Fortsetzung der Besiedlung und das Leben der Siedler

Wie sah es in den zwei Jahren nach 1925 in Reckenfeld aus? Man muß sich das so vorstellen:

[...] und einige Zeit später:

Die Arbeitslosigkeit grassierte unter den Siedlern, und man kann sich unschwer vorstellen, daß darunter viele litten und es teilweise in den Familien sehr ärmlich zuging. Dennoch: Die Siedler ließen sich nicht unterkriegen. Die muckten auf, als die EHG sie auch noch betrog bzw. betrügen wollte, und es bildeten sich Gemeinschaften, um gegen die herrschende Ungerechtigkeit besser vorgehen zu können.

Zu den 'ersten' Reckenfelder Familien gehörte auch die Familie Wojciechowski (Mutter mit ihren drei Kindern; ihr Mann war verstorben). Was diese Familie ab November 1927 in Reckenfeld erlebte, und ganz besonders der älteste Sohn - Aldolf -, hat er in einer Biografie aufgeschrieben. Diese Biografie ist für die Geschichte Reckenfelds ein einzigartiges Dokument. Als [PDF-Datei]. Lesen Sie selbst!

Recht unterschiedlich hatten sich die Bewohner eingelebt, aber eines war allen Eigentümern der Schuppen klar: Die Schuppen mußten aufgestockt werden und ein Anbau mußte her, damit Tiere für den Lebensunterhalt gehalten werden konnten. Außerdem mußten sanitäre Anlagen geschaffen werden, denn kein Schuppen hatte eine solche Einrichtung.

Ein Hauszinsdarlehen sollte den Neusiedlern den Einstieg erleichtern. Von den Siedlern wurde ab 1925 allerdings eine Ansiedlungsgebühr von 200 RM bis zu 1.000 RM erhoben. Das führte Jahre später zu einem Rechtsstreit.

Zwei Siedler beschweren sich beim Landrat über die Ansiedlungsgebühren. Das sind Meer (A 48) und Vogel (A 47). (Anmerkung: Meer werden ab dem 1925.10.24 und Vogel seit dem 1925.09.17 als Siedler beim Amt Greven gemeldet)

"Hembergen, den 12.10.1925. [...] Wir haben in Hembergen von der EHG-Ost ein Grundstück mit Gebäude erworben, um das Gebäude zu einem Wohnhaus umzubauen und das Land zur teilweisen Ernährung unserer Familien zu bearbeiten. Zum Erwerb dieser Grundstücke sehen wir uns veranlaßt, weil Vogel vor mehreren Monaten in der Gemeinde Greven abgebrannt ist und ihm seitens des Amtes in Greven eine menschenwürdige Wohnung nicht gegeben wurde. (...) Meer hat bisher in Gimbte bei einem Bauer gewohnt und muß seiner großen Familie wegen eine größere Wohnung haben. [...] Da Meer eine Werkswohnung inne hat, so muß er bei Aufgabe der Arbeit auch die Wohnung räumen. Er hat sich nun mit Hilfe von Verwandten in Hembergen angekauft. Leider wird durch die Forderung des Amtes in Greven von 1.000,-- Mark pro Wohnung unsere Existenz bedroht.

Nachdem in Hembergen bereits ca. 40 Familien wohnen, von denen nie eine Siedlungsgebühr verlangt wurde, und außerdem auf Veranlassung des Amtes Greven Wohnungen in Hembergen hergestellt wurden, für die eine Ansiedlungsgenehmigung wahrscheinlich auch nicht eingeholt ist, müssen wir annehmen, daß eine solche auch für uns nicht in Frage kommt. Wir bitten deshalb den Herrn Landrat ergebenst, unser Gesuch, das von der Erheben der 1.000,-- Mark Ansiedlungsgebühr Abstand genommen wird, befürworten zu wollen [...]"(Anmerkung: Mit Hembergen ist natürlich Reckenfeld gemeint.)

Ein Zeitzeuge

"Als wir, die Familie Meer , im Oktober 1925 nach Reckenfeld kamen, lagen die Eisenbahnschienen noch in den Straßen",

berichtete Frau Ww. Meer, Hermann-Lönsstraße 35 (ehemals Schuppen A 48), im Alter von 76 Jahren im Jahr 1956 den Westfälischen Nachrichten.

