Munitionsdepot Neuenkirchen (bei Rheine)

Auszug aus einem Buch über die 750-jährige Geschichte Neuenkirchens (1247-1997)

Gefangenenlager und Munitionsdepots während des I. Weltkrieges in Neuenkirchen-Land. Die Militärverwaltung richtete im Jahre 1915 in Neuenkirchen-Land ein Kriegsgefangenenlager für ca. 1.000 Gefangene ein. Ursache, warum gerade Neuenkirchen-Land ausersehen war, war folgender Sachverhalt: Starke französische Truppen hatten 1914 in der deutschen Kolonie Togo die Schutztruppe zur Aufgabe gezwungen und als Gefangene nach Dahomey gebracht. Dort mussten die Gefangenen dem Völkerrecht zuwider, in der glühenden Sonne Schwerstarbeit verrichten.

Die Verhandlungen zur besseren Behandlung der Gefangenen über eine neutrale Macht führten nicht zum Erfolg. Da entschloss sich die deutsche Regierung als Gegenmaßnahme einige Repressalienlager einzurichten. Französische Offiziere und Angehörige der französischen höheren Stände kamen in diese Sonderlager und mussten dort schwerere Arbeit verrichten (Moore trocken legen oder Entwässerungsgräben ziehen usw.). Sie durften auch keine Paketpost aus ihrer Heimat empfangen. Es war aber ausdrücklich erlaubt, dass sie ihre missliche Lage in Briefen nach Hause schilderten und ihren Angehörigen mitteilten, wenn es den deutschen Gefangenen in Dahomey besser erginge, würden auch sie wieder in ihre alten Lager zurückkehren. Diese Maßnahme hatte Erfolg und das Lager war bald geräumt. Noch bevor die letzten französischen Gefangenen verlegt waren, kamen die ersten russischen Gefangenen, die bis Mitte 1916 blieben und dann auf kleinere Lager in der Umgebung aufgeteilt wurden.

Das Gefangenenlager befand sich an der Emsdettener Straße hinter dem Bahnübergang in Höhe des Missionshauses St. Arnold, ungefähr 700 m vom Wasserwerk entfernt.

Auf der linken Seite stand das Gefangenenlager mit besonderer Umzäunung. Weiter rückwärts befanden sich die Unterkunftsräume für ein Bataillon Infanterie. Rechts von der Emsdettener Straße standen die Verwaltungsbaracken und die Unterkünfte der Offiziere. Das Gesamtgelände hatte eine Größe von 31 ha. Nach einem Umbau des leerstehenden Lagers erfolgte eine Umnutzung zu einem Munitionslager.

Vom Ladegleis der Reichsbahn führte ein weitverzweigtes Förderbahnnetz in alle Teile des Lagers. Der eigene Betriebsmittelpark hatte 113 Plattformwagen, die von Pferden gezogen wurden. Die auf dem Gelände vorhandenen Erdhütten konnte man gut als Munitionslager verwenden. Im Anschluss an das Munitionslager sind am Weg noch eine Reihe Werkstattgebäude zum Reinigen und Laden von Geschossen gebaut worden. An der Bahn entlang errichtete man einige Schuppen, die für die Korbfärberei benötigt wurden. Weiter binnenwärts befanden sich die Pulvermagazine. Die Beleuchtung erfolgte durch eine eigene elektrische Zentrale. Die Dynamos sind durch Dampflokomobile angetrieben worden. Später, als das Munitionslager II in Betrieb war, bezog man von dort den Strom.

Im Jahre 1917 ist in Neuenkirchen-Land das zweite Munitionslager in Betrieb genommen worden. Dieses Lager befand sich von Neuenkirchen aus gesehen in der Nähe der Emsdettener Straße, rechts vom Haarweg bis ungefähr zum Burgsteinfurter Damm. Ein Teil des Haarweges musste verlegt werden. Das Lager hatte eine Größe von 85ha. Der Haupteingang des Lagers befand sich ungefähr 1km von der Bahnstation entfernt in der Nähe des Haarwegs. Dort befand sich auch das Verwaltungsgebäude. Das Lager hatte Vollbahnanschluss mit dreigleisigem Übergabebahnhof und 2 Zufahrtsgleisen. Der Anschluss war für 46 Wagen berechnet. Die Wagenverschiebungen im Lager erfolgten durch Benzollokomotiven. Außerdem war eine Feldbahn mit 44 Kastenwagen vorhanden.

Zwischen den Lagerhäusern war ein Abstand von jeweils 50m. Die Baracken hatten eine Größe von 12x22m und die Munitions-Arbeitshäuser 36,75x11,50m oder 34x12m. Die Gesamtbaukosten betrugen 2.650.000,- Mark. In mehr als 50 Baracken und Nebengebäuden waren zeitweise bis zu 600 Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigt. Die meisten Frauen waren dienstverpflichtet worden und kamen hauptsächlich aus Neuenkirchen und Burgsteinfurt. Das ganze Gelände war eingezäunt und wurde ständig bewacht.

Nach Beendigung des Krieges stellen die Firmen Dynamit AG, vormals Alfred Nobel & Co, Hamburg, und die Sprengstofffabriken Hoppecke AG, Köln, einen Antrag auf Eröffnung einer Munitions-Zerlegungsstelle in dem vorhandenen Artillerie-Depot, Lager II, in Neuenkirchen-Land. Sie erhielten eine widerrufliche Genehmigung und durften in 40 Gebäuden je 10.000 kg Sprengstoff einlagern. Die Gesamtgenehmigung belief sich auf 2,1 Millionen Kilogramm.

Am 5.6.1920 kam es im Munitionslager II zu einer Explosion. Im Bericht an den Landrat heißt es u.a.: "Beim Transport von Munition ist durch Selbstentzündung eine Kiste mit Zündern explodiert. 6 Personen sind schwer und 10 leicht verletzt. Von den Verletzten sind inzwischen 2 gestorben. Ein Verschulden von dritter Seite liegt nicht vor." Für das Lager Neuenkirchen-Land I erhielt die Firma Nelissen, Bielefeld, eine Genehmigung für eine Munitionszerlegungsstelle. Auch hier ereignete sich ein Unglück. Am 19.8.1921 explodierten plötzlich 20 Granaten. Einige Splitter flogen bis zum Wohnhaus Schiermann, das ungefähr 600m vom Explosionsherd entfernt war. Bis auf einige herabgefallene Dachziegel, fiel der Schaden gering aus. Dagegen waren an der Bahnstation, die ca. 200m von der Sprengstelle lag, alle Fensterscheiben zertrümmert.

Wenn auch die Zerlegungsarbeiten zügig erledigt wurden, so ist der letzte Sprengstoffbestand erst im November 1931 geräumt worden. Danach gab es für die Baracken und Gleisanlagen keine Verwendung mehr. Die Anlagen sind zum größten Teil abgebaut worden. Das Josefshaus, Wettringen, mietete noch bis zum Jahre 1935 einige Räume für die Unterbringung von siebzig Männern des Freiwilligen Arbeitsdienstes. (Anmerkung: so weit der Bericht aus dem Buch von Neuenkirchen).

Meine Recherchen in Archiven haben noch folgende Informationen erbracht:


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