Inanspruchnahme des Geländes

Die Gemarkung Reckenfeld, welche für den Bau des Nahkampfmitteldepots ausgesucht wurde, war Eigentum der Landwirte aus umliegenden Gemeinden.

Das Kriegsministerium hatte in dem Erlaß vom 2. November 1916 der General-Inspektion in Berlin den Auftrag erteilt, aufgrund des Kriegsleistungsgesetzes das Gelände sofort in Anspruch zu nehmen.

Der Regierungspräsident in Münster hatte Amtmann Hueske am 30. Dezember 1916 als Vertreter der Gemeinde für die Verhandlungen mit den Eigentümern bestimmt. Einige Tage zuvor begannen bereits die ersten Grundstücksverhandlungen und ab Januar 1917 lud Amtmann Hueske nacheinander weitere Besitzer der Grundstücke ein, und setzte die Termine für die Abschätzungsverhandlungen fest.

Das Amt Greven sandte dann ab dem Monat Februar des gleichen Jahres an andere Ämter Vordrucke in denen die Grundstücke für die Inanspruchnahme des zu bauenden Nahkampfmitteldepots einzutragen waren: "Auf Ersuchen der Garnisonverwaltung Münster übersende ich anliegende Nachweisung (Fragebogen) mit der Bitte, die Spalten 3,4 und 5 auszufüllen und innerhalb von 14 Tagen der Garnisonverwaltung Münster einzureichen. Etwaige Forderungen können in Spalte 'Bemerkungen' oder auf einem besonderen Bogen geltend gemacht bzw. näher begründet werden. Die aufgeführten Grundstücke sollen ganz bzw. teilweise für das in der Gemeinde Greven links der Ems zu errichtende Nahkampfmitteldepot in Anspruch genommen werden. Die Größen werden später durch das zuständige Katasteramt genau angegeben. Die geforderten Preise bitte ich pro a anzugeben."

Auszug aus dem Protokoll zwischen Amtmann Hueske und dem Eigentümer Landwirt Wilhelm Wieskötter

"Greven, den 25. Januar 1917. Anwesende: Amtmann Hueske als Kommissar der Landesregierung, Leutnant Gollers und Garnisons-Inspektor Hansmann als Mitglieder des Militärs, Gutsbesitzer August Peperhove und Hubert Uhlenbrock als Sachverständige. Für das in der Gemeinde Greven links der Ems zu errichtende Nahkampfmitteldepot sollen auf Grund des Kriegsleistungsgesetzes verschiedene Grundstücke in Anspruch genommen werden und zwar zu deren Abschätzung auf heute Termin angesetzt. Nach Begehung und genauer Besichtigung des Grundstückes wurde der durch die Inanspruchnahme desselben entstehende Schaden wie folgt geschätzt: Parzelle Flur 1 Nr. 216, minderwertiger Fichtenaufschlag etwa 18jähriger Bestand, Holz und entgangenen Zuwachs [...] Die Herren Vertreter der Militärbehörde erklärten sich mit dem Gutachten einverstanden [...] Der Besitzer - mit der Abschätzung bekannt gemacht - erklärt: Ich erkenne dieselbe an [...]"

Was blieb dem Eigentümer auch anderes übrig, als zuzustimmen.

Ausschnitt meiner Präsentation über die Entstehung Reckenfelds. Thema: "Was geschah mit den Ländereien, auf denen das Depot gebaut werden sollte?" [PDF-Datei]

Landwirt Wilhelm Wieskötter erhielt für 11 Morgen (2,8 Hektar) Land 370 Mark!

Besitzer der Ländereien waren eine große Anzahl Landwirte aus der Umgebung. Der größte Teil des Geländes gehörte zur Gemeinde Greven, ein kleiner Teil zur Gemeinde Nordwalde.

Nicht einverstanden

Die Grundbesitzer Gerling, Ansmann, Schwering, Eppe, Bösenberg, Afhüppe, Westrup, Grotthoff, Brockmann und Bockel - in der Bauerschaft Herbern, Gem. Greven l.d.E. - unterzeichneten am 28. März 1917 ein Schreiben an den Landrat: "Wir müssen zu dem neuen Nahkampfmitteldepot von ihrem im sogenannten Reckenfelde gelegenen Wiesen, Viehweiden und Holzgrundstücken große Flächen abgeben. Es ist im Laufe dieses Winters bei tiefem Schnee durch zwei Taxatoren - Uhlenbrock und Peperhove beide aus Hiltrup -, der Nutzungswert so niedrig berechnet worden, daß wir uns damit nicht zufrieden geben können. Auf unseren wiederholten Widerspruch in dem von Hueske angesetzten Terminen wurde uns einfach diktiert: es gebe nicht mehr und wenn wir nicht unterschreiben wollten, wäre es gut. Die Taxen wären festgesetzt und es ginge nach dem Kriegsleistungsgesetz und da gäbe es nicht mehr! Wir erleiden dadurch einen großen wirtschaftlichen Nachteil und wenden uns deshalb vertrauensvoll an Euer Hochwohlgeboren mit der Bitte, uns in dieser Sache in Schutz nehmen zu wollen."

