Mit den Abrüstungsartikeln des Versailler Vertrages mußte zugleich auch die Kontrolle ihrer Durchführung festgesetzt werden. Hierauf erstreckte sich die Aufgabe der Interalliierten Militär-Kontroll-Kommission (IMKK), deren Tätigkeit sehr erfolgreich war. Die Kontrollkommission hatte in vielen Punkten praktische Auslegungsbestimmungen des Versailler Vertragswerks geschaffen, die weit über den ursprünglich vorgesehenen Rahmen hinausgingen. Das mußte berechtigten Widerstand hervorrufen.
Die Haltung der Reichsregierung war verständlich aus dem damaligen Dilemma der Zeit: einmal dem Gegner nicht mehr einzuräumen, als der Vertrag selbst besagte, zum anderen aber in der Frage der Landesverteidigung, die für Deutschland auf lange Zeit kein Faktor einer aktiven Außenpolitik sein konnte, nachzugeben, um wirtschaftliche Erleichterungen zu erhalten.
Es ist letztlich die Kunst der Diplomatie gewesen, die auch dem militärischen Sektor eine Erleichterung verschafft hat. Aus der Sicht der Kontrollierenden mußte die Frage nach der Sicherheit in den Vordergrund gestellt werden; nur konnte diese auf die Dauer nicht mit Polizeimitteln garantiert werden, sondern bedurfte des gegenseitigen Vertrauens in den Beziehungen der Völker. Aus der Sicht der Kontrollierten wurde ein Staatsnotstand geltend gemacht und die Ehrauffassung des Soldaten der fortgesetzten Überwachung entgegengestellt. Betrachtet man das schließlich Ergebnis der Rüstungskontrolle, so ist zu sagen, daß sie letztlich unwirksam gewesen ist, weil die einseitige Abrüstung allein auf der Kontrollbasis nicht für die Dauer zu erzwingen war.
Am 9. Juli lag ein ausführlicher Entwurf vor, in dem die Militärkontrolle organisiert war. Er wurde ohne weiteres akzeptiert. Das Dokument sah vor: Interalliierte Militär-, Marine- und Luftfahrt-Kontrollkommissionen nehmen ihre Arbeit vom Datum des Inkrafttretens des Friedensvertrages an auf.
Es wurden drei Kommissionen eingerichtet (IMKK, ILÜK, NIACC). Präsident der IMKK soll ein französischer sein. Die Vollmachten der Kontrollkommissionen sind in den Artikeln 203-211 des Versailler Vertrags festgelegt. Die IMKK überwacht außer den Heeresklauseln (Artikel 159-180 des Versailler Vertrags) auch die Marinebestimmungen. Die Artikel 211-212 des Versailler Vertrags werden von allen drei Kommissionen überwacht, insoweit ihr Arbeitsgebiet berührt ist. Die Kosten der Kontrolle sind von Deutschland zu tragen.
Der zweite Abschnitt des erwähnten Dokuments befaßt sich im ersten Teil mit der Organisation der IMKK. Er setzt einen Stab fest, der Mitglieder jedes in der Kommission vertretenen Landes umfassen soll und an dessen Spitze der Präsident der IMKK steht. Er wird durch das notwendige technische, juristische und finanztechnische Personal unterstützt. Die IMKK wird in Unterkommissionen gegliedert:
Die Unterkommission für Munition, Bewaffnung und Material überwacht die Durchführung der Artikel 164-172, 180, 195 (§ 1) und 196 (§ 2, 3) des Versailler Vertrags
Die Unterkommission für Stärken, Rekrutierung [...]
Unterkommission für Befestigungen überwacht die Durchführung der Artikel [...]
Am 17. Juli 1919 bestimmte Foch den Divisions-General Claude Marie Noilet, einen verdienten Frontoffizier, zum Präsidenten der IMKK. Noilet schildert, Foch habe ihn von der Wichtigkeit und Bedeutung seiner Aufgabe überzeugt. Am Beginn einer Kontrolltätigkeit, die erst aufgenommen werden durfte, als der Friedensvertrag in Kraft trat und dem Kriegszustand offiziell ein Ende bereitete! General Noilet ist einer der wenigen Kontrolloffiziere, die für uns überhaupt aus der Anonymität heraustreten. Im allgemeinen haben die Kontrollkommissionen nur als Kollektiv in den Büchern, Memoiren und Akten Eingang gefunden. | General Noilet |
Noilet war hervorragend geeignet für die schwierige Aufgabe, die man ihm übertragen hatte. Er war streng und rigoros in seinen Ansichten, wenn es um die Durchführung der Versailler Klauseln ging; oft gewinnt man den Eindruck, daß er die Verpflichtungen, die Deutschland eingegangen war, und die die IMKK zu überwachen hatte, verschärfte, indem er die Bestimmungen im ungünstigsten Sinne auslegte. Auf der anderen Seite war Noilet klug und nüchtern genug, um die Möglichkeiten und Grenzen der Kontrolltätigkeit zu erkennen. Er urteilte über die Arbeit der Kommission in hohem Grade objektiv.
