Wie wir Kinder und Jugendlichen die 1950er Jahre erlebtenHinweis: Dieses Kapitel besteht aus mehreren Teilen. Diese sind nach Themen untergliedert.Hier sind die Themen: |
Allgemeines |
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(Anm.: 1.) Im Herbst 2011 wurden vom Autor Reckenfelder Bürger angeschrieben, über die Zeit Ende der 1940er bzw. aus den 1950er Jahren über das "Kindsein" und den damit verbundenen Tageserlebnissen und den besonderen Ereignissen zu schreiben. Nur ein kleinerer Teil der mehr als 70 ausgesuchten Personen nahm das Angebot an. Die Hoffnung, dass es noch mehr Rückantworten geben könnte, war vergebens. Dennoch ist aus den interessanten Aufzeichnungen ein gutes Gesamtbild der damaligen Zeit möglich. Begonnen wird mit dem, was es damals zu essen und zu trinken gab bzw. was auf dem Küchentisch zu finden war. (Anm.: 2.) In diesem Kapitel kommen fast nur Zeitzeugen zu Wort, teilweise mit fast identischen Aussagen. Deshalb wurde auf eine nähere Bezeichnung der Zeitzeugen verzichtet. Zuvor noch ein paar allgemeine Dinge aus dieser Zeit: Die Bundesrepublik Deutschland steckte zu Beginn der Nachkriegszeit noch in den Kinderschuhen. Nach der Wahl Konrad Adenauers 1949 zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik beginnt mit den 1950er Jahren die soziale Marktwirtschaft ihren Siegeszug und wird so zum Sinnbild des Wirtschaftswunders. Die neue Kaufkraft wirkte sich positiv auf die Gemütslage der Deutschen aus. Allen war klar, dass nicht über Nacht alles besser und anders werden wird. Nur stetiges Bemühen und Arbeiten konnte auf längere Sicht den Erfolg bringen. Als dann auch noch im Mai 1950 die Lebensmittelmarken, 1945 eingeführt, wieder abgeschafft wurden, wurde dem Schwarzmarkt (Tauschhandel) ein Ende gesetzt. Und als dann auch die amerikanische CARE-Organisation die Deutschen u.a. mit Lebensmittelpaketen beschenkte, war der Start für einen Neubeginn gegeben. Ein Vergleich damals zu heute: 1950 musste man für 10 frische Eier zwei Stunden arbeiten, 2010 waren es nur noch sieben Minuten. Beim Bohnenkaffee sah es noch extremer aus: Otto-Normal-Verbraucher musste für 500 Gramm über 26 Stunden arbeiten, heute dagegen reichen gerade einmal 20 Minuten aus. ErnährungDoch nun zum eigentlichen Thema, dem Essen und Trinken. Um es vorweg zu nehmen, was auf den Tisch kam, wurde aufgegessen und gemäkelt wurde sowieso nicht. Wir kamen von draußen, nicht aus dem Computerzimmer, hatten "Schmacht" - auch "Kohldampf" genannt - "bis unter beide Arme", wenn wir uns an den Tisch setzten, und deshalb hat es immer geschmeckt. "Es fehlte zu Beginn der 1950er Jahre an Vitaminen. Es wurde zwar gegessen was auf den Tisch kam, aber die zurückliegenden Kriegsjahre mit vielen Entbehrungen - gemeint sind die meiner Eltern - mussten aufgeholt werden. So ist auch zu erklären, dass mein Vater an einem Sonntag eine halbe Butterkremtorte allein aufgegessen hat. Mit viel Butter, die er aus Norddeutschland mitgebracht hatte, und Marmelade in mehreren Schichten." "Wenn es mittags Eintopf gab, wurden ein oder zwei Schnitten Brot für jeden mit viel ‚guter' Butter bestrichen, mehr in Scheiben gelegt, und doch mit Appetit und Heißhunger gegessen." Morgens, bevor es auf den langen Weg zur Schule ging (wir mussten laufen, Busse kamen nicht, um uns abzuholen), gab es heiße oder kalte Milch, je nach Jahreszeit; an besonderen Tagen gab es Kakao. Als wir älter und damit auch größer waren, stand auch schon mal Malzkaffee auf der "Getränkekarte", der sogenannte ‚Muckefuck' von Lindes bzw. von Kathreiner oder Dux-Kaffee. Bohnenkaffee gab es nur für die Erwachsenen, und dann auch nur sonntags oder zu speziellen Anlässen. Es gab dann eben 'eine gute Tasse Kaffee. Als Aufstrich gab es sehr oft Rübenkraut oder Kunsthonig. Kein echter Bienenhonig war das, aber dennoch hat er geschmeckt. Wir haben ihn gerne gegessen. Was war eigentlich in Mutters Töpfen zu finden, wenn man neugierig den Deckel hob? Da bleibt als erstes festzuhalten, dass es Fleisch eigentlich nur am Sonntag gab. Typische Sonntags- oder Festtagsessen waren: Kartoffeln, Rotkohl und Bratwurst mit brauner Sauce oder Kartoffeln, Kotelett mit Erbsen und Möhren. Auch Gehacktes war sehr beliebt, dazu Kartoffeln und Kohlrabi. Freitags gab es Fisch, und damit war das ein Tag, auf den wir Kinder uns nicht freuten, denn Fischstäbchen waren noch nicht ‚erfunden.' Wir mussten Kochfisch essen. "Erbsen-, Linsen- und Bohnensuppe, waren Standard-Hauptgerichte. Die Linsen- und Bohnensuppe wurde mit Zucker und Essig gemischt und somit süß-sauer gemacht." "Eingelegte Heringe machte unsere Mutter des Öfteren. Die Düfte beim Braten der Heringe hielten lange an: Es stank erbärmlich. Abends wurde meistens Pfefferminztee getrunken oder der selbst gemachte Himbeersaft, der stark mit Leitungswasser verdünnt wurde. Niemand hatte damals eine Kiste Mineralwasser oder sogar farbige Brause im Keller. Sonntagabends gab es Knackwurst mit Kartoffelsalat. Freitags entweder Käse- oder Tomatenbrote, manchmal auch eine Dose Fisch in Tomaten- oder Senfsauce." Das mit der Nahrungsbeschaffung in der Nachkriegszeit war nicht so einfach. Gemüse gab es im Sommer aus dem großen Garten, den auch wir Kinder von Unkraut freihalten sollten. Das war nicht gerade unsere Lieblingsbeschäftigung. "Mein Vater war ein leidenschaftlicher Gärtner. In unserem großen Gemüsegarten baute er u. a. auch Spargel, Mangold, Spinat, Bohnen, Erbsen, Möhren, Zwiebeln und Kartoffeln an. Eier lieferten die Hühner, die wir selbst im Stall hielten. Außerdem hatte mein Vater eine große Kaninchenzucht." "Als einmal über Nacht dort eingebrochen und alle Muttertiere gestohlen wurden, legten sich meine Eltern ein Schaf zu. Es bekam den Namen Lisa. So hatten wir auch Milch. Das Schaf brachten wir Kinder auf die Gemeindewiese, wo es an einer langen Leine angepflockt wurde. Es waren noch andere Kinder mit ihren Tieren dort. Wir konnten spielen, während unsere Tiere friedlich grasten. Unser Schaf wurde trächtig. Meine Mutter, die im Umgang mit Tieren keine Erfahrung hatte, erkundigte sich bei der Dorfhebamme Frau Badouin, was zu tun sei, um dem Lämmchen auf die Welt zu helfen. Sie konnte meine Mutter beruhigen, indem sie ihr sagte, dass das die Tiere selbst könnten. So war es zum Glück auch." "Meine Eltern hielten sich ein Schwein. Im