Kaffeewirtschaft und Gaststätte Beckermann

Die Kaffeewirtschaft Beckermann und zu einem späteren Zeitpunkt die Gaststätte "Zum Waldfrieden" lag nicht in Reckenfeld, sondern in der Bauerschaft Herbern, postalisch Herbern 1. Dennoch soll der Betrieb in dieser Serie genannt werden, weil er über mehrere Jahre von vielen Reckenfeldern aufgesucht wurde.

Den Hof Beckermann gab es nach Aussage von Änne Beckermann (Jahrgang 1915) schon im 18. Jahrhundert. Zuvor sei es eine Vogelfängerei gewesen.

Großvater Beckermann sowie Vater Josef Beckermann des Josef Beckermann mussten etwa 60 Morgen zu Acker- und Weideland urbar machen.

Vater Beckermann, ebenfalls mit Vornamen Josef, fuhr, um sich ein wenig Geld zu verdienen mit dem Pferdegespann für die EHG im benachbarten ehemaligen Munitionsdepot u. a. Getreide vom Bahnhof zu den Schuppen. Mit seinem Gespann beförderte Josef Beckermann auch Kisten und Körbe aus den Schuppen, wahrscheinlich mit Munition gefüllt, um sie für die Sprengstoffirma Hoppecke zu den Sprengplätzen innerhalb und außerhalb des Depots zu kutschieren. Beide Ereignisse sind den Zeiten um 1920/1921 (Munition) und um 1930/1931 (EHG) zuzuordnen.

Nebenbei versuchte sich Josef Beckermann auch noch als Milchhändler, eine Existenz, die nur so lange überlebte, bis Bauer Lenfort das Milchgeschäft in Reckenfeld übernahm. Selbst die jüngste der Töchter (Änne) der Beckermanns mußte - als sie gerade 16 Jahre alt war -, beim Milchgeschäft mithelfen: Sie mußte die schweren Kannen schleppen. Die meiste Milch wurde zur Molkerei nach Greven gebracht.

Beckermann und andere Milchverteiler schalteten 1930 folgende Anzeige: "Bekanntmachung: die Not der Zeit zwingt uns, unsere werte Kundschaft darauf aufmerksam zu machen, dass wir in Zukunft eine längere Kreditgewährung ablehnen müssen. Wir bitten deshalb unsere werte Kundschaft, die Milchlieferungen etc. wöchentlich zu begleichen, wobei wir bemerken, dass wir bei einem längeren Zahlungsrückstand wie 14 Tage jede Lieferung einstellen müssen.

Einige der Kinder der Familie Beckermann (z. B. Änne) besuchte ab 1927 die Schule in Reckenfeld, weil näher, bis dahin mußte sie bis nach Westerode.

Josef Beckermann stellte am 1. Februar 1928 beim Amt Greven den Antrag auf Konzession für die Kaffeewirtschaft, Herbern 1.

Vermerk Amt Greven: "Am 10. Juli 1929 erhielt der Landwirt Josef Beckermann Greven l.d.E. Herbern 1, den Erlaubnisschein vom Kreisausschuss des Landkreises Münster, eine Kaffeewirtschaft zu betreiben", ausgehändigt.

Am selben Tag, nämlich am 21. Juli 1929, eröffneten zwei Kaffeewirtschaften jeweils ihren Betrieb: Beckermann und Leihsing-Wilp.

Zulauf erhielt die Kaffeewirtschaft Beckermann fast ausschließlich von den Reckenfeldern, vornehmlich von den Bewohnern der Blocks D und C. Besonders an den Sonn- und Feiertagen war es ein beliebtes Ziel für Familienausflüge mit Kinderkarussell und Rundlauf.

Vielleicht schmeckte der frisch aufgebrühte Kaffe deshalb so gut, weil die Beckermanns immer gutes Brunnenwasser gehabt haben.

Vor dem Zweiten Weltkrieg kostete ein Schinkenschnittchen 40 Pfennige.

Während des Zweiten Weltkrieges war die Gastwirtschaft geschlossen. In dieser Zeit fanden Familien aus dem Ruhrgebiet Unterkunft bei der Familie Beckermann.

Im Mai 1945 wurde etwa die Hälfte der Häuser Reckenfelds von den Polen besetzt (DP's), eingeschlossen, die wenigen Gaststätten. Und das bedeutete, dass in Reckenfeld für mehrere Jahre kein geeigneter Saal für Versammlungen und Feierlichkeiten zur Verfügung stand. (Anmerkung: Erst 1950 zogen die letzten Polen wieder ab). Man mußte entweder in andere Orte ausweichen, oder [...] Beckermanns sorgten für Abhilfe: Und, Josef Beckermann baute einen Saal an sein Anwesen (1948), um diese Anforderungen befriedigen zu können. Später, als die Laienspielschar, die ebenfalls hier agierte, auch noch eine Bühne für ihre Aufführungen benötigte, wurde eine solche in dem Saal erstellt.

Die Laienspielschar hatte ihre ersten Stücke in der Scheune des Hofes Beckermann aufgeführt. Das war 1947.

