Displaced Persons (Polen) in Reckenfeld |
Vorgeschichte zu den Displaced Persons (DPs) |
Die Alliierten benutzten den Ausdruck "Displaced Person" (DP), um diese Menschen zu charakterisieren. Diese "Displaced Persons" - so heißt es in einer Order des Alliierten Hauptquartiers - sind "Zivilisten außerhalb der nationalen Grenzen ihres Landes aus kriegsbedingten Gründen, die nach Hause zurückkehren wollen, aber dazu unfähig sind, oder die ohne Hilfe kein Zuhause finden oder die in feindliches oder ehemals feindliches Territorium zurückgebracht werden müssen." (Outline Plan for Refugees and Displaced Person, 3.6.1944.) Eine deutsche Übersetzung für "Displaced Person" wäre sprachlich ungeschickt und fragwürdig und in der Sache oberflächlich. Seit dem Abkommen vom 15. Oktober 1946 steht in den Ausweisen der Hiergebliebenen "Heimatloser Ausländer". Zwangsarbeiterinnen und ZwangsarbeiterAus Mangel an Arbeitskräften wurden ab September 1939 - nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs - Zwangsarbeiter nach Deutschland geholt, teils freiwillig, in den meisten Fällen aber gegen ihren Willen und häufig mit Gewalt! Die ersten Zwangsarbeiter wurden in Polen "angeworben". Im September 1940 waren 469.000 Zwangsarbeiter in Deutschland beschäftigt, bis April 1941 war die Zahl auf 1,5 Millionen gestiegen; der größte Teil kam bis zu dieser Zeit aus Polen. Wegen des höheren Bedarfs an Arbeitskräften nach dem Überfall auf die Sowjetunion kam im November 1941 die Idee auf, aus den besetzten Gebieten Menschen zur Zwangsarbeit nach Deutschland zu bringen. Ab April 1942 wurde diese Idee in die Tat umgesetzt. Hauptsächlich Russen wurden von dieser Zeit an zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. 1944 waren 7,1 Millionen Zwangsarbeiter aus ganz Europa in Deutschland tätig. Sie wurden von der Bevölkerung meist "Fremdarbeiter" oder "Zivilarbeiter" genannt und waren zum Beispiel auf Bauernhöfen, in Textilfabriken und Reichsbahnausbesserungswerken "angestellt". Die Repatriierung der DPs im ÜberblickNach dem Ende des Zweiten Weltkrieges befanden sich ca. 10 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter und andere Verschleppte in Deutschland. Sie lebten zum größten Teil in Lagern, in denen sie jedoch nicht gefangen waren - wie während des Krieges -, sondern freiwillig oder auf Anordnung der Alliierten wohnten. Wenn sie es bevorzugten, konnten sie auch außerhalb der Lager leben, sofern es nach den allgemeinen Zerstörungen Wohnraum gab. Die verantwortlich Militärs der jeweiligen Zonen hatten es sich nun aber, da jetzt Frieden herrschte, zum Ziel gemacht, die damals zwangsweise verschleppten Menschen in ihre alte Heimat zurückzubringen. Über dieses Vorhaben waren die DPs allerdings sehr geteilter Meinung: Zum einen gab es die polnischen und die sowjetischen DPs, die die größte Masse der vorhandenen DPs in Deutschland bildete und die etwas kleinere Gruppe der (sog.) Ukrainer. Die Masse der DPs war in ihrer Rückkehrbereitschaft jedoch keineswegs homogen, was die Repatriierung, für die hauptsächlich das amerikanische bzw. englische Militär zuständig waren, erschwerte. Die politische Situation in den jeweiligen Heimatländern der DPs, die von Land zu Land verschieden war, erklärt die differierende Rückkehrbereitschaft unter den einzelnen Völkergruppen. Vom Zwangsarbeiter zum Displaced PersonsDie Befreiung dieser auf 8 - 10 Millionen geschätzten Zwangsarbeiter war das Ziel der Alliierten. Nachdem die Zwangsarbeiter befreit waren, musste eine neue Bezeichnung für diese Menschen gefunden werden. So wurden die ehemaligen Zwangsarbeiter in Displaced Persons (DP) umbenannt. Für diese DPs galten besondere Rechte und so wurde eine Definition für die DPs gesucht. Nach der 1. offiziellen Definition, veröffentlicht in "Outline Plan for Refuggees and Displaced Persons", waren DPs "Zivilpersonen, die sich wegen Kriegseinwirkungen außerhalb der nationalen Grenzen befinden und die: 1) obwohl sie es wollen, nicht in der Lage sind, nach Hause zurückzukehren oder ein neues Zuhause ohne fremde Hilfe zu finden; 2) in feindliches oder ehemals feindliches Gebiet zurückgebracht werden sollen." Diese theoretische Definition wurde in der Praxis etwas erweitert, so dass befreite Kriegsgefangene, nach Kriegsbeginn freiwillig nach Deutschland gekommene Osteuropäer und vor der sowjetischen Armee Geflüchtete auch als DPs galten. Deutsche Flüchtlinge, so genannte Vertriebene, waren keine DPs. Bilanz der RepatriierungDie Statistik zeigt zunächst ohne Einschränkung eine bewundernswerte Repatriierungsleistung der alliierten Militärbehörden. Trotz all der schwierigen Umstände war es ihnen gelungen zwischen Mai und September 1945 täglich über 33.000 Personen aus den drei Westzonen in ihre jeweiligen Heimatstaaten zu repatriieren. Die Zahl der DPs wurde in diesem Gebiet damit von über 4,6 Millionen auf rund 1,2 Millionen reduziert. In den Zonen befand sich nun noch eine Restgruppe von DPs, deren Anwesenheit die Alliierten in Bedenken brachte, da rund 13% dieser Gruppe baltische und staatenlose DPs waren, die nicht repatriierbar waren. 66% der Gruppe waren polnische DPs, deren vollständige Repatriierung auf Grund der politischen Veränderungen in Polen ernsthaft zu bezweifeln war. Das Ziel, das sich die Alliierten gesetzt hatten, nämlich alle DPs ausnahmslos in ihre Heimatländer zurückzuführen war damit nicht erreicht und der Plan einer schnellen Repatriierung gescheitert. Zu bedenken ist dabei, dass der Rücktransport der DPs sowohl von Engpässen im technisch-logistischen Bereich, sowie auch durch politische Entscheidungen erschwert bzw. verhindert wurde. Das DP-Problem wurde zu einem Nachkriegsproblem: Die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges, besonders die neue sowjetische Dominanz im Osten steckten einen neuen inhaltlichen Rahmen ab. Dagegen waren die zur Lösung des Problems kalkulierten Mittel noch aus den Planungskriterien der Kriegszeit. Das jetzt merklich anders und fester gestaltete DP-Problem löste sich aus dem Zusammenhang des Krieges, da es grundlegende Merkmale der unmittelbaren Nachkriegszeit der damaligen Entscheidungen enthielt. Dieses rief erst kaum merkliche, dann aber immer rasant vertiefende Meinungsverschiedenheiten zwischen den Siegermächten hervor, die dann letztendlich im Kalten Krieg endeten. Die Immobilität, in die das DP-Problem nach anfangs so viel versprechenden Repatriierung geraten war in den jeweiligen Zonen genauso bekannt, wie bei der UNRRA. Die immer stärker drängende Selbstverpflichtung der zuständigen Stellen, die DPs zur Rückkehr anzuhalten, verknüpfte sich mit dem Eingeständnis, dass solche Anstrengungen der Werbung unnütz bleiben würden. Infolgedessen sammelte sich auf allen Seiten der innere Sprengstoff. Die Repatriierung der polnischen DPsEs ist nicht zu bezweifeln, dass die Alliierten alle Energie und Aufmerksamkeit darauf verwendeten, den polnischen DPs eine schnelle Heimkehr zu ermöglichen. Das verfügbare Transportsystem erforderte auf Grund der innerdeutschen Zerstörung ein hohes Maß an Anpassung. So waren z. B. Güterwaggons, in denen die Repatrianten bis zu sechs Tage lang zu ihrem Bestimmungsort transportiert wurden, selten geheizt und besaßen so gut wie keine sanitären Anlagen. Die immerfort nötigen Umleitungen und der oft Tage andauernder Stillstand verzögerten die Transporte und brachten ein nicht lösbares Versorgungsproblem mit sich, da niemand vorhersagen konnte, wie lange, wo und nach welchem Zeitplan der Transport unterwegs sein würde. Trotz dieser unwürdigen und eigentlich unzumutbaren Transporte gab es keine bösen Stimmen oder Aufstände gegen die Art mit der die polnischen DPs repatriiert wurden. Die Armeen mussten vielmehr die Erfahrung machen, dass die DPs wegen ihres