frühen Winter kam der Schlachter und schlachtete das Schwein ‚schwarz', das nennt man deshalb so, weil es nicht erlaubt war. Abends gab es dann Fleisch und Brühe aus einem großen Kessel für das ganze Haus. Es wurde gewurstet und eingekocht. Der Schinken hing lange in einem Leinenbeutel in unserem Kinderzimmer zum Trocknen und wurde liebevoll gepflegt." Eine andere Art der Nahrungsbeschaffung war das Kartoffel-Auflesen und das Ähren-Nachsuchen. Im Herbst wurden die Kartoffeln von den Bauern mit einem Gerät auf das Land geworfen. Frauen und Kinder, die sich bei den Bauern gemeldet hatten, durften tagelang die ausgerodeten Kartoffeln in Körben sammeln. Die Körbe wurden auf eine Sturzkarre gekippt. Sobald die voll war, fuhr der Bauer mit Pferd und Karre auf den Hof. Wir Kinder durften dann oft auf dem Bock oder auf dem Pferd sitzen und die Fahrt zum Hof mitmachen. Das war eine willkommene Abwechslung bei der anstrengenden Lese. Für diese Arbeit bekam man - je nach Arbeitszeit und Leistung - zum Schluss seinen Lohn in Kartoffeln ausbezahlt. Aber es gab dabei auch Pausen. Dann wurden von Mägden große Körbe mit frischem Brot, Butter und Marmelade und riesige Kannen voll Malzkaffee mit Milch auf das Feld gebracht - zum Sattessen. Auf diese Weise hatten wir für den Winter die meisten Kartoffeln zusammen, die in einer großen Kiste im Keller gelagert wurden. "Was sich noch in meinen Kopf eingebrannt hat, war das Hamstern: Bevor mein Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückkam, war das wesentlich schwieriger mit der Ernährung. Meine Mutter und oft auch unsere heiß geliebte Tante Else aus Ibbenbüren gingen mit uns Kindern ‚hamstern'. Dazu gingen wir mit ein paar Taschen ausgerüstet meistens nach Hembergen zu den Bauern und baten um ein Butterbrot oder ein paar Eier. War das ein Erlebnis, wenn sich die obere Hälfte der Tennentür öffnete und uns eine mitfühlende Bauersfrau ein Brot herunterreichte in unsere kleinen Hände. Noch heute sehe ich mich hochschauen und mit Staunen die ‚riesigen' Scheiben frischen Bauernbrotes mit Marmelade in Empfang zu nehmen. Leider gab es in den letzten Kriegsjahren nicht mehr so oft etwas, weil aus Münster und dem Ruhrgebiet viele Menschen sich auf den Weg zu den Bauernhöfen machten."
"Und dann gab es für uns Kinder auch was Erfreuliches: Ein Eismann fuhr mit dem Fahrrad durch die schmalen Straßen von Reckenfeld. 10 Pfennig nahm er für ein Eisbällchen. War das ein Genuss für Jung und Alt! Er hatte eine weiße Jacke an, und mit einer Schelle machte er auf sich aufmerksam." "Äpfel und Birnen wurden unter den Bäumen an den Straßen (Obstallee) aufgelesen. Besonders beliebt war die Straße von Greven nach Hembergen in Höhe der Herberner Schule. Wenn kein Obst darunter lag, wurden Steine gesucht und an die Äste geworfen. Das klappte fast immer. Das Ähren-Nachsuchen fand auf abgeernteten Getreidefeldern statt. Die Ähren durften wir behalten." Im Herbst wurden Bucheckern gesammelt. Daraus wurde Öl gepresst. Eine besondere Leckerei waren immer die Reibeplätzchen, die allerdings in der knappen Zeit in Tran gebacken wurden und dann nicht mehr ganz so lecker waren. Diese kamen natürlich nicht aus der Tiefkühltruhe, weil es die noch gar nicht gab, sondern wurden von Hand gerieben. "Zu Reibeplätzchen gab es entweder Apfelmus oder wer mochte, Zucker oder Rübenkraut." Zu dieser Zeit kannte man noch kein Verfallsdatum auf den Packungen, da trat was ganz anderes in den Vordergrund: Wenn man die eingekochte Marmelade essen wollte, waren häufig Schimmelflecken, die farblich von weiß bzw. grün variierten, die oberste Schicht der Marmelade oder des Gelees zierten. Die wurde dann äußerst sparsam mit dem Messer entfernt, bevor wir unsere Brote schmierten. "Um nicht gepanschte Milch, sondern Milch direkt von den Kühen zu erhalten, schickte mich meine Mutter zum Bauern Wachelau, der lag am Max-Clemens-Kanal. Vom Block D war das ein ganzes Stück, und so stiefelte ich zu Fuß, mit einer Blechkanne ausgestattet, los, um Milch zu holen. Ich muss so um die fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein. Milch, ob Magermilch oder Vollmilch, wurde vom Wagen von August Lenfort gekauft. Mit einer großen Glocke fuhr er auf Reckenfelds Straßen durch die Blöcke. Magerquark gab es, und daraus wurde Stippmilch gemacht. Das schmeckte sehr gut! Kalte Getränke im Sommer waren entweder Saft, aus den eigenen Früchten aus dem Garten gemacht, Buttermilch oder Leitungswasser mit einer Spitze Natron versehen. Das löschte den Durst und war preiswert." "Unsere Verwandten kamen mit dem Zug aus Münster, um bei den Bauern Lebensmittel zu hamstern. Meine Puppe musste ich gegen ein Stück Speck eintauschen. Das war sehr schlimm. Aber, was sollte Mutter denn machen. Wir hatten Hunger. Damals wurde noch viel Obst und Gemüse in Weckgläser eingemacht. Auch Erdbeeren und verschiedene Gemüsesorten wurden angebaut, da blieb nicht viel Zeit zum Spielen, Baden fahren oder für Schularbeiten. Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendwelche Früchte oder Gemüse auf dem Markt oder gar im Geschäft gekauft wurden. Es wuchs alles im eigenen Garten, Salat. Blumenkohl, Rotkohl, Wirsing. Natürlich Erbsen und Möhren, Radieschen wurden geerntet, Gurken, Kohlrabi und alle Sorten von Bohnen, auch die gelben, die im Salat immer solche Fäden hatten." Im Winter war der Speisenplan schon weniger üppig. Die Kartoffeln fingen im Keller an zu keimen und waren spätestens ab Januar gar nicht mehr richtig hart. Zur selben Zeit sahen auch die Äpfel schrumpelig aus, wurden abgeschält und gegessen, keine Frage. "Ein besonders ‚schlimmes' Ereignis war, wenn wir zum Blaubeeren suchen aufbrachen. Da mussten wir Kinder mit, das aber ungern: die vielen Mücken stachen "ohne vorher zu fragen." In Grotthoffs-Busch waren jede Menge Blaubeersträucher. Oder es ging sogar bis in den Teutoburger Wald. Ein langer Weg hin - mit dem Fahrrad - und zurück, da kam dieselbe Entfernung dazu." "Zweimal im Jahr haben unsere Nachbarn ein Schwein geschlachtet (Hausschlachtung) durch Herrn Schott aus dem Block D. Er war ein gefragter Schlachtermeister. Damit das Schwein auch fett wurde, sammelte die Nachbarin Kartoffelschalen. Dafür bekamen sie am Schlachttag eine Milchkanne voll mit Wurstbrühe und etwas Speck oder Wurst." Die Küche als Mittelpunkt des alltäglichen