Mindestens zwei Landwehren durchzogen die Gemarkung Reckenfeld. Beide, sowie eine weitere von Hembergen kommende Landwehr, trafen sich an der Rheineschen Landstrasse, die wiederum durch ihre Nord-Süd-Richtung den östlichen vom westlichen Teil des Reckenfeldes durchtrennte. Diese "Bruchstelle" im Sicherungssystem musste wegen anhaltender Überfälle auf die Bauerschaften ständig kontrolliert werden: Es wurden Schlagbäume an dieser Straße aufgestellt und bewacht. Um eine immer währende Kontrolle haben zu können, musste das "Rund-um-die-Uhr" geschehen, was nach sich zog, dass die Person bzw. die Personen vor Ort ein "Wachlokal", noch besser, mit einer Wohnung bzw. einem Kotten ausgestattet werden mussten, um eine Grundlage für den Lebensunterhalt zu haben.
So prägte sich für diese Arbeit, dem Bedienen eines Schlagbaumes (Anmerkung: Schlagbaum ist eine bauliche Einrichtung zum Versperren eines Weges. Er besteht üblicherweise aus einer auf Pfosten gelagerten beweglichen Querstange. Neben diesen Teilen können auch noch eine Abhängung (Unterkriechschutz) oder ein Scherengitter (Übersteigschutz) angebracht sein. Der Schrankenarm kann entweder als massive Stange oder als Knickarm (beengte Verhältnisse) ausgeführt sein)), auch der Name für diese Person/Personen ein: Der Bäumer oder Schlüter (von Schließen) oder Hüter (von Behüten) ein.
Im Falle des Bäumers in der Gemarkung Reckenfeld entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte der Name Reckenfelderbäumer. Wobei die Schreibweise des Namens zu damaliger Zeit für dieses "öffentliche Amt" auch Variationen hervorbrachte, wie Reckenvelder Boem, Bomer, Bömer, Böhmer, Bäumer.
Der Name Reckenfelderbäumer hat sich aus der Zeit der Landwehren bis heute gehalten. In Deutschland gibt es viele Familien mit dem Namen und auch mit ein und derselben Schreibweise: Reckenfelderbäumer.
Alle Familien mit diesem Namen haben denselben Ursprung.
In einer von Herrn Reckenfelderbäumer herausgegebenen "Familiengeschichte" aus dem Jahr 2007 werden in diesem Kapitel im Folgenden Auszüge veröffentlicht. (Anmerkung: Die Genehmigung dazu wurde von Herrn Reckenfelderbäumer gegeben, jedoch wird auf seinen Wunsch hin, sein vollständiger Name nicht genannt):
Die erste urkundliche Erwähnung des Namens Bomer - sozusagen der Vorläufer von Reckenfelderbäumer - ist auf das Jahr 1498 datiert. Der Name ist in der Willkommensschatzung für Bischof Konrad von Rietberg (Registrum es part actronis anno 1498), dem Fürsten des Fürstbistums Münster, unter Greven enthalten.
Alle Bauern hatten von ihren Höfen die Schatzung als normale Grundsteuer an den Fürsten zu entrichten. In der oben erwähnten Schatzung waren die Namen der Haushaltsvorstände sowie die Schatzungspflichtigen der Familien genannt.
Das Jahr 1498 ist wahrscheinlich nicht mit dem Beginn des Familiennamens Reckenfelderbäumer gleichzusetzen. Bis zum 14. Jahrhundert wurden die Menschen in den Bauernschaften fast ausschließlich nach ihrem Vornamen identifiziert. Familiennamen waren als Unterscheidung erst erforderlich, als die Siedlungen größer und weiträumiger wurden. Dabei bildeten sich Nachnamen aus Berufen, Aussehen, Wohnsitz usw. Für den Bomer galt als Unterscheidungsmerkmal die Betätigung des Schlagbaums.
