1933 - 1945

Aus: Stefan Noethen "Alte Kameraden und neue Kollegen", Polizei in NRW 1945 - 1953, Klartext Verlag Essen, 2003

Das NS-Regime und die Polizei 1933-1945

Die Polizeiorganisation, wie sie in der Weimarer Republik bestanden hatte, wurde zunächst nicht wesentlich verändert: Das Nebeneinander von staatlicher Polizei in den Städten und Gendarmerie auf dem Lande - (dies waren die Polizeikräfte der Länder -, von Polizeien der Gemeinden sowie von übergeordneten kriminalpolizeilichen Einrichtungen blieb vorerst bestehen. Dieses war durchaus bezeichnend für die NS-Verwaltungspolitik, die alte Verwaltungsstrukturen oft nicht grundsätzlich abschaffte, sondern mit neuen, eigenen Organisationsrastern und Kompetenzverteilungen überlagerte. Schon im März 1933 griff das Reich aber in die Verfügungsgewalt der Länder im Polizeiwesen ein.

Organisation bis 1945 in NRW

1920 war die Gendarmerie in "Landjägerei" unbenannt worden, 1934 hatte sie die traditionelle Bezeichnung auf Anordnung Görings zurückerhalten. Der Bürgermeister fungierte als Ortspolizeibehörde, er unterstand in dieser Funktion dem nach preußischen Recht (PVG - Polizeiverwaltungsgesetz) dem staatlichen Landrat als Kreispolizeibehörde.

Personelle Entwicklung 1944/45

[...] verschiedentlich waren Schutzleute oder Gendarmen zur Feldpolizei der Wehrmacht einberufen worden. (Anmerkung: Dazu müsste auch Rostek gehört haben.)

1945 - 1946

Britische Polizeireform und ihre Zurückdrängung 1945 bis 1953 die britische Polizeireform: Dezentralisierung der Organisation 1945/46

Die Vorschriften zur Polizeiorganisation, die in den amerikanisch-britischen "Richtlinien für die deutsche Polizei" und in den "Anweisungen an die Vorsteher der deutschen Polizeibehörden" enthalten waren, wurden nach der Besetzung im Wesentlichen umgesetzt. Dies beinhaltete, dass die bisherigen polizeilichen Dienstzweige beibehalten wurden: Weiterhin gab es die Schutzpolizei in den Städten und die Gendarmerie auf dem Lande, außerdem die Verwaltungspolizei, die Kripo und die Wasserschutzpolizei.

Personelle Erneuerung: NS-Gegner, Hilfspolizisten und Neueingestellte 1945

Die Zahl der 1933 entlassenen Polizei- und Kriminalbeamten reichte bei Weitem nicht aus, um den Kräfteverlust der letzten Jahre zahlenmäßig auch nur- annähernd auszugleichen. Als die Operpräsidenten der Rheinprovinz und Westfalen im Jahr 1946 vorschrieben, dass alle Personen bevorzugt einzustellen seien, die wegen ihrer Rasse, Staatsangehörigkeit, Religion oder ihrer politischen Überzeugung ihre Stellung verloren hatten - sofern sie noch diensttauglich waren und die Altersgrenze noch nicht überschritten hatten, dürften die meisten in frage kommenden Männer bereits wiedereingestellt oder eben abschlägig beschieden worden sein.

So versuchte man, den Personalmangel durch massenhafte Einstellung von Hilfspolizisten abzuhelfen. Hilfspolizisten hatten in Deutschland schon seit über 25 Jahren Tradition: Nach der Revolution von 1918, während der Französisch-belgischen Ruhrbesetzung im Jahre 1923 und auch nach der NS-Machtübernahme von 1933 hatte es jeweils Hilfspolizisten gegeben; in den ersten beiden Jahren waren reguläre Polizeikräfte nichtvorhanden gewesen, Und nach 1933 waren die Hilfspolizisten ein zusätzliches, den neuen Herrschern sehr ergebenes Instrument zur Unterdrückung der Opposition gewesen.

Auch die später gebildeten Polizeireserven sowie Stadt- und Landwacht waren im Grunde hilfspolizeiliche Formationen. Abgesehen davon wurden seit langem polizeifremde Personen zu Hilfspolizeibeamten ernannt, damit diese polizeiliche Aufgaben und Befugnisse ausüben konnten - als Hilfspolizeibeamter hatte z.B. ein Parkwächter weitergehende Rechte, um den Diebstahl von Blumen zu verhindern. Die Alliierten haben von vornherein damit gerechnet, dass nach der Besetzung Hilfspolizisten ernannt werden müssten. Nach den "Anweisungen an die Vorsteher der deutschen Polizeibehörden" hatten die Polizeichefs sogar die Pflicht in ausreichendem Maße Personen, die die Billigung der Militärregierung finden konnten, als Hilfspolizisten einzustellen und auszubilden.

