Displaced Persons (Polen) in Reckenfeld

Vorgeschichte zu den Displaced Persons (DPs)

Die Alliierten benutzten den Ausdruck "Displaced Person" (DP), um diese Menschen zu charakterisieren. Diese "Displaced Persons" - so heißt es in einer Order des Alliierten Hauptquartiers - sind "Zivilisten außerhalb der nationalen Grenzen ihres Landes aus kriegsbedingten Gründen, die nach Hause zurückkehren wollen, aber dazu unfähig sind, oder die ohne Hilfe kein Zuhause finden oder die in feindliches oder ehemals feindliches Territorium zurückgebracht werden müssen." (Outline Plan for Refugees and Displaced Person, 3.6.1944.)

Eine deutsche Übersetzung für "Displaced Person" wäre sprachlich ungeschickt und fragwürdig und in der Sache oberflächlich. Seit dem Abkommen vom 15. Oktober 1946 steht in den Ausweisen der Hiergebliebenen "Heimatloser Ausländer".

Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter

Aus Mangel an Arbeitskräften wurden ab September 1939 - nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs - Zwangsarbeiter nach Deutschland geholt, teils freiwillig, in den meisten Fällen aber gegen ihren Willen und häufig mit Gewalt! Die ersten Zwangsarbeiter wurden in Polen "angeworben". Im September 1940 waren 469.000 Zwangsarbeiter in Deutschland beschäftigt, bis April 1941 war die Zahl auf 1,5 Millionen gestiegen; der größte Teil kam bis zu dieser Zeit aus Polen. Wegen des höheren Bedarfs an Arbeitskräften nach dem Überfall auf die Sowjetunion kam im November 1941 die Idee auf, aus den besetzten Gebieten Menschen zur Zwangsarbeit nach Deutschland zu bringen. Ab April 1942 wurde diese Idee in die Tat umgesetzt. Hauptsächlich Russen wurden von dieser Zeit an zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. 1944 waren 7,1 Millionen Zwangsarbeiter aus ganz Europa in Deutschland tätig. Sie wurden von der Bevölkerung meist "Fremdarbeiter" oder "Zivilarbeiter" genannt und waren zum Beispiel auf Bauernhöfen, in Textilfabriken und Reichsbahnausbesserungswerken "angestellt".

Die Repatriierung der DPs im Überblick

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges befanden sich ca. 10 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter und andere Verschleppte in Deutschland. Sie lebten zum größten Teil in Lagern, in denen sie jedoch nicht gefangen waren - wie während des Krieges -, sondern freiwillig oder auf Anordnung der Alliierten wohnten. Wenn sie es bevorzugten, konnten sie auch außerhalb der Lager leben, sofern es nach den allgemeinen Zerstörungen Wohnraum gab.

Die verantwortlich Militärs der jeweiligen Zonen hatten es sich nun aber, da jetzt Frieden herrschte, zum Ziel gemacht, die damals zwangsweise verschleppten Menschen in ihre alte Heimat zurückzubringen. Über dieses Vorhaben waren die DPs allerdings sehr geteilter Meinung: Zum einen gab es die polnischen und die sowjetischen DPs, die die größte Masse der vorhandenen DPs in Deutschland bildete und die etwas kleinere Gruppe der (sog.) Ukrainer.

Die Masse der DPs war in ihrer Rückkehrbereitschaft jedoch keineswegs homogen, was die Repatriierung, für die hauptsächlich das amerikanische bzw. englische Militär zuständig waren, erschwerte. Die politische Situation in den jeweiligen Heimatländern der DPs, die von Land zu Land verschieden war, erklärt die differierende Rückkehrbereitschaft unter den einzelnen Völkergruppen.

Vom Zwangsarbeiter zum Displaced Persons

Die Befreiung dieser auf 8 - 10 Millionen geschätzten Zwangsarbeiter war das Ziel der Alliierten. Nachdem die Zwangsarbeiter befreit waren, musste eine neue Bezeichnung für diese Menschen gefunden werden. So wurden die ehemaligen Zwangsarbeiter in Displaced Persons (DP) umbenannt. Für diese DPs galten besondere Rechte und so wurde eine Definition für die DPs gesucht. Nach der 1. offiziellen Definition, veröffentlicht in "Outline Plan for Refuggees and Displaced Persons", waren DPs "Zivilpersonen, die sich wegen Kriegseinwirkungen außerhalb der nationalen Grenzen befinden und die: 1) obwohl sie es wollen, nicht in der Lage sind, nach Hause zurückzukehren oder ein neues Zuhause ohne fremde Hilfe zu finden; 2) in feindliches oder ehemals feindliches Gebiet zurückgebracht werden sollen." Diese theoretische Definition wurde in der Praxis etwas erweitert, so dass befreite Kriegsgefangene, nach Kriegsbeginn freiwillig nach Deutschland gekommene Osteuropäer und vor der sowjetischen Armee Geflüchtete auch als DPs galten. Deutsche Flüchtlinge, so genannte Vertriebene, waren keine DPs.

Bilanz der Repatriierung

Die Statistik zeigt zunächst ohne Einschränkung eine bewundernswerte Repatriierungsleistung der alliierten Militärbehörden. Trotz all der schwierigen Umstände war es ihnen gelungen zwischen Mai und September 1945 täglich über 33.000 Personen aus den drei Westzonen in ihre jeweiligen Heimatstaaten zu repatriieren. Die Zahl der DPs wurde in diesem Gebiet damit von über 4,6 Millionen auf rund 1,2 Millionen reduziert.

