Sicherheit und Sicherung

Allgemeines

Behörden und Ämter, die in irgendeiner Weise mit der aus dem Ersten Weltkrieg stammenden Militäranlage verantwortlich waren, hatten alle Hände voll zu tun, die Sicherheit für die dort arbeitenden Menschen sowie die Sicherung für den Gesamtkomplex des Neben-Artilleriedepots - wie es inzwischen hieß -, zu gewährleisten.

Die hiesigen Stellen in Münster und Greven saßen "zwischen den Stühlen", denn die eigentliche Verantwortung für die Immobilie und deren Weiterverwendung lag zu diesem Zeitpunkt noch in Berlin. Und von dort kamen - wenn überhaupt - und teils nur auf Anfrage - vage Auskünfte, wie es weitergehen sollte und welche Zuständigkeiten wo und bei wem lagen. Hinzu kam, dass Berliner Ministerien geschlossen werden mußten bzw. umstrukturiert wurden. Deshalb kümmerte sich mal das Reichswehrministerium, dann das Reichsschatzministerium oder auch der Minister für Handel und Gewerbe um diese Militäranlage.

Der Regierungspräsident und seine ihm untergeordneten Dienststellen mußten infolge der dortigen Umstrukturierungen Entscheidungen selbst treffen.

Firmen, wie die Sprengstofffabrik Hoppecke, die Dynamit-Actien-Gesellschaft (DAG) als auch die Eisenhandelsgesellschaft-Ost (EHG) waren, wenn auch nicht alle zeitgleich, auf dem Gelände anwesend. Jeder dieser Betriebe wollte seine Interessen gewahrt wissen und möglichst nur soviel an Sicherheit und Sicherung (da kostenintensiv) investieren, zumal sie alle nur für eine kurze Zeit die Gleise, Schuppen und sonstigen Anlagen nutzen wollten.

Direkt nach Kriegsende im November 1918 und in den ersten Monaten danach war die Sicherheit trotz gefüllter Schuppen mit Munition wohl nicht so prall, sonst hätte das Gewerbeaufsichtsamt zu Beginn des Jahres 1920 nicht eine Besserung bescheinigen können, wie folgendes Schreiben die Vermutung hergibt: "Die Instandsetzungsarbeiten der Hauptfeuerlöscheinrichtungen sind in vollem Gange, vor allem sind bereits die Betonwasserbehälter von je 200 cbm Fassungsvermögen mit Wasser gefüllt und die dafür bestimmten Brunnen und Pumpen repariert wurden. Die sogenannten Nottore in der äußeren Umzäunung sind mittels Ketten und Schlösser unzugänglich gemacht worden. Ein regelmäßiger Wachdienst für Tag und Nacht sorgt für den nötigen Schutz. Ein Zerlegen der Geschosse findet auf dem Gelände (noch) nicht statt. Die Blitzschutzanlage ist eingehend untersucht worden. Für Unfälle werden gut gefüllte Verbandskästen, die sich im Pförtnerhaus jeder der 4 Gruppen befinden, vorrätig gehalten. Es kann berichtet werden, dass jetzt im Lager völlig einwandfrei Zustände herrschen."

Will man alles gleichzeitig: Einlagerung, Vernichtung und Ansiedlung?

Am 15. April 1920 erhielt der RP Post aus Berlin, nämlich vom Reichsschatzminister. Der hatte einen Fragenkatalog zusammengestellt und wollte diesen beantwortet haben. Um was es da ging, folgt hier:

Frage Antwort
Ist es möglich, die Entsicherung der Beutemunition im Depot D vorzunehmen, solange dort noch Reichswehrmunition lagert? Wenn die Beutemunition statt dessen im Depot B entsichert wird [...]
Ist es möglich, die Entsicherung der Beutemunition im Depot C oder D vorzunehmen, wo sich Reichsmunition nicht mehr befindet, ohne dass dadurch die Einlagerung von Pulver in den Depot C und D wesentlich gestört wird? Wenn obiges eingehalten wird, kann während dieser Zeit im Depot C Pulver eingelagert werden?
Wenn die Beutemunition statt dessen im Depot B entsichert wird, kann während dieser Zeit im Depot C Pulver eingelagert werden? Ja, wenn die Räume nur teilweise und höchstens mit 30.000 kg Sprengstoff belegt sind.
Wenn Beutemunition im Depot B entsichert wird, kann während dieser Zeitim Depot A Reichswehrmunition liegen bleiben?1. Frage: Kann es nach Beseitigung der Beutemunition noch Schwierigkeiten 2. Laborieren: Zusammensetzung von Munition und pyrotechnischen Mitteln bei der Besiedlung geben? Ja, wenn die Entsicherung unter weitgehenden, besondersvorzuschreibenden Sicherheitsmaßnahmen ausgeführt werden.Wie bereits oben gesagt wurde, wird die Besiedlung der Depots A und B für ausgeschlossen gehalten, sofern in den Depots C und D größere Sprengstoffmengen lagern.
Kann im Depot C und D Pulver eingelagert werden, solange im Depot A Reichswehrmunition liegt? Ja, es wird aber anzustreben sein, dass auch das Depot A durch Leer-stehen-lassen von einzelnen Gebäuden in Gruppen aufgeteilt wird, die von einander wenigstens 100 m entfernt bleiben.
Kann im Verwaltungsbezirk ein Gewerbebetrieb aufgemacht werden, solange im Depot A Reichswehrmunition liegt? Nein! Da in dem Gewerbebetrieb doch sicher Arbeiter in größerer Zahl beschäftigt werden sollen, so würden diese dauernd mehr oder weniger gefährdet sein.
Können im Depot A + B Feuerstellen nicht gewerblicher Art angelegt werden, solange im Depot C mit Pulver von Nobel belegt wird? Diese Fragen beantworten sich durch das Vorhergesagte im verneinenden Sinne. Hiernach scheint mir die Verwendung des Nahkampfmittellagers Hembergen zur Unterbringung von Sprengstoffen bei gleichzeitiger Benutzung eines Teiles desselben für Siedlungs- und Betriebszwecke durchaus ungeeignet zu sein.
Können in A und B gewerbliche Betriebe mit Feuerstätten eingerichtet werden, solange Depot C von Nobel mit Pulver belegt wird? Es kann m.E. nur für die Lagerung pp. von Munition und Sprengstoffen oder für Besiedlungs- und Betrieszwecke in Frage kommen.

Die ansässigen Unternehmen [...]

Die DAG schrieb zum Thema Sicherheit im Depot am 23. August 1920: "Die Abstände zwischen den einzelnen Magazinen selbst betragen 50 m in ungleichmäßiger Anordnung. Alle Gebäude sind mit genügend Blitzableiter versehen. [...] jede der 4 Gruppen hat eine Umwehrung aus Drahtgeflecht von 2,0 m Höhe an Eisenbetonmasten, die am oberen Ende nach innen abgebogen sind. Über dem Drahtgeflecht befinden sich 3 Stacheldrahtzüge. Es ist Vorsorge getroffen, dass ein Durchkriechen ausgeschlossen ist. Viele Notausgänge sind vorgesehen. Innerhalb der Umwehrung befindet sich ein Feuerschutzstreifen von 5,0 m Breite, außerhalb des Zaunes läuft ein Fußgängerweg für Posten. Von den Schuppen ist die Umzäunung 50 m entfernt.

Die Wasserversorgung für das Feuerlöschwesen ist in folgender Weise gelöst: in jedem Lager befindet sich an der Umwehrung eine Fahrstraße, von der 2 Querwege rechtwinklig abzweigen und zu den Schuppen führen. In den von Straße und Verbindungsweg bebildeten Winkeln sind zwei Wasserbehälter von je 200 cbm Inhalt errichtet, welche untereinander durch eine etwa 275 m lange, auf ihrer Mitte durch Schieber abstellbaren Verbindungsleitung verbunden sind. Durch die Verbindungsleitung sollen beide Behälter sich ergänzen, so dass der vorhandenen Feuerspritze im Falle einer Feuergefahr 400 cbm zur Verfügung stehen.