GeschehensGeheizt wurde nur in der Küche, dem wichtigsten Zimmer für die ganze Familie. Einige hatten dort noch einen richtigen Kanonenofen stehen. Der sah aus wie eine dicke, rostige oder schwarze Eisenröhre, die oben eine Herdplatte und unten drei Beine hatte. Darauf konnte man natürlich nur einen Topf stellen, was den Trend zu einfachen Mahlzeiten - sprich Eintöpfen. sehr unterstützte. Die meisten von uns hatten aber einen richtigen Küchenofen, auf dem für mehrere Töpfe und für einen Pfeifenkessel Platz war. Außerdem gab es bei diesen Exemplaren auch einen Backofen. So ein Küchenherd, der durfte natürlich über Nacht nicht ausgehen, sollte aber auf der anderen Seite auch nicht unnötiges Brennmaterial verbrauchen, wenn sowieso alle im Bett waren. So erfand man die Methode der eingepackten Briketts. Diese rechteckigen Klötze aus Braunkohle bzw. Kohlenstaub erzeugten einen ganz typisch stinkenden Qualm, der aus dem Schornstein aufstieg. Wenn man die Briketts in feuchtes Zeitungspapier einwickelte, brannten sie die ganze Nacht und morgens wurde dann mit frischer Sauerstoffzufuhr der Ofen wieder in Gang gebracht, nachdem die Asche in der Aschetonne gelandet war. Diese Öfen wurden mit Zeitungspapier und Holz angezündet und dann mit Briketts und Eierkohlen geheizt. "Je nachdem, wieviel Geld und wieviel Platz man hatte, wurden Kohlen und Briketts für den ganzen Winter auf einmal eingelagert oder nach und nach bestellt. Weil wir zu Hause wenig ‚Kohle' (im Portemonnaie) hatten, gab es auch im Keller nie Kohlen oder Briketts im Überfluss. Gebracht wurde das Heizmaterial anfangs mit einem Pferdefuhrwerk, das von einem schweren Kaltblüter gezogen wurde, später dann mit einem Lastwagen. Die Kohlenmänner (Hofmann, Czekalla und Nortmann) waren genauso schwarz wie die Bergleute in den Kohlegruben. Und alles musste - wenn es sich um ehemalige Schuppen handelte, was fast immer der Fall war, unter der Rampe eingelagert werden, was wegen der niedrigen Höhe für den Lieferanten sehr beschwerlich war. Das galt auch für die Einlagerung von Kartoffeln, die im niedrigen Keller unter dem Schuppenboden untergebracht waren. Deputatkohle wurde von Grohe gebracht, weil Opa von Beruf Bergmann war. Die 50 Zentner reichten aber nicht, so mussten Kohlen (Eierbriketts) zugekauft werden." (Anm.: Aus Wikipedia: Der Deputatlohn ist eine Naturalleistung, die aus Lebensmitteln oder Nutzungsmaterial wie Kohle, Holz besteht). "Das Einkochen: Ein Hocker wurde auf den Küchentisch gestellt. Dann nahm Mutter eine alte Stoffwindel und spannte sie zwischen die vier Hockerbeine, an denen die Zipfel festgeknotet wurden. Unter die Windel wurde eine Schüssel gestellt. Wenn die Früchte aufgekocht waren, wurden sie nach und nach auf diese gespannte Windel gekippt, so dass der Saft durch den Stoff in die Schüssel tropfte. Eine wirklich geniale Idee. die allerdings mit den heutigen ‚Pampers' nicht mehr erfolgreich umgesetzt werden kann. Eingekocht wurden übrigens natürlich auch Äpfel, Pflaumen, Sauer- und Süßkirschen. Birnen und Apfelmus und Pfirsiche." Wer Tiere geschlachtet hatte, konnte auch Fleisch einkochen. Zum Einkochen gab es ein ganz spezielles Gerät. Das war ein großer emaillierter Topf mit einem herausnehmbaren Einsatz. Das war so ein Teil mit einem durchlöcherten Boden und einer Stange in der Mitte. die oben einen Ring Zum Anfassen hatte. Rings um diese Stange wurden fünf oder sechs Einmachgläser gestellt und dann in den Topf versenkt, in dem bis zu einer Höhe von etwa 15 cm kochendes Wasser war. Oben kam ein Deckel drauf. Daran war ein Thermometer befestigt, um die Temperatur zu kontrollieren und um eine Explosion zu vermeiden. Dann musste der Topf eine bestimmte Zeit auf dem Küchenherd bleiben, und danach waren die Gläser wie durch ein Wunder verschlossen. Später wurde auch im Herd eingekocht. "Oma Anna hat köstlich gekocht und den besten Hefekuchen gebacken. Obwohl es verboten war, wurde jedes Jahr ein Schwein geschlachtet. Puten, Gänse und Hühner kamen auch auf den Tisch." Bügeln, Baden und sonstige BegebenheitenDas Bügeln fand ebenfalls in der Küche statt, am Tage sowie abends wurde das Kabel des Bügeleisens an der Lampe über dem Küchentisch angeschlossen, denn die Fassung hatte auch eine Steckverbindung." "Und samstags wurde gebadet, natürlich in einer Zinkwanne und die stand wo? Richtig! In der Küche. Alle Familienmitglieder badeten dort. Natürlich nacheinander und der Letzte, der in die Wanne stieg (das war immer ich) bekam von Mutter heißes Wasser nachgeschüttet, nach dem der ‚Rahm' abgeschöpft worden war. Ein herrliches Gefühl: frisch gebadet und danach frische Unterwäsche angezogen!" "Das war noch nicht alles, was in der Küche ablief: Mit Spielen aller Familienangehörigen (Oma, Vater, Mutter und Sohn) gestalteten wir viele Abende. Zu den Spielen gehörten: Halma, Mensch ärgere Dich nicht, Floh-Hüpp, Mikado um nur einige zu nennen." "Immer abends oder nachts, wenn ein Gewitter heraufzog, standen alle Familienmitglieder (Oma, Vater, Mutter und ich) auf, und zogen sich an. Alle Papiere (Policen, Ausweise etc.) hatte Vater in eine Aktentasche gelegt und diese befand sich nun auf dem Küchentisch. Das Fenster in der Küche (wo wir saßen) war geschlossen, und das Licht an der Deckenlampe - es gab nur diese eine Lichtquelle - wurde ausgeschaltet. Erst wenn keine Blitze mehr zu sehen waren und das Donnern nicht mehr zu hören war, konnte ich wieder ins Bett." ... und noch eine Begebenheit:"Zwei Pferde standen bei uns im Stall. Opa Peter versorgte die Reckenfelder mit Kohlen und Kartoffeln. Mit dem alten Rickermann hat er oft einen über den Durst getrunken. Wenn es den Pferden zu langweilig wurde, fuhren sie ohne Kutscher zur Rheinstraße zurück. Opa Peter kam dann zu Fuß und viel später zurück, um seinen Rausch laut schnarchend im Sessel zu überwinden und um auszuschlafen. Getobt hat er auch, wenn nach seiner Ansicht das Mittagessen zu kalt war oder nicht würzig genug. Er warf das Essen aus dem Fenster! Oma Anna zog sich stillschweigend zurück. Mir hat sie dann sehr leidgetan. Sie hat aber ‚spinnend' dazu beigetragen, dass wir gemütliche Abende verlebten. Die Liebe zur Gartenarbeit hat mir Oma Anna vermittelt. Wie oft habe ich mit ihr Unkraut gejätet, gehackt und gepflanzt und geerntet. Viel Abwechslung gab es für uns Kinder nicht."