In den Zonen befand sich nun noch eine Restgruppe von DPs, deren Anwesenheit die Alliierten in Bedenken brachte, da rund 13% dieser Gruppe baltische und staatenlose DPs waren, die nicht repatriierbar waren. 66% der Gruppe waren polnische DPs, deren vollständige Repatriierung auf Grund der politischen Veränderungen in Polen ernsthaft zu bezweifeln war.

Das Ziel, das sich die Alliierten gesetzt hatten, nämlich alle DPs ausnahmslos in ihre Heimatländer zurückzuführen war damit nicht erreicht und der Plan einer schnellen Repatriierung gescheitert. Zu bedenken ist dabei, dass der Rücktransport der DPs sowohl von Engpässen im technisch-logistischen Bereich, sowie auch durch politische Entscheidungen erschwert bzw. verhindert wurde. Das DP-Problem wurde zu einem Nachkriegsproblem: Die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges, besonders die neue sowjetische Dominanz im Osten steckten einen neuen inhaltlichen Rahmen ab. Dagegen waren die zur Lösung des Problems kalkulierten Mittel noch aus den Planungskriterien der Kriegszeit. Das jetzt merklich anders und fester gestaltete DP-Problem löste sich aus dem Zusammenhang des Krieges, da es grundlegende Merkmale der unmittelbaren Nachkriegszeit der damaligen Entscheidungen enthielt. Dieses rief erst kaum merkliche, dann aber immer rasant vertiefende Meinungsverschiedenheiten zwischen den Siegermächten hervor, die dann letztendlich im Kalten Krieg endeten.

Die Immobilität, in die das DP-Problem nach anfangs so viel versprechenden Repatriierung geraten war in den jeweiligen Zonen genauso bekannt, wie bei der UNRRA. Die immer stärker drängende Selbstverpflichtung der zuständigen Stellen, die DPs zur Rückkehr anzuhalten, verknüpfte sich mit dem Eingeständnis, dass solche Anstrengungen der Werbung unnütz bleiben würden. Infolgedessen sammelte sich auf allen Seiten der innere Sprengstoff.

Die Repatriierung der polnischen DPs

Es ist nicht zu bezweifeln, dass die Alliierten alle Energie und Aufmerksamkeit darauf verwendeten, den polnischen DPs eine schnelle Heimkehr zu ermöglichen. Das verfügbare Transportsystem erforderte auf Grund der innerdeutschen Zerstörung ein hohes Maß an Anpassung. So waren z. B. Güterwaggons, in denen die Repatrianten bis zu sechs Tage lang zu ihrem Bestimmungsort transportiert wurden, selten geheizt und besaßen so gut wie keine sanitären Anlagen. Die immerfort nötigen Umleitungen und der oft Tage andauernder Stillstand verzögerten die Transporte und brachten ein nicht lösbares Versorgungsproblem mit sich, da niemand vorhersagen konnte, wie lange, wo und nach welchem Zeitplan der Transport unterwegs sein würde.

Trotz dieser unwürdigen und eigentlich unzumutbaren Transporte gab es keine bösen Stimmen oder Aufstände gegen die Art mit der die polnischen DPs repatriiert wurden. Die Armeen mussten vielmehr die Erfahrung machen, dass die DPs wegen ihres nicht zu zügelnden Heimkehrwillens sich zu Zehntausenden auf die Straßen begaben und damit die in Frage gestellte Operationsfähigkeit und die Gebietskontrolle durch die alliierten Truppen überhaupt lähmten, falls man ihnen nicht wenigstens improvisierte Transportmöglichkeiten anbot.

Die Radikalität mit der der Beschluss, zunächst die russischen DPs zu repatriieren, durchgeführt wurde, beschnitt in höchsten Maße die Repatriierung anderer osteuropäischer DPs. Besonders betroffen waren hier die polnischen DPs, die mit 900.000 Personen die drittgrößte Nationalitätengruppe darstellte. Ihre Rückführung erfolgte auch durch die sowjetische Zone, so dass diese Tatsache als Druckmittel der UdSSR gegen die Alliierten verwendet werden konnte, da die Sowjets erst bereit waren die polnischen DPs für den Transport durch ihre Zone entgegenzunehmen, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits alle sowjetischen Staatsangehörigen in die UdSSR zurückgekehrt waren.

Die Briten und Amerikaner forderten in der Frage der Repatriierung polnischer DPs die Freigabe der Eisenbahnwege. Zu diesem Zeitpunkt waren Transporte wegen der ungünstigen Witterung und des rasch einsetzenden, strengen Winters 1945/46 wenig leistungsfähig. Zusätzlich wuchs das Misstrauen zwischen den Mächten der Kriegskoalitionen. Die Ballung dieser Hemmnisse machte die Repatriierung der Polen zu diesem Zeitpunkt schier unmöglich.

Transporte nach Polen

Die Transporte waren häufig keine durchorganisierte Angelegenheit. Die Züge, die zum Polentransport dienten, wurden manchmal kurz vorher in aller Eile von UNRRA-Mitarbeitern oder vom Militär mit Öfen ausgestattet. Da dies aber oft innerhalb einiger Stunden geschah, kann man sich leicht ein Bild von der Heizeffiktivität machen. Danach wurde der Zug mit DPs beladen, bis dieser sein Höchstmaß an Belegung erreicht hatte (oft wurden noch mehr DPs als zulässig in einem Zug transportiert).

Die Züge kamen so gut wie nie pünktlich. Diese Vorgehensweise zeigt das geringe Einfühlungsvermögen einiger Verantwortlicher, die nur an der (möglichst schnellen) Abwicklung der Repatriierung interessiert waren. Nach allem was über die technischen Bedingungen bekannt ist, unter denen die mehrtägige Fahrt erfolgte, besteht (fast) kein Grund zur Annahme, dass die Repatriierung sich in Form einer Heimreise vollzogen hat, sondern vielmehr ein Transport war. Die Auffanglager in denen die DPs ankamen waren laut der UNRRA- Beobachter "gedankenlos organisiert" und boten "einen schlechten Empfang für die heimkehrenden DPs".