Ein Zeitzeuge

"Die ersten Musterhäuser ließ der spätere Architekt Reinhold - hier noch als Bauunternehmer - für die Optanten erstellen. Diese bezogen jedoch nicht die für sie gebauten Häuser."



1929

Ein Zeitzeuge

"Mein Vater hatte den ehemaligen Schuppen 1926 gekauft. Er war einer der Musterschuppen. 1929 haben meine Eltern geheiratet. Meine Mutter mit Namen Maria hatte gesagt: 'Nach Reckenfeld, da ziehe ich nicht hin'. Dabei blieb es auch. Erst viele Jahre später hat dann mein Vater das Haus D 2 und das große Grundstück (2 Morgen) verkauft. Nach seinen Aufzeichnungen hatte er zwei oder drei Jahre lang Erdbeeren angepflanzt, verkauft, und eine kleine Hühnerfarm aufgebaut, und davon gelebt."



1927 1928

Besitzer (nicht unbedingt Erstbesitzer) der 20 Musterhäuser in D wurden ab etwa 1926 (ein Zeitzeuge):

"Jetzige Adlerstraße: Schreiber, Kirschnick (Langner), Kirchhoff, Freitag/Walter im 2er Schuppen = 4 Häuser

Jetziger Drosselweg: Sperling, Biemöller, Reinert, Großmann, Falkenberg und Tomzcok im 2er Schuppen = 4 Häuser

Jetzige Falkenstraße: Schimmel, Vonhoff, Bannink, Kühn = 4 Häuser

Jetzige Taubenstraße: Zabka, Beckmann, Dunker, Pentrop = 4 Häuser

Die Straße, die es nicht mehr gibt (im hinteren Teil heißt sie heute Fasanenweg): Butschkowski, Runge, Becker, Rhode = 4 Häuser

Bis auf zwei oder drei der insgesamt 20 Musterhaus-Besitzer haben das Geld, was sie für das Haus angezahlt hatten, noch einmal abdrücken müssen, weil zuvor keine Eintragung im Grundbuch erfolgte. Eine große Schweinerei der EHG."

Ein Zeitzeuge

"Das Grundstück auf dem das Musterhaus in D stand, war 3.300 qm groß. Alles zusammen hatte 10.000,-- Mark gekostet. Angezahlt hatten meine Eltern 1.000,-- Mark und für den Rest wurden monatliche Abzahlungen vereinbart und getätigt.

Der Kauf wurde zwar notariell beglaubigt, doch eine Eintragung ins Grundbuch erfolgt nicht.

Als die EHG 'pleite ging' floss auch unser Eigentum in die Konkursmasse. Die bereits gezahlten Gelder waren futsch."

Ein Zeitzeuge

"Im ehemaligen Hauptverwaltungsgebäude, welches in Reckenfeld als das ‚Optantenhaus' bezeichnet wird, gab es in der Anfangszeit zunächst keinen elektrischen Strom. Mein Vater hat die Zeitung mit Licht von einer Petroleumlampe gelesen."

Folgendes müssen wir uns noch einmal ins Gedächtnis rufen: Der EHG gehörte das komplette ehemalige Depot, sie war also Eigentümerin aller Schuppen, Hochbauten und sie besaß alle sonstigen Rechte, auch für die Zuwegung innerhalb des Depots. Die Parzellierung des Geländes wurde von der EHG in Auftrag gegeben und durchgeführt. Zu jedem Schuppen gehörten ca. 1 bis 3 Morgen Land .

Zu den 'ersten' Reckenfelder Familien gehörte auch die Familie Wojciechowski (Mutter mit ihren drei Kindern; ihr Mann war verstorben). Was diese Familie ab November 1927 in Reckenfeld erlebte, und ganz besonders der älteste Sohn - Aldolf -, hat er in einer Biografie aufgeschrieben. Diese Biografie ist für die Geschichte Reckenfelds ein einzigartiges Dokument. Als [PDF-Datei]. Lesen Sie selbst!

Damit sich weitere Neuankömmlinge zurechtfinden konnten, und weil die Bürger sich beschwerten, vergab die EHG 1926 Namen für die ehemaligen Trassen (Wege).

Ein Zeitzeuge

"Es gab 24 Straßennamen. Holzschilder mit den Namen ließ die EHG gut sichtbar aufstellen."