Was haben wir in unserer Freizeit unternommen?Wir haben unsere Kindheit und die frühe Jugend eigentlich nur draußen verbracht. Im Haus waren wir nur, um was zu essen und zu trinken und um die Hausaufgaben zu machen oder wenn es so geregnet hat. Und geblieben sind wir, bis Mutter uns rief. Meistens setzte auch schon die Dämmerung ein. Weit weg von unserer Wohnung waren wir seltener. Dass wir fast immer draußen waren, hing auch damit zusammen, dass bei den meisten zu Hause kaum Platz war. Ein eigenes Zimmer hatte eigentlich niemand, so dass man drinnen eben nur in der Küche spielen konnte. Das war aber auch nur bedingt möglich, weil die Küche ja der Aufenthaltsraum für die ganze Familie war, vor allem im Winter, weil nur dort der Ofen an war. Außerdem wurde der Küchentisch natürlich auch gebraucht für alle Arbeiten, die Mutter machte. Der wesentlichste Grund aber, warum man drinnen nicht spielen wollte, war, dass wir kaum Spielzeug hatten. Was haben denn nun die Kinder ‚von damals' so alles gemacht. Heute sind diese so um die Siebzig, aber wissen wohl noch alles, wie es war: "Wir spielten mit den Nachbarskindern in der Nähe unseres Hauses - dem Sandweg, wie er heute auch noch heißt. Das war wirklich ein Sandweg! Herrlich zum Spielen geeignet. Die Heimstätten-Siedlung war ein reines Moorgebiet, mit Heidekraut und durchzogen von kleinen Gräben. Im Sommer konnte man in diesen Gräben im warmen, braunen Wasser baden! Im Winter, wenn die Gräben zugefroren waren, konnten wir darauf schlittern oder Schlittschuhlaufen." "An der Hauswand vom Nachbarn spielten wir Jungs mit den Mädchen Ballspiele. ‚Ärmchen, Knie, Kopf'. Wer den Ball am längsten an die Wand brachte, bevor er zu Boden fiel, hatte gewonnen."
" Wir haben uns gelegentlich als Indianer verkleidet, natürlich mit Pfeil und Bogen." Fast alle Spiele waren körperbetont, entsprechend kamen wir hungrig nach Hause und fielen müde ins Bett. Vor dem Fernseher sind wir garantiert nicht eingeschlafen, denn den gab es damals noch nicht. Und was es auch nicht gab, war der andere 'Klimbim', den alle haben, aber eigentlich niemand benötigt. "So wie heute: ein Smartphone, iPad, iPhone, Tablet oder wie die ‚Dinger' alle heißen mögen, daran hatte noch niemand gedacht." "In den 1950er Jahren stand an der Emsstraße ein gesprengter Wasserbunker aus dem Ersten Weltkrieg. Für uns Mädchen der schönste Spielplatz der Welt. Im Winter wurde auf den ‚3 Teichen' - diesen Treffpunkt kannte jeder in Reckenfeld - geschlittert, und wer von uns Jungs Schlittschuhe hatte, spielte mit selbstgeschnitzten Eishockeyschlägern. Als Puck diente ein Stück hartes Holz. Mannschaften wurden gebildet. Es konnte auch heißen: ‚A' gegen ‚C' oder ‚Emsstraße' gegen ‚Grevener Straße'. Bei Mondschein war es am schönsten, da wollte keiner nach Hause. Nur Mutter machte sich schon mal Sorgen, wenn die Abendbrotzeit überschritten war." Verabredungen wurden in der Schule gemacht: "Was machen wir nachher?" Wir hatten eben unsere Freunde, und die traf man auf der Straße oder ging zu ihnen nach Hause, ohne vorher anzurufen, denn, die, mit denen wir es zu tun hatten, hatten sowieso kein Telefon. Wie haben wir das überhaupt ausgehalten, nach der Schule nicht sofort mit dem Freund zu telefonieren. Das muss ja ätzend gewesen sein! Keiner brachte uns irgendwo hin, und es gab auch keinen, der uns von irgendwoher abholte. Wir gingen zu Fuß oder fuhren mit dem Rad, und wenn man sich bitteschön vorstellt, dass wir kein Kinderfahrrad unser Eigen nennen konnten, dann blieb nur Papas großes Rad, aber damit musste man erst mal fahren können. "Wir mussten für unseren Spaß selber sorgen, nachdem wir zu Fuß von der Herberner Schule nach Hause gekommen waren. Die Schneewinter waren herrlich. Jeder Erdhügel war besetzt. Schlittenfahrt ohne Kloppe ging nicht. Wenn wir dann verdreckt und nass nach Hause kamen, gab es Krach ohne Ende. Oma Anna und Onkel Jo haben uns getröstet. Meine Mutter war, was das Bestrafen anging, nicht zimperlich." "1947 begann der Konfirmandenunterricht in den Gemeinderäumen, mit Pastor Scheinhardt, der von Greven aus die Reckenfelder Gemeinde betreut hat. In dieser Zeit haben wir (Manfred Wähnelt (Gitarre), Uwe Holzgreve (Blockflöte) Hannes Zacharias (Klavier) Edith Hesse und Ello Geller (Gesang) uns musikalisch zusammengetan und auf vielen Festen und Feiern musiziert. Eine schöne Zeit war das." "Mein Vater hat viel mit einer Jugendgruppe im Saal von Beckermann an gebrauchten Geräten (Reck, Barren, etc.) geturnt. Diese Turngeräte standen später bei uns im Garten zur Freude vieler Kinder, und ich habe dort durch die fachliche Leitung meines Vaters das Turnen an Geräten gelernt." "Für uns Jugendliche - ich war damals 14-15 Jahre - waren die Nachkriegs- und DP-Jahre schön und in vielerlei Hinsicht prägend." "Dazu brauchten wir keine Helme, keine Kinderräder und schon gar keine Stützräder. Wir lernten auf den großen Rädern fahren. Und zwar nach mit einem Bein unter der Stange durch, das Fahrrad zur anderen Seite geneigt, damit man das Gleichgewicht halten konnte oder auf einem großen Damenrad und dann nur stehend innerhalb des Rahmen. Sättel haben wir am Anfang gar nicht gebraucht, Gangschaltung hatten nur die Kinder von den Bonzen. Die waren aber meistens in der Schule doof. Und als wir annähernd groß genug waren für ein 26er (für die Mädchen) oder 28er Rad (für die Jungen), bekamen wir unser erstes, meist gebrauchtes eigenes Fahrrad. Meins war ein Geschenk zu meinem zehnten Geburtstag, und es war bereits auch zehn Jahre alt." "Ich habe mein Rad selbst mehrfach mit Bronze oder Ofenlack angestrichen und bin lange damit gefahren. Im Sommer bei gutem Wetter fuhren wir Kinder mit unseren Eltern mit dem Fahrrad zur Ems. Seife und Handtuch hatte Mutter nicht vergessen, es war ja Badetag für uns Kinder. Ein besonderer Badegenuss."
