Untervertrag zu schließen. Um Genehmigung wird gebeten, sowohl grundsätzlich, als auch weil nach der Fassung des abzuschließenden Vertrages nur eine Einlagerung von Sprengstoffen, nicht von Munition gestattet ist. Die endgültige Genehmigung ist Sache des Reichsschatzministeriums. Entsprechend der geringen Menge der Munition wird erwartet, daß die Entscheidung über die Verwertung der Gleisanlagen nicht durch die Abmachung zwischen Sipo und DAG beeinflußt wird."
Der Oberpräsident - Kommando der Sicherheitspolizei - schrieb am 12. August 1920 das Gewerbeaufsichtsamt in Münster an: "[...] auf die am 11. August 1920 stattgefundenen Besichtigung des Lagers Hembergen die Erklärung herbeizuführen, daß gegen die Lagerung der Munitionsbestände in den in anliegendem Plan grün umrandeten Magazinen 7, 8, 10, 19 und 20b polizeilicherseits keine Bedenken entgegen stehen.
Das Landesfinanzamt bestätigte dem Reichsschatzminister noch einmal den Vertrag und am 13. August 1920 fügte hinzu: "Die Sipo erwägt sogar, ob sie nicht auch eine Hundertschaft nach Hembergen legen und hierzu eines der vorhandenen Gebäude, etwa ein Verwaltungsgebäude auf ihre Kosten ausbauen kann." Der Dringlichkeit wegen hat das Landesfinanzamt seine vorläufige Zustimmung gegeben.
Die Polizeiverwaltung Greven (Hueske) stellte am 17.8.1920 folgenden Erlaubnisschein aus: "Dem Kommando der Sicherheitspolizei zu Münster wird hiermit, unter der besonderen Bedingung, daß lose Sprengstoffe in einer Zone von 100 m um die Munitionslager herum nicht gelagert werden dürfen, die Genehmigung erteilt, die genannten Munitionsbestände in den Schuppen 7, 8, 10, 19 und 20b der Gruppe A zu lagern. (Anmerkung: Der Bürgermeister fungierte als Ortspolizeibehörde, er unterstand in dieser Funktion nach dem preußischen Recht (PVG-Polizeiverwaltungsgesetz) dem staatlichen Landrat als Kreispolizeibehörde.)
Der Reichsschatzminister wurde am 31. August 1920 vom Landesfinanzamt Münster wie folgt in Kenntnis gesetzt: "Die DAG hat nachträglich Bedenken erhoben, die Sipo ohne weiteres als Untermieter in Hembergen aufzunehmen. Die DAG befürchtet, daß bei einer Explosion der Sipo-Munition ihr, der DAG, Nachteile aus dem Vertrag zwischen Reichsvermögverwaltung und DAG entstehen können, weil die Sipo-Munition gefährlicher ist, als die von der DAG eingelagerten Sprengstoffe. Die DAG stellte deshalb für die Einlagerung der Sipo-Munition noch folgende Bedingung: ‚Die Reichsvermögensverwaltung erklärt schriftlich, daß durch die Einlagerung der Sipo-Munition der §11 des Vertrageszwischen Reichsvermögensverwaltung und DAG keinen verschärften Wortlaut oder verschärfte Auslegung erfährt.' Die DAG glaubt, daß die Einlagerung der Eisenmassen namentlich die Blitzgefahr erhöhe. Nach Ansicht des Landesfinanzamtes sind die Bedenken übertrieben. Erstens sollen die Geschosse und Minen getrennt von den zugehörigen Zündern gelagert werden. Zweitens haben Schuppen Blitzableitereinrichtungen. Gegen die gewünschte Erklärung bestehen hier keine Bedenken. Da die Polizeiverwaltung Münster hier vorstellig geworden ist und um schleunigen Abtransport der Munition aus dem Stadtinnern ersucht hat, wird um baldige Genehmigung zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gebeten."
[...] und schrieb am 6. September 1920 an das Landesfinanzamt in Münster: "Es kann lediglich die Zustimmung dazu erteilt werden, daß der DAG vertraglich gestattet wird, im Nahkampfmitteldepot Hembergen Sipo-Munition zu lagern. Hinsichtlich der Sicherheiten, die die DAG wegen der größeren Gefährlichkeit der Sipo-Munition verlangt, müssen ihr die nötigen Vereinbarungen mit der Sipo überlassen bleiben. Die Haftpflicht der DAG der Reichsvermögensverwaltung gegenüber darf durch die Lagerung der Sipo-Munition nicht eingeschränkt werden."
Der Weg durch die Instanzen dauerte etwas länger: Am 20. Dezember 1920 gab nun auch das Ministerium des Inneren in Berlin die Absage bekannt.
Im März 2003 wurde in dem angrenzenden Bereich eines ehemaligen Schuppens im Block A Munition aus der Depotzeit gefunden. Was für Munition wurde gefunden? Der Kampfmittelbeseitigungsdienst Westfalen-Lippe teilte mir auf Anfrage mit: "Nach Aussage der Akten wurden 51 Nebelhandgranaten (Handnebelbombe 1. WK), 370 Übertragungsladungen und ca. 100 kg nicht näher spezifizierter Munitionsschrott gefunden. Bildmaterial zu diesem Vorgang liegt mir leider nicht vor."
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