Unterlagen aus dem StaG ergeben, daß folgende Straßennamen für eine relativ kurze Zeit gültig waren:

Heutige Bezeichnung [...] Vorschlag EHG 1926 [...] Amt Greven genehmigt 1927 [...]
Kirchplatz Potsdamer Platz Marktplatz
Bahnhofstraße Bahnhofstraße Hemberger Weg, 1930: Bahnhofstraße
Steinfurter Straße Max-Klemens-Allee Nordwalder Straße
Industriestraße Emsdettener Straße Emsdettener Weg/Emsdettener Straße
Grevener Landstraße Grevener Straße Grevener Weg
Straße gibt es nicht mehr Pius-Allee Harkortstraße
Straße gibt es nicht mehr Hindenburgstraße Schorlemerstraße
Schillerstraße Schorlemerstraße Fürstenbergstraße
Goethestraße Overbergstraße Bismarck-Allee
Emsstraße Münsterstraße Emsstraße
Weserstraße Trierer Straße Weserstraße
Rheinstraße Berliner Straße Ruhrstraße
Lippestraße Cölner Straße Lippestraße
Lennestraße Coblenzer Straße Lennestraße
Sperlingsgasse Moselstraße Münsterstraße
Drosselweg Saarstraße Coesfelder Straße
Falkenstraße Rhein-Allee Steinfurter Straße
Taubenstraße Neckarstraße Tecklenburger Straße




Der Potsdamer Platz um 1930, auch Marktplatz, heute Kirchplatz. Von der Bewaldung ist heute nichts mehr zu sehen.



Etwa 1930

Auszug aus einem Schreiben: "Am 26.1.1927 unterschreibt Christian Geitz die Verpflichtungsurkunde für die neu einzurichtende gemeindliche öffentliche Fernsprechstelle im ehemaligen Doppelverwaltungsgebäude A/C in Hembergen-Reckenfeld."

Einige der im August 1925 angekommenen Optanten hatten einige Monate später die Nase voll: Arbeitslosigkeit und unwürdige Wohnverhältnisse waren u. a. die Gründe für den Wegzug.

Andere blieben, so auch die Familie Wendt: Der älteste Sohn der Optantenfamilie Wendt - August Wendt - der schon mit 19 Jahren als Soldat eingezogen wurde, und mit 20 Jahren das Eiserne Kreuz 2. Klasse erhielt, war 27 Jahre alt, als er mit seinen Eltern Reckenfeld betrat.

Die Eisenhandelsgesellschaft Ost - Ernst Wilde - stellte wenig später August Wendt als Fahrer ein. So hatte Wendt wenigstens Arbeit gefunden und konnte seine Familie mit seinem Lohn unterstützen. Wendt hatte von 1913-1916 eine Lehre als Auto- und Maschinenschlosser abgeschlossen, und Wilde erkannte sein handwerkliches Geschick und schickte ihn zur Ausbildung in seinem Beruf nach Berlin. Dort holte er auch seine Gesellenprüfung nach. Danach konnte Wendt das Auto von Wilde auseinandernehmen und wieder zusammensetzen, was zu damaliger Zeit wertvoll war, da die Autos sehr reparaturanfällig gewesen sind.

Seine spätere Frau - Erna - lernte Wendt im ehemaligen Verwaltungsgebäude für das Depot B kennen, als sie dort als Küchenhilfe angestellt war.

Weitere Siedler aus umliegenden Ortschaften, aus dem Ruhrgebiet und anderen Gebieten siedelten sich in der neuen Heimat an. Von den 169 Familien, die 1927 hier wohnten, kamen aus dem Raum
  • Münsterland
  • 19
  • Ruhrgebiet
  • 22
  • Niedersachsen
  • 6
  • Regierungsbezirk Arnsberg
  • 8
  • Ostgebiete (ehemalige)
  • 12
  • Sonstige Gebiete
  • 13

    Das sind insgesamt 80 Städte und Orte, die auch auf den Glastafeln der Skulptur auf dem Kreisel in der Ortsmitte aufgeführt sind.

    Um 1929

    Um 1929




    1927 wohnten 123 Familien in den Schuppen der vier Depots, 46 Familien wohnten außerhalb der vier Depots.·

  • Bewohnte Schuppen in A: 36
  • Bewohnte Schuppen in B: 01
  • Bewohnte Schuppen in C: 42
  • Bewohnte Schuppen in D: 44.
  • Demnach waren Schuppen und sonstige Gebäude mit 169 Familien belegt.

    Zustände 1927: Kein Licht, kein fließendes Wasser und dann auch noch kaum trinkbar!