Auf einer kolorierten Karte - in der Größe von 59x68cm - des Staatsarchivs Münster aus dem Jahre 1597 sind die Landwehr und der Standort des Bäumers gut abzulesen. Danach war die Rheinesche Landstraße mit einem doppelten Schlagbaum abgesichert. Die Landwehr zog sich von Hembergen kommend bis weit ins Reckenfeld auch als Abgrenzung gegen die Emsdettener Bauern hin.
Wie wichtig diese Aufgabe des Schutzes genommen wurde, kann man am folgenden Text aus dem nachfolgenden Artikel einer Gogerichtsordnung aus dem Jahre 1578 lesen (Prinz):
5. Item whe (wer) auch ihre rechte Konninckwege, Kerckwege, Mollen- und Lieckwege, Marchet(Markt-)wege, Voitschemme (Fußsteg), Averstighe nicht machen, sondern verfallen laßen, auch darbei ungwontliche Graven graven, die Erde uf ihre Kempe oft Landdt foerden und dungenden ihr Landt darmit, darduch de Wege zerschlagen und verdorben werden, das (man) nicht woll ohne Gefaher darhin kann faeren, riden oft henkkommen.
6. Item so uf de Kerspelshagen oft Landtwere kein truwe Upsicht geschege, als dieselben zu rechter Zeit zu haegen, uf zu graven und in guider Veßtniße (Dichtigkeit!) zu halten, dieselben nicht verheuret off außgedaen werten, nach (nachher!) das Holt darvan verkauft und versoppen; dan das Holt sall men zeit(-ig) houwen, beiander en wahren und nicht versupen, da nha Raede desselbig in die Wege leggen und verbrueken. Nota: Dan ist der Brock 20 Goldgulden.
7. So auch die Schlagboeme in den Landtweren mit ihren Beschlosse und sunst in esse (= gutem Zustand) nicht verwart worden, also, wan solchs die Noit erfurderte, men dieselben nicht konte uf und zu schluten.
8. Dar auch jemandts in den Landtweren Schluißgettere, Vorgettere, Drivelwege (Viehtreibweg) oft sunst jenige Holler (= Löcher) darin machte, eß wehre dan geschehen mit Dade und Vorwetten der Uberigkeit. Nota: Der Brock darauf ist 50 Goldgulden.
Der Reckenfelderbäumer ist also für seine aus damaliger Sicht doch sehr wichtigen Tätigkeit als Wächter mit einem Kotten und entsprechendem Land aus der gemeinen Mark des Reckenfeldes ausgestattet worden.
Bei der entsprechenden Schatzung des Jahres 1535 wird der Kotten des Johann Boemer mit den Worten "an den Reckenfelder Bomen up der Lantfert", also "am Reckenfelder Baum an der Landwehr" lokalisiert.
An Hand einer Karte des Urkatasters und einer Karte aus dem Jahre 1841 ist die Lage des Hauses an der Rheineschen Landstraße mit seinen es umgebenden Ländereien gut zu erkennen.
Zur Größe und zum Umfang des Anwesens der Reckenfelderbäumer kann mit Zuverlässigkeit etwas gesagt werden, nachdem im Jahre 1831 eine moderne Geländemessung möglich war. Wenn man den Text von Prinz als Grundlage zur Einordnung nimmt, war für die Tätigkeit am Schlagbaum zunächst ein Kotten eingerichtet worden. So zeigt es auch die Schatzung von 1535 auf. Bomer wird darin als Kötter bezeichnet. Eine Tagelöhnertätigkeit auf fremden Höfen kam wegen der ständigen Anwesenheitspflicht am Schlagbaum für den Reckenfelderbäumer wohl nicht in Frage.
Wenn man von der ersten Klassifizierung als Kötter den weiten Bogen zur Zeit der Messung im Urkataster spannt, so kann man eine eindeutige Vergrößerung des Anwesens und eine Verbesserung der Klassifizierung im Laufe der Zeit feststellen.
In der Beschreibung von Prinz über Reckenfelderbäumer kommen die Begriffe Halberbe und Brinksitzer nebeneinander vor.
1589 wird er als Halberbe bezeichnet und im 17. Jahrhundert taucht in den Einwohnerlisten von Herbern wiederholt der Begriff Pferdekötter auf.