nicht zu zügelnden Heimkehrwillens sich zu Zehntausenden auf die Straßen begaben und damit die in Frage gestellte Operationsfähigkeit und die Gebietskontrolle durch die alliierten Truppen überhaupt lähmten, falls man ihnen nicht wenigstens improvisierte Transportmöglichkeiten anbot. Die Radikalität mit der der Beschluss, zunächst die russischen DPs zu repatriieren, durchgeführt wurde, beschnitt in höchsten Maße die Repatriierung anderer osteuropäischer DPs. Besonders betroffen waren hier die polnischen DPs, die mit 900.000 Personen die drittgrößte Nationalitätengruppe darstellte. Ihre Rückführung erfolgte auch durch die sowjetische Zone, so dass diese Tatsache als Druckmittel der UdSSR gegen die Alliierten verwendet werden konnte, da die Sowjets erst bereit waren die polnischen DPs für den Transport durch ihre Zone entgegenzunehmen, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits alle sowjetischen Staatsangehörigen in die UdSSR zurückgekehrt waren. Die Briten und Amerikaner forderten in der Frage der Repatriierung polnischer DPs die Freigabe der Eisenbahnwege. Zu diesem Zeitpunkt waren Transporte wegen der ungünstigen Witterung und des rasch einsetzenden, strengen Winters 1945/46 wenig leistungsfähig. Zusätzlich wuchs das Misstrauen zwischen den Mächten der Kriegskoalitionen. Die Ballung dieser Hemmnisse machte die Repatriierung der Polen zu diesem Zeitpunkt schier unmöglich. Transporte nach PolenDie Transporte waren häufig keine durchorganisierte Angelegenheit. Die Züge, die zum Polentransport dienten, wurden manchmal kurz vorher in aller Eile von UNRRA-Mitarbeitern oder vom Militär mit Öfen ausgestattet. Da dies aber oft innerhalb einiger Stunden geschah, kann man sich leicht ein Bild von der Heizeffiktivität machen. Danach wurde der Zug mit DPs beladen, bis dieser sein Höchstmaß an Belegung erreicht hatte (oft wurden noch mehr DPs als zulässig in einem Zug transportiert). Die Züge kamen so gut wie nie pünktlich. Diese Vorgehensweise zeigt das geringe Einfühlungsvermögen einiger Verantwortlicher, die nur an der (möglichst schnellen) Abwicklung der Repatriierung interessiert waren. Nach allem was über die technischen Bedingungen bekannt ist, unter denen die mehrtägige Fahrt erfolgte, besteht (fast) kein Grund zur Annahme, dass die Repatriierung sich in Form einer Heimreise vollzogen hat, sondern vielmehr ein Transport war. Die Auffanglager in denen die DPs ankamen waren laut der UNRRA- Beobachter "gedankenlos organisiert" und boten "einen schlechten Empfang für die heimkehrenden DPs". Nicht weiter verwunderlich ist daher, dass der Rückkehrwille der DPs nach dem Bekanntwerden solcher Vorgänge drastisch schwand. Hinzu kamen dann noch die veränderten politischen Verhältnisse. UNRRA - die Repatriierung der "Heimatlosen Ausländer"Nach Kriegsende im Mai 1945 gab es in Deutschland 9.620.000 "Heimatlose Ausländer", sogenannte DPs, die als zur Arbeit verpflichtete Personen aufgrund faschistischer Handlungen nach Deutschland gebracht worden waren. 1,9 Millionen von ihnen waren als Kriegsgefangene in Arbeitslagern untergebracht, die von der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration) betreut wurden. Die UNRRA hatte neben der Betreuung der DPs die Aufgabe die Repatriierung in ihre Heimatländer, sowie ein menschengerechtes Leben zu ermöglichen. Die Arbeit der UNRRA erstreckte sich über zwei Jahre bis zum 30. Juni 1947. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie es geschafft allein in Deutschland 6.173.213 DPs zu repatriieren. Vorstehender Text aus: http://www.geschichtsatlas.de |
Der Zweite Weltkrieg geht zu Ende und nun? | |||||||
Leid und Entbehrung, Not und die Ungewißheit, wann wohl endlich der fürchterliche Krieg zu Ende gehen würde, der Menschen in Geiselhaft genommen hatte, zehrten an der physischen und psychischen Kraft aller. Den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) hat dann doch die Reckenfelder Bevölkerung bis auf ein paar Schäden an einigen Häusern und Einrichtungen recht gut überstanden. Tote, Verwundete und Vermisste von Familienangehörigen waren dennoch zu beklagen und einige Reckenfelder Männer kamen erst Jahre nach Kriegsende aus der Gefangenschaft zurück. Der Letzte Reckenfelder kam am 17. Oktober 1955 aus Russland an. Wie es einem Reckenfelder in der Kriegsgefangenschaft ergangen ist, zeigen seine Briefe aus verschiedenen Ländern und Regionen aus den vier Jahren
In Reckenfeld macht sich ein Gerücht breit: "Bei uns sollen - wie in Greven - Ausländer einziehen". Noch ist es ein Gerücht. Dennoch machen sich Angst und Beklommenheit breit [...] |
Was Autoren über die Displaced Persons in Greven und Reckenfeld zu berichten wissen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Auszüge aus dem Buch von Stefan Schröder (StaG) mit dem Titel "Displaced Persons im Landkreis und in der Stadt Münster", 2005 Der Grund für die Einrichtung des Reckenfelder Lagers ist nicht klar. Er wurde von C. Spieker als Konsequenz der Überfüllung des Grevener Lager interpretiert, doch zeigen die Belegungszahlen des Grevener Lagers vor Einrichtung des Lagers in Reckenfeld am 18. Mai zwar einen kontinuierlichen Anstieg polnischer DPs in Greven, doch keinen Einschnitt oder ein Absinken der Zahl polnischer DPs in Greven nach Eröffnung des ausschließlich polnisch belegten Lagers in Reckenfeld. Die dort untergebrachten DPs können also nicht aus Greven gekommen sein. Zwischen dem 18. und 30. Mai sind sogar weitere 790 polnische DPs in Greven registriert worden, während im selben Zeitraum keine Abgänge polnischer DPs verzeichnet sind. In Reckenfeld sind daher entweder umherwandernde DPs gesammelt oder DPs aus zu schließenden kleineren Camps untergebracht worden. Stand der beiden DP-Lager Ende Juli/Anfang August 1945 in Greven und Reckenfeld
Belegung des DP-Lagers V8 Reckenfeld von Oktober 1945 bis Juli 1946
Auffällig ist die Verwaltungsstruktur in Reckenfeld. Da dort nur polnische DPs untergebracht waren, gab es nur einen Nationalgruppenleiter, der damit die Funktion des Lagerleiters innehatte. Das Lager war wegen seiner Teilung in die Blöcke A und B eingeteilt und jeweils einem Distriktleiter unterstellt, denen insgesamt neun Straßenleiter unterstanden. Es gab sogar Hausleiter als unterste Hierarchiestufe. Hier ist anders als in Greven eine paramilitärische Kommandostruktur eingeführt worden. Daneben existierten aber wie in Greven Komitees für verschiedene Aufgabenbereiche: "Registration and Housing", "Welfare and Relief", "Supply", "Health and Sanitation", "Public Safery", , Judicial" und "Education and Recreation". Zudem fanden wöchentliche Kinovorführungen für die Reckenfelder DPs im Garnisonskino Greven statt. Außerdem hat in Reckenfeld bereits im August 1945 ein DP-Orchester existiert. Die medizinische Versorgung umfasste ein Hospital unter Leitung des UNRRA-Arztes und der UNRRA-Krankenschwester. Patienten mit schwierigeren Krankheitsbildern wurden jedoch in andere Krankenhäuser verlegt, unter anderem nach Greven, und Emsdetten wofür ein Krankenwagen zur Verfügung stand. Ähnlich wie in Greven standen auch in Reckenfeld Häuser für besondere Zwecke zur Verfügung. Neben den schon genannten Einrichtungen gab es ein Offizierskasino für das UNRRA-Team, ein Wachgebäude, eine Polizeistation, UNRRA-Büros und -Warenlager, die polnische Lagerverwaltung, Häuser für die Pfadfindergruppen und ein "Milk Centre" (vermutlich eine Molkerei). Medizinische Versorgung im DP-Lager ReckenfeldAuch in Reckenfeld wurde in der zweiten Jahreshälfte 1945 die Infrastruktur des Lagers weiterentwickelt. Anfang Oktober 1945 kooperierten die beiden UNRRA-Teams bei der medizinischen Versorgung. So wurden wegen des Urlaubs von UNRRA-Arzt Dr. Dochy von Team 110 seine Pflichten in Reckenfeld vom Arzt des Teams 11, Dr. Zbozien, und einem polnischen DP-Arzt, übernommen. Die medizinische Versorgung in Reckenfeld war offenbar nicht besorgniserregend, wie der Bericht über die zweite Oktoberhälfte zeigt. 