In einer Sitzung der Delegationschefs der Fünf Großen Mächte am 8. August skizzierte Noilet mit wenigen Worten Aufgabe und Tätigkeit der IMKK. Er führte aus, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Unterkommission für Bewaffnung und Munition die größte Bedeutung habe. Daher werde diese Kommission dafür sorgen müssen, daß jeder Überschuß an Kriegsmaterial innerhalb der kürzesten Frist, das heißt innerhalb dreier Monate nach Inkrafttreten des Vertrages, an die Alliierten ausgeliefert wird. Darüber hinaus müsse die Kommission die Produktion in den Fabriken überwachen; eine Aufgabe, die einen hohen Personalaufwand erforderlich mache, da gleichmäßig alle Fabriken kontrolliert werden müßten. Die Unterkommission für Stärken und Rekrutierung werde erst in Zukunft ihre größte Bedeutung erlangen. Sie müsse die deutsche Heeresgesetzgebung daraufhin prüfen, ob sie mit den Bestimmungen des Versailler Vertrags übereinstimme, müsse die deutsche Organisation des Wehrwesens und die Art und Weise möglicher Mobilisation studieren. Daneben, führte Noilet aus, sei die Tätigkeit der Unterkommission für Befestigungen einfacher, ihre Aufgabe leichter durchführbar.
Noilet versicherte, daß ein ganzes Netz der Kontrolle über Deutschland gezogen werden müsse, für das er ein Minimum von 350 Offizieren, 150 Dolmetschern und 800 Soldaten für notwendig hielt. Diesen Forderungen, wie den über alle bisherigen Vorstellungen hinausgehenden Plänen Noilets, wurde ohne weiteres zugestimmt! Alle Fragen der Übersiedlung des Personals, seiner Unterbringung und Aufgliederung sollten vom Stabe Marschall Fochs oder vom Stab des französischen Kommandierenden am Rhein behandelt werden.
Am 11. August richtete die deutsche Delegation in Versailles eine Note an Marschall Foch mit der Einladung einer Vorkommission, die zusammen mit deutschen Stellen die Durchführung der militärischen Bestimmungen vorbereiten sollte, bevor noch der Friedensvertrag und damit die eigentliche Kontrolle in Kraft getreten sei. Der deutsche Schritt wurde damit begründet, daß so schnell wie möglich eine ganze Reihe von wichtigen finanziellen, gesetzgeberischen und verwaltungstechnischen Maßnahmen ergriffen werden müßte. Dadurch ließen sich von Anfang an Differenzen vermeiden.
Die deutsche Einladung hat den eigenen Wünschen Fochs entsprochen. In seinem Schreiben vom 17. August 1919. unterstrich er die Nützlichkeit einer sofortigen Aufnahme der Arbeiten. Bei dem deutschen Entschluß, bereits vor Inkrafttreten des Versailler Vertrags eine Kontrollkommission einzuladen, haben zwei Gründe den Ausschlag gegeben: Einmal war es der einheitliche Wille aller deutschen Stellen, die Kontrolle so schnell wie möglich hinter sich zu bringen und deswegen den Kontrollkommissionen tatsächlich die Arbeit so zu erleichtern, daß sie keinen Grund zu einen über die Drei-Monatsfrist hinausgehenden Verweilen in Deutschland haben konnten; zum Ändern hoffte man, mit einem Kontrollorgan, welches seine Tätigkeit vor Inkrafttreten des Friedensvertrages vorbereitete, eher verhandeln zu können, als wenn hinter dieser Kommission bereits das ganze Gewicht des besiegelten und ratifizierten Vertrages stand. Die Kontrollkommission konnte dann unter Hinweis auf die unabänderlichen Vertragsartikel auch das geringste Zugeständnis ablehnen. Dieser Gedankengang kam in dem deutschen Schreiben nur schwach zum Ausdruck. Foch spürte jedoch die deutschen Nebenabsichten sofort auf und stellte klar, daß von Verhandlungen zwischen Kontrollkommission und Deutscher Regierung über die Vertragsklauseln keine Rede sein könne. Die Kommission habe lediglich die Aufgabe, die praktische Durchführung der Vertragsbestimmungen sicherzustellen.