Nicht weiter verwunderlich ist daher, dass der Rückkehrwille der DPs nach dem Bekanntwerden solcher Vorgänge drastisch schwand. Hinzu kamen dann noch die veränderten politischen Verhältnisse.

UNRRA - die Repatriierung der "Heimatlosen Ausländer"

Nach Kriegsende im Mai 1945 gab es in Deutschland 9.620.000 "Heimatlose Ausländer", sogenannte DPs, die als zur Arbeit verpflichtete Personen aufgrund faschistischer Handlungen nach Deutschland gebracht worden waren. 1,9 Millionen von ihnen waren als Kriegsgefangene in Arbeitslagern untergebracht, die von der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration) betreut wurden. Die UNRRA hatte neben der Betreuung der DPs die Aufgabe die Repatriierung in ihre Heimatländer, sowie ein menschengerechtes Leben zu ermöglichen. Die Arbeit der UNRRA erstreckte sich über zwei Jahre bis zum 30. Juni 1947. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie es geschafft allein in Deutschland 6.173.213 DPs zu repatriieren.

Vorstehender Text aus: http://www.geschichtsatlas.de

Der Zweite Weltkrieg geht zu Ende und nun?

Leid und Entbehrung, Not und die Ungewißheit, wann wohl endlich der fürchterliche Krieg zu Ende gehen würde, der Menschen in Geiselhaft genommen hatte, zehrten an der physischen und psychischen Kraft aller.

Den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) hat dann doch die Reckenfelder Bevölkerung bis auf ein paar Schäden an einigen Häusern und Einrichtungen recht gut überstanden.

Tote, Verwundete und Vermisste von Familienangehörigen waren dennoch zu beklagen und einige Reckenfelder Männer kamen erst Jahre nach Kriegsende aus der Gefangenschaft zurück. Der Letzte Reckenfelder kam am 17. Oktober 1955 aus Russland an.

Wie es einem Reckenfelder in der Kriegsgefangenschaft ergangen ist, zeigen seine Briefe aus verschiedenen Ländern und Regionen aus den vier Jahren
1945 - 1946 - 1947 - 1948

In Reckenfeld macht sich ein Gerücht breit: "Bei uns sollen - wie in Greven - Ausländer einziehen". Noch ist es ein Gerücht. Dennoch machen sich Angst und Beklommenheit breit [...]

Was Autoren über die Displaced Persons in Greven und Reckenfeld zu berichten wissen

Auszüge aus dem Buch von Stefan Schröder (StaG) mit dem Titel "Displaced Persons im Landkreis und in der Stadt Münster", 2005

Der Grund für die Einrichtung des Reckenfelder Lagers ist nicht klar. Er wurde von C. Spieker als Konsequenz der Überfüllung des Grevener Lager interpretiert, doch zeigen die Belegungszahlen des Grevener Lagers vor Einrichtung des Lagers in Reckenfeld am 18. Mai zwar einen kontinuierlichen Anstieg polnischer DPs in Greven, doch keinen Einschnitt oder ein Absinken der Zahl polnischer DPs in Greven nach Eröffnung des ausschließlich polnisch belegten Lagers in Reckenfeld. Die dort untergebrachten DPs können also nicht aus Greven gekommen sein. Zwischen dem 18. und 30. Mai sind sogar weitere 790 polnische DPs in Greven registriert worden, während im selben Zeitraum keine Abgänge polnischer DPs verzeichnet sind. In Reckenfeld sind daher entweder umherwandernde DPs gesammelt oder DPs aus zu schließenden kleineren Camps untergebracht worden.

Stand der beiden DP-Lager Ende Juli/Anfang August 1945 in Greven und Reckenfeld

Lager Datum Anzahl der DPs
V18 Greven Juli 1945 7.544
V8 Reckenfeld Juli 1945 2.077

Das Lager in Reckenfeld beherbergte am 1. Dezember 1945 1.377 Personen - ausschließlich polnische DPs.

Datum Greven Reckenfeld
15.,6.12.1945 4.717 1.534
29.,30.12.1945 4.760 1.546
12.1.1946 4.755 1.653
9.2.1946 4.896 1.702
17.,18.5.1946 5.564 2.555
19.,20.7.1946 5.903 2.372

Belegung des DP-Lagers V8 Reckenfeld von Oktober 1945 bis Juli 1946

Datum Polen Andere Total
6.10.1945 1.868 - 1.868
20.10.1945 1.813 - 1.813
3.11.1945 1.737 - 1.737
17.11.1945 1.401 - 1.401
1.12.1945 1.377 - 1.377
15.12.1945 1.532 2 1.534
29.12.1945 1.542 4 1.546
12.1.1946 1.650 3 1.653
9.2.1946 1.696 6 1.701
23.2.1946 1.711 6 1.717
1.4.1946 1.569 6 1.575
20.4.1946 2.034 11 2.045
18.5.1946 2.550 5 2.555
15.6.1946 2.492 4 2.496
20.7.1946 2.365 7 2.372
Reckenfeld - 6.10.1945 Males over 14 Pws over 14 Females over 14 Children 6 to 14 Children under 6 total
Polnische Population 725 283 563 143 154 1.868
Prozente 38,81 15,15 30,14 7,66 8,24 100
Reckenfeld - 23.2.1946 Males over 14 Pws over 14 Females over 14 Children 6 to 14 Children under 6 total
Polnische Population 652 165 607 120 167 1.711
Prozente 38,11 9,64 35,48 7,01 9,76 100