    Etwa 1929
    Etwa 1929/1930

    Ein Zeitzeuge

    "Zum Ausbau des Schuppens wurde von meinem Vater 'Karnickelsand' aus D geholt, da war ausreichend vorhanden. Die Wände waren dementsprechend [...]"

    Ein anderer Zeitzeuge

    Rückblick 1930: "Damals - Anfang des Jahres 1928 - standen noch die hohen, hölzernen Eingangstore zu den einzelnen Depots, und zum Teil lagen noch die Eisenbahnschienen zu diesen Toren hin. Auch die hohen Zementpfosten mit der Gitterumzäunung, wie sie jetzt nur noch an einzelnen Stellen in dem Depot B sind, standen längs der einen Seite an der Hauptstraße zum Bahnhof. Ihr Anblick machte einen eigenartigen, fast wehmütigen Eindruck [...]"

    Ein Zeitzeuge (1954 als junger Mensch ausgewandert nach Übersee, teilt seine Eindrücke von damals per e-mail mit)

    "Armut war ein ständiger Gast in unserem Haus. Unsere Familie wuchs sehr schnell. Meine Mutter hat alle 2 Jahre ein Kind geboren. 9 insgesamt. Ein Junge starb als kleines Kind."

    "Mit dem Urbarmachen des Grundstückes - Ende der 1920er Jahre -, das muß ja Schwerstarbeit gewesen sein. Da gab es aber auch einen Vorteil, nämlich Brennholz. Die ganze Gegend (im Block C) war doch nichts wie Wald. Meine Mutter sprach oft von bestimmten Bäumen, die sie fast selbst abgeholzt oder bei anderem Fällen mitgeholfen hat. Meine Mutter hatte es sehr schwer bei den vielen Kindern!"

    Ein Zeitzeuge

    "Die zweiflügeligen Holztore an den Einfahrten zu den Depots waren 1927 noch vorhanden. Aus heutiger Sicht gab es folgende Standorte. Block A: In Höhe des ehemaligen Cafes Schulz; Block B: In Höhe des Hauses Marienfried, westlich des Wohnhauses Scharpenberg; Block C: In Höhe der Kreuzung Weser-/Emsstraße (Haus Heimsath/Schwering); Block D: Nördlich der Roßschlächterei Schmelter an der Grevener Landstraße. Man muß sich das so vorstellen: bis zu den Holztoren waren die Schienenstränge eingleisig, nach den Holztoren verzweigten sich die Schienen mehrgleisig zu den Schuppen, so, wie heute noch zum Teil die Straßen verlaufen. Jeweils links von den Schienen standen die Schuppen, rechts von den Schienen waren die Gräben."

    Ein Zeitzeuge

    "Wilhelm Imm hat den Siedlern Geld geliehen, zu normalen Zinsen. Wenn die Rente gebracht wurde, hat mein Vater dem Imm monatlich 10 oder 20 Mark als Abzahlung gebracht."

    Sommer 1928 wurde das elektrische Ortsnetz Reckenfeld angelegt. Weihnachten 1928 brannte zum ersten Mal das elektrische Licht im Block C.


    Das Postamt in Greven an das Amt Greven am 23.7.1928: "Voraussichtlich wird gegen Mitte September 1928 in Reckenfeld-Hembergen eine Postagentur eingerichtet. Bei dieser Gelegenheit wird die gemeindliche öffentliche Sprechstelle in eine öffentliche Sprechstelle bei der Postagentur umgewandelt und dahin verlegt." (Anmerkung: Weiteren Text über "Die Post" finden Sie unter dem entsprechenden Kapitel unter der Rubrik "Entwicklung").

    1928 erhielt Reckenfeld eine eigene Poststelle.

    Ein Zeitzeuge

    "Mit einer größeren Karre mußte der Postbeamte Herr Wildemann sämtliche Post bis zum Bahnhof (ca. 3 km) transportieren, und das Tag für Tag."



    1928

    Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit ordnet das Amt Greven im Herbst 1928 an: "[...] den Siedlungswilligen den Zuzug nach Reckenfeld wegen mangelnder Arbeit und der übergroßen Zahl der Wohlfahrtsempfänger zu verwehren."

    Was kümmert solches Vorhaben, Menschen, die ihre Zukunft woanders und hoffentlich besser als bisher planen wollten.