Die alliierten Besatzer hatten keine Vorschrift über die Besoldung der Hilfspolizisten erlassen, weshalb es von Region zu Region, teilweise von Ort zu Ort zu unterschiedlichen Regelungen kam. Meist zahlten die jeweiligen Kreise oder Gemeinden , wobei die Sätze in der Regel etwa der Besoldung für Polizeianwärter entsprochen haben dürften. [...] eine tägliche Nettovergütung von "bis zu 6,-- RM" gestattet wurden. Im Höchstfall konnten bei 30 Arbeitstagen also 180 RM anfallen, eine Summe, die prinzipiell nur knapp unter dem Lohn eines Facharbeiters lag. Oder in einer anderen Region [...] mit "Tagelöhnern nach den für ungelernte Arbeiter ortsübliche Sätze" zu vergleichen sind. Ausgebildet wurden die Hilfspolizisten zunächst nur wenig oder gar nicht.

Die Hilfspolizisten wurden durchweg mit keinerlei Waffen ausgestattet und für einfachere Polizei-Aufgaben herangezogen, die die regulären Kräfte mangels Personal nicht erfüllen konnten. In Greven wurden Hilfspolizisten zum Beispiel als Verkehrspolizisten eingesetzt.

Einstellung und Entlassung von Hilfspolizisten 1945/46

Um den Personalbedarf zu decken, wurden im Herbst 1945 zunächst Hilfspolizisten oder Hilfspolizeibeamte eingestellt. Oft waren die neuen Hilfspolizisten junge Männer, die bisher der Polizei nicht angehört hatten.

Die Zunahme der Neueinstellungen in die Polizei, Herbst 1945 bis Ende 1946

Die Entlassung von Hilfspolizisten war angesichts des Personalmangels nur möglich, weil ab Herbst 1945 allerorts wieder mit laufbahnmäßigen Neueinstellungen von Polizeianwärtern begonnen worden war.

Die jungen Männer, die jetzt neu eingestellt wurden, waren zum größten Teil in den Jahren ab 1919 geboren; Anmerkung: Kurbjuhn und Schulz waren von 1924) folglich waren sie - sofern sie nicht vorzeitig ausschieden - bis in die frühen achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts im Dienst. Ihre politische Sozialisierung hatte überwiegend in der NS-Zeit stattgefunden; viele hatten der Hitler-Jugend angehört, zumal die Mitgliedschaft in der HJ ab März 1939 obligatorisch gewesen war, somit für die damals noch nicht 18-Jährigen formal eine Zwangsmitgliedschaft bestanden hatte.

Wenige der in den Jahren 1945/46 Neueingestellten dürften dagegen Mitglieder der NSDP gewesen sein, aber die meisten hatten dem NS-Regime in ihrer Jugend wohl positiv gegenüber gestanden. Zum eindeutigen NS-Gegner war damals vor allem derjenige geworden, der in seiner näheren Umgebung einen Verwandten oder Bekannten hatte, der von Verfolgungsmaßnahmen des NS-Staates betroffen war. Für die meisten aber war im Frühjahr 1945, mit dem Zusammenbruch des Reiches, auch die gesamte politische Weltanschauung zusammengebrochen, denn eine andere als die nationalsozialistische Weltanschauung hatten die meisten sich nach 1933 kaum bilden können

Die Durchführung der Neueinstellungen oblag den örtlichen Polizeibehören, und hier fanden auch die körperlichen Einstellungsuntersuchungen sowie die Prüfungen über die geistige Eignung statt.

Zwar gab es britische Richtlinien über die geistigen und körperlichen Anforderungen, auch galt noch die Polizeidienstvorschrift von 1938.

Wenn man ein Resümee der personellen Entwicklung der Polizei in den knapp 20 Monaten zwischen Frühjahr 1945 und Ende 1946 zieht, so ist unzweifelhaft, dass sich der Personalbestand der Polizeibehörden während dieser Zeit in einem enormen Maße verändert hat. Der allergrößte Bruch hatte schon vor oder unmittelbar nach Kriegsende stattgefunden, dann aber war eine hochgradige personelle Fluktuation eingetreten. Doch dürften die Neueinstellungen ab Herbst 1945 einen großen Anteil daran haben, daß sich der Gesamtanteil der früheren NSDAP-Mitglieder am Personal der Polizei in Grenzen hielt.