Berücksichtigt werden muss jedoch, dass die Bewertung der Begriffe im Laufe der Jahrhunderte schwankt, ihre Abgrenzung ist oftmals ungenau. Manchmal werden die Begriffe auch nebeneinander benutzt. Das kann auch beim Reckenfelderbäumer so gewesen sein.
Im Urkataster von 1831 wird die Größe des Anwesens mit 35 Morgen und 164 Ruten berechnet.
Mit der neuen preußische Vermessung im Jahre 1828 wurde in Greven zum ersten Mal der gesamte Grund und Boden exakt vermessen. Sie bildete in erster Linie die Grundlage für eine korrekte Festsetzung der Grundsteuer. Sie ist in der weiteren Darstellung die Quelle, um die Besitzverhältnisse der Reckenfelderbäumer in jener Zeit darstellen zu können.
Mit dem Urkatasters kann die exakte Lage des Hauses Reckenfelderbäumer in Herbern bestimmt werden. Zwar steht im Urkataster der Name Bäumer, aber in dem Begleitbuch wird der Name Johann Hermann Reckenfelderbäumer genannt. Das ist der Name, der auch im Einwohnerverzeichnis Herbern für diese Zeit erscheint. Ebenfalls stimmen die Parzellenbezeichnungen zwischen Zeichnung und Text überein. Bäumer in der Zeichnung gilt mit Sicherheit als Abkürzung. Der Hof bestand aus dem großen Wohn/Stallgebäude zwei freistehenden Anbauten und einem Anbau am Haus. Nach 1828 hat Reckenfelderbäumer noch auf einem der entfernteren Grundstücke ein Gebäude errichtet (alte Gebäude wurden schwarz, neue Gebäude rot eingezeichnet).
Die nächsten Nachbarn waren der Brinksitzer Timmerkotten - 100 Meter westlich entfernt - und der damalige Kötter Micheel, heute eine Gastwirtschaft an der ausgebauten Straße nach Emsdetten, 130 Meter nördlich entfernt.
Der abzweigende Weg ins Reckenfeld (Anmerkung: Die Reckenfelder Straße ), interessant wegen der Bedienung des Schlagbaumes in früheren Zeiten, ist auf den ersten 50 Metern bis Timmerkotten aufgegeben und danach an Hand der vielen einzelnen sehr schmalen Grundstücke erkennbar.
Die Karten des Urkatasters wurden noch viele Jahrzehnte fortentwickelt. So ist auf dem vorliegenden Ausschnitt im Südwesten der Karte die im Jahre 1856 eröffnete Eisenbahnlinie Münster - Greven - Rheine mit einem Zipfel zu erkennen.
Reckenfelderbäumer hatte in Herbern das Haus Nr. 17 zum Eigentum. So steht es in der Fortschreibung und auch in der noch älteren Einwohnerliste Herbern.
Sowohl aus dem Begleitbuch mit der Bezeichnung der einzelnen Grundstücke als auch aus der Fortschreibung kann man erkennen, dass er den größten Teil seiner Grundstücke zwar in unmittelbarer Nähe, aber im Reckenfeld hatte. (Siehe Bezeichnung der Flurstücke im Urkataster) Hier wird der Satz aus Prinz bei der Aufführung des Bauernhofes Reckenfelderbäumer bestätigt: "Sein Land hatte er aus der gemeinen Mark."
Bis zum Beginn des Mittelalters wurden die landwirtschaftlichen Flächen von allen Mitgliedern einer Gemeinschaft (Dorf) gemeinsam bewirtschaftet. Mit der Vergrößerung der Gemeinschaften ging man jedoch auf eine Einzelbewirtschaftung über. Was in der Gemeinschaftsbewirtschaftung blieb, war die Allmende. In anderen Regionen wurden sie Feld oder Gemeinheit benannt.
