Über das Nahkampfmitteldepot Bentschen - deren Platz im heutigen Polen liegt -, habe ich viele Informationen ausfindig machen können, deren Auswertung noch einiges an Arbeit und Zeit in Anspruch nehmen wird.
Um den Interessierten unter Ihnen die Nahkampfmitteldepots nicht nur zu benennen, sondern auch weitere Informationen anzuzeigen, wird vorab einiges an Daten ins Web gestellt.
Bentschen war einst eine Eisenbahnstadt, durch die die wichtige Europastrecke Berlin-Warschau-Moskau führte. Des weiteren war sie eine Grenzstadt zwischen Polen und Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg. Die Stadt heißt heute Zbaszyn und liegt am Fuße der Obra in Polen.
Alle Erlasse und der gesamte Schriftverkehr des Kriegsministeriums in Berlin für die drei großen Nahkampfmitteldepots sind aus der Akte mit der Nummer Nr. 1731.16.g.A.6 geschrieben worden.
So heißt es u.a. in einem der Erlasse: "[...] ein Nahkampfmitteldepot größeren Umfangs bei Bentschen, nahe Bahnhof Stentsch zu bauen." (Anmerkung: Auch den Ort Stentsch - heute - Szczaniec - gibt es noch.)
Das V. Armeekorps Posen hatte bereis 1914 heftige Kämpfe zu bestreiten.
Das Nahkampfmitteldepot Bentschen wurde zur Bauzeit als auch nach dem Ersten Weltkrieg des öfteren mit dem Nahkampfmitteldepot Hembergen in Zusammenhang gebracht. Das betraf die Planung und Realisierung in den Jahren 1916 bis 1918 als auch die Abwicklung der militärischen Anlage nach Kriegsende.
Dieses Depot sollte dieselbe Menge an Einzeldepots (A-D) als auch dieselbe Anzahl Schuppen (208) erhalten, wie das Depot Hembergen. Doch es kam anders. Die Lage im Osten verlangte im Jahre 1918 eine andere Strategie bei der Aufnahme von Nahkampfmitteln als im Westen.
Das Depot erhielt ein weiteres Einzeldepot und zwar das mit der Bezeichnung "E".
Das Nahkampfmitteldepot Bentschen hatte zur Versorgung der deutschen Ost-Armeen mit Munition eine strategisch günstige Lage. Es lag an der Eisenbahnlinie Berlin - Frankfurt a.d.O. - Posen - Warschau, verbunden mit der Eisenbahnlinie durch den Süden Polens Richtung Bulgarien und Rumänien.
Über die Bauausführung des Nahkampfmittelparks Bentschen wurden zum Teil nach Beendigung des Ersten Weltkrieges mehrere Aufstellungen gefertigt. Hier folgen zwei davon, eine weitere Aufstellung ist als Tabelle im PDF-Format einzusehen (Anmerkung: Das Depot erhielt im Verlauf der ersten Jahre nach dem Ersten Weltkrieg noch weitere Namen: 1. Neben-Artillerie-Depot Bentschen, 2. Depot Kutschkau-Rogsen und 3. Nahkampfmitteldepot Rogsen).
