Nahkampfmittel
Der Begriff 'Nahkampfmittel' hatte eine Wandlung erfahren: Im damaligen Sprachgebrauch sprach man von Nahkampfmitteln, während man Nahkampffeuerwaffen meinte, denn ‚Nahkampfmittel' waren doch in erster Linie blanke Waffen, wie Dolch, Schwert (Säbel), Lanze und Bajonett, im weiteren Sinne vielleicht noch die Pistole. Die leichtesten Nahkampfmittel im damaligen Sinne des Wortes, Handgranaten und Gewehrgranaten waren seit den Kämpfen um Port Arthur 1904 wieder im Gebrauch. Von beiden Kampfmitteln hatte die Handgranate bei Angriff und Verteidigung im Ersten Weltkrieg die ausgedehnteste Verwendung gefunden. Millionen davon sind geworfen worden. Die Aufgabe der Gewehrgranate führte zum Bau des Granatwerfers. Er ersetzte das Feuerrohr durch einen ‚Schießstock'. Die Granate dafür wog 2,35kg und ließ sich bis 360m schleudern. Der Granatwerfer war leichter als der leichte Minenwerfer. Diese Nahkampfmittel konnten von einem Mann getragen werden.
Im erweiterten Sinne sind als Nahkampfmittel, die auch gelegentlich als Pioniermunition bezeichnet wird, noch zu zählen: Sprengkapseln, Sprengpatronen, Zünder aller Art, Zündschnüre und weitere Hilfsmittel.
(Anmerkung: Der Gebrauch der Gewehrgranate begann mit dem Stellungskrieg. Ihre Wirkung entsprach allerdings nicht den Erwartungen, wurde 1915 eingeschränkt und bald aufgegeben)
Handgranaten
Auszüge aus einem geheimen Aufsatz vom Chef des Generalstabes des Feldheeres
- "Die Handgranate ist für den Nahkampf ebenso wichtig wie das Gewehr und die Pistole. Jeder Mann der fechtenden Truppen aller Waffen muß in der Verwendung von Handgranaten geübt und mit dem Wesen des Handgranatenkampfes vertraut sein
- Entscheidend für den Erfolg des Handgranatenkampfes ist die Treffgenauigkeit, die Wurfweite und Wurfgeschwindigkeit der einzelnen Werfer sowie ein genau geregelter Munitionsnachschub
- Stielhandgranaten haben keine Splitterwirkung, während Eierhandgranaten eine große Zahl wirkungsvoller Splitter ergeben [...] die im deutschen Heere zur Zeit eingeführten Handgranaten haben Brennzünder. (Anmerkung: Eine große Bedeutung spielte die Brennlänge der Brennzünder. Sie wurde von 7 auf 5½ Sekunden verkürzt)
- Die Ausrüstung den mit Handgranaten versehenen Mannschaften ist je nach der Aufgabe verschieden, so ist folgende Ausrüstung zweckmäßig: ohne Gepäck und Patronentaschen (Patronen in Rocktaschen oder Brotbeutel), Stahlhelm, Gewehr oder Karabiner umgehängt oder Pistole, 2 Sandsäcke mit Handgranaten um den Hals, über beide Schultern oder besondere Handgranatentaschen, Schanzzeug, Gasschutzmaske, Brotbeutel mit vier eisernen Portionen, zwei Feldflaschen
- Im Allgemeinen erhält jeder Mann einschließlich Führer sechs bis acht Stielhandgranaten oder etwas mehr Eierhandgranaten."
Das Kriegsministerium hatte mit der richtigen Beschaffung von Handgranaten seine Schwierigkeiten: Ein Teil forderte Aufschlag-, ein anderer Brennzünder, ein Teil fand die Kugelhandgranate zu schwer, ein anderer wollte keine leichte Handgranate [...] hier wurde Splitterwirkung, dort lediglich Detonationskraft gefordert. Allmählich klärten sich die Ansichten zu Gunsten der Stahl-Handgranaten-Brennzünder erleichterten Kugelhandgranate.
Munition für den Granatwerfer
Granatwerfer wurden in erster Linie zum Beschießen von Zielen verwendet, die durch Wurf mit der Hand nicht zu erreichen waren [...] Sie mußten möglichst flankierend in Gruppen von zwei bis sechs Werfern eingesetzt werden. Feuergeschwindigkeit in der Minute sechs Schuß [...]
Sie stellten demnach ein Zwischenglied zwischen Handgranate und leichtem Minenwerfer dar. Die gegen Kriegsende zum Einsatz gekommene Wurfgranate wog ca. 2kg und besaß eine Sprengladung von 0,25kg.
Beim Vorgehen folgten die Granatwerfer den Sturmkolonnen, um schnell in die gewonnene Linie oder nahe gelegener Granattrichter eingebaut zu werden.