In früheren Jahrhunderten hatten alle Bauerndörfer neben ihren Ackerflächen große genossenschaftlich genutzte Flächen entweder als Marken oder als Gemeinheiten. Eine sogenannte Gemeinheit wurde als Düngerunterlage für die Heugewinnung genutzt. Pferde, Rindvieh und Schafe konnten dort zu gewissen Jahreszeiten weiden. Neben den Wiesen und Heideflächen bestanden sie vielfach auch aus Wald (Eichen und Buchen), Sumpf, Grasflächen, Gestrüpp, Unterholz. Für den Anbau von Getreide konnte man sie zur damaligen Zeit überhaupt nicht oder nur äußerst eingeschränkt nutzten.
Auch das Reckenfeld war eine Allmende. An dieser großen Fläche partizipierten die Bauernschaften Herben, Hembergen, Emsdetten, Nordwalde; hier interessiert der Teil, den die Herberner Bauern nutzten.
Die Berechtigung zur Nutzung war eingeschränkt. Die Höfe der ersten Besiedelungsepoche - Vollerben - beanspruchten für sich eine uneingeschränkte Nutzung. Die Bauern der zweiten Besiedlungsepoche - Halberben - hatten nur ein eingeschränktes = halbes Nutzungsrecht. Beide Gruppen achteten argwöhnisch darauf, dass weitere Gruppen überhaupt keine Nutzung gestattet wurde oder nur gegen Bezahlung.
Wie argwöhnisch man auf die Einhalt seiner Rechte pochte, hat der Reckenfelderbäumer 1618/19 sozusagen direkt am eigenen Leibe erfahren. Die Herberner Bauern verprügelten den Reckenfelderbäumer, weil er einen "Zuschlag" durch den Landesherrn für die eigene Nutzung bekommen hatte. Der schalt sie deshalb "Fälscher", weil sie ihm vorher versprochen hatten, diesen Zuschlag zu bewilligen.
Der Vorfall zeigt die ganze Vielschichtigkeit in der Bedeutung einer Allmende. Im Grundsatz war der Landesherr der Grundherr, die Genossenschaft der Berechtigten verwaltet sie, aber jede Partei und jeder Einzelne nutzte sie für die unterschiedlichsten Zwecke: Sie diente neben den oben aufgeführten Möglichkeiten für die Landwirtschaft auch als Zahlungsmittel für Arbeiten oder Leistungen, als Bau oder Heizungsmaterial.
Im Laufe derJahrhunderte wurden dann mehr Einschränkungen ausgesprochen, weil doch der Einzelne, wo und wann immer er konnte, für sich rücksichtslos Raubbau betrieb.
Im 19. Jahrhundert wurden die genossenschaftlich betriebenen Flächen durch den Staat Preußen per Gesetz aufgehoben und in Privatbesitz umgewandelt. Für den Reckenfelderbäumer war das Reckenfeld von überragender Bedeutung: Er hatte seine Felder und Äcker aus dem Reckenfeld bekommen, er hatte die Aufgabe als Wächter darauf zu achten, dass niemand unberechtigt Vieh ins Reckenfeld trieb, er stieg zum Halberben auf und hatte damit eine, wenn auch eingeschränkte Berechtigung an der wirtschaftlichen Nutzung des Reckenfeldes teilzunehmen. Er erhielt Ländereien aus dem Reckenfeld bei der Privatisierung im 19. Jahrhundert und er fand sein Auskommen bei der staatlichen Eisenbahn, als diese zwischen 1855 durchs Reckenfeld gebaut wurde.
Natürlich waren die Reckenfelderbäumer im Laufe ihrer Geschichte in erster Linie Bauern. Über ihre Tätigkeiten als Wächter an der Landwehr und Wächter für eine berechtigte Benutzung der Allmende wurde vorstehend berichtet.
Die oben angeführten Aufgaben sind teils einwandfrei nachzuweisen, teils sind sie lediglich in Zeitungsartikeln erwähnt, ohne dass ein konkreter Hintergrund gefunden wurde. Kötter, auch Pferdekötter, führten ihren Landwirtschaftsbetrieb oft nur als Nebenerwerb und waren gezwungen, ihren Lebensunterhalt durch die Übernahme zusätzlicher Leistungen aufzubessern.