Außerdem befinden sich noch an jedem Schuppen Feuerlöschgeräte sowie ein Wasserfass von etwa 100 Liter Inhalt und zwei Wassereimer. In den Schuppen sind im Falle einer Gefahr Sandkisten, Spaten, Feuerpatschen und Handfeuerspritzen zur Hand. Die Bewachung des ganzen Lagers erfolgt durch eine Feuer- bzw. Sicherheitswache."

Wie gelangten Sprengstoffe in "fremde" Hände?

Eine Antwort auf die Erschütterungen durch Sprengungen im Depot gab am 16. September 1920 Polizeiwachtmeister Göcke: "[...] im Auftrag der Firma Hoppeke wurden die Sprengungen durchgeführt. Das Sprengfeld lag in unmittelbarer Nähe der Wohnung des Althändlers Kloppenburg Die Vorhaben weiterer Sprengungen sind untersagt." Polizeiwachtmeister Göcke.

Und einen Tag später: "[...] dass Sprengungen in der dortigen Heide durchgeführt werden, um Baumstumpen zu entfernen. Die im Depot beschäftigten Firmen kommen dafür nicht in Frage. Es liegt die Vermutung nahe, dass Leute ohne Erlaubnisschein im Besitz von Sprengstoffen sind. Es darf in der Bevölkerung nicht der Eindruck entstehen, jeder könne sich nach belieben mit Sprengstoff befassen."

Das preußische Gewerbeaufsichtsamt in Münster wollte vom Bürgermeister des Amtes Greven aufgeklärt werden und schrieb am 18. September 1920: "Heute Vormittag hörte ich in der Gegend des Depots verschiedentlich starke Schüsse, die von Sprengungen herzurühren schienen. Die in dem Depot beschäftigten Firmen kommen z.Z. als Urheber nicht Betracht. Es wurde mir aber gesagt, dass verschiedene Leute in der dortigen Heide eifrig Baumstubben sprengten. Wie weit diese Vermutung zutrifft und ob die Leute Erlaubnisscheine zum Besitz von Sprengstoffen haben, kann ich nicht übersehen. Sollten sie keine Erlaubnisschiene haben, so liegt jedoch die Vermutung nahe, dass sie sich den Sprengstoff auf nicht einwandfreie Weise etwa aus dem Depot beschafft haben, denn die Sprengstofffirmen geben nur an solche Personen Sprengstoffe ab, die einen Erlaubnisschein vorzeigen können. Ich bitte diese Beobachtung gefl. im Auge zu behalten, und nicht etwa in der Bevölkerung der Gedanke Wurzel faßt, jeder könne sich nach Belieben mit Sprengstoffen befassen."

Die Antwort von Hueske: "Wie sich herausstellte, handelt es sich um Sprengungen von Sch. Hembergen. Die Sprengungen wurde eingestellt. Der Erlaubnisschein wurde nachgereicht."

Schwachstellen im Sicherheitssystem

Dem Amt Greven wurde ein Prüfbericht am 27. November 1920 zugestellt, in dem es u. a. hieß: "[...] die der Dynamit Gesellschaft auferlegten Bedingungen sind absolut nicht erfüllt, es werden folgende Mängel festgestellt:

Als Folge daraus wurden im Dezember 1920 von der Polizeiverwaltung der DAG Auflagen zur Abschaffung erteilt. Das Schreiben nahm "Gauselmann"

Zufrieden waren die Aufsichtsbehörden schon lange nicht, wie im Depot das Thema Sicherheit und Sicherung gehandhabt wurde: Das Preußische Gewerbeaufsichtsamt teilte am 15. Januar 1921 der Zerlegestelle im Depot - Hoppecke, Köln - mit,

Am 5. Februar 1921 wurde festgestellt, dass die Auflagen ausgeführt worden sind.