Auffällig ist die Verwaltungsstruktur in Reckenfeld. Da dort nur polnische DPs untergebracht waren, gab es nur einen Nationalgruppenleiter, der damit die Funktion des Lagerleiters innehatte. Das Lager war wegen seiner Teilung in die Blöcke A und B eingeteilt und jeweils einem Distriktleiter unterstellt, denen insgesamt neun Straßenleiter unterstanden. Es gab sogar Hausleiter als unterste Hierarchiestufe. Hier ist anders als in Greven eine paramilitärische Kommandostruktur eingeführt worden. Daneben existierten aber wie in Greven Komitees für verschiedene Aufgabenbereiche: "Registration and Housing", "Welfare and Relief", "Supply", "Health and Sanitation", "Public Safery", , Judicial" und "Education and Recreation".

Zudem fanden wöchentliche Kinovorführungen für die Reckenfelder DPs im Garnisonskino Greven statt. Außerdem hat in Reckenfeld bereits im August 1945 ein DP-Orchester existiert. Die medizinische Versorgung umfasste ein Hospital unter Leitung des UNRRA-Arztes und der UNRRA-Krankenschwester. Patienten mit schwierigeren Krankheitsbildern wurden jedoch in andere Krankenhäuser verlegt, unter anderem nach Greven, und Emsdetten wofür ein Krankenwagen zur Verfügung stand. Ähnlich wie in Greven standen auch in Reckenfeld Häuser für besondere Zwecke zur Verfügung. Neben den schon genannten Einrichtungen gab es ein Offizierskasino für das UNRRA-Team, ein Wachgebäude, eine Polizeistation, UNRRA-Büros und -Warenlager, die polnische Lagerverwaltung, Häuser für die Pfadfindergruppen und ein "Milk Centre" (vermutlich eine Molkerei).

Medizinische Versorgung im DP-Lager Reckenfeld

Auch in Reckenfeld wurde in der zweiten Jahreshälfte 1945 die Infrastruktur des Lagers weiterentwickelt. Anfang Oktober 1945 kooperierten die beiden UNRRA-Teams bei der medizinischen Versorgung. So wurden wegen des Urlaubs von UNRRA-Arzt Dr. Dochy von Team 110 seine Pflichten in Reckenfeld vom Arzt des Teams 11, Dr. Zbozien, und einem polnischen DP-Arzt, übernommen.

Die medizinische Versorgung in Reckenfeld war offenbar nicht besorgniserregend, wie der Bericht über die zweite Oktoberhälfte zeigt. 432 DPs begaben sich innerhalb von 14 Tagen in ambulante ärztliche Behandlung, nur 18 DPs lagen im Lagerhospital. Die Verlegung von sieben DPs aus dem Lagerhospital ins Grevener Krankenhaus zeigte jedoch auch hier die Grenzen der medizinischen Versorgung.

Eine im Zusammenhang der medizinischen DP-Betreuung zu nennende Einrichtung ist die Belegung eines Teils des Emsdettener Marienhospitals für DPs zwischen August 1946 und Juli 1950. Dieses Krankenhaus war wegen seiner Lage zwischen vier DP-Camps (Rheine, Rheine-Gellendorf, Reckenfeld und Greven) ausgewählt worden, um besondere medizinische Hilfe zu leisten, die in den Lagern nicht möglich war. Von insgesamt 300 Betten war knapp ein Drittel für DPs reserviert. Ein Bericht von Dezember 1946 zeigt einen nicht unbedeutenden Anteil bei der Betreuung von Schwangeren, bei Geburten und der Nachsorge der Wöchnerinnen und der Neugeborenen. Diese Aufgabe wurde in angemessener Weise von den deutschen Ärzten unter Aufsicht der UNRRA durchgeführt. Bemängelt wurde die nicht immer durchgeführte strenge Separierung von deutschen und DP-Patientinnen, in der die UNRRA den Versuch erblickte, für DPs reservierte Betten nach und nach mit deutschen Patienten zu belegen. Nach dem Ende der UNRRA unterstand das Krankenhaus der IRO, gehörte bei der letztmaligen Nennung im März 1948 jedoch organisatorisch zum münsterschen DP-Lager mit der Nummer 3161, d.h. zum wieder eröffneten DP-Lager in der ehemaligen Stalagkaserne.

Ernährung

Das Reckenfelder DP-Lager wurde nicht mehr mit amerikanischen, sondern nun mit britischen Rotkreuzpaketen beliefert. Dabei machte sich der geringere Kaloriengehalt ebenso negativ bemerkbar wie die festgestellten Unterschiede zwischen deklariertem und tatsächlichem Inhalt. Daher war der Unmut unter den DPs hoch.

Kulturleben

Im Reckenfelder Lager existierte bereits im Sommer 1945 ein eigenes Orchester, das in der dritten Ausgabe der Grevener Lagerzeitung Erwähnung fand - wobei bezeichnend ist, dass es einen Auftritt in Borghorst hatte, ohne Zweifel im dort bestehenden DP-Lager. Jedenfalls wird der kulturelle Austausch zwischen verschiedenen Lagern an diesem Beispiel einmal mehr deutlich.

Neben Konzerten waren auch Varietes und Tanzveranstaltungen beliebt, sowohl als Folkloredarbietungen als auch zum Vergnügen aller. So feierten die polnischen DPs am 25. November ihre sechsmonatige Anwesenheit im Reckenfelder Lager u. a. mit Tanz.