Am deutlichsten tritt das beim Reckenfelderbäumer durch die Gastwirtschaft hervor. Der Gastwirt ist an mehreren Stellen in der Literatur nachgewiesen.
Prinz: "[...] 500 Meter weiter bog sie (Rheinesche Landstraße) von der 1897 gebauten Kreischaussee ab und lief vor den Höfen Rickermann, Schulze Grotthoff und Grabbe her zum Reckenfelderbäumer, der den Schlagbaum am Ausgang der Bauerschaft zu wahren hatte. Von hier aus führte dann der sogenannte 'Emsdettener Damm' quer durchs Reckenfeld nach Emsdetten hin. Der Reckenfelderbäumer und auch Micheel führten beide - sicherlich um einem fühlbaren Bedürfnis der durstigen Wanderer abzuhelfen - seit mindestens dem 17. Jahrhundert Wirtschaften."
Reckenfelderbäumer hatte zum Zeichen einer rechtmäßigen Konzessionierung ein Schild als Aushang, das ein rotes Herz zeigte. Damit führte der Reckenfelderbäumer eine von 6 Kneipen im Kirchspiel Greven und 6 Kneipen in Greven Dorf. Namen: "Taube", "Engel", "Schwarzes Pferd", "Rotes Herz" und "Verkehrte Welt".
Im Heimatkalender des Münsterlandes von 1940 ist erwähnt, dass die örtlichen Behörden im Jahre 1765 aus sicherheitspolitischen Gründen die Namen ihrer Gastwirtschaften an die Regierung einsenden mussten, damit der Geheime Rat die "Bestimmungen zur Erleichterung der Freudenaufsicht" durchführen konnte.
Mit der Führung einer Gastwirtschaft steht die Anbietung von Übernachtungsmöglichkeiten in engem Zusammenhang. Es könnte sich dabei weniger um Gästezimmer gehandelt haben, sondern vielmehr ein Strohlager für einfache Leute. Immerhin gab es auf der Rheineschen Landstraße täglich eine Reihe von Transporten aller Art von und nach Friesland bzw. Holland; und irgendwo musste man selbst und ggf. das Vieh/Pferde rasten und übernachten.
Eine besonderen Aufgabe, die dem Reckenfelderbäumer übertragen worden sein könnte, ist das Kassieren des Wegezolls. Auch diese Aufgabe liegt angesichts der Kirchspielgrenze und des gesicherten Schlagbaums durchaus nahe, aber es wurden hierzu keine konkreten Hinweise gefunden; weder im Prinz noch in den Unterlagen des städtischen Archivs in Greven.
Binnenzölle waren angesichts der vielen Länder in Deutschland an der Tagesordnung. Es handelte sich dabei um ein Regalrecht der Landesherren und es war eine beliebte Einnahme. Erst etwa ab 1830 wurden auf Initiative von Preußen die Binnenzölle abgeschafft und durch Außenzölle ersetzt.
Einen Wegezoll hätte der Reckenfelderbäumer natürlich nicht für sich kassieren dürfen: Erheben von Wegzöllen war ja das Recht des Landesherrn, hier also des Fürstbischofs von Münster. Eine Anordnung müsste daher im Staatsarchiv in Münster zu finden sein. Fragen bleiben: Wer musste wie viel bezahlen? Wie wurde abgerechnet? Mit wem wurde abgerechnet? Wie wurde das Geld gesichert? Wie ist es nach Münster gebracht worden?
Umfangreich war das Transportwesen innerhalb der Bauernschaft, an dem der Reckenfelderbäumer beteiligt war: Krankentransporte, Militärtransporte, Holztransporte, Transporte im Zusammenhang mit dem Bau der Eisenbahn; immer wieder taucht im Aufschreibebuch der Bauernschaft in Zusammenhang mit Transporten der Name Bäumer oder Bömer oder ähnliche auf. Die Erledigung dieser zusätzlichen Aufgaben neben der eigenen Landwirtschaft bietet sich um so mehr für ihn an, weil er ja auch für die Postkutschen und Briefreiter Pferde vorhalten muss. Bei so häufiger Abwesenheit über Tage vom Hofe und der Wirtschaft, muss er auch über Hilfspersonal (Knecht, Wirtschafter) verfügt haben.