Foch kündigte darauf in Noten vom 23. August und 31. August 1919 an, daß eine Vorkommission am 5. September abreisen würde. Diese Delegation sollte aus 60 Offizieren, 12 Dolmetschern, 77 Mann und 13 Automobilen bestehen, so daß in der Vorhut aller drei Kommissionen der interalliierte Charakter gewahrt blieb.
Auf deutscher Seite hatte man eine so umfangreiche Delegation nicht erwartet; zudem war ersichtlich, daß die eigenen Pläne durchschaut waren. Unter diesen Umständen wurde der deutsche Wunsch hinfällig. Freiherr von Lersner, der Leiter der Friedensdelegation in Versailles, ließ Foch daher am 3. September wissen, daß die deutsche Regierung die Anzahl der Kontrolloffiziere für zu groß halte und deswegen in der sofortigen Entsendung einer so großen Kommission einen ernsten Nachteil erblicken müsse. Falls man die sofortige Entsendung der Delegation dennoch für notwendig erachte, müsse sie verkleinert werden. Zur Begründung führte man innenpolitische Schwierigkeiten ins Feld, die sich aus der Ankunft der Kommission vor Inkrafttreten des Friedensvertrages ergeben würden.
Am 4. September brachte Foch dieses Schreiben der Friedenskonferenz zur Kenntnis. Man beschloß, von der Entsendung dieser Vorkommission einstweilen abzusehen. Doch bereits am 8. September zog die deutsche Delegation ihre Einwände zurück, die Kommission konnte abreisen. Die Vorkommission unter Noilet, zu der die wichtigsten Mitglieder des Überwachungsausschusses gehörten, verließ bereits am 13. September 1919 Paris. Von den führenden Männern blieben General Walch und der französische Oberst Roye zurück, um die Aufstellung der Hauptkommission weiter zu betreiben und die Verbindung der Kommission mit dem Hinterland zum Abschluß zu bringen.
Die IMKK. Der Versailler Vertrag wurde von den Vereinigten Staaten nicht ratifiziert, infolgedessen nahmen auch keine amerikanischen Vertreter an der Kontrolle teil. Daraus ergab sich eine Verschiebung des prozentualen Anteils der anderen in der IMKK vertretenen Nationen. Da Italien und Japan nur ein Drittel ihres Kontingentes stellten, änderte sich die ursprünglich vorgesehene Zusammensetzung noch weiter.
Die IMKK hatte 291 Offiziere, 88 Dolmetscher im Offiziersrang und 654 Mann. Hauptsitz der Kommission war Berlin. Noilet stand ein ‚Rat der Kommission' zur Seite, dem zu Beginn der Kontrolltätigkeit folgende Offiziere angehörten:
General Walch, Adjutant, später Nachfolger Noilets als Präsident der IMKK
General Barthelemy, französischer Präsident der Unterkommission für Stärken
Oberst Bizouard, französischer Präsident der Unterkommission für Befestigung
General Sir Francis Bingham, Präsident der Unterkommission für Bewaffnung, Munition, Kriegsmaterial (für das Depot zuständig)
General John A. Morgan, Juristischer Berater
General de Guffroy, Leiter der belgischen Delegation
General Calcagno, Leiter der italienischen Delegation
Oberst Furuya, Letter der japanischen Delegation.
Nach dieser Verteilung hatten die Franzosen mit Noilet vier Stimmen, die Engländer zwei, die drei anderen Nationen je eine Stimme. So bildeten die Franzosen auch in diesem Gremium die stärkste Gruppe. Noilet bemühte sich allerdings immer, den interalliierten Charakter der Kommission zu wahren. Die französische Vorrangstellung in der Kommission wurde erst erschüttert, als seit 1925 Beschlüsse des Rates einstimmig gefaßt werden mußten.
Der Hauptkommission waren zwei Stäbe angegliedert. Ein Verwaltungsstab hatte die Aufgabe, zwischen den drei Unterkommissionen zu verbinden, ihre Arbeit zu zentralisieren, Streitigkeiten zu schlichten, sowie finanzielle und materielle Fragen zu behandeln. Der eigentliche Stab gliederte sich in neun Gruppen.
