"Woll-Laden" Schmidt, Textilfachgeschäft Stöbis

Von Ruth Röhrs, Jahrgang 1922:

Das Geschäft meiner Mutter, Bernhardine Schmidt, haben wir schon 1936 aus Emsdetten mitgebracht. Neben dem Textiliengeschäft besaß meine Mutter auch 3 Strickmaschinen, auf denen sie Socken, Söckchen, Pullover, Strickjacken, Untertaillen, Wollschlüpfer strickte. Auch brachten die Frauen Sockenlängen, an die sie dann neue Füße strickte.

Ihre Tochter Anneliese half ihr fleißig im Geschäft, Emsdettener Straße (heute Industriestraße). Die Socken - alle Strickwaren - mußten ja zusammengenäht werden, so wurde dafür noch ein junges Mädchen eingestellt. Weil wir viel Wolle, Garne usw. verkauften, wurde aus dem kleinen Geschäft ein Handarbeitsgeschäft. Anneliese war sehr geschickt und zeigte den Frauen alles, was nötig war. Auch machte sie den Frauen Schnitte für Pullover und Jacken.

Durch den Zweiten Weltkrieg und durch die Polen mußte meine Mutter das Geschäft schließen, wir mußten von der damaligen Emsdettener Straße 13 (bei Stolte) ausziehen, zogen nach D, heutige Adlerstraße 3, in das kleine Haus, das meiner Tante gehört hatte, eine Halbschwester meines Vaters. Dort machte meine Mutter nach dem Zweiten Weltkrieg das Geschäft wieder auf. Im Jahre 1959/60 wurde das Geschäft zur Bahnhofstraße 8 verlegt, wo mein Schwager Wilhelm Stöbis gebaut hatte.

Ich hatte 1958 hier, Adlerstraße 5, gebaut und konnte Wohnung und Geschäft in zwei verschiedenen Häusern unmöglich miteinander vereinbaren.

Joachim Stöbis:

Ich bin 1946 geboren und kann mich an die Anfänge des Futtermittelgeschäftes in der Bahnhofstraße 8 nur vage erinnern. Mein Vater kam im November 1945 aus der amerikanischen Gefangenschaft zurück. Die Bahnhofstraße lag damals im von den Polen bewohnten Teil von Reckenfeld. 1951 baute mein Vater (Wilhelm Stöbis) ein kleines Haus (mit Flachdach) in der Bahnhofstraße. Es bestand nur aus zwei Räumen mit kleiner Speisekammer und WC. Die ersten zwei Jahre wohnten meine Großeltern Theodor und Bernhardine Schmidt hier. Dann zogen im Sommer 1953 meine Eltern Anneliese und Wilhelm Stöbis in dieses Haus. Im Mai desselben Jahres war meine Schwester Christel noch als Hausgeburt in der Adlerstraße 5 geboren. Mein Vater arbeitete in dieser Zeit als Maurerpolier bei einer Grevener Firma. Meine Mutter hatte den großen Garten und uns Kinder zu versorgen.

Ich denke es war zwei Jahre später, als wieder gebaut wurde bei uns. Vor die beiden Räume wurde ein weiterer Raum gebaut und dann das Gebäude mit einem Spitzdach versehen, so wie es heute noch als hinteres Gebäude Bahnhofstraße 8 steht.

In den unteren vorderen Raum zur Straße hin kam gegen 1954 ein Futtermittelgeschäft, welches von meiner Mutter geführt wurde. Mein Vater ging weiter seiner Tätigkeit als Maurerpolier nach. Futtermittelgeschäft deshalb, weil mit einem weiteren Textilgeschäft dem Geschäft der Großmutter Bernhardine Schmidt im Block D Konkurrenz gemacht worden wäre.

Mit dem Futtermittelgeschäft war das also eine Plackerei, denn meine Mutter hatte Probleme die schweren Säcke zu bewegen und meinem Vater war es dann doch bald zuviel die Feierabendarbeit nach seiner Arbeit und dann noch zur Zufriedenheit der Kunden zu erledigen. Und so wurde das Geschäft aufgelöst. Bevor das geschah wurde neu überlegt: Weil das Textilgeschäft in der Adlerstraße 5 zu abgelegen war für die Kunden entschloss der Schmidt/Stöbis/Nieber Familienrat an der Bahnhofstraße eine zweite Filiale zu eröffnen. Das war um das Jahr 1956. Es gab also einen nahtlosen Übergang vom Futtermittel zum Textilwarengeschäft. Am Anfang führte meine Mutter das Geschäft alleine. In dem kleinen Raum von 6x6 Metern war das ja auch noch übersichtlich genug. Das Geschäft in D wurde wenige Monate nach dem Start in der Bahnhofstraße aufgelöst.