Pflichten und Vergnügen"Wir hatten fast alle für das Spielen viel Zeit zur Verfügung, aber es gab Pflichten, die von unseren Eltern eingefordert wurden: Natürlich habe ich auch wie viele andere Kinder, Kartoffeln aufgelesen und Rüben gezogen, für sehr wenig Geld. Mit meinem Geld, das ich mir durch die Kartoffel-, Eidechsen- und Schrottsuche verdient habe, konnte ich mir dann Fußballschuhe und einen Trainingsanzug kaufen. Wer nun zu Fußballschuhen kam, der meldete sich beim SC Reckenfeld an. Da wurden Fußball-Jugendmannschaften aufgebaut, betreut und trainiert. Das war nicht professionell aber man hatte ein Ziel, eine Aufgabe und es machte einfach Spaß. Im Herbst lasen wir Kinder bei den Bauern Kartoffeln auf. Dafür bekamen wir zweieinhalb bis drei Mark pro Nachmittag und, wenn der Bauer es gut mit uns meinte, auch ein Brot mit Schinken und ‚guter Butter'." "Irgendwann kam Frau Malkmus vorbei und hat mir angeboten, auf ihrem Klavier zu üben. Wer mich unterrichtet hat, weiß ich nicht mehr. Das Instrument stand in einem abgedunkelten Abstellraum. Das hat mir Angst gemacht, da zu sein. Ich dachte mir aber, besser musikalisch als nix. Ich hab es geschafft, die Choräle im Kindergottesdienst in der Kirche (Anm.: Auch Betsaal genannt) an der Industriestraße zu begleiten." Am 12. August 1950 schreibt die Zeitung: "Die Kartoffelkäferplage ist noch größer als im Vorjahr. In Reckenfeld ist besonders in den Blocks A und B der Gärtner Nordhorn, in den Blocks C und D der Schädlingsbekämpfer Jankord mit der Spritzaktion beauftragt worden." Was nicht ausschließt, dass wir Kinder mithelfen mussten, diese Schädlinge abzugreifen und zu sammeln.
"Es war immer schön sonntags zu Leihsing zu gehen. Dort war eine Gastwirtschaft. Es gab auch ein Glas Regina. Im Hof gab es ein Karussell, es musste allerdings mit Muskelkraft gedreht werden. Aber es war ein Vergnügen. Es wurde aber auch von Bomben getroffen und dann gab es das nicht mehr." "Außerdem gab es in Reckenfeld ein Kino. Es war ein Saal im Deutschen Haus. Meine Eltern machten die Kinokasse. Auf diese Weise durften wir uns schon früh Nachmittagsvorstellungen ansehen, wenn die Filme für uns geeignet erschienen. Da ich einen von meinem Vater geerbten ausgesprochenen Hang zu Märchen habe, war das für mich oft ein tolles Erlebnis. Meinen Bruder interessierten eher die Zorrofilme. Als er sich nach einem der ersten Filme dieser Art mit unserem Nachbarssohn einen Kampf á la Zorro lieferte, und der dabei zum Glück nur leicht verletzt wurde, war das Thema dann schnell beendet." "Unsere Nachbarin war für den Eintritt bei Kinovorstellungen im Saal von Brinkmeyer zuständig. Und sie wusste, dass wir für einen Kinobesuch kein Geld übrig hatten, weil mein Vater - wie viele andere auch, arbeitslos war. Sie nahm mich und ihre beiden Kinder mit. Der Eintritt kostete für alle anderen 40 Pfennig, nur für uns nicht. Wir hatten großen Spaß bei dem Walt-Disney-Film aus den USA." "Als wir in die Spätvorstellung durften, konnten wir uns unseren Lieblingsdarsteller ansehen: Eddi Constantin. Er war am Ende des Films immer der Sieger, nachdem er alle seine Gegner ausgeschaltet (verkloppt) hatte. Die meisten standen nach seinen Boxattacken nicht wieder auf. Dann wandte er sich den jungen Damen zu." "Kinder können grausam sein", ein wahrer Spruch. So, wie wir damals, als Kinder im Alter von etwa 11-12 Jahren. Sehr oft kam an dieser Wiese Harry Stiller (allein) vorbei auf dem Weg nach Hause zur Adlerstraße. Er war schwerst behindert, und das nutzten fast alle anderen aus. ‚Harry, mach mal den Affen oder so…' Und Harry geriet außer Rand und Band, den Schaum vor dem Mund. Dann ließen alle von ihm ab und Harry ging weiter." "An dieser Fußballwiese waren die Gärten zu den Nachbarn, auch der von Opa Mohner. Klar doch, der Ball landete des Öfteren in seinem gepflegten Garten, zwischen Möhren und Salat. Wir hielten Ausschau, ob Opa Mohner in der Nähe war und ab über den Zaun und den Ball geholt. Das ging, so weiß ich noch, einmal nicht gut. Er sah das Hinüberfliegen des Balls in seinen Garten, und humpelnd ging er zu dem Ball und nahm ihn mit. ‚Und was wird jetzt?'. Keiner wollte zu ihm und fragen. Zu Hause habe ich das dann alles erzählt. Meine Mutter hatte Erbarmen und hat den Ball zurückholen können. Aber geschimpft hätte er, der alte Herr Mohner. ‚Beim nächsten Mal gebe ich ihn nicht wieder her'." Wir spielten zwischendurch Fußball auf der schmalen Straße vor unserem Haus, solange die anderen Jungs noch nicht draußen waren, um uns auf der Wiese zu treffen. Unter uns wohnte eine Familie Ziegowski, die eine Tochter hatte. Und ihr gelang das Missgeschick: Sie stolperte und landete kopfüber in dem nach Morast und Moder stinkenden Straßengraben. War das ein Geschrei! Und ich hätte ihr ‚Füßchen' gestellt und sei daran schuld. Wie das ausgegangen ist, ist nicht mehr im Gedächtnis." Wir waren in Jugendgruppen (innerhalb der Kirche) organisiert. Wir haben gezeltet. Straßenfußball gespielt, geklönt usw. Wer es konnte, baute sich einen Drachen, der zu Beginn des Herbstes zum Einsatz kam. Einer konnte das ganz besonders: Horst Büchter. Sein Drachen stieg einige hundert Meter hoch, war von einem Jungen allein nicht zu halten." "Meine Eltern hatten im Garten eine hohe Antenne - in Nähe des Kaninchenstalls - aufgestellt. Von dort ging ein Kabel zum Haus. Das war eine UKW-Antenne für einen besseren Empfang bei unserem Volksempfänger, später beim Nordmende-Radio." "Zu einem späteren Zeitpunkt kauften meine Eltern ein UKW-Stereo-Radio. Und was hörten wir, nachdem das Licht im Wohnzimmer ausgeschaltet war: ‚Gestatten, mein Name ist COX', ein Hörspiel mit Karl-Heinz Schrot und mit Renè Deltgen die Hörspiele ‚Paul Temple und …' waren ein Renner." "1951: Spannend war es am Radio mitzuerleben, wie Preußen Münster bei Tennis Borussia Berlin 8:2 gewann und vierzehn Tage später im Endspiel am 30.6.1951 um die Deutsche Meisterschaft gegen Kaiserslautern stand, aber mit 1:2 verlor." "Zu dieser Zeit fuhr mein Vater mit mir zwei oder drei Mal nach Münster zu Spielen von Preußen Münster. Mit dem Zug natürlich von Reckenfeld bis Münster Hbf. und dann auf Schusters Rappen zum Stadion. Gegner waren u.a. Schalke und Dortmund." "Das besondere Erlebnis war der 4. Juli 1954, als Deutschland Fußball Weltmeister durch einen 3:2-Sieg über Ungarn wurde. Und wir waren dabei. Mein Vater und ich. Und wo haben wir ferngesehen? In