Hindenburg-ProgrammChef des Generalstabes des Feldheeres Großen Hauptquartier (Gr.H.Qu.), den 31.8.1916 Nr. 33 825. An den Herrn Kriegsminister. Die Offensiven unserer Gegner zeigen, dass sie mit jedem Mal erhebliche Fortschritte sowohl in der Anlage wie in der Durchführung machen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass künftige Offensiven noch stärkere Proben an unsere Widerstandskraft stellen werden, da unseren Gegnern nicht nur 1. ein fast unerschöpfliches Menschenmaterial, sondern 2. auch die Industrie fast der gesamten übrigen Staaten zur Verfügung steht. Zu 1: Dem feindlichen Menschenmaterial gegenüber sind unsere Menschenvorräte beschränkt. Dieser schlimmste Übelstand ist nur dadurch eini-germaßen auszugleichen, dass mit der Zeit alle kriegsverwendungsfähigen Leute an die Front gehen. Ihre Stellen müssen in der Etappe und in der Heimat durch garnisondienstfähige Leute - deren Zahl möglichst einzuschränken ist - ersetzt werden. Zu 2: Auch bei rücksichtsloser Durchführung der Grundsätze zu 1 werden wir an Zahl unseren Gegnern mehr und mehr unterlegen sein. Um so mehr ist es nötig, dass unsere Industrie diesen Mangel ausgleicht. Die Menschen - ebenso die Pferde - müssen mehr und mehr durch die Maschinen ersetzt werden. Dies wird um so schwieriger, als auch der Feind diesen Grundsatz erkannt hat. Der von mir (*General von Falkenhayn) schon früher ausgesprochene Gedanke, dass es eine Schraube ohne Ende ist, bei der es nur darauf ankommt, wer die Schraube rechtzeitig am weitesten andrehen kann, trifft heute in noch höherem Grade zu. Für seine Durchführung ist in erster Linie die Arbeiterfrage ausschlaggebend. Es wird nötig sein, die Zahl der Arbeiter durch Kriegsbeschädigte, Kriegsgefangene, Frauen und Minderjährige zu erhöhen. Staatliche Lehrkurse zur Ausbildung dieser Kräfte sind unumgänglich und in größtem Umfange nötig. Wenn es unter diesem Umständen nötig ist, einige tausend hochqualifizierter Facharbeiter aus der Front für längere oder kürzere Zeit herauszuziehen, bin ich bereit, den damit verbundenen Nachteil in Kauf zu nehmen. Alle anderen Industriezweige müssen gegen die Kriegsindustrie zurücktreten. Gegebenenfalls müssen wir wie in England zu Zwangsmaßregeln schreiten. So befürworte ich jetzt, die Sonntagsarbeit einzuführen. Eine entsprechende Belehrung des Volkes über den Ernst der Lage und die für jeden daraus erwachsenen Pflichten dürfte gleichzeitig angezeigt sein und seine Wirkung nicht verfehlen. Außerdem bleibt anzustreben, mehr und mehr den Arbeiter durch zweckmäßig konstruierte Maschinen zu entlasten und zu höherer Arbeitsleistung zu befähigen. Die Steigerung der Fertigung muss sich auf alle Zweige der Kriegsindustrie erstrecken. Besonders nötig sind folgende Gegenstände:
Um bestimmte Anhaltspunkte zu geben, bitte ich, bis zum Frühjahr eine Verdoppelung der jetzigen Munitionsfertigung zu erreichen. Die Fertigung der Geschütze muss dagegen beträchtlich höher - rund das Dreifache - gesteigert werden, denn in den letzten Monaten hat der Abgang an Gerät bei der Feldartillerie die Neufertigung erheblich (mehrerer hundert Rohre), bei der Fußartillerie in geringerem Maße, überschritten. Da bei der hohen Schusszahl der größere Teil der Geschütze durch eigenes Feuer verloren geht, würde mithin bei nur doppelter Steigerung der Fertigung ein Zunehmen an Geräten in der Front nicht oder nur langsam eintreten. Bei den Minenwerfern wird die Fertigung mindestens zu verdoppeln sein, Maschinengewehre sind zu verdreifachen. Die bisherigen hervorragenden Leistungen des Kriegsministeriums werden voll gewürdigt. Es ist mir auch bekannt, dass auf allen Gebieten große Steigerungen beschleunigt eintreten und die oben angegebenen Zahlen möglichst bald erreicht werden. Ich schlage vor, dass vor allem die Hauptvertreter der in Betracht kommenden Industriezweige zu einer Besprechung eingeladen werden, wo ihnen der Ernst der Lage entwickelt und sie aufgefordert werden, umgehend bestimmte Vorschläge für die Steigerung der Fertigung und die dazu nötigen Maßnahmen zu machen. Ich bitte, mir von der Besprechung rechtzeitig Kenntnis zu geben, damit ich einen Vertreter entsenden kann. Ich muss zum Schluss nochmals darauf hinweisen, dass nur unbedingtes Ausnutzen aller unserer Kräfte und vor allem unserer hochentwickelten Industrie im Dienste des Krieges uns zu einem endlichen Siege verhelfen kann und dass jede unerlassene Ausnutzung einer Möglichkeit die schwerste Belastung bildet.Ich bitte den Herrn Kriegsminister, mich mit allen dort zu Gebote stehenden Mitteln in der Durchführung meiner Forderungen zu unterstützen. Finanzielle und andere Bedenken können jetzt nicht mehr mitsprechen. *Nach dieser Anmerkung des Verfassers heißt das, dass Falkenhayn das Schreiben bereits verfasst hatte, Ludendorff es vervollständigt und Hindenburg unterschrieben hat. |