1947 - 1950

Deckung des Personalbedarfs durch Wiedereinstellungen 1947 - 1950

Das personelle Defizit wurde in den Jahren von 1947 bis 1950 in hohem Maße durch die Weidereinstellung von Beamten behoben, bis etwa im Frühjahr 1950 die Sollstärken landesweit annähernd erreicht waren.

Der Vorsitzende des RB-Polizeiausschusses Münster, Dr. Bruens, sah im Sommer 1948 sogar eine ‚sittliche Verpflichtung' zur Wiedereinstellung auch von nicht entlasteten Beamten. Doch zusätzlich führte er auch finanzielle Gründe für eine Fortführung de Wiedereinstellungspolitik an: Denn eine Nichteinstellung früherer Berufspolizeibeamter führe, so schrieb er dem dortigen Polizeichef, ‚in der Regel, wie die Erfahrungen der letzten Monate bewiesen haben, zu einer Belastung des Versorgungsetats'. Die Versorgungslasten aber mußten letztendlich von den Kommunen getragen werden, und der Polizeiausschuss aus Kommunalpolitikern bestand - Dr. Bruens war Landrat des Landkreises Münster - lag es in ihrem institutionellen Eigeninteresse, die Versorgungslasten möglichst gering zu halten und statt dessen möglichst viele frühere Beamte wiedereinzustellen. Bei der RB-Polizei Münster war damals bereits eine Einstellungssperre verhängt worden, die sich aber jetzt praktisch nur noch auf Neueinstellungen bezog. Allerdings blieb hier auch für Wiedereinstellungen wenig Raum, denn Anfang Oktober 1948 beschloß der Polizeiausschuss vermutlich aus Kostengründen die Herabsenkung des Planstellensolls von 2.000 auf 1.800 Beamte, wodurch sogar 180 Entlassungen erforderlich waren.

Rückgang der Neueinstellungen 1947 - 1950

Um den schweren Personalmangel zu beheben, der 1947 bei der Polizei in NRW herrschte, hatte das Innenministerium versucht, die Einstellung von jungen Polizeianwärtern zu fördern. Man verhandelte mit dem nordrhein-westfälischen Arbeitsministerium, denn immer noch wurde die Verteilung der Arbeitskräfte durch die dem Arbeitsministerium unterstehenden Arbeitsämter geregelt, und aus dortiger Sicht hatte dabei vor allem der Bergbau Vorrang gehabt. Ende Oktober 1947 aber wies das Arbeitsministerium die Arbeitsämter im Lande an, ‚Bewerbern für den Polizeidienst keine Schwierigkeiten zu machen', sofern es sich nicht um Facharbeiter aus einem Mangelberuf handelte.

Ausrüstung der Polizei (1945-1953)

Der Bewaffnung der Polizei kam und kommt zweifellos eine große Bedeutung zu, denn Waffen sind das Werkzeug, mit dem die Polizei ihre Eingriffsrechte im Notfall anwendet. Die britische Militärregierung hatte diese Bedeutung erkannt und die zukünftige Bewaffnung der Polizei auch in der Instruktion vom 25. September 1945 behandelt. Hier wurde erklärt, dass die Polizei in der britischen Zone nach britischem Vorbild grundsätzlich nicht mit Schusswaffen ausgerüstet sein sollte. Ohnehin waren die Schusswaffen der noch verbliebenen Polizeikräfte hei der Besetzung in der Regel eingezogen worden; die Bewaffnung bestand lediglich ans dem Gummiknüppel, der bald durch Holzstäbe ersetzt wurde. In der Instruktion vom 25. September waren jedoch Ausnahmen zugelassen worden - mit Verweis auf die hohe Kriminalität unter anderem durch die früheren ausländischen Fremd- bzw. Zwangsarbeiter, die jetzt als Displaced Persons bezeichnet wurden. Auch der Alliierte Kontrollrat in Berlin erlaubte in der Kontrollrats-Direktive Nr. 16 vom 6. November 1945 wieder die Ausstattung der deutschen Polizei mit Schusswaffen. Die britische Militärregierung stellte der deutschen Polizei daraufhin ein begrenztes Kontingent an Waffen zur Verfügung, hielt aber an ihrem Grundsatz fest und gab im April 1946 mit der Technical Instruction No. 11 restriktive Waffengehrauchsbestimmungen heraus.

Die Schusswaffe gehörte also zunächst nicht zur Standardausrüstung der Polizei, sie wurde im Nachtdienst oder bei besonderen Einsätzen getragen. Deutsche Politiker und Polizeiführer forderten fast von Anfang an eine starke Bewaffnung der Polizei, und auch die Deutschen argumentierten mit der hohen Raubkriminalität durch die Displaced Persons.