432 DPs begaben sich innerhalb von 14 Tagen in ambulante ärztliche Behandlung, nur 18 DPs lagen im Lagerhospital. Die Verlegung von sieben DPs aus dem Lagerhospital ins Grevener Krankenhaus zeigte jedoch auch hier die Grenzen der medizinischen Versorgung. Eine im Zusammenhang der medizinischen DP-Betreuung zu nennende Einrichtung ist die Belegung eines Teils des Emsdettener Marienhospitals für DPs zwischen August 1946 und Juli 1950. Dieses Krankenhaus war wegen seiner Lage zwischen vier DP-Camps (Rheine, Rheine-Gellendorf, Reckenfeld und Greven) ausgewählt worden, um besondere medizinische Hilfe zu leisten, die in den Lagern nicht möglich war. Von insgesamt 300 Betten war knapp ein Drittel für DPs reserviert. Ein Bericht von Dezember 1946 zeigt einen nicht unbedeutenden Anteil bei der Betreuung von Schwangeren, bei Geburten und der Nachsorge der Wöchnerinnen und der Neugeborenen. Diese Aufgabe wurde in angemessener Weise von den deutschen Ärzten unter Aufsicht der UNRRA durchgeführt. Bemängelt wurde die nicht immer durchgeführte strenge Separierung von deutschen und DP-Patientinnen, in der die UNRRA den Versuch erblickte, für DPs reservierte Betten nach und nach mit deutschen Patienten zu belegen. Nach dem Ende der UNRRA unterstand das Krankenhaus der IRO, gehörte bei der letztmaligen Nennung im März 1948 jedoch organisatorisch zum münsterschen DP-Lager mit der Nummer 3161, d.h. zum wieder eröffneten DP-Lager in der ehemaligen Stalagkaserne. ErnährungDas Reckenfelder DP-Lager wurde nicht mehr mit amerikanischen, sondern nun mit britischen Rotkreuzpaketen beliefert. Dabei machte sich der geringere Kaloriengehalt ebenso negativ bemerkbar wie die festgestellten Unterschiede zwischen deklariertem und tatsächlichem Inhalt. Daher war der Unmut unter den DPs hoch. KulturlebenIm Reckenfelder Lager existierte bereits im Sommer 1945 ein eigenes Orchester, das in der dritten Ausgabe der Grevener Lagerzeitung Erwähnung fand - wobei bezeichnend ist, dass es einen Auftritt in Borghorst hatte, ohne Zweifel im dort bestehenden DP-Lager. Jedenfalls wird der kulturelle Austausch zwischen verschiedenen Lagern an diesem Beispiel einmal mehr deutlich. Neben Konzerten waren auch Varietes und Tanzveranstaltungen beliebt, sowohl als Folkloredarbietungen als auch zum Vergnügen aller. So feierten die polnischen DPs am 25. November ihre sechsmonatige Anwesenheit im Reckenfelder Lager u. a. mit Tanz. Seit auch in Reckenfeld ein Kinoprojektor zur Verfügung stand, mussten nicht mehr jeweils 300 DPs zu Kinovorstellungen nach Greven transportiert werden. Im "Welfare Report" von Anfang November 1945 wurde außerdem auf das Fußballspiel vor großer Kulisse zwischen dem Reckenfelder und dem münsterschen Team hingewiesen. Aufführungen eines Dreiakters durch den Reckenfelder Theater-Musik-Zirkel vom 1. bis 4. und am 6./7.August, die am 17. August im Polnischen Militärzentrum in Borghorst wiederholt wurden. Aufführungen einer polnischen Fabel mit Nationaltänzen und Musik Anfang November in Reckenfeld und die Nikolausparty für die polnischen Kinder in Greven am 6.12.1945. SportDie polnischen DPs aus Reckenfeld hielten am 26. August ebenfalls ein Sportfest ab. Auch Ballspiele, allen voran Fußball, wurden ausgiebig betrieben. Dabei ist bemerkenswert, dass sich in Greven und Reckenfeld sogar verschiedene Sportvereine bildeten. In Reckenfeld existierte der Sportclub "Polonia", in Greven der schon Ende Mai gegründete "Wolnosc" ("Freiheit"). Fußballspiele fanden regelmäßig statt, besonders in Reckenfeld, wo drei Teams existierten und von denen eins stolz als bestes polnisches Team der Umgebung präsentiert wurde. Die verschiedentlich dokumentierten Fußballspiele besaßen damit den Charakter einer polnischen Lagermeisterschaft. Damit stießen die Fußballer auf reges Interesse der übrigen Lagerbewohner, die für eine große Kulisse sorgten, wie für das Spiel einer Reckenfelder gegen eine münstersche DP-Mannschaft berichtet wurde. Aber auch zu festlichen Anlässen wurde Fußball gespielt, beispielsweise bei der Feier der sechsmonatigen Lageransässigkeit durch die Reckenfelder Polen. Weitere Sportarten umfassten Basketball, Volleyballs, Tischtennis und Schach. Hochzeiten und TaufenIm Reckenfelder DP-Lager ist nachgewiesen, dass dort 1945 46 Paare kirchlich getraut wurden. 1946 waren es sogar 74 Paare. Beteiligt waren also zusammen 240 DPs. Einen ähnlichen Anstieg erkennt man in den Reckenfelder Tauflisten: Bei 213 Taufen der Jahre 1945/46 waren nur 25 Kinder nicht in Greven, Reckenfeld oder Emsdetten (dort existierten Krankenhäuser mit Betten für DPs aus Greven/Reckenfeld) geboren worden, was für eine Mobilität dieser DP-Eltern durch Lagerwechsel o.ä. spricht. Eine solche Verzerrung der statistischen Angaben dürfte durch Lagerwechsel auch von Schwangeren aus dem Reckenfelder in andere Lager abgemildert werden. An der zu konstatierenden hohen Zeugungszahl ändert sich dadurch wenig. Von 188 in Reckenfeld, Emsdetten oder Greven geborenen und in Reckenfeld getauften Kindern wurden 25 1945 geboren, jedoch 163 Kinder 1946. Dieser Anstieg erklärt sich vor allem aus dem Zeugungszeitpunkt, denn die 1945 geborenen Kinder sind - ohne Berücksichtigung von statistisch nicht nachvollziehbaren Frühgeburten - noch vor der Befreiung gezeugt worden, also unter den ungünstigen Umständen des Krieges. Daher verwundert der Anstieg der Geburten im Jahr 1946, also mit einem Zeugungstermin nach der Befreiung Anfang April 1945, nicht. Diese Geburtenzahlen müssen nun mit der Gesamtzahl der Lagerpopulation in Bezug gesetzt werden. Der Mittelwert der Belegung des DP-Lagers in Reckenfeld betrug von Mai 1945 bis Ende 1946 2.016 DPs. Damit ist die Zahl von 188 Neugeborenen (ohne die Zahlen ebenfalls dort lebender Kleinkinder) in Reckenfeld bis Ende 1946 in etwa mit dem Beispiel des jüdischen DP-Lagers Föhrenwald vergleichbar, in dem ebenfalls etwa 2.000 DPs lebten, darunter im Oktober 1946 203 Kinder unter einem Jahr und 98 zwischen einem und fünf Jahren. Auch wenn eine Vergleichbarkeit nicht völlig gegeben ist, deutet sich doch an, dass hohe Geburtenraten auch unter den nichtjüdischen DPs anzunehmen sind. Voraussetzung dafür war eine entsprechende Geschlechterproportion, die in Reckenfeld offenbar besonders günstig war. Das Heiratsregister der heutigen Stadt Greven gibt wertvolle Hinweise über das Heiratsverhalten der DPs in Greven und Reckenfeld. So sind für das Jahr 1945 423 Trauzeugen bei Hochzeiten von DPs verzeichnet, was bedeutet, dass (da fast immer zwei Trauzeugen) pro Hochzeit verzeichnet sind) mehr als 200 standesamtliche Hochzeiten von DPs in Reckenfeld und Greven im Jahr 1945 stattgefunden haben. Somit fand von der Befreiung Anfang April bis zum Jahresende 1945 durchschnittlich fast täglich eine Trauung statt. Dabei gab es sogar überaus beliebte Trauzeugen: So ist ein Pole 1945 66mal als Trauzeuge genannt, ein anderer 56mal. Die Beliebtheit des Letzteren erklärt sich vermutlich mit seinem Beruf als Rechtsanwaltssekretär. Es ist durchaus denkbar, dass viele DPs fürchteten, ihre vor deutschen Behörden vollzogene Eheschließung nach der Repatriierung nur glaubhaft machen zu können, wenn ein (vermutlich polnischer) DP mit juristischem Berufshintergrund als Trauzeuge teilgenommen hatte. Arbeit der DPs als RehabilitationIn den Werkstätten des Reckenfelder Lagers wurden Anfang November 1945 alle Arten von Kleidung und Schuhe hergestellt. Im September hatten Schneider- und Schuhmacherwerkstatt noch nicht bestanden. Gleichzeitig waren in Reckenfeld 196 von 2.496 DPs beschäftigt, davon 173 "paid by