Die eigentlichen ausführenden Organe der IMKK, waren die sogenannten ‚Distriktkommissionen', die über das ganze Land verteilt waren.
Der Versailler Vertrag gab den Kontrollkommissionen das Recht, so oft sie es für angebracht erachten, sich an jeden beliebigen Ort des deutschen Reichsgebiets zu begeben, Unterausschüsse dorthin zu entsenden oder eins oder mehrere ihrer Mitglieder zu beauftragen, sich dorthin zu verfügen. Anfangs hatte man von deutscher Seite versucht, unter Berufung auf diesen Artikel die Einrichtung von ständigen Distriktkommissionen als dem Versailler Vertrag nicht gemäß abzulehnen, sah jedoch bald ein, daß der Sinn des Vertrages nicht für die deutsche Sache sprach und gab sich schließlich mit den ständigen Distriktkommissionen zufrieden.
Diese Kommissionen standen in direktem Kontakt mit den zu überwachenden Fabriken, Anlagen und Befestigungen, sowie den Reichswehreinheiten. Die Einteilung Deutschlands in 'Kontrollprovinzen' richtete sich im Bereich der Unterkommissionen für Bewaffnung und Befestigung nach der geographischen Lage der zu kontrollierenden Objekte; die Distrikte der Unterkommission für Stärken paßten sich den alten Grenzen der Gruppenkommandos an. Die Distriktkommissionen wurden bei den ehemaligen Gruppenkommandos eingerichtet. Von hier aus konnten die alliierten Offiziere die Heeresverminderung am besten beobachten.
Anzahl und Standorte der Distriktkommissionen veränderten sich fortwährend. Aus der Tabelle können die wichtigsten Distriktkommandos entnommen werden.
Ort | Festungen | Stärken | Waffen |
Berlin | - | englisch | italienisch |
Stettin | - | französisch | französisch |
Königsberg | vorhanden | französisch | englisch |
Breslau | - | französisch | englisch |
Dresden | - | englisch | französisch |
München | - | französisch | italienisch |
Frankfurt/Main | - | - | französisch |
Stuttgart/Karlsruhe | französisch | italienisch | belgisch |
Köln/Düsseldorf | belgisch | - | englisch |
Münster | - | belgisch | englisch |
Hannover | - | - | französisch |
Kiel | englisch | - | - |
Essen | - | - | vorhanden |
Hamburg | - | - | vorhanden |
Die Distriktkommissionen wurden nach und nach bis zum Herbst 1925 aufgelöst. 1926 bestand nur noch das Zentrum in Berlin. Aus dieser Tatsache läßt sich bereits der Wandel der Kontrolltätigkeit erkennen; indem außer den örtlichen Kontrollkommissionen auch die Unterkommissionen aufgelöst wurden, änderten sich Charakter und Funktion der IMKK vollkommen.
Die Organisation der IMKK war straff und gut durchgegliedert; sie konnte in dieser Form ein Höchstmaß an Wirksamkeit entfalten.
Es erwies sich, daß zur Ausführung dieses Artikels der Aufbau einer ganzen Organisation notwendig war. Wollte man den erwünschten engen Kontakt mit den Überwachungsausschüssen herstellen, mußte man sich der Gliederung der IMKK weitgehend anpassen.
Auch die Heeresfriedenskommission konnte sich auf die Erfahrungen und Ergebnisse der Waffenstillstandskommission stützen, doch mußte die Organisation der ‚Heeresfriko' immer so elastisch bleiben, daß sie sich mühelos den organisatorischen Veränderungen innerhalb der IMKK angleichen konnte. Nachdem die Umstellungen innerhalb des Reichswehrministeriums zum Abschluß gekommen waren, unterstand die Heeresfriedenskommission anfangs direkt dem Reichswehrminister, später wurde sie dem Truppenamt angegliedert.
Die Heeresfriedenskommission schuf sich ihr Exekutivorgan in der Haupt-Verbindungsstelle. Diese gliederte sich entsprechend der Unterteilung der IMKK in drei Unterkommissionen für 'Stärken', 'Material' und 'Festungen'. Den Distriktkommissionen der IMKK bei den ehemaligen Generalkommandos entsprachen die deutschen Verbindungsstellen der Hauptverbindungsstelle, die sich in Art und Zahl den interalliierten Distriktkommissionen anpaßten. Den ‚Kontrolloffizieren' standen hier ‚Verbindungsoffiziere' gegenüber, aktive Soldaten, deren Zahl nicht auf die Gesamtstärke der in der Reichswehr erlaubten Offiziere angerechnet zu werden brauchte.