Zwar wurde in den folgenden Jahren die Zahl der in den Polizeibehörden vorhandenen Waffen sukzessive erhöht, doch erst im November 1950, nach Beginn des Korea-Krieges, ließ die alliierte Hohe Kommission die vollständige Ausstattung der Polizei mit Einzelfeuer-Schusswaffen zu. Bis 1952 besaß jeder Polizeibeamte in Nordrhein-Westfalen eine Pistole. Die paramilitärische Bereitschaftspolizei wurde schon bald wieder nicht nur mit Karabinern, sondern auch mit Maschinenpistolen und Maschinengewehren ausgestattet. Auch erhielt die Bereitschaftspolizei drei Panzerspähwagen amerikanischer Herkunft.

Diese Militarisierung der Polizei diente zweifellos der Vorbereitung des Einsatzes bei bewaffneten Unruhen, die - so befürchtete man ja - von kommunistischen Kräften an Rhein und Ruhr initiiert werden könnten. Doch der Militarisierung der Bereitschaftspolizei stand eine andere' wenn auch nur zögerliche eingeleitete Entwicklung im Bereich der Polizeibewaffnung gegenüber. Nachdem am 11. Mai 1952 ein FDJ-Angehöriger bei Krawallen in Essen von der Polizei erschossen worden war, forcierte das Innenministerium die Anschaffung von Wasserwerfern und auch von Tränengas für den Einsatz bei Straßenkrawallen. Diese Waffen sollten der Polizei ein wirksames Einschreiten ermöglichen, ohne das Leben der Randalierer zu gefährden.

Auch das Uniformwesen der Polizei war Gegenstand der britischen Polizeireform gewesen. Ganz offensichtlich ging es dabei um die symbolischen Bedeutung der Uniform. diese Bedeutung war auch von der Polizeiführung; des Ns-Staates erkannt worden: Die reichseinheitliche Einführung der grünmelierten Uniform im Jahre 1937 symbolisierte die schon erfolgte Zentralisierung der Polizei. Nach Kriegsende gab es zumindest stellenweise ein befristetes Uniformverbot für die Polizei, aber bald wurde die grüne Uniform, sofern noch vorhanden, wieder getragen. Vielfach aber kleideten sich reguläre Beamte wie Hilfspolizisten in Zivil, versehen mit einer weißen Armbinde samt der Aufschrift ,Military Governement Police" oder Ähnlichem.

Im Juli 1940 ordnete Halland an, dass die Polizei in der gesamten britischen Zone blaue Uniform tragen sollte. Allerdings setzte sich die blaue Uniform im Lande NRW aus Kostengründen erst im Jahr 1948 vollständig durch.

Der Tschako, die klassische Kopfbedeckung, der deutschen Polizei war schon bald nach Kriegsende vielerorts wieder getragen worden und gehörte auch jetzt neben der, Schirmmütze zur Standardbekleidung.

Auch bei der Bereitschaftspolizei wurde der Tschako getragen. die Beamten der Bereitschaftspolizei wurden in grünmelierte Uniformen eingekleidet, die farblich an die seit 1937 getragene Uniform anknüpften, jedoch eher zivilen Zuschnitts waren. Im Jahre 1953 erklärte das nordrhein-westfälische Innenministerium, dass die Rückkehr zu einer einheitlichen grünen Uniform beabsichtigt sei.

Diese wurde im Frühjahr 1953 im gesamten Land eingeführt. Zudem durfte der Tschako ab 1955 nur noch zu besonderen Anlässen oder bei der Bereitschaftspolizei getragen werden. So setzte sich im Jahre 1955 die Schirmmütze als Standartkopfbedeckung; des nordrhein-westfälischen Polizeibeamten durch.

Fazit des Autors Stefan Noethen

Im Mittelpunkt dieser Untersuchung standen zwei Kernfragen. Die erste war, ob es in der Polizei in Nordrhein-Westfalen nach 1945/46 eine personelle Erneuerung gegeben hat, oh eine solche von der britischen Besatzungsmacht und von den zuständigen deutschen Stellen überhaupt beabsichtigt war. Dazu kam - zweitens - die Frage, ob es nach 1945 gezielte Maßnahmen gegeben hat, die Beamten der Polizei für die Demokratie zu gewinnen.

Eine umfassende personelle Erneuerung der Polizei - dies ist das Fazit - hat es die britische Militärregierung unterlassen, und auch auf der deutschen Seite hat es keine Bestrebungen in diese Richtung gegeben. [...]