Burgomaster", d.h. ebenfalls von der zuständigen Gemeinde. Nur noch 23 Personen arbeiteten für höhere Rationen. Der Prozentsatz arbeitender DPs lag hier bei (mindestens) 7,85% der Gesamtpopulation. Dass in der Britischen Zone der Anteil von den Deutschen bezahlter arbeitender DPs höher als die festgesetzten 10% je Lager ausfallen konnte, hat schon Woodbridge festgestellt, der den Durchschnitt mit 14% angibt."' Dies trifft auf Greven in etwa zu; Reckenfeld lag deutlich darunter. Eine dem Bericht über die Beschäftigungssituation des DP-Camps Reckenfeld im Juni 1946 beigefügte Liste mit ausgeübten Berufen zeigt, dass fast alle arbeitenden DPs tatsächlich im Lager angestellt gewesen sein müssen: So sind allein 42 DPs und PWs bei der Lagerpolizei und zehn bei der Feuerwehr ausgewiesen. Die erwähnten Berufe deuten immerhin auf eine funktionierende Kommune hin, denn es gab einen Priester, einen Organisten, zwei Bibliothekare, einen Arzt, zwei Krankenschwestern, zehn Lehrer, zehn "clerks" (Verkäufer oder Büroangestellte), fünf Lagerarbeiter, 19 Arbeiter, sechs Fahrer, fünf Schlosser, zwei Dolmetscher, zwei Zimmermänner, drei Schreiner, vier Elektriker, zwei Maurer, zwei Journalisten, neun Näherinnen und einen Schneider, sieben Köche, zwei Friseure, zwei Schuhmacher, drei Hutmacher und weitere mit verschiedenen Verwaltungsaufgaben betraute Beschäftigte. Insgesamt neun DPs arbeiteten für das UNRRA-Team 110. Im folgenden Monat berichtete dessen damaliger Teamdirektor R Clifford Primrose, dass Versuche, die DPs außerhalb des Lagers zu beschäftigen, mangels Unterbringungs- oder Transportmöglichkeiten gescheitert wären. Nur zehn DPs waren als Holzfäller nach Goch, ein DP als Eisenbahnarbeiter nach Hamm vermittelt worden. Aus den Beobachtungen von Primrose spricht Resignation. Am Beispiel der UNRRA-Teams in Greven und Reckenfeld zeigt sich eine kontinuierliche fruchtbare Zusammenarbeit mit einem geschulten britischen Relief Detachment. Daher wurde ihnen praktisch schon ab September 1945, weit früher als auf höherer Ebene vorgesehen, die Lagerverwaltung inoffiziell übertragen. In diesem Klima gediehen auch die Aktivitäten der DPs. Die Lagerselbstverwaltung führte zu einem ausdifferenzierten kulturellen Leben der verschiedenen DP-Gruppen. Am Beispiel der Rehabilitation der DPs durch Arbeit zeigt sich aber auch, wie die gute Fürsorge im Jahr 1945 gleichzeitig ungewollt zu einer solchen Verfestigung des Lagerlebens beitrug, dass 1946, als sich UNRRA und Briten noch Repatriierungshoffnungen für die polnischen DPs hingaben, die DPs die Ersatzheimat des Lagers der Rückkehr nach Polen vorzogen. In der Lebenswirklichkeit der DPs in "guten" Lagern verlor die Repatriierung jeden Reiz. Je besser das Leben der DPs in den Lagern war und somit ein aus der eigenen Erfahrung bekannter Lebensstandard im Heimatland überschritten wurde, um so geringer wurde der Rückkehrwunsch. Dagegen besaßen politische Argumente gegenüber persönlichen und wirtschaftlichen Gründen kaum Bedeutung für die Ablehnung der Repatriierung. Die Lebensumstände in den DP-Lagern in Greven und Reckenfeld bestätigen das. In Reckenfeld war die Beschäftigungsrate deutlich niedriger. Im September 1946 arbeiteten nur rund 17% der arbeitsfähigen DPs, davon nur 2% außerhalb des Lagers. Im Oktober hatte sich dies trotz erhöhten Drucks auf die DPs nicht wesentlich geändert. Die insgesamt 26% arbeitenden unter den arbeitsfähigen DPs teilten sich auf in 21,6% innerhalb des Lagers beschäftigte und 4,4% außerhalb des Lagers beschäftigte DPs. Der letzte Bericht vom März 1947 verschweigt die Zahl der arbeitsfähigen DPs, so dass keine Prozentzahlen abzuleiten sind. In absoluten Zahlen ist eine Erhöhung von 299 arbeitenden DPs im Oktober 1946 zu 426 arbeitenden DPs im März 1947 zu verzeichnen. Die Angabe, kein DP arbeite in der deutschen Wirtschaft, verdeutlicht jedoch den Fehlschlag der von UNRRA und Briten verfolgten Arbeitspolitik, die gerade diesen Sektor im Blick gehabt hatte. Damit lag die Beschäftigungsrate in Reckenfeld deutlich unter dem Zonendurchschnitt. In Reckenfeld waren die Bemühungen um die DP-Beschäftigung jedoch von geringerem Erfolg. Doch auch dort zeigt sich die deutlichere Zäsur im Oktober 1946 mit dem DP-Einsatz in der deutschen Wirtschaft und nicht erst bei der offiziellen Einführung der Arbeitspflicht Anfang 1947. RepatriierungDie Repatriierung polnischer DPs verzögerte sich durch die mit Vorrang durchgeführte Zwangsrepatriierung sowjetischer DPs bis September 1945 und Verständigungsschwierigkeiten zwischen den sowjetischen Stellen und den Westalliierten. Zudem trugen die Differenzen zwischen der polnischen Exilregierung in London und der kommunistischen Regierung in Warschau, die beide polnische Repatriierungsoffiziere in die DP-Lager schickten, zur erst später zu Tage tretenden massenhaften Repatriierungsweigerung polnischer DPs bei, denn die "Londoner" Repatriierungsoffiziere verbreiteten Propaganda gegen eine Rückkehr nach Polen. Da die polnischen DPs nicht zwangsweise repatriiert wurden, zeigte diese Stimmung nach und nach Wirkung. Bereits am 2. Oktober 1945 wurde in den Lagern in Greven und Reckenfeld eine Umfrage zur Rückkehrbereitschaft der polnischen DPs gemacht, derzufolge 55% der polnischen DPs bereit waren, nach Polen zurückzukehren. Angesichts der 1946 bei etwa 5% Zustimmung liegenden Repatriierungsumfragen mag man rückblickend die Umfrage von Oktober 1945 im Sinne der Repatriierung positiv bewerten. Es ist jedoch augenfällig, dass bei einer Rückkehrunwilligkeit von 45%, sollte dieser Wert aus Greven und Reckenfeld in etwa repräsentativ sein, mit einer längerfristigen Unterbringung polnischer DPs in sechsstelliger Höhe in Westdeutschland zu rechnen gewesen wäre, was die Alliierten nicht vorhergesehen und eingeplant hatten. Doch das Warnsignal der Umfrage scheint völlig überhört worden zu sein. Repatriierungstransporte polnischer DPs aus dem Untersuchungsgebiet fanden aus den Lagern Greven und Reckenfeld am 1., 6. und 13. November 1945 statt. Dabei wurden 1.030 polnische DPs repatriiert. Angesichts der Anfang Dezember 1945 in Greven und Reckenfeld verbliebenen rund 4.900 polnischen DPs war die Repatriierung selbst der durch die Umfrage vom Oktober als repatriierungswillig eingestuften DPs nicht annähernd gelungen. Und die Zahl der Repatriierungswilligen schmolz mit der Überwinterung weiter dahin, wie die Entwicklung im Frühjahr 1946 zeigen sollte. Repatriierungen polnischer DPs aus Greven und Reckenfeld zeigten in der ersten Jahreshälfte 1946 das folgende Bild: In Greven wurden von 4.854 DPs (am 26. Januar 1946) zwischen Februar und Juni 895 DPs repatriiert (Repatriierungsquote: 18%). In Reckenfeld lebten am 16. Januar 1946 1.679 polnische DPs. Davon wurden bis Juni 536 DPs repatriiert, was einer Quote von immerhin 32% entsprach. Am 10. Juli sind dann aus Greven weitere 65 polnische DPs und am 17. Juli 1946 aus Greven 49 und aus Reckenfeld acht polnische DPs repatriiert worden. Dies betraf jedoch nur noch die wenigen DPs, die auch nach der Mitte Mai 1946 durchgeführten Befragung über die Rückkehrbereitschaft nach Polen der Repatriierung zugestimmt hatten. Hinweise auf Kriminalität im ländlichen RaumHinweise auf die Kriminalität der ersten Wochen nach Ende der Kampfhandlungen im Untersuchungsraum können Aufschlüsse über die Validität des Roxeler Fallbeispiels geben und die Frage nach der Beteiligung Deutscher an Straftaten weiter erhellen. Blicke auf die Situation ab August 1945 bis Jahresende sollen zudem zeigen, wie sich die Kriminalität weiter entwickelt hat. Als Beispiel wird dabei auf die DP-Lager in Greven und Reckenfeld Bezug genommen, da sie den Kontrast zu jenen Gebieten bilden, in denen nach den Repatriierungen des August 1945 keine Lager mehr