"Eine 'Unterkommission für Material (M)' unter Leitung des Generalmajors Strempel stellte die Verbindung zur Unterkommission 'M' der IMKK her. Die Kommission war zuständig für: "Verhandlungen und Schriftverkehr mit der Unterkommission 'M' der IMKK, sowie den Reichsministerien und der Industrie über die Durchführung der Artikel 164-172 des Versailler Vertrages. Diesbezügliche Anordnungen an die Verbindungsstellen." (Anmerkung: Heeresfriedens-Kommission - Unterkommission "M" - Zweig-Verbindungsstelle Münster (das ist die Zweigstelle von Düsseldorf), hatte ihren Sitz im Bahnhofs-Hotel.)
Die IMKK und die Organisationsstruktur [PDF-Datei] für das Nahkampfmitteldepot Hembergen.
Bei den Distriktkommissionen und den Verbindungsstellen geschah die eigentliche praktische Arbeit. Hier standen die interalliierten Kontrolloffiziere mit den deutschen Verbindungsoffizieren im engsten Kontakt.
Die deutschen Verbindungsstellen im Reich unterstanden der Hauptverbindungsstelle in Berlin. Von dort erhielten sie die allgemeinen Weisungen der Friedenskommission. Doch waren die Verbindungsstellen im Vergleich zu den Distriktkommissionen selbständiger. In Form von wöchentlichen bzw. monatlichen Berichten unterrichteten sie die Heeresfriedenskommission, in wichtigen Angelegenheiten erfolgte die Benachrichtigung Jedoch sofort. Ab und zu fanden sowohl bei der Interalliierten Kommission wie bei der Heeresfriedenskommission Unterweisungen sämtlicher Letter in Berlin, selbstverständlich für beide Parteien völlig getrennt, statt. Hier wurden die Erfahrungen ausgetauscht und alle Schwierigkeiten, die sich im Laufe der Zeit ergeben hatten, ausführlich besprochen.
Kühles Verhalten unter strenger und peinlicher Wahrung der Form, Privatgespräche möglichst vermeiden. Größte Vorsicht und Zurückhaltung bei Gesprächen über Außen- und Innenpolitik, über Leistungen der Marine im Kriege und über -waffentechnische Fragen. Dabei liegt es aber in unserem Interesse, die Ansichten der fremdländischen Offiziere auf diesen Gebieten kennenzulernen.
Die Verbindungsoffiziere waren gehalten, sämtliche Angelegenheiten der Kontrollen als Dienstgeheimnisse zu betrachten und ausführlich an die vorgesetzten Behörden zu berichten. Die Kontrollkommission merkte rasch, daß ihr in der Heeresfriedenskommission ein wirksames Organ einer Art 'Gegenkontrolle' erstanden war. Sie bemühte sich in verstärktem Maße, diese Behinderung abzuschütteln, indem sie auf unangesagten Kontrollbesuchen bestand, besonders eifrige Friko-Offiziere abzulösen trachtete oder endlich sich überhaupt weigerte, mit dem Leiter der Hauptverbindungsstelle, von Cramon, zu verhandeln.
Der Streit um das Recht der Friedenskommission, zu jedem Kontrollbesuch einen Verbindungsoffizier zu stellen und die Forderung der IMKK, unangesagte Besuche durchzuführen, wurde im Oktober 1920 zum Gegenstand eines Notenwechsels zwischen Hauptverbindungsstelle und IMKK. Das Reichswehrministerium hält grundsätzlich an der Auffassung fest, hieß es in einem diesbezüglichen Schreiben, daß die Deutsche Regierung nach dem Friedensvertrag von Versailles das Recht hat, bei allen Kontrollhandlungen vertreten zu sein, und daß die Interalliierten Kontroll-Kommissionen demnach nicht beanspruchen können, solche Handlungen in Abwesenheit der deutschen Verbindungsoffiziere vorzunehmen. Diese Argumentation überzeugte nicht.
In den folgenden Jahren führte die IMKK immer wieder unangesagte Besuche durch, bei denen die Anwesenheit der Verbindungsoffiziere nicht immer gesichert sein konnte. Die Überraschungsbesuche haben freilich nur einen kleinen Prozentsatz der Besichtigungen ausgemacht. Schließlich konzedierte man der IMKK das Recht auf unangemeldete Inspektionen, suchte sich aber gegen alle eventuellen Zwischenfälle, zu denen es dabei kommen konnte, zu sichern:‚Eine Verantwortung dafür, daß Besichtigungen ohne Zuziehung eines Verbindungsoffiziers in der der Kontrollkommission erwünschten Weise durchgeführt werden können, kann allerdings nicht übernommen werden. Insbesondere kann in solchen Fällen keine Gewähr für die Richtigkeit der Auskünfte geleistet werden. insbesondere wird hervorgehoben, daß den Kontrolloffizieren selbst keinerlei Befehlsgewalt über die Truppe zusteht.'