Seit auch in Reckenfeld ein Kinoprojektor zur Verfügung stand, mussten nicht mehr jeweils 300 DPs zu Kinovorstellungen nach Greven transportiert werden. Im "Welfare Report" von Anfang November 1945 wurde außerdem auf das Fußballspiel vor großer Kulisse zwischen dem Reckenfelder und dem münsterschen Team hingewiesen.

Aufführungen eines Dreiakters durch den Reckenfelder Theater-Musik-Zirkel vom 1. bis 4. und am 6./7.August, die am 17. August im Polnischen Militärzentrum in Borghorst wiederholt wurden. Aufführungen einer polnischen Fabel mit Nationaltänzen und Musik Anfang November in Reckenfeld und die Nikolausparty für die polnischen Kinder in Greven am 6.12.1945.

Sport

Die polnischen DPs aus Reckenfeld hielten am 26. August ebenfalls ein Sportfest ab. Auch Ballspiele, allen voran Fußball, wurden ausgiebig betrieben. Dabei ist bemerkenswert, dass sich in Greven und Reckenfeld sogar verschiedene Sportvereine bildeten. In Reckenfeld existierte der Sportclub "Polonia", in Greven der schon Ende Mai gegründete "Wolnosc" ("Freiheit"). Fußballspiele fanden regelmäßig statt, besonders in Reckenfeld, wo drei Teams existierten und von denen eins stolz als bestes polnisches Team der Umgebung präsentiert wurde. Die verschiedentlich dokumentierten Fußballspiele besaßen damit den Charakter einer polnischen Lagermeisterschaft. Damit stießen die Fußballer auf reges Interesse der übrigen Lagerbewohner, die für eine große Kulisse sorgten, wie für das Spiel einer Reckenfelder gegen eine münstersche DP-Mannschaft berichtet wurde. Aber auch zu festlichen Anlässen wurde Fußball gespielt, beispielsweise bei der Feier der sechsmonatigen Lageransässigkeit durch die Reckenfelder Polen. Weitere Sportarten umfassten Basketball, Volleyballs, Tischtennis und Schach.

Hochzeiten und Taufen

Im Reckenfelder DP-Lager ist nachgewiesen, dass dort 1945 46 Paare kirchlich getraut wurden. 1946 waren es sogar 74 Paare. Beteiligt waren also zusammen 240 DPs. Einen ähnlichen Anstieg erkennt man in den Reckenfelder Tauflisten: Bei 213 Taufen der Jahre 1945/46 waren nur 25 Kinder nicht in Greven, Reckenfeld oder Emsdetten (dort existierten Krankenhäuser mit Betten für DPs aus Greven/Reckenfeld) geboren worden, was für eine Mobilität dieser DP-Eltern durch Lagerwechsel o.ä. spricht. Eine solche Verzerrung der statistischen Angaben dürfte durch Lagerwechsel auch von Schwangeren aus dem Reckenfelder in andere Lager abgemildert werden. An der zu konstatierenden hohen Zeugungszahl ändert sich dadurch wenig. Von 188 in Reckenfeld, Emsdetten oder Greven geborenen und in Reckenfeld getauften Kindern wurden 25 1945 geboren, jedoch 163 Kinder 1946. Dieser Anstieg erklärt sich vor allem aus dem Zeugungszeitpunkt, denn die 1945 geborenen Kinder sind - ohne Berücksichtigung von statistisch nicht nachvollziehbaren Frühgeburten - noch vor der Befreiung gezeugt worden, also unter den ungünstigen Umständen des Krieges. Daher verwundert der Anstieg der Geburten im Jahr 1946, also mit einem Zeugungstermin nach der Befreiung Anfang April 1945, nicht.

Diese Geburtenzahlen müssen nun mit der Gesamtzahl der Lagerpopulation in Bezug gesetzt werden. Der Mittelwert der Belegung des DP-Lagers in Reckenfeld betrug von Mai 1945 bis Ende 1946 2.016 DPs. Damit ist die Zahl von 188 Neugeborenen (ohne die Zahlen ebenfalls dort lebender Kleinkinder) in Reckenfeld bis Ende 1946 in etwa mit dem Beispiel des jüdischen DP-Lagers Föhrenwald vergleichbar, in dem ebenfalls etwa 2.000 DPs lebten, darunter im Oktober 1946 203 Kinder unter einem Jahr und 98 zwischen einem und fünf Jahren. Auch wenn eine Vergleichbarkeit nicht völlig gegeben ist, deutet sich doch an, dass hohe Geburtenraten auch unter den nichtjüdischen DPs anzunehmen sind. Voraussetzung dafür war eine entsprechende Geschlechterproportion, die in Reckenfeld offenbar besonders günstig war.

Das Heiratsregister der heutigen Stadt Greven gibt wertvolle Hinweise über das Heiratsverhalten der DPs in Greven und Reckenfeld. So sind für das Jahr 1945 423 Trauzeugen bei Hochzeiten von DPs verzeichnet, was bedeutet, dass (da fast immer zwei Trauzeugen) pro Hochzeit verzeichnet sind) mehr als 200 standesamtliche Hochzeiten von DPs in Reckenfeld und Greven im Jahr 1945 stattgefunden haben. Somit fand von der Befreiung Anfang April bis zum Jahresende 1945 durchschnittlich fast täglich eine Trauung statt. Dabei gab es sogar überaus beliebte Trauzeugen: So ist ein Pole 1945 66mal als Trauzeuge genannt, ein anderer 56mal. Die Beliebtheit des Letzteren erklärt sich vermutlich mit seinem Beruf als Rechtsanwaltssekretär. Es ist durchaus denkbar, dass viele DPs fürchteten, ihre vor deutschen Behörden vollzogene Eheschließung nach der Repatriierung nur glaubhaft machen zu können, wenn ein (vermutlich polnischer) DP mit juristischem Berufshintergrund als Trauzeuge teilgenommen hatte.