Doch alle Bedenken und Einsprüche wurden von der Militärverwaltung hinweggewischt.

Auch ein Schreiben vom November 1917 mehrerer Besitzer an das Amt Greven zur Weiterleitung an die Königliche Garnisonsverwaltung brachte nicht viel ein. Als Antwort erhielt das Amt Greven von obiger Stelle: "[...] Die Kaufverhandlungen sind im Jahre 1917 vorbehaltlich der noch ausstehenden Genehmigung seitens der Intendantur abgeschlossen worden. Sämtlichen Beteiligten ist bereits eine angemessene Abschlagszahlung - etwa 50 % ihrer Forderungen ausgezahlt worden. Aufstehenden Holz, Einfriedungen; Viehhütten, Tränken u.a. sind seiner Zeit durch die Abschätzungskommission unter Ihrer Mitwirkung als Landeskommissar abgeschätzt worden. Die Regelung dieser Angelegenheit hat nach den Bestimmungen des Kriegleistungsgesetzes zu erfolgen. Alle Besitzer, welche die von Ihnen an die Heeresverwaltung abgetretene Grundstücke vorab weiter in Benutzung behalten haben, sind in dem genannten Verzeichnis vom 8.8.1917 einzeln nachgewiesen. Dieses Verzeichnis gilt auch heute noch. [...]"

Einen weiteren Versuch auf Anerkennung für die abgegebenen Ländereien in Form von Entschädigungengeldern zu erhalten, starteten die Besitzer nach Kriegsende am 7. Januar 1917 mit Unterstützung eines Rechtsbeistandes:

"Einspruch der Interessentenschaft Reckenfeld und der Bauerschaft Herbern der Gemeinde Greven l. d. Ems, gegen die, den Interessen von der Heeresverwaltung, durch den Bau des Nahkampfmitteldepots Hembergen verursachten Schädigungen an Wegen Gräben und Brückenanlagen und Antrag auf Abstellung dieser Mißstände. Dem Herren Regierungspräsidenten des Landes-Bauaufsichtsbehörde, erlauben sich die Unterzeichneten, Vertreter der Interessentenschaft Reckenfeld und Bauerschaft Herbern der Gemeinde Greven l. d. Ems in folgender Angelegenheit vorstellig zu werden.

In dem zum Gemeindebezirk Greven l. d. E. gehörenden halbwegs Greven / Emsdetten - zwischen der alten Landstraße Münster - Rheine und dem ehem. Max-Klemens-Kanal gelegenen Reckenfelde ist während der letzten beiden Kriegsjahre von der Heeresverwaltung unter Aufsicht der stellvertretenden Intendantur des VII. A. K. das Nahkampfmitteldepot Herbergen angelegt worden.

Deshalb bitten wir den Herrn Regierungspräsidenten auch dafür einzutreten, daß die Heeresverwaltung zu folgenden Leistungen herangezogen wird:

Unterzeichner: Vertreter der Interessenten des Reckenfeldes: Holling, Eilfing, Gerling, Ansmann, Gerbert Wieskötter, Schwering, Mersmann, Vohs-Gessmann, Westerode, Bockel, Grotthoff, Westrup, Beschmann, Gilhaus, Waltermann.

Basta!

Auszug aus einem Dokument vom 9. Dezember 1919, welches der Präsident des Landesfinanzamtes, Dr. Schmedding, unterzeichnete: "[...] sind zunächst die Rechtsverhältnisse des Grundbesitzes klarzustellen: Die Geländeflächen sind auf Grund des Kriegsleistungsgesetzes, Beginn im November 1916, seitens des Militärfiskus (Wumba) von den Vorbesitzern, Landwirten der Gemeinden Emsdetten und Nordwalde, in Anspruch genommen worden. Nach Abschätzung der Grundstücke seitens der bestimmungsgemäß eingesetzten Entschädigungskommission, meistens aber durch freiwillige Kaufverhandlungen wurden die Kaufpreise vereinbart und sind diese bis zur Hälfte der Beträge an die Eigentümer ausgezahlt worden. Eine notarielle oder gerichtliche Beurkundung (§ 313 BGB) zur Übertragung des Eigentums an den Militärfiskus ist bisher jedoch nicht erfolgt. Ein Eigentumserwerb der Geländeflächen ist aber im Interesse der wirtschaftlichen Verwertung des Depotbesitzes für den Reichsfiskus unbedingt notwendig. [...] Der Mehrwert der Grundstücksflächen in Folge der Wege-, Meliorationsverbesserungen, der Errichtung der Bauten und Eisenbahnanlagen pp. beträgt entsprechend den Gestehungskosten rund 8.500.000,-- Mark (Anmerkung: Diese Summe ist nicht korrekt!). Ein Betrag, der von den Vorbesitzern nicht aufgebracht werden kann, so dass eine Rückgabe des Geländes an diese in dem jetzigen Bebauungszustand nicht in Frage kommt."