bestanden haben. Überlegungen über weitere Kennzeichen der Kriminalität können daran anschließen. Die Befreiung wurde von den DPs gerne mit Alkoholexzessen gefeiert, wie auch aus Greven berichtet wurde. Häufig sollen sich Ausschreitungen angeschlossen haben. Zwei Beispiele von Kooperation zwischen Deutschen und DPs verdeutlichen, dass dies nicht nur mögliche Anstiftung der DPs durch deutsche Frauen betraf. So überfielen im November 1945 zwei Deutsche aus Reckenfeld gemeinsam mit zwei polnischen DPs einen Hof in der Grevener Bauerschaft Westerode. Hinweise vom Herbst 1945, wonach eine etwa zehnköpfige Bande polnischer DPs im Lager Reckenfeld und eine weitere im Lager Greven wohnte, die durch stereotype Überfälle auf Bauernhöfe auffielen. Dieses Beispiel unterstreicht nochmals, dass die Kriminalität nicht, wie in der deutschen Heimatliteratur oft suggeriert wird, auf die Mehrheit der DPs zurückzuführen ist. Mitte März 1947 wurden Zwischenfälle aus Reckenfeld in den Monatsberichten vermerkt, wonach die deutsche Polizei in einem Fall ohne Erlaubnis das DP-Camp betreten, in einem zweiten DPs zusammengeschlagen habe. Eine Meldung des UNRRA-Team 110 an die britische Militärregierung habe für eine nachfolgend bessere Mitarbeit der deutschen Polizei gesorgt. Es kann nur vermutet werden, dass der Kompetenzzuwachs für die deutsche Polizei zu einem forscheren und damit auch kompetenzüberschreitenden Verhalten geführt hat, wie es sich mit dem willkürlichen Einsatz der deutschen Polizei im DP-Camp Reckenfeld andeutet. Die Beobachtungen aus Reckenfeld, nach denen dies einen Anstieg der Kriminalität und verschlechterte hygienische Bedingungen zur Folge hatte, sowie zu einem Desinteresse der DPs an Arbeit aus Eigeninitiative führte, deuten auf eine Verschlechterung der dortigen Lebensbedingungen hin. Ein Bericht aus dem Reckenfelder Camp von Januar 1947 zeigt dagegen eine völlig abweichende Situation. Auffällig ist dort das Fehlen von berufsbildenden Maßnahmen, es waren auch keine angekündigt oder geplant. Die Werkstätten (Näherei, Schumacher- und Hutmacherwerkstatt) beschäftigten nur wenige DPs und hatten vor allem mit fehlenden Arbeitsgeräten und Materialien zu kämpfen. Besonders deutlich wird die schwierige Situation für die DPs im Vergleich zu den personellen Möglichkeiten dieses Lagers, denn von 75 Schneiderinnen und Schneidern im Lager konnten nur elf in der Werkstatt beschäftigt werden. Ähnlich waren neben vier beschäftigten Schuhmachern 14 arbeitslos. Eine Schreinerei konnte mangels Material und Maschinen gar nicht eingerichtet werden, was 27 DPs arbeitslos bleiben ließ. Der Bericht vermerkt, dass drei Viertel der Lagerbewohner (rund 1.300 DPs) Bauern seien und sich daher - und wegen der Verfügbarkeit von Gärten an jedem Haus des Lagers - die Möglichkeit für Gartenbau und eine entsprechende Schule bieten würde, sofern Saatgut zu beschaffen sei. Dies scheint jedoch nicht in die Praxis umgesetzt worden zu sein. Es muss dahingestellt bleiben, ob es mangelnde Initiative der DPs oder ein Mangel an Geräten und Saatgut war, der zur Verwahrlosung der Gärten geführt hat. Da viele DPs eine Auswanderung dem Verbleib in Deutschland vorzogen, verwundert jedoch weniger das Resultat als der Optimismus des UNRRA-Berichts. Auszüge aus: Greven an der Ems von Joseph Prinz, 1977Über die jeweilige Belegung des DP-Lagers unterrichtet die folgende Übersicht:
Amtsbürgermeister Braschoß schildert in einem Bericht an den Landrat des Kreises Münster-Land die Situation in Greven Mitte Juli 1945 wie folgt: "Was die Bevölkerung Grevens und Reckenfelds seit der Belegung der beiden Ortschaften mit dem Ausländerlager zu erdulden hat, kann mit den in amtlichen Berichten üblichen Worten nicht geschildert werden. Raubmord, Raub, Straßenraub, Einbruch, Vergewaltigung von Frauen und Mädchen und sonstige Straftaten sind häufig vorgekommen. Besonders nächtliche Überfälle bewaffneter Ausländer auf Bauernhöfe zum Zwecke der Plünderung sind an der Tagesordnung. Der Verkehr auf Straßen und Landwegen ist für Fußgänger, Radfahrer und Fuhrwerke mit ständiger Gefahr verbunden, in schwerster Weise mißhandelt zu werden und Fahrzeug und Eigentum zu verlieren. In den von den Ausländern bewohnten deutschen Häusern ist fast alles Mobiliar verschleppt, zerstört oder beschädigt. Die Gärten und anschließenden Kartoffel- und Gemüsefelder sind verwüstet, das Obst vor der Ernte mutwillig abgerissen, die Obstbäume sind vielfach vernichtet. Mit den unreifen Früchten wurde Schnaps gebrannt. In der dann folgenden Trunkenheit wurden neue Gewalttaten und Zerstörungsakte begangen. Da den Bewohnern Grevens und Reckenfelds sowie auch in den Bauerschaften ihre Lebensmittelvorräte weggenommen oder unter Gewaltandrohung abgepreßt worden sind, Schweine und Rinder auf den Weiden abgeschlachtet werden, muß mit einer Hungersnot auch auf dem Lande gerechnet werden. Wie sträflich in den Ausländerlagern mit Lebensmitteln umgegangen wird, ist aus der Tatsache ersichtlich, dass Brot in großer Menge verkommt. Durch Zeugen kann erwiesen werden, dass in einer Jauchegrube ein 7 Pfund schweres Stück Fleisch gefunden worden ist. Wegen der Sorge um Familie und Heim wagen die Arbeiter nicht, zu ihrer Arbeitsstätte zu gehen, so dass die Arbeit stockt und ständig Schwierigkeiten auftreten, Leistungen sogar, welche die Besatzungstruppen fordern, fristgemäß auszuführen." Die Offiziere des Det. 519 und auch der Lagerleitung bemühten sich zwar, dem Übel zu steuern. Die Unterbringung der Ausländer in offenen Ortschaften war indes der Kern des Übels. Die Besatzungsmacht wollte aber gerade diese Menschen von dem jahrelangen Lagerleben befreien! [...] Schlimmer, viel schlimmer war es, dass seit dem Mai zahlreiche organisierte Banden plündernder Marodeure durch das Land zogen und vor allem die einsam und abseits der großen Straße gelegenen Bauernhöfe überfielen und ausraubten. Was waren dagegen die Holz- und Kartoffeldiebstähle der deutschen Soldaten und der Leute von der Organisation Todt gewesen, über die man sich seinerzeit so aufgeregt hatte! Im Sommer waren es meist Russen (bis Ende August), von da an Polen, die sich zu solchen Banden zusammentaten. Die Bauern versuchten sich auf vielerlei Weise gegen diese Überfälle zu schützen. Sie stellten Wachmannschaften für bestimmte Bezirke auf, die sogar von der Besatzungsmacht eigene Armbinden zur Kenntlichmachung während der Sperrstunden bekamen, sie beleuchteten ihre Höfe des nachts, betätigten die noch vorhandenen Sirenen oder suchten die Nachbarn durch Schellen oder sonstwie zu alarmieren. Aber was nutzte das viel gegen die meist bewaffneten Plünderer, denen man selbst nur mit einem Knüppel in der Hand gegenübertreten konnte? So mancher Bauer, der sich trotzdem zur Wehr setzte, mußte dabei das Leben lassen. In Greven und Reckenfeld sah es schlimm aus. Reckenfeld war "restlos demontiert". Auszüge aus: Greven 1918-1950 von Detlef Dreßler, Hans Galen, Christoph Spieker, 1991In Reckenfeld gibt es nur polnische Bewohner. Die zentrale Erfassungsstelle befindet sich in Greven. Hier wird dem ankommenden DP seine Personenkarte übergeben, hier erhält er seine Lebensmittelkarte. Danach kümmern sich Angehörige seiner Nationalität weiter um ihn. Das UNRRA-Team No. 110 hat die Betreuung des Centres Reckenfeld übernommen. Schwierige Fälle werden in das deutsche Hospital eingewiesen. Das 215. Batallion des 51. Medium Regiments der britischen Armee sorgt für Patrouillen in Greven und Reckenfeld. Straßen werden kontrolliert. Die Grevener Familien erhielten nach der Räumung ihrer Wohnhäuser eine Mietentschädigung. Am Beispiel einer Familie aus der Jürgenstraße, die nach der Räumung in einem Behelfsheim In den Bergen wohnte, stellte sich das Verfahren der Entschädigung so dar: Es