Arbeit der DPs als Rehabilitation

In den Werkstätten des Reckenfelder Lagers wurden Anfang November 1945 alle Arten von Kleidung und Schuhe hergestellt. Im September hatten Schneider- und Schuhmacherwerkstatt noch nicht bestanden.

Gleichzeitig waren in Reckenfeld 196 von 2.496 DPs beschäftigt, davon 173 "paid by Burgomaster", d.h. ebenfalls von der zuständigen Gemeinde. Nur noch 23 Personen arbeiteten für höhere Rationen. Der Prozentsatz arbeitender DPs lag hier bei (mindestens) 7,85% der Gesamtpopulation. Dass in der Britischen Zone der Anteil von den Deutschen bezahlter arbeitender DPs höher als die festgesetzten 10% je Lager ausfallen konnte, hat schon Woodbridge festgestellt, der den Durchschnitt mit 14% angibt."' Dies trifft auf Greven in etwa zu; Reckenfeld lag deutlich darunter.

Eine dem Bericht über die Beschäftigungssituation des DP-Camps Reckenfeld im Juni 1946 beigefügte Liste mit ausgeübten Berufen zeigt, dass fast alle arbeitenden DPs tatsächlich im Lager angestellt gewesen sein müssen: So sind allein 42 DPs und PWs bei der Lagerpolizei und zehn bei der Feuerwehr ausgewiesen. Die erwähnten Berufe deuten immerhin auf eine funktionierende Kommune hin, denn es gab einen Priester, einen Organisten, zwei Bibliothekare, einen Arzt, zwei Krankenschwestern, zehn Lehrer, zehn "clerks" (Verkäufer oder Büroangestellte), fünf Lagerarbeiter, 19 Arbeiter, sechs Fahrer, fünf Schlosser, zwei Dolmetscher, zwei Zimmermänner, drei Schreiner, vier Elektriker, zwei Maurer, zwei Journalisten, neun Näherinnen und einen Schneider, sieben Köche, zwei Friseure, zwei Schuhmacher, drei Hutmacher und weitere mit verschiedenen Verwaltungsaufgaben betraute Beschäftigte. Insgesamt neun DPs arbeiteten für das UNRRA-Team 110.

Im folgenden Monat berichtete dessen damaliger Teamdirektor R Clifford Primrose, dass Versuche, die DPs außerhalb des Lagers zu beschäftigen, mangels Unterbringungs- oder Transportmöglichkeiten gescheitert wären. Nur zehn DPs waren als Holzfäller nach Goch, ein DP als Eisenbahnarbeiter nach Hamm vermittelt worden. Aus den Beobachtungen von Primrose spricht Resignation. Am Beispiel der UNRRA-Teams in Greven und Reckenfeld zeigt sich eine kontinuierliche fruchtbare Zusammenarbeit mit einem geschulten britischen Relief Detachment. Daher wurde ihnen praktisch schon ab September 1945, weit früher als auf höherer Ebene vorgesehen, die Lagerverwaltung inoffiziell übertragen. In diesem Klima gediehen auch die Aktivitäten der DPs.

Die Lagerselbstverwaltung führte zu einem ausdifferenzierten kulturellen Leben der verschiedenen DP-Gruppen. Am Beispiel der Rehabilitation der DPs durch Arbeit zeigt sich aber auch, wie die gute Fürsorge im Jahr 1945 gleichzeitig ungewollt zu einer solchen Verfestigung des Lagerlebens beitrug, dass 1946, als sich UNRRA und Briten noch Repatriierungshoffnungen für die polnischen DPs hingaben, die DPs die Ersatzheimat des Lagers der Rückkehr nach Polen vorzogen. In der Lebenswirklichkeit der DPs in "guten" Lagern verlor die Repatriierung jeden Reiz. Je besser das Leben der DPs in den Lagern war und somit ein aus der eigenen Erfahrung bekannter Lebensstandard im Heimatland überschritten wurde, um so geringer wurde der Rückkehrwunsch. Dagegen besaßen politische Argumente gegenüber persönlichen und wirtschaftlichen Gründen kaum Bedeutung für die Ablehnung der Repatriierung. Die Lebensumstände in den DP-Lagern in Greven und Reckenfeld bestätigen das.

In Reckenfeld war die Beschäftigungsrate deutlich niedriger. Im September 1946 arbeiteten nur rund 17% der arbeitsfähigen DPs, davon nur 2% außerhalb des Lagers. Im Oktober hatte sich dies trotz erhöhten Drucks auf die DPs nicht wesentlich geändert. Die insgesamt 26% arbeitenden unter den arbeitsfähigen DPs teilten sich auf in 21,6% innerhalb des Lagers beschäftigte und 4,4% außerhalb des Lagers beschäftigte DPs. Der letzte Bericht vom März 1947 verschweigt die Zahl der arbeitsfähigen DPs, so dass keine Prozentzahlen abzuleiten sind. In absoluten Zahlen ist eine Erhöhung von 299 arbeitenden DPs im Oktober 1946 zu 426 arbeitenden DPs im März 1947 zu verzeichnen. Die Angabe, kein DP arbeite in der deutschen Wirtschaft, verdeutlicht jedoch den Fehlschlag der von UNRRA und Briten verfolgten Arbeitspolitik, die gerade diesen Sektor im Blick gehabt hatte. Damit lag die Beschäftigungsrate in Reckenfeld deutlich unter dem Zonendurchschnitt.