Der Warenbestand kam von dort hierher. Damit verbunden entdeckten meine Eltern, dass das Geschäft von den Räumlichkeiten her zu klein war und hatten den Plan zu vergrößern. Doch nur ein Geschäftraum zu bauen, wurde damals nicht genehmigt. Es wurden dringend Wohnungen gebraucht in dieser Zeit und für den Bau eines Wohnhauses mit Geschäftsräumen gab es günstige Gelder vom Staat.

1961 wurde das große Haus an der Bahnhofstraße errichtet, so wie es heute noch steht mit Geschäftraum und den im Innenhof liegenden Garagen. Das Textilgeschäft kam in die vorderen neuen Räume und hatte jetzt 80qm Verkaufsfläche. Im Laufe der nächsten Jahre kamen noch die hinteren Räume des alten Hauses dazu, so dass mit insgesamt 150qm Verkaufsfläche genug Platz zur Verfügung stand.

Mein Vater kam um das Jahr 1964 in Frührente (er hatte einen leichten Herzinfarkt) und stieg dann voll ins Geschäft ein. Um diese Zeit wurde auch das Geschäft von Bernhardine Schmidt auf Anneliese & Wilhelm Stöbis überschrieben. Das wiederum nur für kurze Zeit weil meine Mutter 1966 starb.

Ich hatte von 1961 bis 1964 eine Lehre zum Schaufenstergestalter bei Firma Hettlage in Münster gemacht. Dem angeschlossen noch als Volontär ein halbes Jahr bei Firma Kluxen im Bereich Innendekoration (Teppich verlegen, Gardinendekoration, zuschneiden) eine Zusatzausbildung gemacht. Ab Herbst 1964 stieg ich als Angestellter in das elterliche Geschäft ein und war dort bis zur Auflösung desselben im Sommer 1970 tätig, unterbrochen von einer eineinhalbjährigen Militärzeit.

Ich war in diesen Jahren im Verkauf tätig, für die Gestaltung der Schaufenster und war viel unterwegs um bei Kunden Teppiche zu verlegen und Gardinen aufzuhängen. Ich erinnere, dass in der Zeit Monika Gauselmann, Brigitte Winkler und Angelika Hille ihre Lehre zur Verkäuferin bei uns gemacht haben. zusätzlich hatte wir Aushilfen und eine Frau die uns die Gardinen nähte.

Die Lage des Geschäftes in der Bahnhofstraße war aber nicht wirklich ideal. Es lag nicht in einem Bereich, wo man sowieso hinging um einzukaufen. Vermehrt bekamen wir auch die Konkurrenz zu spüren. Viele Reckenfelder arbeiteten in Münster und kauften verständlicher Weise dort ein. Nach dem anfänglich guten Start lief das Geschäft nicht mehr so gut. Um einen Ausweg aus dieser Situation zu finden gab es nur zwei Möglichkeiten. Entweder in Münster eine Filiale zu eröffnen oder das Geschäft zu schließen. Wenn ich der geborene Geschäftsmann gewesen wäre, wäre es sicher zu der Filiale gekommen, aber dies war nicht der Fall. So entschloss sich mein Vater im Frühjahr 1970 zur Auflösung des Geschäftes und zum Verkauf des Anwesens.

Adlerstraße 5.
Der Woll-Laden im Block D.
Auslagen im Schaufenster.
Die Gewerbeanmeldung im Jahr 1942 für den Ehemann als Kunstmaler.
1952 werden Handzettel in Reckenfeld verteilt.
Auch Kinderkleidung gehört zum Sortiment.
Ein breites Sortiment an Stoffen wurde angeboten.
Tochter Ruth führt nun das Geschäft.
Bahnhofstraße 8, Kundin und Verkäuferin.

Werbung in eigener Sache.
Ab April 1966 konnte nun Wilhelm Stöbis das Geschäft führen.
Auslage im Geschäft an der Bahnhofstraße.
Das Geschäftshaus im Jahr 1968.
Mehrere Verkäuferinnen sorgten für guten Umsatz.
Eine Handarbeitsausstellung im Deutschen Haus.
Das Schild am ehemaligen Lokschuppen
verdeutlicht es: "Wolle und Handarbeiten".

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