Während der ‚Polenzeit' in Reckenfeld: "Wir haben während dieser Zeit keine Überfälle erlebt, aber eine Kuh sei ‚einfach weg gewesen', von wem geklaut, haben wir nie erfahren.

Durch die eingeengten Möglichkeiten der Reckenfelder in Reckenfeld selbst etwas zu unternehmen, drängten sich Vereine und Familien immer mehr zur Gaststätte der Beckermanns. Der Sport Club Reckenfeld (SCR) baute dort einen Fußballplatz, feierte, egal ob Sieg oder Niederlage, mit Schnaps und Bier. Die Einweihung des Sportplatzes setzte der Heimatverein auf den 7. Oktober 1951. Als Vereinslokal diente weiterhin die Gastwirtschaft Beckermann.

Auch die kürzlich gegründete Reckenfelder Karnevalsgesellschaft (Re-Ka-Ge) fand dort die Wirkungsstätte für ihre närrische Sitzungen. Beckermann entwickelte sich in der Nachkriegzeit immer mehr zum Mittelpunkt Reckenfeld, nicht geographisch, sondern gesellschaftlich. Doch dieser Trend sollte nicht allzu viele Jahre halten. [...]

Bürgermeister Scharpenberg mit seiner Familie hatte von 1945-1949/50 dort gewohnt. 1949 erhielt Josef Beckermann die Erlaubnis zur Schankwirtschaft, und nun "lohnte" es sich auch für die Reckenfelder Männer, sich nach Beckermanns zu Fuß oder mit dem Drahtesel "auf den Pad" zu machen. Das Lokal erhielt den Namen "Zum Waldfrieden".

Veranstaltungen bei Beckermann, die beim Amt Greven angemeldet und genehmigt wurden:

Datum der Veranstaltung Verein
19.08.1947 KPD Runge
30.09.1947 Gemischter Chor Vors. Hermann Wähnelt
09.01.1948 Verhülsdonk
17.01.1948 Deutscher Gewerkschaftsbund, Ballmann, B 21
07.02.1948 Gemischter Chor Reckenfeld, Vors. Rückbeil, C 6
08.02.1948 SCR Vors. Röber
10.02.1948 KPD Vors. Runge
29.03.1948 SCR Vors. Röber
04.04.1948 KPD Runge
17.04.1948 Riese, Alfred (ohne Vereinsnennung)
18.04.1948 SCR Röber
25.04.1948 Riese, Alfred jun.
01.05.1948 KPD Reckenfeld, Runge, nachmittags
01.05.1948 Sportclub Greven, abends
02.05.1948 Riese Alfred
08.05.1948 FDJ Dyttko
23./24.05.1948 SPD Früsner? Fritz C 66

Ab 1950 führte Josef Beckermann zusammen mit seiner Frau Hildegard die Gaststätte.

Mitte der 1950er Jahren verblaßte die Bedeutung des Hauses Beckermann immer mehr. Der Heimatverein, die Laienspielschar, die sich aus dem Heimatverein entwickelte, und die Re-Ka-Ge zogen es ins Deutsche Haus und die Sportler bauten sich einen neuen Sportplatz bei Leihsing. Am 7. November 1954 wurde der neue Sportplatz auf dem Gelände von Leihsing (am heutigen Eichendorffweg) in Betrieb genommen.

1964 erfolgte der Umbau der Gaststätte und 1978 wurde das 50jährige Bestehen gefeiert. Josef Beckermann starb 1987 im Alter von 58 Jahren.

Von der einstigen Bedeutung der Gaststätte Beckermann ist nichts mehr übriggeblieben. Der Ort, an dem ein Teil der Reckenfelder Vereinsgeschichte geschrieben wurde, liegt heute verträumt und versteckt hinter hohen Bäumen. Änne und Hildegard Beckermann leben im Jahr 2006 in einem kleinen Häuschen, einem ehemaligen Schuppen, an der Schillerstraße im Block A.

Der Hof Beckermann aus dem Jahr 1911.
Das bisherige Ausflugslokal im Kriegsjahr 1940.


Beide Fotos unten: Der Großvater von Änne Beckermann hieß mit Vornamen Bernhard. Er hatte die Traueresche gepflanzt und wollte, wenn er stirbt, dass dieses Bäumchen auf seinem Grab stehen würde. Doch als er starb, war der Bau zu groß und so blieb er stehen. Im Sommer war der Baum ein guter Schattenspender.











Eine willkommene Belustigung für die Kinder: Der Rundlauf.
Josef Beckermann im Jahre 1982.
Foto aus dem Jahr 1992.
Jägerlatein? Oder was wurde da geredet?
Das Ausflugslokal "Zum Waldfrieden" wurde
von vielen Gästen frequentiert.
1947: Scheune und Backs: ganz links der Anbau,
in dem die SCR-Fußballspieler sich umgezogen
haben und auch die Gastmannschaften,
es waren zwei Kabinen vorhanden.
In der Scheune hatte die Laienspielschar
ihren ersten Auftritt.
In dem Backs wurde auch Brot gebacken:
das war das Backhaus.
Werbung Ende der 1940er Jahre.
1930.



Werbung 1964.
Umbau, 1964.
Eröffnung.

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