Zerlegung von Muniton ab September 1919 bis September 1923 (Ende der Arbeiten)[Quelle: UMWELTFORSCHUNGSPLAN DES BUNDESMINISTERIUMS FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT von Dipl.-Ing. Jürgen Thieme.]Zerlegungen (Ausgangssituation, Organisation und Umfang) von September 1919 bis zum Abschluß (1923)Organisation der Zerlegungen (Gesamtorganisation)Ab 01. April 1920 wurden die Geschäfte des Reichsverwertungsamtes an die neu geschaffene Reichstreuhand-Gesellschaft (RTG) übertragen. In den Jahren 1920 bis 1922 erfolgten die gesamten Zerlegearbeiten in dieser Organisationsstruktur. Nachdem der Umfang ab Anfang 1922 immer mehr abnahm, wurde die RTG schließlich am 08.09.1924 aufgelöst. 1923 war bereits das Reichsschatzministerium aufgelöst worden, seine Aufgaben waren dem Reichsfinanzministerium übertragen worden. Vor-Ort-Kontrollen der ZerlegearbeitenDie gesamte Zerlegung sollte nach vom Reichsschatzministerium vorgegebenen einheitlichen Weisungen erfolgen. Für die Überwachung befanden sich an allen Zerlegeorten RTG-Aufsichtsbeamte. Ergänzend wurden folgende Kontrollen durchgeführt. Fachliche Kontrollen durch die Gewerbeinspektionen: Die regional zuständigen Inspektoren waren angehalten, regelmäßige Kontrollen durchzuführen. Die Ergebnisse waren in Kontrollberichten festzuhalten. Und die Zentralaufsichtsstelle für Sprengstoff- und Munitionsfabriken beim Reichsarbeitsministerium: Ihre Aufgabe bestand in der regelmäßigen Überwachung der Entladestellen, der Besichtigung der Unfallstätten von Bränden und Explosionen, der Feststellung der Ursachen sowie der Aufstellung von Vorschriften zur Verhütung bzw. Einschränkung solcher Vorkommnisse. Kontrolle der Durchsetzung der Festlegungen des Versailler VertragesDer Fortgang der Zerlegearbeiten wurde durch oftmalige Kontrollen von Distriktkommissionen der IMKK, die in größeren Städten ansässig waren, überprüft. Die IMKK verlangte die Einholung einer Genehmigung "zu jeder Ortsveränderung von zu zerlegender Munition und auch bei Versendung von bereits zerlegter Munition (d.h. Schrott aus entladenen, entringten und in irgend einer Weise zerstörten Geschossen, Kupfer aus Führungsringen, Zink usw. aus Verschlußschrauben, Aluminium, Messing usw. aus Zündungen, Kartusche- und Patronenhülsen sowie Infanterie- und Leuchtpatronen pp.). Diese Genehmigung wurde nur auf der Grundlage einer Mitteilung an den zuständigen Verbindungsoffizier der interalliierten Bezirkskommission und meist einer persönlichen Vor-Ort-Kontrolle erteilt. Der Reichsfiskus überließ den Unternehmen des Zerlegesyndikats die zur Einrichtung des Zerlegebetriebes erforderlichen baulichen Anlagen und notwendiges Gelände. Der Unternehmer hatte das Recht zur Durchführung von baulichen Veränderungen auf eigene Kosten. Zerlegung von BeutemunitionBeutemunition war während des Krieges in die deutschen Munitionslager zwecks Auf- bzw. Umarbeitung gelangt. Insbesondere handelte es sich um französische, englische, amerikanische, russische, italienische, belgische, rumänische, japanische und serbische Sprengmunition. Ein Teil dieser Munition wurde nach dem Krieg an die betreffenden Länder zurückgegeben: Die verbliebene Munition mußte in verstärktem Maße ab 1921 zerlegt werden. Meist wurden dazu unmittelbar durch die IMKK ausgewählte Firmen beauftragt, z. B. für italienische Munition die Firma Evaporator. Problematisch war, dass über Konstruktionseinzelheiten der Zünder und Geschosse oft Unklarheit herrschte und z. T. in Deutschland nicht eingesetzte Sprengstoffe bzw. ihre Mischungen enthalten waren. Aufgaben und Pflichten der ZerlegefirmenDer Zerlegefirma oblagen folgende wesentlichen Aufgaben
MunitionszerlegestellenAls Standorte für die Munitionszerlegestellen wurden, wie bereits erwähnt, in der Mehrzahl militärische Anlagen gewählt, in denen bereits während des l. WK mit Munition umgegangen wurde (insbes. Munitionsdepots und Munitionsanfertigungsstellen). Eine Reihe von Zerlegestellen befanden sich auch in Fabriken, in denen vorher Munition, Munitionsteile oder Explosivstoffe hergestellt wurden. Da nach dem Vertrag "KD 122" die Firmen des Zerlegesyndikats berechtigt waren, an "Ort und Stelle" den Zerlegebetrieb zu errichten, kann i. a. davon ausgegangen werden, dass sich die gesamte Zerlege- und Vernichtungstätigkeit auf die bereits bis Kriegsende genutzten reichseigenen bzw. zusätzlich in Anspruch genommenen Flächen beschränkte. Meist wurde durch das Unternehmen angestrebt, für ihre Arbeiten einen zusammenhängenden Bereich innerhalb der Liegenschaft zu nutzen und abzugrenzen. Grundsätzliche