In Reckenfeld waren die Bemühungen um die DP-Beschäftigung jedoch von geringerem Erfolg. Doch auch dort zeigt sich die deutlichere Zäsur im Oktober 1946 mit dem DP-Einsatz in der deutschen Wirtschaft und nicht erst bei der offiziellen Einführung der Arbeitspflicht Anfang 1947.

Repatriierung

Die Repatriierung polnischer DPs verzögerte sich durch die mit Vorrang durchgeführte Zwangsrepatriierung sowjetischer DPs bis September 1945 und Verständigungsschwierigkeiten zwischen den sowjetischen Stellen und den Westalliierten. Zudem trugen die Differenzen zwischen der polnischen Exilregierung in London und der kommunistischen Regierung in Warschau, die beide polnische Repatriierungsoffiziere in die DP-Lager schickten, zur erst später zu Tage tretenden massenhaften Repatriierungsweigerung polnischer DPs bei, denn die "Londoner" Repatriierungsoffiziere verbreiteten Propaganda gegen eine Rückkehr nach Polen. Da die polnischen DPs nicht zwangsweise repatriiert wurden, zeigte diese Stimmung nach und nach Wirkung. Bereits am 2. Oktober 1945 wurde in den Lagern in Greven und Reckenfeld eine Umfrage zur Rückkehrbereitschaft der polnischen DPs gemacht, derzufolge 55% der polnischen DPs bereit waren, nach Polen zurückzukehren. Angesichts der 1946 bei etwa 5% Zustimmung liegenden Repatriierungsumfragen mag man rückblickend die Umfrage von Oktober 1945 im Sinne der Repatriierung positiv bewerten. Es ist jedoch augenfällig, dass bei einer Rückkehrunwilligkeit von 45%, sollte dieser Wert aus Greven und Reckenfeld in etwa repräsentativ sein, mit einer längerfristigen Unterbringung polnischer DPs in sechsstelliger Höhe in Westdeutschland zu rechnen gewesen wäre, was die Alliierten nicht vorhergesehen und eingeplant hatten. Doch das Warnsignal der Umfrage scheint völlig überhört worden zu sein.

Repatriierungstransporte polnischer DPs aus dem Untersuchungsgebiet fanden aus den Lagern Greven und Reckenfeld am 1., 6. und 13. November 1945 statt. Dabei wurden 1.030 polnische DPs repatriiert.

Angesichts der Anfang Dezember 1945 in Greven und Reckenfeld verbliebenen rund 4.900 polnischen DPs war die Repatriierung selbst der durch die Umfrage vom Oktober als repatriierungswillig eingestuften DPs nicht annähernd gelungen. Und die Zahl der Repatriierungswilligen schmolz mit der Überwinterung weiter dahin, wie die Entwicklung im Frühjahr 1946 zeigen sollte.

Repatriierungen polnischer DPs aus Greven und Reckenfeld zeigten in der ersten Jahreshälfte 1946 das folgende Bild: In Greven wurden von 4.854 DPs (am 26. Januar 1946) zwischen Februar und Juni 895 DPs repatriiert (Repatriierungsquote: 18%). In Reckenfeld lebten am 16. Januar 1946 1.679 polnische DPs. Davon wurden bis Juni 536 DPs repatriiert, was einer Quote von immerhin 32% entsprach. Am 10. Juli sind dann aus Greven weitere 65 polnische DPs und am 17. Juli 1946 aus Greven 49 und aus Reckenfeld acht polnische DPs repatriiert worden. Dies betraf jedoch nur noch die wenigen DPs, die auch nach der Mitte Mai 1946 durchgeführten Befragung über die Rückkehrbereitschaft nach Polen der Repatriierung zugestimmt hatten.

Hinweise auf Kriminalität im ländlichen Raum

Hinweise auf die Kriminalität der ersten Wochen nach Ende der Kampfhandlungen im Untersuchungsraum können Aufschlüsse über die Validität des Roxeler Fallbeispiels geben und die Frage nach der Beteiligung Deutscher an Straftaten weiter erhellen. Blicke auf die Situation ab August 1945 bis Jahresende sollen zudem zeigen, wie sich die Kriminalität weiter entwickelt hat. Als Beispiel wird dabei auf die DP-Lager in Greven und Reckenfeld Bezug genommen, da sie den Kontrast zu jenen Gebieten bilden, in denen nach den Repatriierungen des August 1945 keine Lager mehr bestanden haben. Überlegungen über weitere Kennzeichen der Kriminalität können daran anschließen. Die Befreiung wurde von den DPs gerne mit Alkoholexzessen gefeiert, wie auch aus Greven berichtet wurde. Häufig sollen sich Ausschreitungen angeschlossen haben.

Zwei Beispiele von Kooperation zwischen Deutschen und DPs verdeutlichen, dass dies nicht nur mögliche Anstiftung der DPs durch deutsche Frauen betraf. So überfielen im November 1945 zwei Deutsche aus Reckenfeld gemeinsam mit zwei polnischen DPs einen Hof in der Grevener Bauerschaft Westerode.

Hinweise vom Herbst 1945, wonach eine etwa zehnköpfige Bande polnischer DPs im Lager Reckenfeld und eine weitere im Lager Greven wohnte, die durch stereotype Überfälle auf Bauernhöfe auffielen. Dieses Beispiel unterstreicht nochmals, dass die Kriminalität nicht, wie in der deutschen Heimatliteratur oft suggeriert wird, auf die Mehrheit der DPs zurückzuführen ist.