Emsdetten, in einer Kneipe am Grevener Damm. Mit dem Fahrrad entlang auf diesem Damm, auf einen ausgefahrenen Radweg mit vielen Löchern und Pfützen. Die Kneipe hatte einen Saal, wo viele Emsdettener waren. Der Fernseher stand auf einem Podest. Der Bildschirm hatte in etwa die Größe von 40x40 cm, das Bild natürlich in schwarz-weiß. Wir haben mehr geahnt als gesehen, was da auf der Glotze ablief. Und gejohlt wurde allemal: Deutschland war Fußball- Weltmeister. Super!" "Und dann war da noch etwas: In Reckenfeld - im Deutschen Haus - wurden ab 1957 Tanzkurse abgehalten. ‚Den müssen unsere Kinder mitmachen', hieß es von den Eltern. Und so kam es auch. Tanzlehrer Stadelmann (er kam mit einem Taunus M17 (P2) vorgefahren). Er betonte schon nach einigen Tanzeinlagen: ‚Wir werden in etwa drei Wochen mit euren Eltern zusammen, einen Mittelball abhalten. Da ist es üblich, dass dem Tanzlehrerpaar ein Geschenk überreicht wird. Auch das wurde gemacht." "Geburtstage zu feiern unter uns Jungs war gelegentlich ‚drin'. Der neben uns wohnende Junge lud mich jedenfalls ein. Und da gab es selbstgemachten Kuchen und Kakao. Das war sehr lecker. Bei einem anderen Freund, 200 Meter weit weg wohnend, war ich auch einmal, soweit meine Erinnerungen reichen. Da wurden die Fenster-Rollläden heruntergezogen und ein Zeichentrickfilm gezeigt. Das war nun was ganz Besonderes. Es blieb bei der Einmaligkeit." "Als wir Anfang der 1950er Jahre nach den Weihnachtsferien wieder zur Schule mussten, hieß es vom Lehrer Kurzmann: ‚Schreibt auf, was ihr vom Christkind geschenkt bekommen habt'. Ich schrieb und viele andere Mitschüler auch: ‚Einen Teller voll mit Nüssen und Äpfeln'. Und ich? Ich zeigte auf, ‚auch einen Gummiball zum Fußballspielen habe ich gekriegt'. Der war allerdings gebraucht gekauft, und vulkanisiert worden." "Jahre später stand auf meinem handgeschriebenen Wunschzettel: einen Lederball zum Aufpumpen'. Und? Tatsächlich! Ich erhielt einen Lederball, das benötigte Lederfett und eine Fußballpumpe. Das war toll! Und mein Vater: ‚Wenn die anderen Jungs mitspielen wollen, so nimmst Du 5 Pfennig. Der Ball hat nämlich viel Geld gekostet'. Soweit ich mich erinnern kann: das sollten und wollten die anderen Jungs nicht. Und so verlief die Geldaktion im Sande. Wir haben wie immer auf der Wiese (heutiges Wohngebiet Moselstraße) gepölt und hatten viel Freude." "Eine große Rolle spielte für uns - die evgl. Jugend - das Jugendheim an der Industriestraße. Dort war zu der Zeit noch unsere Kirche in einem großen roten Backsteingebäude untergebracht - heute Kindertagesstätte. Es gab viel Platz für Tischtennisplatten, eine Bibliothek, einen Raum zum Karten- und Gesellschaftsspiele spielen. Soweit ich mich erinnern kann, war fast immer jemand von den älteren Jugendlichen da, es wurde Musik gemacht und viel geredet, und (fast) immer dabei: Pastor Esch." Was wir nicht tun durften, aber dennoch getan habenAus Eichenblättern und Zeitungspapier wurden ‚Zigaretten' gedreht und auch angesteckt. Selten ging das gut. Der Magen machte da nicht so richtig mit. Oder es wurde stibitzt: wenn der Vater oder Onkel auf dem Dachboden Tabakpflanzen trockneten. Ein trockenes Blatt reichte für einige Fluppen. Man durfte sich nur nicht erwischen lassen. Gruben in Erdaufschüttungen, die selbst angelegt wurden, dienten dafür, beim Rauchen nicht entdeckt zu werden. Pfefferminztee wurde getrocknet und gequalmt und dabei die Haare abgesengt. Mutter hat das sofort gemuckert. Unter den Rampen an ehemaligen Schuppen haben wir gesessen und geraucht." Wir haben uns geschnitten mit dem Taschenmesser, haben Flitzebögen gebaut mit und ohne Holunderspitzen an den Pfeilen. Wir sind aus Bäumen gefallen, haben uns die Knochen verstaucht oder auch gebrochen. Manch einer hat auf diese Weise nicht nur einen Milchzahn verloren. Es passierte eben und keiner brauchte Formulierungen wie "Vernachlässigung der Aufsichtspflicht." Wir mussten keine Zahnspangen tragen und haben deshalb viel individuellere Gebisse als unsere Kinder. Es gab Kloppereien, die mit Schrammen und blauen Flecken endeten, alles halb so schlimm, Hauptsache die Klamotten waren heile geblieben. Winkelhaken in Hemden oder Hosen waren schlimmer! "Der Lumpensammler kam gelegentlich und lief durch alle Straßen in den Blöcken und mit lautem Rufen machte er auf sich aufmerksam: ‚Lumpen, Eisen und Papier'. Wir Kinder ergänzten den Satz und riefen, weit weg von ihm: ‚Lumpen, Eisen, Knochen und Papier, alles sammeln wir'! Aber hat er wirklich viel einsammeln können? Die Reckenfelder hatten kaum was zu verschenken, obwohl, es muss sich doch für ihn gelohnt haben, auch wenn beim Verkauf der gesammelten Gegenstände nur ein paar Groschen herauskamen." Kinderkrankheiten und Schlimmeres"Die Nortmann-Kinder hatten die Krätze und waren gelb angemalt. Es gab viele Krankheiten, die wegen der schlechten Ernährung auftraten. So hatte ich Jahr für Jahr Furunkel im Nacken und in den Kniekehlen. Mein Vater: ‚Wir warten bis das Furunkel gelb aussieht, dann können wir den Eiter und Eiterpirk herausholen. Nicht drücken, immer ziehen, dann klappt es'. Etwas Jod auf die Wunde und alles wurde wieder gut, bis zum nächsten Mal. Ziegenpeter (Mumps) bekamen wir Kinder auch und die eitrigen Mandeln. ‚Lassen Sie die Mandeln bei ihrem Sohn drin, die haben schon ihre Bedeutung'. Aber wenn man tagelang nicht schlucken konnte, angenehm war das nicht. Aber egal, ich habe sie heute noch und keine Probleme mehr damit." "Mit dem Kirchenchor waren wir (Meine Mutter und ich) auf der Nordseeinsel Norderney. Heiß war es, und ich als blonder Jüngling holte mir aufgrund des Salzwassers und ständig strahlender Sonne einen fürchterlichen Sonnenbrand. ‚Zweiten bis dritten Grades ist die Haut ihres Sohnes verbrannt', sagte Dr. Reymann und verordnete ‚kalte Buttermilch auftragen'. Und das über mehrere Tage. Das alles ging dann doch noch mal gut, nach einigen Tagen war ich wieder so weit, dass ich zur Schule gehen konnte." "In unserer Nachbarschaft an der Lennestraße erkrankte ein Mädchen. Wir erfuhren, dass auch sie an der spinalen Kinderlähmung erkrankt war. Ganz plötzlich kam das und einige Kinder und auch Erwachsene waren davon betroffen." | |||||||||||||||||||||||||||||||||||
In den Familien |