wurde zunächst der Einheitswert des Hauses geschätzt: 2.860 RM. 15% (in manchen Fällen auch 10%) dieser Summe wurden als Jahresentschädigung gewährt. In diesem Fall waren es 429 RM, die in Monatsraten zu 35,75 RM an die Familie ausgezahlt wurden. Diese Entschädigung war allerdings eher nur eine formale als eine tatsächliche, wenn man bedenkt, dass die Reichsmark völlig zerrüttet war, und z. B. eine Zigarette auf dem Schwarzmarkt ca. 6 RM kostete. Entschädigt wurde prinzipiell jeder, auch der ehemalige SA-Führer von Reckenfeld und der NSV-Ortsamtsleiter kamen in den Genuß dieser Mietzahlungen. Der Reckenfelder NSDAP-Funktionär erhielt eine monatliche Entschädigung von 62,50 RM, also fast doppelt so viel wie z. B. die Familie aus der Jürgenstraße. Dies veranlaßte Amtsbürgermeister Braschoß, sich der Bitte des Reckenfelder Pfarrrektors Müller anzuschließen und die alliierten Behörden zu ersuchen, "dass möglichst bald das Ausländerlager von Greven und Reckenfeld verlegt werden möge, und zwar in ein Barackenlager, z. B. auf einen früheren Truppenübungsplatz, wo die Insassen unter einem wirksamen Verschluß gehalten werden" könnten. Nachdem viele Grevener zunächst noch ihre Gärten im Bereich des DP-Centres hatten benutzen können, wurde am 2. August 1945 in Greven ein Plakat der Militärregierung ausgehängt, das jedem unmißverständlich klarmachte, dass die geräumten Gebiete nicht mehr zu betreten seien, es sei denn in geschäftlicher Angelegenheit und mit spezieller Erlaubnis. Zwei Wochen später wurde den DPs verboten, Lebensmittel aller Art von deutschen Bauern oder in deutschen Geschäftshäusern zu kaufen oder einzutauschen. Selbst der Versuch, dies zu tun, sei strafbar. Diese Trennung zwischen DP-Centre und der Grevener und Reckenfelder Bevölkerung blieb bestehen. Sie führte dazu, dass auch das Wissen der Grevener über Motivationen, Hintergründe und Lebensbedingungen in den DP-Bereichen gering waren. Die UNRRA hatte große Probleme, eine einwandfreie Wasserversorgung aufrechtzuerhalten. Die schlechten Lebensbedingungen in den Arbeits- und Konzentrationslagern hatten vor allem unter den sowjetischen Zwangsarbeitern Folgen: Im Mai 1945 wurde bei der Wasserprobenuntersuchung im Assembly Centre ein Wert von 40.000 Paracolibakterien im Trinkwasser gemessen. Trotz energischer Sofortmaßnahmen wurden auch zwei Monate später noch Typhusfälle bekannt. Wie ernst dieses Problem genommen wurde, dokumentieren Karten des Grevener und Reckenfelder DP-Bereiches. Auf ihnen ließ der DP-Arzt Dr. Vanag die einzelnen Brunnen und Wasserversorgungsbedingungen für jedes Haus auflisten. So konnten verseuchte Brunnen gesperrt und die Trinkwasserversorgung insgesamt kontrolliert werden, eine Maßnahme, die immer wichtiger wurde, je länger das Sammelzentrum bestand und je mehr aus dem Zentrum ein eigener für sich organisierter Ortsteil wurde. Noch im Juni 1945 hatte die 12. Armeegruppe in einer groß angelegten Nachfrage eine "durchgängige Rückkehrbereitschaft" bei polnischen DPs festgestellt. In Greven und Reckenfeld allerdings wollten nur 55% der befragten Polen in ihr Land zurückkehren, eine Tendenz, die sich immer mehr verstärkte. Schließlich ermittelte die UNRRA in der ersten Maihälfte 1946, dass rund 80% aller polnischen DPs eine Repatriierung ablehnten. Je länger die Displaced Persons in den Camps wohnten, desto stärker gewöhnten sie sich an die Versorgungssituation in Greven. So erklärte ein DP, er wolle erst dann nach Hause zurückkehren, wenn auch dort "Licht aus der Decke und Wasser aus der Wand komme", und meinte damit die Wasser- und Elektriziätsversorgung. Materiell und rechtlich weitgehend abgesichert, erschien den Displaced Persons das Lagerleben günstiger als eine Repatriierung in unsichere Verhältnisse. In seinem Monatsbericht Nr. 10 beschreibt der Direktor des UNRRA-Teams E. M. Burton die Displaced Persons in Greven. Im Februar 1947 waren von 4.649 DPs in Greven und Reckenfeld ein Viertel Kinder, 2.036 Männer und 1.511 Frauen. 34,7% der beschäftigungsfähigen Personen hatten eine Arbeit, ein Drittel von ihnen im UNRRA-Camp und zwei Drittel außerhalb des Lagers. Von den rund 1.000 Personen, die außerhalb des Lagers beschäftigt waren, arbeiteten 794 für britische Militäreinheiten in Münster, Ladbergen und Greven. 205 DPs arbeiteten in der deutschen Wirtschaft. Die Beschäftigungsmöglichkeiten vor Ort seien gut, notierte der UNRRA-Direktor. Das schlechte Wetter verhindere allerdings Arbeiten an der Kanalisation. Ein Hauptproblem liege in der Antriebslosigkeit der Displaced Persons. Die meisten wollten weder arbeiten noch in ihre Heimat zurückgehen, wenn sie in Deutschland ungestört leben könnten. Diese Einschätzung deckt sich mit den oben genannten Einschätzungen der überregionalen Behörden. Das Fehlen geeigneter Kleidung und Werkzeuge verhindere häufig sinnvolle Arbeiten. Insgesamt seien 71% der Männer und 35% der arbeitsfähigen Frauen beschäftigt. Von den nichtbeschäftigten, aber arbeitsfähigen 1.198 Displaced Persons gehörten 517 Frauen zu der Gruppe von Müttern, die Kinder unter vierzehn Jahren hätten. 221 Personen seien durch Krankheit gehindert, 152 fehlten Schuhe und geeignete Kleidung. Nur 80 würden generell eine Arbeit verweigern. [...] Am 2. Juli 1947 übernahm die IRO (Internationale Flüchtlingsorganisation) die Aufgaben der UNRRA. Greven und das DP-CampDie Grevener Bevölkerung nahm die Räumung ihrer Wohngebiete für die Displaced Persons als eine zwangsläufige Folge der militärischen Niederlage und der alliierten Besatzungspolitik hin. Wie bereits beschrieben, erhielten die Ausquartierten finanzielle Entschädigungen. Sie hofften, nach Rückkehr der DPs in ihre Heimatländer ebenfalls in ihre Häuser zurückkehren zu können. Die politischen Veränderungen in den Staaten des Ostblocks, die beginnende Konfrontation zwischen den ehemaligen Verbündeten, der kalte Krieg, ließen dieses Ziel für die Grevener in immer weitere Ferne rücken. Aus einer Übergangsregelung wurde ein Provisorium und schließlich ein Dauerzustand. Den Bewohnern des Grevener Nordviertels und der Reckenfelder Blöcke A und B fiel es zunehmend schwerer, den Status quo zu akzeptieren. Drei Faktoren spielten dabei eine wichtige Rolle: Die Evakuierten sahen nicht ein, warum ausgerechnet sie ihre Häuser verlassen mußten, während andere Bewohner des Amtsgebietes und der umliegenden Orte verschont blieben. Die Unzufriedenheit steigerte sich, als die britische Besatzung mehr und mehr der von ihr beschlagnahmten Gebäude freigab und sich eine politische Normalisierung zwischen den Besiegten und den Siegern anbahnte, ohne dass sich ihre Situation verbesserte. Die Räumung ihrer Häuser schien den Betroffenen ein Vorgang ohne Ende zu sein. Die Evakuierten wussten nicht, wann und zu welchem Zeitpunkt sie zurückkehren konnten. Zu den Fragen "warum wir?" und "wie lange noch?" kam bei den Betroffenen die Befürchtung, ihre Häuser und ihr Eigentum gar nicht mehr zurückzuerhalten. Berichte über Zerstörungen in den Häusern sorgten unter den Evakuierten für Unruhe. Vor allem im kalten Winter 1946/47 hatten die Displaced Persons alles zum Heizen gebraucht, was sie an Holz finden konnten. Ein Protestschreiben aus der Bevölkerung veranlaßte die Amtsvertretung am 12. September 1947, eine Untersuchungskommission einzusetzen, um die Hintergründe der Räumung zu klären. Ihr gehörten die Amtsräte Müller, Wallmeier, Lanwer und Körholz an. Ein erster Zwischenbericht konnte im November 1947 ein direktes Verschulden der Verwaltung nicht feststellen. Dennoch wurden weiterhin Anschuldigungen gegen Braschoß laut. Erst zwei Jahre später stellte die Staatsanwaltschaft ein entsprechendes Verfahren gegen Braschoß ein. Die Amtsvertretung verlängerte am 21. Juli 1949 den Untersuchungsauftrag der Kommission, um