Erneute Schilderung, wie sicher es Depot zuging

Die Dynamit AG in Hembergen (Herr Imm) schrieb an die Polizeiverwaltung in Greven am 1. Mai 1921 und gab einen Zustandsbericht bestehender Sicherheitsmaßnahmen: "Auf Ihre Anfrage über die Handhabung des Sicherheits- und Feuerlöschdienstes im hiesigen Lager unterbreiten wir Ihnen hiermit folgendes:

Sicherheitsdienst:

Unser Lager, das sich in Gruppen A, B, C und D gliedert, steht unter dauernder Bewachung von 2 Mann pro Gruppe. Zu diesen 8 Wächtern tritt außerhalb der Arbeitszeit noch ein Wachtmann für den Hauptverwaltungsblock. Sämtliche Wächter werden in Kürze mit Pistolen ausgerüstet. Jeder in den Gruppen patrouillierende Wächter führt ferner ein Signalhorn bei sich, durch das er sich mit dem anderen Wächter seiner Gruppe verständigen kann. Die Wächter haben strengste Anweisung jedes unbefugte Betreten des Lagers zu verhindern. Außer dem eigenen Arbeiterpersonal haben nur solche Personen Zutritt, die im Besitze eines von dem Unterzeichneten unterschriebenen Ausweises sind. Personen, die unberechtigt das Lager betreten haben, werden festgenommen und erst nach Feststellung von Namen und Wohnort derselben entlassen, worüber Ihnen jedesmal schriftlich in dringenden Fällen telegrafisch Anzeige erstattet wird. Wir glauben, dass unsere Wächter stets in der Lage sein werden, Einbruch- und Diebstahlvergehen einzelner Personen zurückzuweisen.

Beim Erscheinen bewaffneter Banden ist mit der vorhandenen Sirene den Alarmglocken und Signalhörnern Alarm zu schlagen. worauf von jeder Gruppe 1 Wachtmann möglichst unbemerkt zum Pförtnerhaus der Gruppe C eilt, das sich ungefähr in der Mitte des Lagers befindet. Es wird der Lagerverwalter, der in allen Fällen sofort zu benachrichtigen ist, je nach Stärke und Bewaffnung der Banden die weiteren Anordnungen treffen. Vor allen Dingen werden sie danach trachten, ihnen den Überfall so schnell wie möglich, nötigenfalls durch das Bahntelefon, mit dessen Benutzung in diesen Fällen der hiesige Bahnhof sich einverstanden erklärt hat, zu melden. Zur schnelleren Übermittlung lassen wir z. Z. die abgelegenen Gruppen B und D mit denen der Gruppen A und C telephonisch verbinden.

Feuerlöschdienst

Jeder Arbeiter und Wächter des Lagers hat die Pflicht bei Wahrnehmung eines Feuers im Lager in dessen unmittelbarer Nähe, dieses sofort zu löschen, wozu folgende Geräte bereitstehen:

Zu b): Gelingt das Löschen des Feuers den einzelnen Personen oder Arbeitstrupps nicht, so ist sofort Alarm zu schlagen und der Lagerverwaltung die Brandstelle zu melden. Auf das Alarmzeichen rüsten die in der Gruppe A beschäftigten Arbeiter unter Führung ihres Vorarbeiters mit der Handfeuerspritze, die wir, um sie im Bedarfsfalle schnell zur Hand zu haben, in einem Gebäude am Eingang zur Gruppe A untergebracht, zur Brandstelle aus.