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"Heute noch kann ich empfinden, was meine Mutter in ihrem Leben geleistet hat. Den kleinen Laden hat sie allein geführt und alles Notwendige organisiert. Über unseren Vater wussten wir wenig, nur dass er in jugoslawischer Gefangenschaft war. Seine Brüder sind im Krieg gefallen. Für meine Großeltern ein schwerer Verlust, es hat sie unendlich traurig gemacht. 1949 kam dann mein Vater aus der Gefangenschaft zurück, lungenkrank, schwach und elend. Er hat sich nie so richtig davon erholt. Vom RAD hat auch meine Mutter Soldatenmäntel geholt und uns Kindern Mäntel genäht Im Februar 1946 war das fürchterliche Hochwasser in Greven. In Reckenfeld hatten wir auch enorme Wasserprobleme und konnten deshalb auf der Lennestraße im Block C mit einer Zinkwanne paddeln, rauf und wieder runter, bis wir pitschnass waren." "Meine Mutter ging ab und zu mal aus, wenn es hoch kam, 3-4 Mal im Jahr. Vater noch weniger. Geselligkeit wurde eher ‚klein' geschrieben. Hinzu kam jedoch, dass die Straßen, auf denen sie entlang gehen mussten, kaum beleuchtet waren und an jeder Straßenseite ein zeitweise tiefer Graben war…" "Wenn wir mal Besuch erhielten und es etwas später werden konnte, musste ich mit dem (neuen) Fahrrad zu Brinkmeyer - Deutsches Haus - und drei Flaschen Bier - ½-Literflaschen - kaufen. Habe ich ohne weiteres auch erhalten. Meine Mutter gab mir dann noch zusätzlich, zu dem abgezählten Geld, 10 Pfennige, von denen ich mir ein Eis kaufen durfte." "Was ab und zu in unserer Familie getrunken wurde war mal ein Eierlikör, den Vater selbst machte. Eier gab es aus der Nachbarschaft und den Alkohol (Weingeist 96%) holte er von der Schnapsbrennerei Schwer aus Nordwalde. Das war für ihn keine lästige Fahrradtour in den Nachbarort." "Das Trinkwasser kam zwar in der Küche aus einem Kran, - und nur dort, jedoch sein Ursprung war ein Brunnen im Garten. Wenn nicht genug Druck auf der Leitung war, im oberen Stockwerk zuerst, dann musste einer von uns in den Keller und den Wasserbehälter mittels eines Schwengels aufpumpen, soweit die Kraft bei mir dazu reichte, mit meinen 10 oder 11 Lenzen." "Abwässer gelangten von der Küche direkt in den Straßengraben, Fäkalien nahmen den Weg über eine Sickergrube, und dann - wie oft, weiß ich nicht - wurde alles in ein großes Fass geschöpft. Wer das gemacht hat, mein Vater oder der Hauswirt, kann ich nicht mehr sagen."
"Wir hatten viel zu wenig Wohnraum für vier Personen. Das kam einmal dadurch, dass wir ein Zimmer an einen aus dem Block A vertriebenen jungen Mann abgeben mussten, weil polnische Zwangsarbeiter das Haus seiner Eltern in Beschlag genommen hatten. Und dann kam so um das Jahr 1949/1950 noch dazu, dass sich Onkel und Tante, weil sie noch keinen eigenen Wohnraum hatten, bei uns aufhielten, und meistens - wieso auch nicht - in der Küche. Da war es warm und trocken. Und da war man auch in Nähe des Brotkorbs." "Einmal im Monat schickten meine Eltern mich nach unten zum Hausbesitzer, um die Miete zu bezahlen. Er quittierte das auch, und ich weiß noch, dass der Raum mit dem Balkon, den wir dann ab 1950 wieder für uns hatten, als die Polen aus Reckenfeld herauswaren, acht D-Mark kostete. Die anderen drei Räume haben zusammen (das habe ich noch schwach in Erinnerung) 18 D-Mark gekostet. Viel Geld, wenn man nur vom ‚Stempelgeld' (auch Stütze genannt) leben musste." "Wir saßen dann in der Küche um den leicht glühenden Küppersbusch-Herd herum, lauschten dem Onkel Jo, dem Ehemann meines Vaters Schwester, der aus dem Buch ‚Tausend und eine Nacht' vorgelesen hat. Er hat uns auch das Mühlespiel und Kartenspielen beigebracht. Ich habe viel gelesen. Karl May war meine Lieblingslektüre. Ich habe alle Bände."
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Im Schulbetrieb |
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In Reckenfeld zur Schule ‚gehen' zu müssen, war früher, also vor einigen Jahrzehnten, recht strapaziös für Kinder, die gerade mal dem Spielalter entwachsen waren. Das Strapaziöse bezog sich nicht nur auf den teilweise sehr langen Schulweg - das waren teilweise drei bis vier Kilometer für einen Weg -, sondern auch auf die Besetzung der Klassen und Ausstattung der Klassenräume als auch auf den Schulstandort. Zeitweise mussten die Kinder bis nach Herbern tippeln, das war noch weiter als im Ort selbst, und alles bei ‚Wind und Wetter'. Aber der Reihe nach: "1942 kam ich in die Schule" erzählt eine heute 73-Jährige, "ich erhielt keine Schultüte oder so etwas. Was ich dabei hatte waren ein Tornister, eine Tafel mit Lappen und den legendären Griffelkasten. Bei meiner Einschulung im Jahre 1951 gab es eine katholische und eine evangelische Schule. Die katholischen Erst- und Zweitklässler wurden im Haus Marienfried unterrichtet, weil es in der katholischen Schule zu wenig Klassenräume gab." Zu den unverkennbaren Utensilien, die zu jedem Schulkind gehörten, waren: Eine Schiefertafel, an dem eine Kordel mit einem Läppchen befestigt war, dazu gab es natürlich noch einen Schwamm, mit dem man die Tafel auswischen konnte. Trocken gerieben wurde dann mit dem Läppchen. Das Schwämmchen war in einem verschlossenen Behältnis untergebracht, damit es feucht blieb. Nicht zu vergessen der Griffelkasten, mit dessen Deckel auch schon mal der Lehrer dem Schüler "einen drüber gab." Anspitzer, Buntstifte in den Farben gelb, blau, rot und grün und gelegentlich ein Zeichenblock und dazu ein Farbkasten mit Deckweiß. Im Tornister waren auch noch ein Heft mit Linien, ein kariertes Heft und ein Lese- und Rechenbuch, die von den Vorgängern reichlich lädiert aussahen. Und das Wichtigste für die Kinder war natürlich die Stulle oder Bemme, belegt mit Leberwurst oder Braunschweiger. Weißbrot mit "guter Butter" beschmiert, gab es seltener. "Wir waren zeitweise in einer Klasse 40 Kinder, und die alle gut zu unterrichten, war schon abenteuerlich für Lehrer und Kinder." Die Schulen waren Konfessionsschulen und beide Volksschulen - so hießen die Grundschulen damals - in Reckenfeld hatten nicht besonders gut ausgestattete Klassenräume, sondern Zimmer, die mit Tischen und Bänken vollgestopft waren. Diese waren anfangs zum Teil noch eine Kombination aus Zweier-Sitzbank mit Pult und zum Teil noch die, die Tischler Haverkamp zur Einrichtung der Schule im Jahr 1927 gewerkelt hatte. Auf dem Pult hatten sich Generationen unserer Vorgänger auf die unterschiedlichste Art verewigt, selbst größere Schnitzereien waren zu bewundern. In der Mitte des Pults war die Vertiefung für das Tintenfässchen, das wir natürlich benutzen. Unser Federhalter konnte