Aufstellung 1: 27 000 qm gedeckte Fläche, davon 168 Schuppen zu 70 qm, 24 Schuppen zu 30 qm, 16 Schuppen zu 50 qm. Der Park ist eingeteilt in 4 einzelne Gruppen mit Gruppenabstand von 500m. Ausführung der Schuppen in Eisenbetonkonstruktion mit Schlacken- und Bimsbetonfüllungen. Höhe des Fußbodens der Schuppen über Schienenoberkante 1,10 m, durchweg Vollbahnanschluß, Verwaltungsgebäude, Wirtschaftsgebäude, Betriebsgebäude einschl. Umformerstation und Werkstätten als Massivbauten. 2 Offizierswohnungen, 4 Unteroffizierwohnungen, Übergabebahnhof von der Staatsbahn und Abstellbahnhof für etwa 200 Wagen. Angegliedert ist eine behelfsmäßige Gruppe mit insgesamt 9.165 qm gedecktem Flächenraum; Ausführung der Schuppen in der behelfsmäßigen Gruppe; Unterbau bis 55 cm über Schienenoberkante massiv, darüber Holzbau mit Bretterverschalung, Pappdächer. Weitere Einzelheiten: Größe des Depots: Länge 3.000m, Breite: 2.500m, Länge des Abstellbahnhofes: 950m, 7-gleisiger Abstell- oder Verschiebebahnhof, Verschiebebahnhof hat 1 Abort, Verwaltungsgebäude für D, Hauptverwaltungsgebäude: 1, Betriebsgebäude = Lokschuppen hat 3 Gleise, Umzäunung vorhanden, Depot A mit an Ort und Stelle betonierten Schuppen, Depot A hat 2 Aborte und 1 Trafo, Depot B hat 2 Aborte und 1 Trafo, Depot C hat 2 Aborte und 1 Trafo, Depot D mit an Ort und Stelle betonierten Schuppen, Depot D hat 2 Aborte und 1 Trafo, Depot E besteht aus Holzschuppen, Fahrradschuppen: 3, Benzinkeller - für Benzolloks, Wirtschaftsgebäude: 1, Dienstgebäude (Baubüro): 1.
Aufstellung 2: Bestandsaufnahme im Jahr 1919: Die Anlage besteht aus 5 Depots A, B, C, D, und E, diese wieder aus 50 - 60 Lagerschuppen, zusammen etwa 274, die Schuppen der A-, B-, C-, D-Depots sind außerordentlich massive Betonbauten, während das E-Depot mit provisorischen Holzschuppen, aber auch dauerhaft für Jahrzehnte ausreichend bebaut ist. An massiven Steinbauten ist in erster Linie das zweistöckige Hauptverwaltungsgebäude, Wirtschaftsgebäude, 3 Verwaltungsgebäude und Betriebsgebäude zu erwähnen, zu denen kommen viele kleine Neubauten wie Transformatorenhäuser und Abortgebäude. Alle diese sind einheitliche Backsteinhäuser, verputzt, weiß getüncht und roten Ziegeldächern, stilvoll und sauber ausgeführt.
Die Baukosten für das gesamte Nahkampfmitteldepot sollen 10 Millionen Mark betragen haben, wurde 1919 festgestellt.
Am 11.3.1919 an die Feldzeugmeisterei (Absender nicht angegeben): "Angesichts der bedrohlichen Lage im Osten [...] die außerordentlich umfangreiche, noch nicht völlig fertiggestellte Anlage [...]
Einen Monat später - am 6.4.1919 - heißt es: "Aus der mir von dem Herrn Reichsschatzminister übermittelten Abschrift eines Berichts über das Nahkampfmitteldepot Bentschen ersehe ich, daß dort mit einem Kostenaufwande von bisher 10 Millionen Mark eine Anlage geschaffen ist, die jetzt - soeben vollendet - für militärische Zwecke nicht mehr Verwendung finden kann. [...]" ( Anmerkung: Danach wurde auch nach Beendigung des Ersten Weltkrieges an dem Depot weiter gebaut).
Jedes Depot hatte 6 Gleise und jeweils einen innenliegenden Fahrweg mit Wendeschleife.
Wie sah das Depot im Ganzen aus?
An welchen Eisenbahnknotenpunkten lag das Depot?
Am 23. Juni 1919 heißt es u.a.: "[...] Nahkampfmitteldepot Bentschen ist infolge der politischen Lage teilweise geräumt."
Oktober 1921, beim Wirtschaftsgebäude wird erwähnt: "Größere Entwertung durch Diebstähle aus dem unfertigen Gebäude." Und: "Das Betriebsgebäude wurde 1917 gebaut, die anderen Gebäude 1917/1918."
April 1921: Die Schuppen der Behelfsanlage sind zum großen Teil schon abgebrochen.