Die erforderliche Menge ist entweder aus einem großen Wasserbassin, von denen in jeder Gruppe zwei a 200 cbm vorhanden sind, oder aus anderen Wassertümpeln zu entnehmen, von denen in jeder Gruppe einer angelegt ist. (Anmerkung: Zwei Zeitzeugen konnten sich noch an Tümpel im Block A und D erinnern. Ob es diese jedoch waren, ist nicht mehr nachzuvollziehen.) Da wir mit dem Auftreten von Wald- und Heidebränden zu tun haben, die sich erfahrungsgemäß am besten mit Schaufeln und grünen Zweigen bekämpfen lassen, wird sich die Verwendung der Feuerspritze meist auf ein Bespritzen der gefährdeten Bränden beschränken. Alle übrigen Arbeiter des Lagers begeben sich auf dem schnellsten Weg zu ihren Wohlfahrtsraum, wo ihnen Anweisungen des Lagerverwalters oder des Vorarbeiters gegeben werden. Beim Passieren der Pförtnerhäuser sind die darin lagernden Feuerlöschgeräte mitzunehmen. Bricht außerhalb der Arbeitszeit im Lager oder in dessen nächster Umgebung Feuer aus, so wird wie beim Bandenüberfall verfahren. Wenn nötig, werden bis zum Eintreffen weiteren Löschpersonals alle 9 Wächter zum Löschen des Feuers herangezogen. Zum Schluß möchten wir noch erwähnen, dass wir alle 4 Wochen Feuerlöschproben abhalten und dass unser Arbeiterpersonal alle 14 Tage unterwiesen wird, wie es sich im Falle eines Brandes zu verhalten hat. Gleichzeitig wird hierbei immer wieder darauf hingewiesen, dass das Rauchen in den Lagergruppen sowie das Mitnehmen von Streichhölzern und Feuerzeugen in die Gruppen strengstens verboten sind. Zuwiderhandlungen, die wir durch öftere Kontrollen feststellen, werden u. U. mit sofortiger Entlassung des betroffenen Arbeiters geahndet werden. Dynamit Aktien Gesellschaft (Imm).

Hueske schrieb dazu: "[...] dass nunmehr von der Firma zur Sicherung des Lagers die Veranlassungen, als ausreichend angesehen werden."

Verbotsschilder im Depot

Die DAG beantragte im Mai 1921 beim Amt Greven die Anbringung von Schildern entlang der Umzäunung des Sprengstofflagers Hembergen, wegen vieler Gefahren für das Lager selbst sowie für die hier wohnenden Familien und für die benachbarten Hofbesitzer:

Das Schild soll folgende Aufschrift erhalten:

Bekanntmachung

Unbefugten ist das Betreten des Nahkampfmitteldepots Hembergen, das Hantieren mit Feuer und offenem Licht im Sprengstofflager und dessen Nachbarschaft sowie das Rauchen und das Mitnehmen von Feuerzeugen und Zündhölzern usw. ist verboten. Zuwiderhandlungen haben strafrechtlich Verfolgung zu wärtigen. Die Polizeibehörde.

Am 7. Mai wurde durch Hueske entschieden: "Anbringung JA!".

Die Minister erteilten Anweisungen

Der Minister für Handel und Gewerbe schrieb am 26. Mai 1921 auf einen Bericht vom 7. Mai 1921 an den Regierungspräsidenten - betreffend Heide- und Waldbrand zwischen den Sprengstofflagern zu Hembergen: "Ich ersuche in Erwägung zu ziehen [...] für die außerhalb der regulären Arbeitszeitstunden liegende Zeit eine ständige Feuerwache in solcher Besetzung vorzuschreiben, dass sie bei Wiederholung ähnlicher Ereignisse die ersten Gegenmaßnahmen allein ausführen kann. Außerdem wird bei dieser Gelegenheit nochmals darauf hingewiesen, dass in der trockenen Jahreszeit der Graswuchs in den Sprengstoff-Sammellagern und auch in den Geschossentladestellen kurz zu halten und alles dürre Gras, Heide usw. zu entfernen sind."

Der Minister für Handel und Gewerbe - Berlin, den 26. Mai 1921, Leipziger Straße 2 schrieb an alle Regierungspräsidenten: "Betrifft: Gefährdung von Sprengstofflagern durch Wald- und Heidebrand. Die bereits eingetretene Jahreszeit macht es erforderlich, den den Sprengstoff-Sammellagern und den Munitions-Entladestellen durch Wald- und Heidebrände drohenden Gefahren besondere Aufmerksamkeit zu widmen und alle etwa in dieser Richtung noch erforderlichen Maßnahmen unverzüglich in die Wege zu leiten. Über einen Waldbrand in der Nähe eines der größten Sammellager (Anmerkung: Depot Hembergen) wird mir, wie folgt berichtet: Der anscheinend durch Unvorsichtigkeit eines Landwirtes außerhalb des Lagers entstandene Waldbrand breitete sich durch Niederholz und Tannenbestände bei günstigem Winde in Richtung auf einige Sprengstoff-Lagerschuppen schnell aus. Wenn auch ein 10 m breiter Weg zwischen Brandstelle und Lager durch den Wald hindurchführte, so stand doch zu befürchten, dass das Feuer auf den Waldteil übersprang, der bedenklich nah an die fraglichen Schuppen heranführt. Glücklicherweise brach das Feuer während der Arbeitszeit aus, so dass die Arbeiter mit Benutzung von Spaten und ähnlichen Hilfsmitteln das Feuer rechtzeitig dämpfen konnten. Ein anderer Lagerteil war von vornherein insofern weniger gefährdet, als zwischen Schuppen und Waldrand ein breiter, bewachsener Landstreifen lag."