Das Reichswehrministerium hält sich ferner für verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß die Gefahr ernster Zwischenfälle, an deren Vermeidung ihm ebenso wie der Kontrollkommission gelegen sein muß, erheblich wächst, wenn bei den Besichtigungen keine Verbindungsoffiziere zugezogen werden.
Die Tätigkeit der IMKK sollte sofort unmöglich gemacht werden, wenn sie sich nicht an das strenge Reglement der Kontrolle hielt. In der Praxis verstand es die Kommission aber durchaus, diese Absicht zu durchkreuzen. Sie führte zwar Überraschungsbesuche ohne Verbindungsoffiziere durch; wenn sie aber glaubte, dabei wichtige Entdeckungen zu machen, ließ sie den Tatbestand sichern und wiederholte den Besuch an einem späteren Tage in Begleitung eines Friko-Offiziers. Sicherlich ist es manchmal gelungen, Waffen, Munition und Gerät vor der Kontrolle und Entdeckung zu schützen, doch im Vergleich mit den erreichten Ergebnissen der Entwaffnung waren das immer nur vereinzelte und ziemlich unbedeutende 'Erfolge', die der deutschen Politik tatsächlich mehr geschadet als genützt haben.
Der Verkehr zwischen Distriktkommissionen und den Verbindungsstellen spielte sich hauptsächlich schriftlich, in Form von Noten ab. Man hat besonders in der ersten Zeit absichtlich vermieden, geschäftliche Dinge mündlich zu erledigen; neben dem psychologischen Moment, das einen engeren Kontakt zwischen 'Feinden' ausschloß, waren beide Seiten bemüht, sich keine 'Blöße' zu geben, auf kein Recht, keine Forderung zu verzichten, hingegen alle Möglichkeiten, die der Versailler Vertrag bot, voll auszuschöpfen. Das ließ sich aber nur schriftlich bewerkstelligen, da mündliche Vereinbarungen diesen Rechtscharakter nicht immer hatten, und es schwierig geworden wäre, sich auf vorhergegangene mündliche Abmachungen bzw. Interpretationen zu berufen. Erst wenn alle Punkte der Kontrollhandlung hinlänglich schriftlich geklärt waren, erfolgte die eigentliche Kontrolle.
Die Frage des Kriegsmaterials ging die Reparationskommission ebenso an wie die IMKK. Die Kontrollkommission neigte dazu, soviel wie möglich zu zerstören und unbrauchbar zu machen, die Reparationskommission stellte sich eher auf einen ökonomischen Standpunkt; die Zahlungsfähigkeit Deutschlands wurde in Mitleidenschaft gezogen, wenn ihm unter dem Vorwand, es handele sich um zer-störungspflichtiges Kriegsmaterial, eine Großzahl von Produktionsmöglichkeiten genommen wurde. So sah sich die IMKK manchmal genötigt, ihre Forderungen mit Rücksicht auf die der Schwesterkommission zurückzuschrauben. Die deutsche Regierung hat dieses Dilemma nach Kräften ausgenützt, indem sie bei jeder Forderung nach Zerstörung oder Unbrauchbarmachung von Maschinen und Werkzeugen darauf hinwies, daß dadurch nicht nur das berechtigte Interesse Deutschlands, sondern auch das der Reparationsgläubiger verletzt würde. Auf diese Art gelang es manchmal, Zerstörungen zu verhindern.
Ein Beschluß der Botschafterkonferenz vom 26. Mai 1920 wollte die Zerstörungswut der IMKK eingrenzen. Er legte fest, daß dasjenige von Deutschland abzuliefernde Kriegsmaterial, das nicht zum Kampf gebraucht wird, aber in Friedenszeit von Nutzen sein kann, nicht zerstört zu werden braucht. Daraufhin machte die deutsche Regierung entsprechende Vorschläge, die die IMKK am 12. August 1920 aber in einem Sinne beantwortete, der nach deutscher Auffassung dem Botschafterbeschluß zuwiderlief und die Wirtschaft schwer schädigte.