Der Pferdekötter Johann Heinrich Reckenfelderbäumer erhält als Besitzer des zum Herzoge von Looz im gutsherrlichen Verbunde stehenden Reckenfelderbäumer Kottens, gelegen im Kirchspiel Greven Bauernschaft Herbern:
Aus der allgemeinen Plaggenmaad: | 102 Taler | 27 Silbergroschen | 9 Pfennige |
Aus der allgemeinen Weidemaad: | 56 Taler | 22 Silbergroschen | 2 Pfennige |
Zusammen: | 159 Taler | 19 Silbergroschen | 11 Pfennige |
Anschließend werden im Vertrag in acht Ansätzen die einzelnen Landstücke der Größe und dem Preise nach beschrieben und aufgelistet. Die Gesamtfläche beträgt 24 Morgen und 156 Ruthen.
So erfreulich die Vergrößerung des Besitzes war, die zusätzliche finanzielle Belastung musste aufgefangen werden.
Bevor mit der Berichterstattung über die Veränderungen im 19. Jahrhundert fortgefahren wird, werden folgend die Ereignisse aus dem Aufschreibebuch Herbern ein, die den Reckenfelderbäumer betreffen, aufgeschrieben. Sie zeitlich und fortlaufend ins Jahrhundert einzuordnen, macht keinen Sinn. Die Vielfältigkeit der Aufgaben, die der Reckenfelderbäumer (und andere) zu erledigen hat, die Anzahl der genossenschaftlichen Geldbewegungen entwickeln ihren Reiz und ihre Überraschung erst dann, wenn man sie im Zusammenhang aufgeschrieben liest.
Übernommen wird die Schreibweise aus dem Transsriptum und der Reckenfelderbäumer wird fast ausschließlich Bäumer oder Böhmer genannt.
2.3.1793 | Grotthoff und Böhmer mit 4 Ferde die Campane weggebracht. Den 3. dieses hat das grosse und dass nere und dass lütke span haber gehollet von Neukirche | |
4.3.1793 | Bohmer und sein werkötter krancke gefahren mit 2 ferde von hier nach steinfurt | |
19.3.1793 | Habe ich und Böhmer und Timmerkötter brot gehollet von Warendorf vor die Preisen | |
18.4.1793 | Alle 3 span Stroh nach Warendorf ich und Böhmer dazu gespant | |
27.6.1793 | Lütke Grothof und Böhmer zusammen ein span von warendorf nach Münster futterasi gefahren. | |
1798 | Backsteine von Münster für Schule geholt. | |
1802 | Holß verkaufet auf die lanwer bei -bömer für 20 rt, 8ß, 2d | |
22.8.1809 | An Reckenfelderbäumer 7rt,23ß für gendarmen ordonans | |
23.9.1811 | Gebert, Timmerkötter, Beumer, Michgelhl, Horßmann und Hökenkamp ein fueder stroh nach Reinel | |
1811 | An Bäumer für Brandewein, welche da getrunken | |
3.2.1812 | Beumer krancke nach Münster | |
20.4.1813 | Beumer und Michgel mit 2 Pferde Münster | |
4.5.1813 | Beumer, Michgel, Hökenkamp für Kriegszwecke 4 Pferde nach warendorf | |
5.3.1816 | An Bäumer 21rt ,18gg,r 2d für die landwehrordonantzen von 1814 | |
10.10.1819 | An notarius Schepers 4rt und 8ggr für einen Zeugen, welche das Reckenfeld mit durchgereeset | |
1834 / 1837 | Für Grotthoff 10sgr für die rechte auf die beiden Schween an ReckenfelderbäumerFür den Grund in der Mersch 88 RT, 19sbgr, 10 dt in der Bauernschaft unter alle getheilt mit den Vorräten aus der Bauerschaftskasse | |
11.2.1838 | An Reckenfelderbäumer von holßverkauf auf der landwer an brandwein ausbezahlt 28 ½ sgr | |
1839 | Allgemeine Grundsteuer aus der Kasse von dem Holzverkauf auf der Landwehr | |
7.5.1844 / 1859 | Von Reckenfelderbeumer für daß holß auf den Sanderrupperdon erhalten 5rt.Von der Eisenbahn für die Landwehr erhalten 120 Rt und 4 Rt, 10sgr, 1sgr, 10 deut | |