Sprengstoffentwendungen gab es auch woanders

Der Minister Handel und Gewerbe, Berlin, 17. Juni 1921 an alle Landräte: "[...] weit bedeutungsvoller für die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch unerlaubte in den Verkehr gelangende Sprengstoffe sind die großen Sprengstofflager, in den ehemaligen Artillerie- und Munitionsdepots teils als Sprengstofflager der RTG, teils von der Entente geforderte Sammellager entstanden sind. Nur durch zuverlässige und ausreichende Bewachung kann der Zugriff auf Sprengstoffe verhindert werden. [...] und wir ersuchen dringend um schleunige und eingehende Prüfung der Verhältnisse."

Meldung über Sicherheit an den RP

Das Preußisches Gewerbeaufsichtsamt in Münster meldete am 14. Juli 1921 dem Regierungs- Präsident: "Für die Durchführung des Feuerschutzes in dem Sprengstofflager zu Hembergen wurden folgende Sicherheitsmaßnamen getroffen:

Wächter mit Pistolen bewachten das Depot

Das Amt Greven schrieb am 16. September 1921 an die Garnisons-Verwaltung in Münster: "In dem ehemaligen Nahkampfmitteldepot Hembergen unterhält die Dynamit AG ein größeres Sprengstofflager. Das Lager enthält durchschnittlich mehrere Millionen kg Sprengstoffe und Pulver. [...] jeder Block wird von zwei Wächtern, die mit Pistolen und Signalhörnern ausgerüstet sind, bewacht. Ferner ist eine Sirene und Alarmglocke vorhanden. Nach Emsdetten ist direkte telegrafische Verbindung vorhanden und nach Greven kann in bedrohlichen Fällen durch das Bahntelefon schnelle Nachricht übermittelt werden. Diese Sicherungsmaßnahmen vermögen jedoch nicht für den etwa zu erwartenden Fall eines größeren Angriffs. Hierfür wären das Verfügbarmachen von dortigen Kommando unterstellten Formationen erforderlich."

Ein Zeitzeuge

"Der Onkel von mir - Josef Wilp - geboren um 1890 - hätte Wache im Depot Hembergen geschoben. Von Kriegsgefangenen-Lager weiß ich nichts. Die Bewachung könnte auch für die DAG um 1921 gemacht worden sein."

Zeitzeuge - Anton Gauselmann gab im Jahr 1967 einer Zeitung ein Interview, das u.a. auch über die Bewachung des ehemaligen Depots Auskunft gibt.