    Ob diese Planungen und Wünsche in der neuen Heimat alle in Erfüllung gingen? Bestimmt nicht! Ein Paradies war die Siedlung Reckenfeld nicht.

    Und gerade die Standhaftigkeit dieser Pionierfamilien haben wir es zu verdanken, dass Reckenfeld so ist, wie es ist.

    Louise Schwamm, Wwe.

    Eine große Bürgerinitiative macht sich Ende 1928 stark für eine Liquidation der Eisenhandelsgesellschaft Ost, der Besitzerin der Siedlung.

    In diesen Jahren der Besiedlung bildete sich auch ein kulturelles Leben in Reckenfeld heran: Die Menschen schlossen sich zu Vereinen und Institutionen zusammen. Die Menschen wollten auch mal was anderes machen: gesellig sein, den Gesang pflegen, sportlich aktiv, und mit anderen Menschen auch mal über was Schönes reden. Und das sah dann wie folgt aus:

    Gründungsdatum Jahr.Monat.Tag

    Name des Vereins / der Institution

    1926 Schützenverein Eintracht
    1927 Gesangverein
    1927 Kriegerverein
    1927 Wirtschaftliche Vereinigung
    1927.11 Katholischer Volksverein
    1928 Reichsbund der Kriegsbeschädigten
    1928 Christlicher Textil-Arbeiter-Verband
    1928 Kegelclub "Junge schiet genau"
    1928 Theaterverein Reckenfeld
    1928 Spielmannszug Schützenverein Eintracht
    1928 Sportclub Reckenfeld e.V.
    1928.04.01 Freiwillige Feuerwehr
    1928.09.09 Gartenbauverein
    1929 Kirchenchor, evangelisch
    1929 Kirchenchor, katholisch
    1929 Jugendverein und Deutsche Jugendkraft (DJK)

    Am 18. April 1929 bestätigt das Amt Greven dem RP: "Die Siedlung Reckenfeld zählt heute 900 Seelen". Bis zum Jahresende 1929 stieg die Einwohnerzahl auf 1.000 an.

    Die Wirtschaftliche Vereinigung beklagt den Tod ihres Mitgliedes, das gleichzeitig als erste Verstorbene in der neuen Siedlung Reckenfeld war.

    Obwohl inzwischen die Aktivitäten mit dem Zerschneiden von Loks eingestellt und die Gleise größtenteils abgebaut sind, war der Anblick nicht sonderlich frohlockend: Die unbewohnten Schuppen verfielen immer mehr und da außerdem einige Häuslebauer sich auch noch der Steine verfallener Schuppen bedienten, sah es recht trostlos aus.

    Ein Zeitzeuge

    "Die beiden ersten Schienenwege in A (vor Grohe (A5) und vor Merschkötter (A15)) waren bereits Ende der 20er Jahre zugemacht worden. Einige hatten bereits Zäune um ihre Grundstücke gemacht und den Schotter als Schienenuntergrund zur Befestigung eigener Wege auf dem Grundstück genutzt."

    Dass auch andere - nicht in der Siedlung Wohnende -, auf die Idee mit der eigenen Verwertung des Schotters kamen, zeigt ein Schreiben der Eisenhandelsgesellschaft (EHG) vom 12. Mai 1927 an den Landwirt Hesselmann in Hembergen: "[...] Sie haben in letzter Zeit von einzelnen Siedlern in Reckenfeld Schottersteine übernommen und solche zur Wegebefestigung abgefahren. Diese Steine, werden innerhalb der Siedlung selbst später zum Ausbau der Wege benötigt. Aus diesem Grund sehen wir uns veranlasst, die Abfuhr von Steinen zu sperren und sie zu untersagen! Vorsorglich machen wir Sie darauf aufmerksam, dsss Sie unter Umständen sich schweren Unannehmlichkeiten aussetzen dürften, falls Sie trotz den Erklärungen dieses Schreibens unseren Grund und Boden zwecks Abfuhr von Steinmaterial betreten. [...]"

    Ein Zeitzeuge

    "Wer vor einem Jahr (1929) hier herkam, wird die Wahrnehmung gemacht haben, daß die einzelnen Ansiedler sehr schnell ihren Baumbestand niederschlugen; die einen, um ihr erworbenes Grundstück urbar zu machen, die anderen, um Nutzholz für die Umzäunung usw. zu haben; andere um Brennholz statt Kohle zu haben [...] So blieb es denn nicht aus, daß mancher, nachdem er mit seinem Baumbestand am Ende war, sich zu den Waldungen auf die Suche nach Brennholz machte [...] Was vor einem Jahr noch vereinzelt geschah, droht jetzt für die Waldbesitzer zur Plage zu werden [...]"