1861 | Beumer das Holz auf der Landwehr bezahl 6rt, 29sg | |
1862 | Bäumer das Holz ausbezahlt für beide Nro mit 6rt, 1sgr | |
1862 | Eisenbahnentschädigung ausbezahlt 14rt, 6 sg | |
1863 | Für Steuer ausbezahlt am 1. Steuertag für ganze Jahr Nr 4 Bäumer 3 Rt, 25 + | |
20.11.1897 | Holz verkauft an Schüsen auf der Landwehr Nr 3 B. Bäumer 9 Mark | |
Grotthoff | Rickermann |
Erläuterungen: großes Gespann: 6 Pferde, manchmal vier - nere (mittleres) Gespann: 4 Pferde, manchmal sechs - lüttke (kleines) Gespann: 2 -3 Pferde, manchmal vier - Rt =Taler, sg=Silbergroschen, d=Pfennige, ß=Schilling.
Die folgenden Jahre sind gekennzeichnet durch rasche Veränderungen im Wirtschaftsleben der Menschen und speziell für Reckenfelderbäumer.
Die wichtigste Veränderung trat durch den Bau der staatlichen Eisenbahn ein. Sie hat unmittelbare Auswirkungen auf das Leben der Reckenfelderbäumer.
Die Postkutschen haben ausgedient und Gütertransporte werden mit der Eisenbahn schneller, sicherer und in viel größeren Mengen transportiert. Für den Reckenfelderbäumer entfällt die Pferdewechselstation, als Folge sinkt der Umsatz in der Gastwirtschaft rasant und Übernachtungen finden kaum noch statt.
1834 beschließen Preußen und eine Reihe von anderen deutschen Ländern die Aufhebung der Binnenzölle und Einführung von Außenzöllen. Das Kassieren von Wegezöllen entfällt.
Die Überwachungsaufgaben in Zusammenhang mit der Landwehr waren schon im 18. Jahrhundert weggefallen.
Die Überwachungsaufgaben bei der Allmende Reckenfeld waren mit der Privatisierung der Flächen im Jahre 1831 zu Ende gegangen.
Jetzt blieb ihm als Nebenerwerb nur noch die Gastwirtschaft und die mit einem stark verminderten Umsatz.
Auch in der Landwirtschaft verändern sich die Produktionsweisen. Die eintausend Jahre gültige Dreifelderwirtschaft wird durch die Fruchtfolgewirtschaft abgelöst. Die jährliche Brache ist nicht mehr notwendig, die Anbauflächen vergrößern sich und es kann günstiger produziert werden, wenn man zusammenhängende Landflächen hat. Als Folge der größeren Anbaufläche ist man in der Lage z. B. Rüben für das Vieh anzubauen. Die Viehherden werden größer, weil genügend Futter im Winter vorhanden ist. Vereinzelt beginnt man schon Mitte des Jahrhunderts mit Viehmast. Der Pflug wird verbessert, erste Sä- und Dreschmaschinen erscheinen auf dem Markt. Die Bevölkerungszahlen steigen infolge der Industrialisierung und man hat einen größeren Absatz für seine Produkte.
1840 erkennt Justus Liebig die wachstumsfördernde Wirkung des Stickstoffs und in der Folge werden Asche, Kalk und Mergel als Dünger eingesetzt.
Der Wettbewerbsgedanke unter den vorher genossenschaftlich denkenden und handelnden Bauern greift um sich, man muss günstig und kostengünstig produzieren können.
Wie die folgenden Fakten zeigen werden, hat der Reckenfelderbäumer diese Veränderungen nicht überstanden. Es soll aber auch nicht ausschließen werden, dass - allgemein ausgesprochen - Veränderungen im persönlichen Bereich schon in dieser Zeit und in der nächsten Generation Grund für die Aufgabe der Landwirtschaft gewesen sein können.