Brandschneisen sollten schützen

Am 15. Oktober 1921: "Um jeden der 4 Blocks sind 5 bis 8 Meter breite Brandschneisen hergestellt, desgleichen 6 Meter breite um jedes belegte Magazin. Das Gelände ist in der Nähe der Magazine von Gestrüpp etc. gesäubert. An bzw. in jedem belegten Magazin sind Handspritze, Patschen, Spaten, Wassertonnen, Feuereimer und Sandkästen vorhanden. Die Hydranten sind durch ein kurzes Verbindungsstück, welches sich in jedem Block befindet, sofort mit der an jedem Wasserreservoir angebrachten Druckpumpe zu verbinden. Es sind Schläuche genug vorhanden, um dann jeden Teil des Blocks unter Wasser nehmen zu können. Die vorn in Block A untergebrachte Feuerspritze ist für das Verwaltungsgebäude zur Hand. Zur schnellsten Meldung bei Ausbruch eines Brandes dienen die Fernsprechleitungen, welche die Blocks miteinander und mit dem Verwaltungsgebäude verbindet, sowie diejenige zum Stationsgebäude, ferner die neu instandgesetzte Sirene und je eine laut tönende Hupe in jedem Block. Die Mannschaften sind im Löschwesen unterrichtet und geübt. Nachts sind von der Belegschaft 9 Mann zur Stelle; freiwillig Verpflichtete haben sich außerdem noch 9 im Lager wohnende Personen, bei evtl. Löscharbeiten zu helfen. Die Bewachung geschieht nachts durch 9 Mann, welche alle mit Mehrladepistolen ausgerüstet sind. Die Blitzableiter sind geprüft und in Ordnung befunden, worüber Protokoll vorliegt. Die Trennung der lagernden Sprengstoffe ist gemäss den Vorschriften durchgeführt. Schwarzpulver und Chloratsprengstoffe sind überhaupt nicht mehr vorhanden. Die als Schutzhäuser bestimmten Magazine sind unbelegt.

Erneut Feueralarm im Depot

21. Oktober 1921: Amtmann in Greven (Hueske) schrieb an den Landrat in Münster: "Wiederum hat es in der Nähe des Depots Hembergen - jetzt Sprengstofflager der Dynamit AG - gebrannt. Das Feuer (Waldbrand) war in der Nähe des Blocks C entstanden. Es ist den Arbeitern des Werkes gelungen, die Gefahr rechtzeitig abzuwenden und den Brand zu löschen. Bei der Unmenge der dort lagernden Explosivstoffe, die im Fall des Hochgehens eines Schuppens, alle explodieren werden, zumal es an Schutzwällen fehlt, sind die Folgen eines derartigen Brandes nicht abzusehen. Es ist daher die Forderung nach weiteren Schutzbedingungen begründet. Vor allem müssen größere Schutzstreifen rund um das Lager geschaffen werden. Dem Vernehmen nach will die Firma noch weitere 500 t Schiessbaumwolle lagern. Ich muss hiergegen aus sicherheitspolizeilichen Gründen das größte Bedenken geltend machen und bitte der Firma die Erlaubnis zur Einlagerung dieses Materials zu versagen. Dem Gewerbeaufsichtsamt habe ich ein gleichlautendes Schriftstück vorgelegt."

Am 2. November 1921 fand erneut eine Besichtigung durch die Preußische Gewerbeinspektion, Münster, statt. Sie reklamiert u.a. an die Dynamit AG: "[...] die Wasserförderung aus den Behältern durch die feste Handpumpe ist dadurch beschränkt, das keine ausreichende Verbindung des Behälters zum Brunnen besteht."

Generelle Probleme mit Sprengstoffen

Der RP am 16. Oktober 1923 an alle Landräte Sicherung der Sprengstofflager: "In letzter Zeit häufen sich in bedrohlicher Weise die Fälle, dass durch linkradikale Elemente - häufig mit Erfolg - Sprengstoffdiebstähle versucht werden. Es ist deshalb dringend notwendig, dass seitens der zuständigen Polizeibehörden auf die Kontrolle der vorhandenen Sprengstoffmengen fortgesetzt die größte Aufmerksamkeit verwendet wird. Kontrollen über den Soll- und Istbestand sind vorzunehmen."

Schlußbetrachtung

Aus diesen und anderen Dokumenten erscheint aus heutiger Sicht (2007) der damalige Umgang mit Munition und Sprengstoffen in punkto Sicherheit und Sicherung ein anderer gewesen zu sein, als das heute möglich gewesen wäre. Die Vorgeschichte Reckenfelds - und dazu gehören nun einmal die Vorgänge im ehemaligen Nahkampfmitteldepot Hembergen, das zu einem Sprengstofflager umfunktioniert wurde, ist auch in dieser Hinsicht recht ungewöhnlich. Als Sprengstoffe eingelagert und Munition sowie Sprengstoffe vernichtet wurden, entstand zwar zaghaft, aber es entstand eine Besiedlung, nämlich: Reckenfeld. Wo gibt es das noch einmal in Deutschland?


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