Noch ein Versuch, mehr Geld zu bekommen, erneut mit juristischer Hilfe

Die Rechtsanwälte Reineke und Brebaum schrieben am 11. Mai 1920 an den Regierungspräsidenten: "Namens Kraft und Vollmacht von 61 Landwirten der Gemeinde Greven und Nordwalde tragen wir folgendes vor: Im Frühjahr 1917 sind zwecks Anlage des Nahkampfmitteldepots rund 640 Morgen 160 ha, 53 ar, 01 qm vom Militärfiskus in Anspruch genommen worden. Die Eigentümer dieser Grundstücke haben in Versammlungen vom 11. und 19. März 1920 durch Namensunterschriften uns beauftragt, ihre Interessen zu vertreten. Das Reichsvermögensamt beabsichtigt die genannten Grundtücke nunmehr zu kaufen und steht dieserhalb in Verhandlungen mit uns. Der Erwerbspreis soll jedoch nur den kahlen Boden umfassen und erst vom 1. Januar 1921 verzinst werden. Die aufstehenden Holzbestände, Einfriedungen, Viehhüten und die den Eigentümern für das Wirtschaftsjahr 1917 entstandene Nutzung sollen dagegen nach dem Kriegsleistungsgesetz ersetzt werden. Hierüber haben Verhandlungen stattgefunden. Damals ist im großen und ganzen Einigung erzielt worden. Es wurden damals insgesamt gefordert: 148.551,51 Mark, bewilligt: 140.774,91 Mark (Kriegspreis) oder 96.680,09 Mark (Friedenspreis) vereinbart worden. Mit dem Kriegspreis sind fast alle Besitzer einverstanden."

Im Jahre 1925 ein letzter Versuch, die Ländereien wieder zurückzubekommen

Das Amt Greven (Hueske) schrieb am 8. März 1925 an das Reichsfinanzministerium: "[...] fühlen sich die ehemaligen Besitzes etwa 50-60 kleinere, mittlere und größere Landwirte, die seiner Zeit auf Grund des Kriegsleistungsgesetzes das erforderliche Gelände für das Nahkampfmitteldepot Hembergen haben hergeben müssen, insofern benachteiligt, als sie seiner Zeit über die Verwendung des Grund und Bodens nicht gehört sind und derselbe ihnen zum Ankauf nicht wieder angeboten ist, zumal der Kaufpreis 100.000 Goldmark für das Depot mit dem gesamten Areal, Gebäuden, Schuppen, Eisenbahnschienen etc. nach allgemeiner Ansicht ein sehr niedriger gewesen ist.

Da dem Vernehmen nach mit der Entwaffnungskommission des Feindbundes über die anderweitige Verwendung der verschiedenen Depots Verhandlungen geführt werden und dem Vernehmen nach die völlige Beseitigung der Anlagen verlangt wird, glauben die Interessenten, das der seiner Zeit abgeschlossenen Kaufvertrag rückgängig zu machen ist und ihnen der Grund und Boden wieder übereignet werden kann. Sie glauben hierauf um so mehr Anspruch zu haben, da sie den vereinbarten Kaufpreis pp. in entwertetem Gelde erhalten haben und derselbe später infolge der Inflation zu einem Nichts zusammengeschmolzen ist [...] Sie verlangen daher in eine schleunige Prüfung einzutreten ob ihnen nicht das Gelände, wenn nicht ganz so doch wenigstens teilweise wieder übereignet werden kann. Im Auftrag der Interessenten: gez. Howest-Engberding, gez. Dr. Lintel, gez. Leihsing Wilp, gez. Heitmann, gez. Gerling, gez. Hansmann, gez. Holling Eilfing. (Unterschrift: Hueske)" (Handschriftlicher Vermerk des RFM: das ist doch Ihre Sache!)

Obwohl die Vereinigung der Deutschen Bauernvereine e.V., Berlin und Engberding als Abgeordneter des Reichstages, dem Amt Greven Schützenhilfe leisteten, änderte sich nicht viel an dem eingeleiteten Verfahren der Enteignung der Eigentümer. Denn das war eine Enteignung, wenn man zum einen die Vorgehensweise des Militärs und zum anderen die Entschädigungssummen zur Inflationszeit zu Grunde legt.

Welche Beträge an die ehemaligen Eigentümer im April 1921 überwiesen wurden, ist hier ersichtlich! Eine Tabelle in PDF-Format. Klicken Sie hier!


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