Wenn man die unterschiedlichen Schreibweisen richtig deuten, sind also 1907 Flächen in der Größe von gut vier Hektar an Kamp verkauft worden, als der Reckenfelderbäumer nach Greven gezogen ist. Entscheidend ist der Kopf des Vordruckes mit den Angaben zur Person. Auch hier überrascht es, dass der Reckenfelderbäumer, mal Bäumer heißt. Sie lässt allerdings keinen Rückschluss darauf zu, zu welchem Zeitpunkt Bernhard Heinrich Eigentümer geworden ist.
Wann exakt die Hofübergabe geregelt worden ist, konnte nicht festgestellt werden. Im Jahr 1867 heiratet Heinrich Bernhard das erste Mal. Es wird weiter vermutet, dass in diesem Jahr die Ländereien aufgeteilt bzw. verkauft worden sind, um alle Kinder erbrechtlich versorgen zu können.
Im gleichen Jahr 1867 werden nach vorliegenden Unterlagen des Katasteramtes erste wichtige Flächen des Altbestandes, die rund um die Hofstelle lagen, an den Nachbarn Bösenberg verkauft.
Galten die Mittel zur Finanzierung der Abfindung? Landwirtschaft konnte vernünftigerweise da schon nicht mehr von der alten Hofstelle betrieben werden. Aber Haus und Gastwirtschaft gehörten noch zu Heinrich Bernhard Reckenfelderbäumer.
Im Jahre 1886 baut die Familie ein eigenes Haus an der Bahnlinie. Es ist ein einfaches Langhaus mit Fachwerk, vorne Ställe, hinten Wohnteil mit sogenannter Upkammer. Für das Fachwerk wurden teilweise die Balken vom zerstörten Haus an der Rheineschen Straße hierhin transportiert. Nach der Errichtung des Hauses konnte die bisherige Hausnummer Herbern 17 von der alten Stelle verwendet werden. Die Familie benötigte zum Zugang drei Wegeberechtigungen von den Nachbarn, die sie anstandslos bekam.
Nach einem Artikel aus "Neue Emsdettener und Grevener Zeitung" vom 8.3.1931, ist der Reckenfelderbäumer abgebrannt.
Nach dem Brandkataster des Stadtarchivs Greven konnte im gesamten 19. Jahrhundert allerdings keine Beschreibung über einen Brand gefunden.
Ein Zeitzeuge (Hermann Wieskötter):
"Das Fachwerkhaus des Reckenfelderbäumer von der ehemaligen Hofstelle an Gerdemanns-Weg wurde abgetragen und ist an anderer Stelle neu aufgebaut worden."
Das hätte er wahrscheinlich nicht gekonnt, wenn die Balken verkohlt gewesen wären. Es ist andererseits ein eindeutiges Indiz dafür, dass das Gebäude nicht mehr genutzt wurde.
Reste der Fundamente von dem Haus/Hof des Reckenfelderbäumer an der Rheineschen Landstraße hat Hermann Wieskötter (Jg. 1938) als Junge noch gesehen.
Was wiederum für einen Brand spricht: Jener Artikel von 1931 ist nur 45 Jahre nach dem möglichen Geschehen geschrieben worden. Damals gab es noch genügend Zeitzeugen, bei denen man die genaue Ursache erfragen konnte.
H.W.: "Auf diesem Anwesen wohne ich heute noch. Das Fachwerkhaus wurde abgebrochen und ein Steinhaus gebaut, welches auch heute noch steht."
Ein anderer Zeitzeuge (Paul Wieskötter) kennt auch noch das Fachwerkhaus, weil sein Vater und er hier geholfen haben, da der Vater von Hermann Wieskötter im Krieg geblieben ist, und die Frau alleine fertig werden mußte.
Es gibt drei Dokumente - bestehend aus mehreren Seiten -, die bestätigen, dass der Reckenfelderbäumer auch wirklich umgezogen ist, denn er hat sich Wegerechte bei drei Grundstücken eintragen lassen.
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