    Ein Zeitzeuge aus Nordwalde

    "Das war so um 1930/1931. Mein Vater war Kutscher für die Müllerei Böckmann in Nordwalde. Wir fuhren des öfteren zum Depot Hembergen. Dort lagerte in den Schuppen Getreide der EHG. (Anmerkung: Ob im Block B oder im Block A wußte S. nicht mehr. Es ist davon auszugehen, daß es sich hierbei um den Block A handelte, da im Block B nur zwei Gleise und im Block A fünf Gleise gelegt wurden. Es wird zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nur noch ein Gleis im Block A gelegen haben, denn es ist nicht bekannt, daß die Siedler beim Einzug in die gemieteten/gekauften Schuppen zwischen den Gleisen herumstolpern mußten.)

    Da holten wir beide mit einer Sturzkarre das Korn aus den Schuppen. Schwierig wurde es mit dem Fahren zwischen den Schienen, die vor den Schuppen lagen. Die Pferde stolperten über die Schwellen und Schienen.

    Um wieder aus dem Gleis zu gelangen (Anmerkung: wahrscheinlich an einem Querweg) wurde Holzklötze an die Schienen gelegt, damit die Sturzkarre nicht umkippte. Den entsprechenden Block haben wir über den mit Sand und Schotter befestigten Hilgenbringweg erreicht. Über den Graben kurz vor dem Max-Klemens-Kanal haben wir Schwellen aus dem Depot gelegt. Und das ging dann.

    Das Korn war fest (Klumpen) und somit minderwertig. Es wurde am Deutschen Haus auf einen größeren Wagen umgeladen und "schwarz" verhökert. Ich habe auf dem Korn, das fast eine feste Masse war, herumgetrampelt.

    Das Korn wurde auch bei einem Bauern zwischengelagert. Wofür es genommen wurde, weiß ich nicht.

    An Feiertagen, wenn die Pferde bewegt werden mußten, sind wir des öfteren nach Reckenfeld mit der Kutsche gefahren. Und Vater hat dann erklärt, wo er überall im ehemaligen Depot gewesen ist."

    Wie sich das Leben in der neuen Heimat darstellte, gaben einige Siedler zu Protokoll:

    W. M. (D 24) schreibt

    "Das Grundstück war zu 1/3 der 36 ar etwa zwei Meter hoch mit Sand und Schutt beschüttet. 2/3 war Sumpf, welches ich etwa 80cm höher angelegt habe. Auch wurde das Grundstück durch tiefe Gräben durchzogen, welche ich zugeschüttet habe. An den Arbeiten habe ich 1˝ Jahre gearbeitet, alles habe ich mit dem Spaten kultiviert."



    Im Block B

    J. K. (C 49) schreibt

    "Auf weit über 1/3 des ganzen Grundstückes lag teilweise 30cm tief die Schlacke. Es war keiner in Gruppe C der soviel Schlacken und Arbeit damit hatte wie ich. Von Rechts wegen müßte ich das doppelte dafür haben. Alles wurde mit dem Spaten kultiviert!"

    D. S. (D 1) schreibt

    "100qm bebaute Fläche, 400qm kultiviert zum Geflügelhof, 3.200qm für Garten und Kulturanlagen, alles mit dem Spaten kultiviert."

    Ein Teil der Siedler baute aus dem ehemaligen Schuppen ein Wohnhaus, andere wohnen nur zur Miete in äußerlich unveränderten Schuppen.

    Ein Zeitzeuge

    Wir, "R. und T. (miteinander verwandt) haben zuerst im mittleren Schuppen (C 9) gewohnt. Schränke - statt Wände im Innern - trennten die Familien. Zur gleichen Zeit wurden die anderen beiden Schuppen (C 8 und C 10) aufgestockt."



    Das Leben in einer neuen Heimat hatten sich die Buschkühls einfacher vorgestellt. Doch harte Arbeit stand täglich von morgens bis abends auf dem Programm. Reckenfeld ist nur so geworden, wie es heute ist, weil viele Menschen fleißig zu Werke gingen, um Ihren Kinder eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

    1927 Block A

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