mehr über die Reckenfelder Räumung zu erfahren. In einem Abschlußbericht vom 2. September 1949 stellten die Amtsräte nach "eingehender Beratung" fest, "dass es nicht mehr möglich sei, einwandfrei zu klären, ob ein kleiner Kreis von Verantwortlichen die Auswahl des Nordviertels in Greven und der Blocks A und B in Reckenfeld vorgenommen habe. Es sei daher beschlossen worden, [...] die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen." Trotz all dieser Unterschiede waren sich im Sommer 1946 alle politischen Strömungen in Greven in dem Ziel einig, möglichst schnell eine Freigabe der geräumten Wohngebiete zu erreichen. Dies zeigte auch die erste politische Willenserklärung der neu gewählten Grevener Amtsvertreter. Sie verabschiedeten eine Eingabe an den "Minister für die besetzten britischen Gebiete". In den Augen der britischen Besatzung hatten sich die Grevener mit diesem Vorhaben wohl zu wichtig genommen. Entschieden antwortete der eigentlich zuständige Kreis Resident Officer schon wenige Tage später: "Sie dürfen unter keinen Umständen direkt an Minister Hynd oder einen anderen Offizier höheren Ranges oder Politiker schreiben." Die Grevener wurden ermahnt, sich in Zukunft strikt an den Dienstweg zu halten. Kurz nach dieser Versammlung beantragte der Reckenfelder KPD-Vorsitzende Runge eine Delegation zu benennen, die über die Freigabe der besetzten Häuser verhandeln sollte. Die Amtsvertretung lehnte diesen Vorschlag ab. Sie war wohl nicht bereit, einen Kommunisten in die Delegation aufzunehmen. Dann, im Dezember 1946, kam es aber zu einem Treffen in Telgte, wo Heinrich Schwinger für den "Arbeitsausschuß der Grevener Evakuierten" und Amtsbürgermeister Minnebusch den Kreiskommandanten Booth trafen. Motiviert durch die ersten Freigaben in Greven Dorf versuchten auch Reckenfelder, die Rückgabe ihrer Wohnungen zu beschleunigen. Einen aus der heutigen Sicht kuriosen Vorschlag machte der Kreisgeschäftsführer der CDU, Franz Rock, am 20. August 1947 in einer Eingabe an den Ministerpräsidenten des Landes NRW. Er schlug vor, Reckenfeld in die "Bergarbeiteraktion" einzuschalten. Der Antragsteller nutzte dabei den hohen Stellenwert, den der Bergbau für die Alliierten hatte. Die Reckenfelder seien, so der CDU-Geschäftsführer, "gerne bereit, ein Zimmer ihrer Wohnung für Bergschüler zur Verfügung zu stellen". Die für das DP-Camp benutzten Gebäude der ehemaligen Gauschule und des ehemaligen RAD-Arbeitslagers gäben gute Unterrichtsräume ab. Den Einwand, Reckenfeld liege weit entfernt von jeder Zeche, versuchte der Antragsteller als Vorteil darzustellen: So sei es zumindest nicht möglich, dass Jungbergleute von Straßenmädchen um die Erträge ihrer Arbeit gebracht würden. "Früher machten es diese Mädchen für Brot, heute tun sie es für Punkte. Leider stehen sie oft in ziemlicher Zahl an den Zechen oder vor dem Lager." Der in Reckenfeld mögliche "Familienanschluß" würde die jungen Burschen vor einer derartigen Gefahr bewahren. Um keinen Zweifel über die Tauglichkeit Reckenfelds für die Unterbringung von Bergleuten aufkommen zu lassen, war dem Antrag eine Liste beigefügt, die belegen sollte, dass in der Siedlung vor allem pensionierte Bergleute und Arbeiter wohnten. Die soziale Differenzierung der Unterschriftenliste wird zwar durch die Berufsangaben der aufgeführten Familienvorstände gedeckt (44 Invaliden und Bergleute, 18 Bauarbeiter, 8 Maurer usw.), aber der Antragsteller selbst glaubte nicht recht an die Stichhaltigkeit seiner Argumente. So gestand der CDU-Kreisgeschäftsführer in einem Schreiben vom 10. Oktober 1947 an den persönlichen Referenten des Ministerpräsidenten ein, die Bergbauaktion sei nur ein Vorwand zur "Befreiung des Ortes Reckenfeld" gewesen. Die Aktion sei völlig falsch angefaßt worden. Rook bemühte sich ein halbes Jahr später auf einer gemeinsamen Fahrt von Emsdetten nach Recklinghausen, den Fall Reckenfeld Ministerpräsident Arnold persönlich vorzutragen. Aber auch der erneute Versuch, "das Reckenfelder Klima für Staublungen" als besonders vorteilhaft zu empfehlen, brachte nicht das gewünschte Ergebnis, wie eine Aktennotiz der Landeskanzlei in Düsseldorf vom 28. Juni 1948 belegt: "Die Lager sind nach einer Vordringlichkeitsliste in drei Gruppen eingeteilt. Das Lager Reckenfeld befindet sich in einer zweiten Gruppe. Mit einer Räumung ist in diesem Jahr kaum zu rechnen, obwohl man bemüht ist, monatlich mehr als 1000 DP abzutransportieren. Nach diesem erneuten Mißerfolg wurde die Kirche eingeschaltet. Im Juli 1948 machten zwei katholische Geistliche, die Pallottinerpatres Albrecht Wagner und Anton Zeller, eine Eingabe an die Militärregierung, um die Freigabe Reckenfelds zu erreichen. Unterstützt wurde diese Petition durch das Amt Greven. Amtsdirektor Berlage belegte seine Aussagen mit einem Bericht des Gesundheitsamtes des Landkreises Münster. Am 4. August 1948 hatte der Amtsarzt des Kreises Münster-Land 30 Wohnungen in Reckenfeld besichtigt und dabei katastrophale Wohnverhältnisse festgestellt. Dabei war die günstigste festgestellte Unterbringung der Bevölkerung die, "dass in einer Wohnung, bestehend aus einer kleinen Küche und einem kleinen Schlafraum, vier Personen wohnen mußten." Auch der lokale Kreis Resident Officer Goodrich meldete seiner vorgesetzten Behörde Wohnbedingungen, die schwere Bedenken für die allgemeine Gesundheit begründeten: Acht Personen lebten in einem kleinen Raum. Die Personen waren männlichen und weiblichen Geschlechts und zwischen zehn und siebzig Jahre alt. Sie schliefen in drei Betten und schliefen, aßen und arbeiteten in einem Raum. Sie stammten aus drei verschiedenen Familien. Derartige Beispiele ließen sich "ad infinitum" anführen. Auch der Kreis Resident Officer sah - ebenso wie der Amtsarzt des Landkreises Münster - eine Hauptursache für diese Wohnsituation in dem DP-Camp, das die Hälfte der Siedlung Reckenfeld in Beschlag nahm. Die Verantwortlichen des Landkreises Münster konnten nach Ansicht des britischen Offiziers die Situation verbessern, wenn sie Teile der Bevölkerung in andere Dörfer des Kreises einquartierten. Da eine Auflösung des DP-Camps nicht wahrscheinlich sei, war etwas in dieser Richtung zu unternehmen. Das Amt Greven und der Kreis Münster bestanden auf einer Freigabe der für die DP-Camps genutzten Bereiche in Greven und Reckenfeld. Eine Unterbrigung der Reckenfelder in anderen Orten des Kreises lehnten die Behörden strikt ab. Oberkreisdirektor Dr. Stiff war den Reckenfeldern bekannt, weil er 1932/33 maßgeblich die Siedlungspolitik der Eisenhandelsgesellschaft Ost bekämpft hatte. Er unterstützte auch jetzt wieder die Grevener Bemühungen. Über seinen Schreibtisch gingen die Eingaben an den Regierungspräsidenten in Münster und an die Ministerien in Düsseldorf. Am 4. Oktober 1948 kam es zu dem Treffen in der Landeskanzlei Düsseldorf. Von Grevener Seite nahmen Amtsbürgermeister Minnebusch, Kordsmeyer und Lauscher daran teil. Handschriftliche Vermerke in den Ministerialakten lassen auf die Argumente schließen, die von Grevenern dort vorgebracht wurden: - 18.000 Einwohner in vier Gemeinden waren durch die DP-Camps betroffen. - Von den Räumungen für das DP-Camp in Greven waren vor allem alte Leute und Spinnereiarbeiter betroffen. - Die Grevener Textilindustrie hatte für 5 bis 6 Millionen DM Exportaufträge. - Der Reckenfelder Teil sollte bevorzugt geräumt werden. Ministerpräsident Arnold beauftragte das Wiederaufbauministerium mit der weiteren Bearbeitung dieser Angelegenheit. Im März 1949 veranlaßte die Düsseldorfer Landeskanzlei eine erneute Anfrage bei der britischen Militärregierung, ob das Lager Greven nun geräumt werden könne. Geprüft werden sollte auch der Vorschlag des CDU-Kreisverbandsvorsitzenden von Münster-Land, Dr. Lauscher. Danach sollten den Eigentümern der demnächst frei werdenden Häuser finanzielle Unterstützungsbeihilfen im Rahmen der Soforthilfe gezahlt werden. Gegen Ende des Monats wandte sich der Oberkreisdirektor Dr. Stiff direkt an den Ministerpräsidenten Arnold, nachdem ihm bekanntgeworden war, "dass der Herr Ministerpräsident persönlich an den durch die Ausländerlager in Greven und Reckenfeld entstandenen schwierigen Verhältnissen Interesse genommen und Nachprüfung in Aussicht gestellt" hatte. Geschickterweise fügte der Oberkreisdirektor seine bereits gemachten Eingaben und Berichte an den Regierungspräsidenten in Münster und verschiedene Ministerien in Düsseldorf dem Schreiben bei. Das Ministerialbüro kannte nun alle relevanten Schriftsätze über die DP-Camps in Greven und Reckenfeld. In Greven verließ man sich nicht nur allein auf die Ministerien. Es gelang auch, den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) einzuschalten. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Föcher schrieb am 1. April 1949 an die britische Militärverwaltung und den Ministerpräsidenten in Düsseldorf. Zur Begründung seiner Bitte um Freigabe der Camps in Greven/Reckenfeld zitierte er die bekannten Lagedarstellungen lokaler Behörden, die von seinen gewerkschaftlichen Kollegen gewissenhaft geprüft worden seien. Gleichzeitig und in Reaktion auf das Schreiben des Oberkreisdirektors Dr. Stiff bat der Ministerpräsident am 6. April 1949 die Oberste Militärbehörde in Düsseldorf, Generalmajor W. H. A. Bishof, Greven/Reckenfeld bevorzugt zu räumen. Obwohl bereits ein Jahr zuvor der münstersche Kreis-Resident-Officer die Auflösung des 60. DPAC in Greven-Reckenfeld unter Hinweis auf die Unzufriedenheit der Bevölkerung und die starke KPD-Organisation unterstützt hatte, konnte oder wollte die britische Militärregierung keinen Termin für die Freigabe nennen. Am 12. Mai 1949 lehnte der Regional Commissioner Sir John Barraclough das Gesuch des Ministerpräsidenten Arnold ab. Ministerpräsident Arnold versuchte sich zum Sprecher der unzufriedenen Grevener und Reckenfelder Bevölkerung zu machen. Diese hatte zuvor in Protestversammlungen gegen eine 12%ige Minderung der Mietentschädigung für geräumte Häuser protestiert. Der "Kanzlerkandidat" aus Düsseldorf besuchte das DP-Camp in Reckenfeld und schaute sich vor Ort die Wohnbedingungen an. Er versprach, so notierte der britische Kreis Resident Officer, zu tun, was in seiner Macht stehe, um die Auflösung des Camps zu erreichen. Noch am 8. August 1949 informierte Oberkreisdirektor Dr. Stiff Ministerpräsident Arnold über eine, wie er glaubte, entscheidende Sitzung, die am Freitag, dem 12. August, stattfinden werde. Der Oberkreisdirektor aus Münster hatte die Hoffnung, dass die DP-Camps in Greven und Reckenfeld vor der Wahl doch noch geräumt werden könnten. Die britischen Militärbehörden ließen mit ihrer Entscheidung aber immer noch auf sich warten, Anlaß genug für den jungen Zeitungsreporter Carl Schumacher aus Greven, am 22. August 1949 direkt beim Ministerpräsidenten nachzufragen, was denn wirklich hinter den Gerüchten stecke, dass Greven nun bald geräumt werde. Aus besatzungspraktischen Gründen hatten die britischen Behörden DP-Lager im Süden NRWs vorrangig freigegeben. Das Grevener und Reckenfelder Lager konnte von den münsterschen Zentralverwaltungen leichter betreut werden. Endlich, im Oktober 1949, erreichte Greven die erlösende Nachricht. Mit Datum vom 7. Oktober schickte das Ministerium für Wiederaufbau eine Mitteilung auf den Dienstweg, die die Amtsverwaltung Greven schließlich am 25. des Monats erreichte. Die Grevener Lokalpresse wusste schon am 23. Oktober zu berichten, dass die Räumung des Lagers Reckenfeld bis Weihnachten 1949 erfolgen sollte. Im Anschluß daran sollte mit der Räumung des Lagers Greven begonnen werden. Bereits am 4. November wurden Details der Freigabe zwischen dem Kreis-Resident-Officer Taylor und Amtsbürgermeister Minnebusch in Greven verhandelt. Am 9. Dezember um 10 Uhr waren in Reckenfeld 140 Häuser und Grundstücke geräumt, wie Amtsdirektor Drost dem Wiederaufbauministerium berichten konnte. Bei dieser Gelegenheit bat der Verwaltungschef um "98.000 DM Darlehen zur Instandsetzung". Der Kreis Resident Officer berichtete nach London über die gute Presse anläßlich der Übergabe des DP-Camps Reckenfeld noch vor Weihnachten. Bereits vor diesem Termin hatte der Gemeinderat in Greven eine Instandsetzungskommission bestimmt, die das Bauamt bei der Verteilung von Darlehen zur Wiederinstandsetzung beschädigter Wohnungen in Greven und Reckenfeld unterstützten sollte. Unter Vorsitz von Karl Körholz (SPD) hatte der Ausschuß eine Reihe von Anträgen zu beraten, in denen Betroffene darum baten, die Darlehenshöchstsätze zu erhöhen. Diesen Anträgen wurde in der Regel entsprochen. Auf Unverständnis stießen einige Grevener Fabrikanten, die ebenfalls ihre "Bedürftigkeit" anmeldeten. Die Presse reagierte unterschiedlich auf das Thema Displaced Persons. Unter dem Titel "Östliche Kultur in Reckenfeld" hatte bereits im September 1949 die Westfälische Rundschau über eine "Schreckenszeit für das Münsterland" berichtet. Reckenfeld als "Bandenzentrum" mache einen "völlig verwahrlosten Eindruck [...] Das einzige Bauwerk, das in viereinhalb Jahren geschaffen [worden sei, sei] eine am Dorfeingang stehende Christus-Statue." Deutsche könnten die "Kultur des Ostens" in Reckenfeld begutachten, kommentierte der Journalist seine Eindrücke. Am 17. Mai 1950 berichtete eine Grevener Lokalzeitung unter dem Titel "Grevens Nordviertel frei von Ausländern" rückblickend: "Aber dann kam die Katastrophe. Mehr als 10.000 Ausländer, zum Teil KZ-Insassen deutscher Abstammung, fielen über das Viertel her, das von wenigen tausend Menschen bewohnt war. Dieser MZ-Artikel verkürzte auch die Rede des letzten DP-Camp-Leiters, Mr. F. G. Gadd, während die Westfälischen Nachrichten am 17. Mai 1950 durchaus sachlich darüber berichteten. Auszüge aus Veröffentlichungen in hiesigen ZeitungenPastor Martin Frohnhöfer schreibt in der Grevener Zeitung im Jahr 2004 Dr. Stefan Schröder vom Stadtarchiv Greven im Interview mit den Westfälischen Nachrichten Dr. Stefan Schröder vom Stadtarchiv Greven im Interview mit der Grevener Zeitung Heiko Habben aus Greven berichtet in den Westfälischen Nachrichten über die DPs in Greven und Reckenfeld im Jahr 2006 Die Westfälischen Nachrichten berichten über die Wohnungsnot in Greven und erwähnen die Besetzung Reckenfelds durch die Polen-DPs.
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Fazit aus der Befragung von etwa 120 Reckenfeldern/innen und der Auswertung von Dokumenten nach einem zeitlichen Abstand von ca. 60 Jahren |
Die Aussagen der Zeitzeugen waren aufgrund ihrer eigenen Erlebnisse bzw. ihrer Eltern/Großeltern rundweg negativ. Darüber hinaus hatten die Zeitzeugen zu damaliger Zeit mitbekommen, was alles über die Polen gesagt und geschrieben wurde: Mord, Totschlag, Raub, Diebstahl und Vergewaltigungen. Das führte dazu, dass die Meinung über die polnischen Besetzer noch düsterer wurde. Viele fragten sich damals und auch heute noch, warum Reckenfeld? "Warum mussten wir aus unseren Häusern und Wohnungen und nicht andere? Auch andere Unterbringungsmöglichkeiten wie Fabrikhallen, Säle und dergleichen, die gab es doch!" Dennoch klang bei einigen durch, dass sie heute Verständnis für das Verhalten der Polen mit fremden Eigentum umzugehen hatten, (Verheizen alles Brennbaren in den Häusern, als Beispiel). "Die Polen haben ja schließlich sehr viel Leid durch die Deutschen erfahren, aber mussten einige der Besetzer, sich so verhalten?" Die Frage bleibt, wie hätten wir reagiert, wenn wir an ihrer Stelle gewesen wären. Diese Frage bleibt wohl für immer unbeantwortet. |
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