Munition für den Minenwerfer
Minenwerfer kamen im Zusammenhang mit dem Stellungskrieg zu immer höherer Bedeutung. Ihre Hauptaufgabe war, möglichst große Sprengladungen aus kurzer Entfernung ans Ziel zu bringen und dort nach der Zündung eine größere Luftstoßwelle zu erzeugen. In dieser Größe der Sprengladung lag der wesentliche Vorteil der Mine gegenüber dem Artilleriegeschoß. Zu einer Sprengmine gehörten: die Minenhülle mit der Sprengladung, der Zünder (Aufschlag- oder Doppelzünder), die Treibladung (Grund- und ergänzende Teilladungen) und die Schlagzündschraube zur Entzündung der Treibladung. Für das Einbringen der Sprengladung in die Wurfminen liegen folgende Informationen vor: In Friedenszeiten kamen grundsätzlich hydraulisch gepreßte Sprengladungen (in Papphüllen) zum Einsatz, im Kriege nur soweit, wie Pressen vorhanden waren. Ansonsten wurde der Sprengstoff eingegossen. Schwere Wurfminen enthielten ca. 50kg Sprengstoff, mittlere ca. 15kg Sprengstoff und leichte eine Sprengladung von ca. lkg. Da im Verlaufe des Krieges der hochwertige Sprengstoff TNT restlos von der Artillerie verbrannt wurde, kamen zunächst Ammonsalpetersprengstoffe (z. B. Donarit, Perdit), später vorrangig Chloratsprengstoffe zum Einsatz. Die Treibladung wurde beim schweren und beim mittleren Minenwerfer von vorn eingelegt und befand sich am Geschützboden, beim leichten Minenwerfer war die Treibladung am hinteren Ende des Geschosses in einer Kammer gelagert.
"Bei den Stellungskämpfen [...] haben die Minenwerfer eine unerwartete Verwendung und Wertschätzung erfahren [...]", so der General der Pioniere beim Armee-Ober-Kommando (AOK) am 28. September 1914).
Aus welchen Munitionswerken / -fabriken kamen die Nahkampfmittel bzw. deren Sprengstoffe?
Hersteller von Ammoniumnitrat, Perchlorat, Perdit, Donat sind (Anmerkungen: Herstellung - Ammoniumnitrat (NH4NO3) entsteht durch Neutralisation von Ammoniak mit Salpetersäure. Verwendung: Ammoniumnitrat ist der Hauptbestandteil vieler Düngemittel (Grünkorn) und gewerblicher Sprengstoffe)
- Neumarkt (Oberpfalz): Es wurden 200 Tonnen Perdit im Monat erzeugt
- Muldenhütten (wenige Kilometer östlich von Freiburg): 1916 wurde die Produktion von Perdit aufgenommen
- Carbonit in Schlebusch stellte Donarit her; bereits 1904 produzierte sie 2.500 Tonnen und ab 1915 Perchloratsprengstoffe. In dem Werk arbeiteten einschließlich Füllstelle ca. 4.000 Leute
- Krümmel bei Geesthacht (gehört zur DAG) war 1910 mit ca. 600 Arbeitern die größte Explosivstoffabrik des Kontinents, in der mehr als 6.000 Tonnen pro Jahr produziert werden. Dazu gehörten auch Ammonnitratsprengstoffe
- Wahn (bei Köln) stellte seit 1915 Chlorat- und Perchloratsprengstoffe sowie Ammoniumnitratsprengstoffe her. 1917 wurde die Anlage vergrößert
- Höchst erzeugte Ammoniumnitrat und zwar 500 Tonnen in der Woche
- BASF, Ludwigshafen, stellte Ammonnitrate her
- Die ‚Glückauf'-Fabrik von Quickborn erlebte einen Boom in der Ammoniterzeugung, bedingt durch die Verwendung dieser Sprengstoffe im militärischen Bereich als Minen- und Handgranatenfüllung (Anmerkung: Hier ereignete sich im Ersten Weltkrieg die wohl größte Katastrophe bei der Munitionsherstellung mit mindestens 213 Toten)
- In Sythen, einem Ortsteil von Haltern, war eine Füllstelle und die Produktion militärischer Explosivstoffe wurde ab 1915 aufgenommen.
Hersteller / Füllstellen von / für Handgranten, Minen, Sprengkapseln, Zündern etc.
- Neumarkt (Oberpfalz): 1916 wurden 240.000 Handgranaten (wahrscheinlich monatlich) gefertigt und ab 1918 werden Minenzünder hergestellt
- Carbonit stellte Zünd- und Sprengzubehör her
- Gelsenkirchen: Ab 1905 Fertigung von Sprengkapseln; ab 1914 erfolgte die Lagerung von Sprengkapseln
- Größter Zündsatzhersteller in Deutschland war das Werk in Stadeln (Stadtteil von Fürth)
- Ab 1915 wurde die Deutsche Sprengkapselfabrik Delbrück zu einer der größten Fabriken ausgebaut. Zündsatzfertigung von mehr als 37 Tonnen pro Jahr
- Deutsche Sprengstoff-Actien-Gesellschaft, Hamburg - 1882 als DSAG gegründet - wurde zum größten privaten Füllstellenbetreiber
- Wahn war ein großes Rüstungswerk insbesondere bekannt als ‚einer der größten Füllstellen'
- In Hallschlag (Eifel) wurde Munition verfüllt. 1918 arbeiteten hier 1.600 Menschen.
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