Voraussetzung war, dass die für die Zerlegearbeiten erforderlichen Gebäude, Schuppen und Flächen zur Verfügung standen. Baumaßnahmen sollten sich möglichst nur auf den Einbau der erforderlichen Zerlegetechnik sowie Schutzmaßnahmen (z. B. zusätzliche Trennwände) beschränken. Eine wesentliche Bedeutung hatte die Dampferzeugung für das Entfernen der Füllungen. Da ein längerer Weg über Dampfleitungen wegen der dabei entstehenden Energieverluste ausgeschlossen werden sollte, kann von einer maximalen Entfernung von 150 m ausgegangen werden. Bekannt ist auch eine stationäre Aufstellung einer Dampflokomotive, soweit sich ein Normalbahnanschluß in der Nähe befand (war bei Ad's meist der Fall). In den bereits erwähnten Merkblättern der ZAUF waren eine Reihe von räumlichen Forderungen fixiert. In getrennten Gebäuden waren durchzuführen:
Abschluß der Zerlegungen in ehemaligen Ad's und NachnutzungRäumung der ZerlegestellenNach Abschluß der Munitionszerlegungs- und -vernichtungsarbeiten waren alle Arbeitsstellen aufzuräumen und zu säubern. Das Reichsschatzministerium, Abteilung III, bezog am 03.12.1921 in einem Schreiben an die Abteilung II folgendermaßen Stellung: "Wenn nach Abschluß der Arbeiten durch die Gewerbeinspektion gemeinsam mit den übrigen in Betracht kommenden Stellen (die Liegenschaftsverwaltung, RTG usw.) die ordnungsgemäße Abwicklung festgestellt und bestätigt worden ist, ist die Verantwortung der Firma als beendet zu betrachten." Eine auch verwendete, analoge Erklärung lautete: "Alle Bestände sind aufgearbeitet, die ehemaligen Arbeitsstellen sind frei von Abfällen und umgepflügt, die Brandplätze wurden eingeebnet und umgepflügt. Der Leiter versichert, dass unter der Erdoberfläche alle Sprengstoffe und Gifte beseitigt wurden." Zerlegung von unsicherer MunitionDie Munition wurde während des Krieges und z. T. in den Zerlegestellen oft unter ungünstigen Umständen gelagert, so dass die Munition verrostet war, die Zünder einen Teil ihrer Sicherheit verloren hatten und die Sprengstoffe durch Zersetzungen empfindlicher und gefährlicher geworden waren (z. B. durch Einwirkung von Feuchtigkeit auf Pikrinsäurefüllkörper in den Geschoßmundlöchern Entstehung von Pikraten). Weitere Unsicherheiten:
Konventionelle Munition - Verfahren der Zerlegung, Entladung und VernichtungNach § 5 des Syndikatsvertrages war der Unternehmer grundsätzlich verpflichtet, alle übergebene Munition nach den "bestehenden Vorschriften zu entleeren" und die anfallenden Teile entsprechend den Festlegungen zu verwerten bzw. zu vernichten. Nach Ansicht der RTG fiel nur beim Fehlen derartiger Vorschriften die Verpflichtung zur Entleerung fort. Es trat dann die Verpflichtung zur Zerstörung ein, die dem Unternehmen nach §§ l und 2 des Vertrages oblag. Zerlegung von geladenen GeschossenGrundsätzlich wurden bei nichtpatronierten Geschossen folgende Arbeiten durchgeführt:
Entladung von Geschossen (Grundsätzliches)Zwecks Entladung (d. h. Entfernung der Sprengladung) und Erzielung von sauberen Geschoßhüllen kamen verschiedene Verfahren zum Einsatz. Wesentlichen Einfluß auf die Auswahl eines Verfahrens hatte die Art der Festlegung der Sprengladung sowie der Schmelzpunkt und die Wasserlöslichkeit des Sprengstoffen bzw. der Sprengstoffmischung. In Tabelle 4.1 sind die wichtigsten Verfahren angegeben. Tabelle: Verfahren der Geschoßentladung
Ergänzend sind folgende Randbedingungen zu berücksichtigen:
Sprengungen und Versenkungen (Umfang)Eine Sprengung von kompletter Munition war, wie bereits erwähnt, in der Regel verboten. Ausnahmsweise war eine Sprengung der Munition und der Zünder unter folgenden Bedingungen zulässig:
Auf wesentlich umfangreichere Sprengungen wies die RTG in einem Schreiben vom 31.08.1920 hin: "Die Firmen haben das Bestreben ausschließlich nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu zerlegen und die eigenen Zerlegungskosten möglichst gering zu halten. Wenn nun Geschosse besonders schwierig zu zerlegen sind, was häufig der Fall ist, so ziehen sie die Sprengung einer mit hohen Kosten verknüpften Zerlegung vor." DurchführungZur Durchführung der Sprengungen waren meist Sprenggruben in der Nähe der Zerlegestelle vorhanden. Sogenannte "Sprenggrubenanlagen" (mit Schutzmauer usw.) wurden während des l. WK innerhalb des Ad's errichtet und konnten nun für geringere Mengen nachgenutzt werden: "Die Sprengung erfolgt in ca. 4 m tiefen Sprenggruben. Die zu vernichtenden Granaten werden mit Sand bedeckt und dann gesprengt. An Splittern oder Stücken anhaftender Sprengstoff (z. B. Pikrinsäure) wird später abgebrannt." |