Dass ein völliger Austausch des polizeilichen Personals in der britischen Zone und in Nordrhein-Westfalen nicht durchgeführt wurde, kann Briten und Deutschen aber nicht zur Last gelegt werden. Die Briten verzichteten darauf aus legitimen sicherheits- und besatzungspolitischen Interessen; sie befürchteten innere Unruhen, und diese sollten weitgehend von der Polizei, nicht vom britischen Militär bewältigt werden. Außerdem waren die Briten ja vom Prinzip her bereit, Kriegsverbrecher und politisch stark Belastete ans der Polizei zu entkernen. Die zuständigen deutschen Entscheidungsträger sahen keinen Anlaß, die Polizeibeamten pauschal zu beschuldigen, und es gab - anders als in der SBZ - auch keinen ideologischen Rahmen, der solches o erlangte. Dass die uniformierte Polizei und auch die Kriminalpolizei selbst im Urteil des Nürnberger Militärtribunals nur vergleichsweise wenig belastet worden war, hat die Arglosigkeit der deutschen Stellen begünstigt.

Aber auch wenn man zubilligt, dass der Verzicht auf eine völlige personelle Erneuerung der Polizei nicht vorwerfbar ist, gab es in der Personalpolitik der britischen Besatzungsmacht wie auch der zuständigen deutschen Stellen doch starke Mängel. Zu bemängeln sind dabei weniger die grundsätzlichen Zielsetzungen der Besatzungsmacht, die eine politisch unbelastete, an demokratischen Normen orientierte Polizei errichten wollte. Auch die deutschen Entscheidungsträger waren zum größten Teil grundsätzlich der Ansicht, dass politisch Belastete und kriminelle Elemente aus der Polizei ferngehalten werden sollten. Die vier zu bemängelnden Fehlentwicklungen beziehen sich eher auf die personalpolitische Praxis. Die erste Fehlentwicklung war, dass es zwar eine durchaus spürbare politische Säuberung gegeben hat, dass diese allerdings bald in Form von zahlreichen Wiedereinstellungen weitgehend rückgängig gemacht wurde. Die politische Säuberung war Ende 1947 auf britisches Bestreben beendet worden, weil die Briten nun eine Stabilisierung der Verhältnisse in ihrer Zone wünschten. Dadurch begünstigt, ging die Wiedereinstellungspraxis dann von den zuständigen deutschen Stellen aus, die den Wiedereinstellungskandidaten in der Regel zu unkritisch begegneten.

Die zweite Fehlentwicklung in Nordrhein-Westfalen war, dass schon die Besatzungsmacht darauf, verzichtet hat, unbelastete, jüngere Männer - oder auch Frauen - zu neuen Führungskräften in der Polizei heranzubilden, obwohl solches innerhalb von etwa zwei Jahren hätte geschehen können. Die Chance einer wirklichen Erneuerung der Führungsebene wurde dadurch vergeben. Dieser Unterlassungsvorwurf ist auch an die deutsche Seite zu richten, die in dieser Hinsicht ebensowenig unternommen hat.

Eine Unterlassung war auch dies ist die dritte Fehlentwicklung , dass die britische Besatzungsmacht und die deutschen Stellen keine ausreichenden -Anstrengungen unternommen haben, um die Polizei von denjenigen Beamten zu reinigen, die während der NS-Zeit und während des Krieges im Reich wie in den deutsch besetzten Ländern an Verbrechen teilgenommen hatten, obwohl die britische Seite von den Verbrechen der Polizei in Osteuropa gute Kenntnis hatte.

Die vierte Fehlentwicklung war, dass von der Besatzungsmacht, aber auch seitens der Deutschen zu wenig in die Erziehung der Beamten zur Demokratie investiert wurde, obwohl beide Seiten solches für notwendig erklärt hatten. Die politische Bindung der Polizei- und Kriminalbeamten an die Demokratie konnte sich deshalb vermutlich nur wenig ausprägen. In Verbindung mit der Tatsache; aber, dass sich in der Polizei einige Männer befanden, die ihre Vergangenheit verschweigen mussten und dem demokratischen Rechtsstaat schon deshalb nicht vorbehaltlos gegenüberstehen konnten, hätte sich dieses in einer Situation der Bedrohung der Demokratie nachteilig auswirken können. Es ist nicht auszuschließen, dass sich dann viele Polizei- und Kriminalbeamte wieder ohne Weiteres einem antidemokratischen Regime unterstellt und sich nicht für den demokratischen Rechtsstaat eingesetzt hatten. Glücklicherweise ist es zu einer solchen Situation nie gekommen - vor allem deshalb, weil die Demokratie von den westlichen Besatzungsmächten garantiert wurde und dann auch die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik von stabilisierender Wirkung war.


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