Ein großer Teil der Materialien und große Mengen Munition aller Art liegen im Freien vor den Baracken umher und bieten besonders der polnischen Bevölkerung Gelegenheit zu allerhand Unfug und Diebstählen. Die Absicht der Polen auf diese Anlage und die dort liegenden Vorräte steht außer Frage.
Januar 1922: Mit dem Abbruch des Nahkampfmitteldepots wird begonnen.
März/April 1922: Die Umzäunungen der Depots werden entfernt.
Ende Juni 1922: Der Abbruch der Anlagen ist mit geringen Ausnahmen durchgeführt.
Anfang Juli 1922: Es werden nur noch einzelne Teile der bereits zerlegten Munitionsschuppen abgefahren.
Etwa Mitte Juli 1922: Die letzten Gleise mit Ausnahme des Zuführgleises nach dem ehemaligen Verschiebebahnhof werden aufgenommen.
Etwa Mai 1923: Die Gleisanlagen nach dem Verschiebebahnhof werden aufgenommen, weil die Reichsbahnverwaltung diese Gleisanlagen zum Abtransport des beim Abbruch der ehemaligen Betriebsgebäudes gewonnenen Baustoffe dringend gebrauchte.
Das Landesfinanzamt Brandenburg in Berlin am 16.1.1923 an den Reichschatzminister: "Daß durch die vollständige Zerstörung des Depots - Sprengung der Betonschuppen, Aufnahme der Kabel- und Gleisanlagen usw. außergewöhnliche Schäden, mit denen die Besitzer bei der s.Zt. Rücknahme der Grundstücke ohne Entschädigung nicht rechnen konnten, entstanden sind, entspricht den Tatsachen. [...] Nur 10 Betonbauten wurden in Bentschen gesprengt, wodurch erheblicher Schaden entstand und die Wiederanpflanzung von Wald unmöglich gemacht wurde. Auch geht aus den Unterlagen hervor, daß die alten und später wieder Eigentümer klagten, daß sie mit den Böden, auf denen Gleise verlegt waren, nicht viel anfangen konnten. Ein Gastwirt, Alteigentümer z.B. möchte Schadensersatz, weil er seine Gastwirtschaft nicht wieder aufbauen kann ohne große Investitionen. Es scheint sich also um teilweise bebautes und teilweise Waldgebiet gehandelt zu haben, auf dem das Munitionsdepot gebaut wurde." (Anmerkung: Feststellung auf Grund von Beschwerden der jetzigen Eigentümer über Beschädigungen durch die Zerstörung der Betonschuppen. Bittschreiben um Abfindungen).
Landesfinanzamt Brandenburg in Berlin am 2.6.1923 an den Reichsminister der Finanzen "[...] Die Wiederherstellung der öffentlichen Wege im früheren Nahkampfmitteldepot Rogsen ist beendet."
Bei einem Verkauf sollte für das Depot Bentschen einschl. der behelfsmäßigen Gruppe 18.150.000 - (ausschließlich Grunderwerb) erzielt werden.
Es wurde lange vermutet, dass Reste des ehemaligen deutschen Depots für Nahkampfmittel im heutigen Polen noch vorhanden sind, nun liegt das Ergebnis vor: Mit großem Engagement eines Deutschen (Manfred Helmig) und einer Polin (Maria Zaleska) ist es gelungen, Klarheit in diese Angelegenheit zu bringen. Eine polnische Website (mit deutscher Übersetzung) wurde installiert und gibt Aufschluss über den heutigen Stand der ehemaligen deutschen Militäranlage.
Für dieses Projekt in Polen konnten einige Lehrer und Schüler motiviert werden. Für ihre Arbeit gebührt Ihnen Anerkennung. Folgende Hobby-Historiker/innen sind zu nennen: Frau Maria Zaleska (sprachliche Bearbeitung); Herr Ryszard Gorawski (Fotos) - alle aus Zbaszynek - sowie die Herren Piotr Kasza und Przemyslaw Rzad (grafische Bearbeitung).
Zwei Fotos - Zeitzeugen vergangener Zeiten.
Eine "Reichspost"-Briefmarke mit dem Stempel von Bentschen aus dieser Zeit: |
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