Reichsregierung protestierte schärfstens, doch vergeblich. Die Frage, was Kriegsmaterial sei, ist bis zum Schluß der Kontrolle nicht endgültig geklärt worden. Sie bildete einen der letzten Punkte, in denen die Entwaffnung Deutschlands nach alliierter Ansicht noch nicht vollständig war. Zerstörung und Kontrolle des Kriegsmaterials gingen folgendermaßen vor sich: Die eigentliche Überwachung rührten die Distriktkommissionen durch. Dabei wurde zuerst der Tatbestand festgestellt, danach wurden Abrüstungsvorschläge gemacht und diese von Fall zu Fall festgesetzt und erneut kontrolliert, so daß die einzelnen Stellen, Behörden wie Industriewerke, mehrfach, oft zehn- bis zwölfmal im Laufe der Jahre besucht wurden. Bei dem abgegebenen Schrott wohnte die Entente zunächst der Zerstörung bei, besichtigte dann noch einmal die Gegenstände in völlig zerstörtem Zustande und überwachte den Verbleib des Schrotts solange, bis er der völligen Vernichtung anheim fiel. Eventuelle Käufer mußten sich von der Kommission eine Kaufgenehmigung besorgen, und wechselte der Schrott dann nochmals seinen Besitzer, mußte auch der nächste Käufer angegeben werden und so fort, bis der Schrott zur Neueinschmelzung in den Ofen wanderte. Wurde er während des Verkaufs in eine andere Provinz überführt, so übernahm die dortige Distriktkommission im Verein mit der dortigen Verbindungsstelle die Kontrolle desselben.
Dieses Verfahren war außerordentlich zeitraubend und kompliziert. Die Regierung unterbreitete deswegen ein Gesuch, in dem die IMKK darum gebeten wurde, Ortsveränderungen von Kriegsmaterial während der Heeresverminderung, die schnell durchgeführt werden mußte, auch ohne vorherige Genehmigung zu gestatten. Das Gesuch wurde abgelehnt.
Das Reich hatte im 'Reichsverwertungsamt', das als 3. Abteilung dem Reichsschatzministerium unterstand, eine besondere Behörde ins Leben gerufen, die die Verteilung, Zerstörung und den Verkauf des Materials durchführte. Daneben wurde die am 31. März 1920 gegründete 'Reichstreuhand-Gesellschaft AG' zu rechtsgeschäftlichen Verfügungen über Militärgut ermächtigt; bald darauf übernahm sie die Aufgabe des Reichsverwertungsamtes ganz. Diese Stelle arbeitete ab Juni 1920 mit einer Unterkommission der Reparationskommission dem die Verwertung aller Materialien, die durch die Artikel 169, 192 und 202 der Entwaffnung anheimfielen, vorbehalten war. Kriegsmaterial, das ausländischen Staaten gehörte und sich noch in Deutschland befand, mußte an den Grenzorten ausgeliefert werden. Alles darüber hinaus nach Deutschland gelangendes Material fiel mit der Tatsache seiner Hinüberschaffung nach Deutschland unter die Kontrolle der IMKK. Diese Bestimmung wurde getroffen, als im Verlaufe des russisch-polnischen Krieges russische Verbände mehrmals die ostpreußische Grenze überschritten.
Am 5. November 1920 wurde zwischen dem BLMG und der Reichstreuhandgesellschaft ein Vertrag abgeschlossen, der die Zusammenarbeit zwischen beiden Behörden und die Veräußerung bzw. Zerstörung des Kriegsmaterials regelte. Das BLMG war ähnlich der IMKK aufgebaut, besaß einen Stab in Berlin und Unterkommissionen an den gleichen Orten wie die Kontrollkommissionen. Die Tätigkeit dieses Zweiges der 'Wiedergutmachungskommission', wie die Reparationskommission ursprünglich genannt wurde, stieß anfangs auf das Mißtrauen der deutschen Stellen, besonders als die Mitglieder dieser Kommissionen, vorwiegend ebenfalls Offiziere, Anstalten machten, auf eigene Faust auf die Jagd nach verstecktem Kriegsmaterial zu gehen. Das BLMG versuchte offensichtlich, engeren Kontakt mit den deutschen Verbindungsstellen zu vermeiden, da diese mittlerweile ein besonderes Geschick entfaltet hatten, unberechtigten Forderungen von alliierten Kommissionen, gleich welcher Art, wirksam entgegenzutreten. In Verhandlungen zwischen den einzelnen Ressorts, die von der Tätigkeit des BLMG berührt wurden, ergab sich später (Januar 1921) eine befriedigende Abgrenzung der Befugnisse dieser Kommission.