noch nicht mit Patronen nachgefüllt werden, der hieß dann auch "Füllfederhalter." Das war lediglich ein Schreibgerät in Stiftform, in dessen vorderes Ende eine Schreibfeder gesteckt wurde und die musste durch Eintauchen mit Tinte bestückt werden. In beiden Volksschulen waren Jungen und Mädchen zusammen in einer Klasse, weil es offensichtlich in den ersten vier Schuljahren möglich war, sozusagen geschlechtsübergreifend zu lernen. Vielleicht hing es auch damit zusammen, dass man als Junge in dem Alter noch nicht wusste, wie sehr es durch das andere Geschlecht zu einer Verschiebung der Schwerpunkte kommen konnte. Schulweg und was noch?"Den alten Schulweg zu Fuß zur - wie wir sagten -, ‚alten Schule' machte ich nicht mehr, denn auch der Querweg über den heutigen Bolzplatz an der Wiesenstraße zur Steinfurter Straße gab es nicht mehr. Das Häuschen Brummel, an dem wir früher schon mal angehalten hatten, war nicht mehr. Auf dem Land dort war die Gärtnerei Nordhorn entstanden. Die beiden schon etwas älteren Leutchen hatten dort einen Unterstand für die Geräte mit einfachen Sitzgelegenheiten für die Pausen und immer wunderschöne Blumen. Ich besuchte seit 1946 - nach der Grundschule in Westerode -von Beckermann - bis 1952 das Gymnasium in Greven, als einziger meiner Jahrgangsstufe aus Reckenfeld!" Was für eine Entwicklung bis heute! Lernmittelfreiheit? Fehlanzeige, Schulgeld wurde einige Jahre auch erhoben. Von B aus dann auch mit dem Fahrrad. Die neue Straße nach Greven gab es noch nicht, also entweder über Wirtschaftswege oder per Umweg alte Straße nach Greven - Herberner Schule. Für die Unterrichtung der Reckenfelder Kinder standen zwei Volkschulen zur Verfügung: eine evangelische an der Grevener Straße Ecke Wittlerdamm und eine katholische in der Dorfmitte. Bis 1927 und zur Zeit der Besetzung der polnischen Displaced Persons von 1945-1950 mussten Schüler und Schülerinnen bis nach Herbern in die dortige Dorfschule. Ende des Jahres 1926 wird in der Chronik der Herberner Schule notiert: 60 Kinder aus Reckenfeld besuchen die Schule. Daraufhin wird im August die Schule zweiklassig geführt. Und was war mit den Kindern, die "mehr drauf hatten" bzw. deren Eltern es ihren Kindern ermöglichen konnten, eine weiterführende Schule zu besuchen? Sie konnten entweder zur "Mittelschule" nach Emsdetten oder zum Gymnasium nach Greven. Über das Erreichen der jeweiligen Schule in Reckenfeld sollen hier nun Zeitzeugen, die nunmehr die Siebzig überschritten haben, berichten: "Unsere Altersstufe (Jahrgang 1935) musste zur Herberner Schule, natürlich zu Fuß oder wer eines hatte, mit dem Fahrrad. Wer laufen musste, kam in Holzklotschen (Holzschuhe) und das mehr als vier Jahre lang, auch im Winter! Der Schnee blieb an den Klotschen kleben. Und den gleichen Weg wieder zurück. Egal, ob die Schüler in den Blöcken D, C, A oder B wohnten. Die aus dem Nordwalder Teil im Block B hatten es am weitesten."Mein Enkel: "Holten euch denn keine Busse ab? Weshalb brachten denn Opa oder Oma dich nicht mit dem Auto dorthin?" Mund und Nase meines Enkels blieben offen, als ich ihm verklickerte, dass Beides nicht zur Verfügung stand. So war das eben. "Im Winter, wenn die Straßen zugeschneit waren, sind wir zur Schule geschlittert und oft zu spät gekommen. Ärgerlich war nur, wenn manche Leute Asche gestreut hatten, dann fiel man hin, weil es auf einmal stumpf wurde." "Mein Schulweg war sehr lang, etwa eine ¾ bis 1 Stunde musste ich für einen Weg laufen. Von B 16, wo wir wohnten, durch den Block C zur heutigen Erich Kästner Schule." "Auch wir mussten von A zum Ortsteil D laufen. Treffpunkt war die katholische Kirche, dort holte uns Klassenlehrerin Frau Fedrowitz ab. Sie ging so schnell, dass wir Kinder rennen mussten."
"Wir Kinder - egal ob katholisch oder evangelisch - spielten zusammen. Da gab es keine Rangeleien. Wie die Eltern das sahen, habe ich nicht mehr in Erinnerung. Ebenfalls wurden die großen kirchlichen Feste gemeinsam begangen: Kommunion oder Konfirmation, wir gingen alle zusammen in die jeweilige Kirche. Das nachmittägliche Kuchenessen wurde zum großen Fest, gab es doch diese Leckereien in der Nachkriegszeit nicht oft. Mein kleiner Bruder, der sich durch alle Torten probieren wollte, hatte abends und am darauf folgenden Tag heftig zu leiden. Das Lambertusfest (Anm. aus Wikipedia: Lambert von Lüttich - um 635 bis 705 -, Bischof von Maastricht, der Hl. Lambertus genannt) dagegen war ein Fest der Kinder. Am Nachmittag ging es von uns aus los: zu Beginn waren wir nur wenige, die durch die Straßen zogen und ‚Kinnerkes kommt zum Lambertusbaum bei Thiel anne Ecke' riefen. Es wurden von Straße zu Straße mehr, und wenn wir durch den Block C gelaufen waren, folgte uns ein ganzer Schwarm. Frau Thiel und meine Mutter hatten inzwischen eine Birke aufgestellt, die mit selbst gebastelten Laternen geschmückt wurde. Beide Frauen hatten sich als Bur und seine Frau verkleidet und dann ging das alte Spiel: Oh, Bur, wat kost din Hei? los. Zum Abschluss gab es manchmal für jeden ein Bonbon, das ein Kaufmann aus der Nachbarschaft gestiftet hatte. Unsere Laternen wurden hauptsächlich aus Rüben geschnitzt. Schlimm war es, wenn morgens die Kühe eines Anliegers über die Straße getrieben wurden und unsere Kunstwerke verunzierten. Am Fronleichnamstag (an der Ecke Lennestraße und Weg nach D - heute Elbestraße) war eine Station, an der die Prozession ‚Halt' machte." Am Karfreitag, dem höchsten Feiertag der Evangelischen, fuhren die Bauern Jauche aus, und andere Reckenfelder Familien hingen ihre Wäsche auf die Leine im Garten Auch das gab es: "Ich werde nie eine Türklinke anfassen, in dessen Wohnung eine evangelische Familie wohnt." Auch ein Spruch aus dieser Zeit. "Hembergener Kinder haben uns, weil wir evangelisch waren, so beschimpft: ‚Evangelische Ratten, zum Teufel gebacken'. Das hatten doch die Kinder von ihren Eltern eingetrichtert bekommen!" Fazit: Das Leben für uns Kinder und Jugendlichen war trotz der miesen wirtschaftlichen Gesamtlage recht unbeschwert. Wir hatten nicht viel zum Anziehen und auf dem Essensteller gab es nichts Besonderes, und weil wir Hunger hatten wurde gegessen, was Mutter gekocht hatte. Wir
hatten fast alle einen unbeschwerten Tag: Konnten spielen und viel in näherer Umgebung unternehmen, und bevor es dunkel wurde, sollten wir wieder zuhause sein. Das klappte auch meistens.
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