Durch die Arbeit des BLMG wurde die IMKK von allen wirtschaftlichen und finanziellen Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Liquidation des Kriegsmaterials ergaben, entlastet. Im Juni 1923 stellte dieses Büro seine Tätigkeit ein; alles, was nun noch an Material anfiel - viel war es nicht mehr - wurde von der IMKK nach seiner Zerstörung nicht mehr beansprucht26. Über die Zerstörungen berichteten die Distriktkommissionen an die Zentrale, wo diese Meldungen gesammelt und ausgewertet wurden.
Die Vorbereitung der Generalinspektion hatte mehrere Monate gedauert und stand im engsten Zusammenhang mit den politischen Ereignissen. Man war sich einig, die Kontrolle im Geiste der Verständigung durchzuführen, doch war keine Seite bereit, der anderen sachlich mehr zuzugestehen als unumgänglich war. Da man wußte, welche Bedeutung dieser letzten Überprüfung des deutschen Rüstungsstandes zukam, trachteten sowohl die deutschen als auch die alliierten Behörden danach, sich eine möglichst günstige Ausgangsbasis zu verschaffen. Das zähe Ringen zwischen den Beteiligten um die Modalitäten der Kontrolle fand hier seine tiefere Begründung. Für Deutschland war die Generalinspektion mit dem Antagonismus zwischen Reichswehrministerium und Auswärtigem Amt belastet; der Geist der Konzillianz, des Zugeständnisses, der in der Friedensabteilung gefördert wurde, stieß im Reichswehrministerium auf wenig Gegenliebe.
Nachdem die Generalinspektion mit der Note vom 8. Juli 1924 angenommen war, begann ein siebenwöchiger Notenwechsel zwischen, der Deutschen Regierung und der IMKK. Er endete mit folgenden Übereinkünften: Die Kommission trat in Zivil auf, die Besuche sollten zwei bis acht Tage vorher angekündigt werden, die Kontrollen begannen bei der Industrie und erst am elften Tag nach Inspektionsbeginn bei der Reichswehr. Der IMKK wurde auch die Kontrolle der Festungen und des in ihnen lagernden Materials gestattet. Verbindungsoffiziere waren grundsätzlich zuzuziehen, doch konnte die IMKK notfalls auch ohne Verbindungsoffiziere kontrollieren. Die Kommission bestand auch auf dem Recht, unangesagte Kontrollen durchzuführen; zu Beginn der Generalinspektion hatte man in diesem Punkt allerdings noch keine volle Übereinstimmung erzielt.
Nach Abschluß der Generalinspektion und der Bereinigung der fünf Punkte hatte die IMKK einen Gesamtbericht anzufertigen, der nach einer Prüfung durch das Versailler Komitee der Botschafterkonferenz zugeleitet werden sollte. Auf Grund der Erfahrungen und Ergebnisse der Kontrollen, konnte die Botschafterkonferenz daraufhin eine von drei möglichen Entscheidungen, treffen.
In 39½ Monaten hatte die IMKK 33.381 Kontrollen durchgeführt, das waren rund 28 Besuche täglich. Sie hatte bis zum Inkrafttreten des Dawes-Abkommens 38.713.976 Goldmark gekostet. Von diesem Zeitpunkt an wurden die finanziellen Lasten für die IMKK auf die Annuitäten des Dawes-Plans angerechnet.
Die Bemühungen der IMKK um die Reduzierung der Polizei, die Organisation der Reichswehr, des Reichswehrministeriums, die Auflösung von Verbänden und Zeitfreiwilligen, ihr Einfluß auf Gesetzgebung, Industrie und Polizei, all das, was im Grunde den wichtigeren Teil der Kontrolltätigkeit ausmachte, erschienen in solchen Zahlen nicht. Diese Ergebnisse blieben der Öffentlichkeit großenteils unbekannt.
Am 22. Juli teilte Briand dem Generalsekretär des Völkerbundes offiziell mit, daß die Tätigkeit der IMKK mit dem 31. Januar 1927 erloschen sei. Der Schlußbericht der IMKK, ein Werk von 34 Bänden, wurde in Genf hinterlegt. Im Falle einer Investigation konnte er, nach dem 31. Januar 1930 durch einen Ergänzungsbericht der Militärexperten vervollständigt, als Grundlage für die zu ergreifenden Untersuchungsmaßnahmen gelten.
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