Mitte März 1947 wurden Zwischenfälle aus Reckenfeld in den Monatsberichten vermerkt, wonach die deutsche Polizei in einem Fall ohne Erlaubnis das DP-Camp betreten, in einem zweiten DPs zusammengeschlagen habe. Eine Meldung des UNRRA-Team 110 an die britische Militärregierung habe für eine nachfolgend bessere Mitarbeit der deutschen Polizei gesorgt.

Es kann nur vermutet werden, dass der Kompetenzzuwachs für die deutsche Polizei zu einem forscheren und damit auch kompetenzüberschreitenden Verhalten geführt hat, wie es sich mit dem willkürlichen Einsatz der deutschen Polizei im DP-Camp Reckenfeld andeutet.

Die Beobachtungen aus Reckenfeld, nach denen dies einen Anstieg der Kriminalität und verschlechterte hygienische Bedingungen zur Folge hatte, sowie zu einem Desinteresse der DPs an Arbeit aus Eigeninitiative führte, deuten auf eine Verschlechterung der dortigen Lebensbedingungen hin.

Ein Bericht aus dem Reckenfelder Camp von Januar 1947 zeigt dagegen eine völlig abweichende Situation. Auffällig ist dort das Fehlen von berufsbildenden Maßnahmen, es waren auch keine angekündigt oder geplant. Die Werkstätten (Näherei, Schumacher- und Hutmacherwerkstatt) beschäftigten nur wenige DPs und hatten vor allem mit fehlenden Arbeitsgeräten und Materialien zu kämpfen. Besonders deutlich wird die schwierige Situation für die DPs im Vergleich zu den personellen Möglichkeiten dieses Lagers, denn von 75 Schneiderinnen und Schneidern im Lager konnten nur elf in der Werkstatt beschäftigt werden. Ähnlich waren neben vier beschäftigten Schuhmachern 14 arbeitslos. Eine Schreinerei konnte mangels Material und Maschinen gar nicht eingerichtet werden, was 27 DPs arbeitslos bleiben ließ. Der Bericht vermerkt, dass drei Viertel der Lagerbewohner (rund 1.300 DPs) Bauern seien und sich daher - und wegen der Verfügbarkeit von Gärten an jedem Haus des Lagers - die Möglichkeit für Gartenbau und eine entsprechende Schule bieten würde, sofern Saatgut zu beschaffen sei. Dies scheint jedoch nicht in die Praxis umgesetzt worden zu sein. Es muss dahingestellt bleiben, ob es mangelnde Initiative der DPs oder ein Mangel an Geräten und Saatgut war, der zur Verwahrlosung der Gärten geführt hat. Da viele DPs eine Auswanderung dem Verbleib in Deutschland vorzogen, verwundert jedoch weniger das Resultat als der Optimismus des UNRRA-Berichts.

Auszüge aus: Greven an der Ems von Joseph Prinz, 1977

Über die jeweilige Belegung des DP-Lagers unterrichtet die folgende Übersicht:

Zeitpunkt Greven Reckenfeld Gesamt
Mai 1945 5700
2010
7710
Juli 1945 7244
2077
9321
Januar 1946 5050
1630
6680
Juni 1946 5806
2585
8391
Januar 1947 4817
1650
6467
Juni 1947 2092
1589
3681
Januar 1948 2027
1910
3937
Juni 1948 1689
1942
3631
Januar 1949 2269
2337
4606
August 1949 1753
1978
3731

Amtsbürgermeister Braschoß schildert in einem Bericht an den Landrat des Kreises Münster-Land die Situation in Greven Mitte Juli 1945 wie folgt: "Was die Bevölkerung Grevens und Reckenfelds seit der Belegung der beiden Ortschaften mit dem Ausländerlager zu erdulden hat, kann mit den in amtlichen Berichten üblichen Worten nicht geschildert werden. Raubmord, Raub, Straßenraub, Einbruch, Vergewaltigung von Frauen und Mädchen und sonstige Straftaten sind häufig vorgekommen. Besonders nächtliche Überfälle bewaffneter Ausländer auf Bauernhöfe zum Zwecke der Plünderung sind an der Tagesordnung. Der Verkehr auf Straßen und Landwegen ist für Fußgänger, Radfahrer und Fuhrwerke mit ständiger Gefahr verbunden, in schwerster Weise mißhandelt zu werden und Fahrzeug und Eigentum zu verlieren. In den von den Ausländern bewohnten deutschen Häusern ist fast alles Mobiliar verschleppt, zerstört oder beschädigt. Die Gärten und anschließenden Kartoffel- und Gemüsefelder sind verwüstet, das Obst vor der Ernte mutwillig abgerissen, die Obstbäume sind vielfach vernichtet. Mit den unreifen Früchten wurde Schnaps gebrannt. In der dann folgenden Trunkenheit wurden neue Gewalttaten und Zerstörungsakte begangen.

Da den Bewohnern Grevens und Reckenfelds sowie auch in den Bauerschaften ihre Lebensmittelvorräte weggenommen oder unter Gewaltandrohung abgepreßt worden sind, Schweine und Rinder auf den Weiden abgeschlachtet werden, muß mit einer Hungersnot auch auf dem Lande gerechnet werden. Wie sträflich in den Ausländerlagern mit Lebensmitteln umgegangen wird, ist aus der Tatsache ersichtlich, dass Brot in großer Menge verkommt. Durch Zeugen kann erwiesen werden, dass in einer Jauchegrube ein 7 Pfund schweres Stück Fleisch gefunden worden ist. Wegen der Sorge um Familie und Heim wagen die Arbeiter nicht, zu ihrer Arbeitsstätte zu gehen, so dass die Arbeit stockt und ständig Schwierigkeiten auftreten, Leistungen sogar, welche die Besatzungstruppen fordern, fristgemäß auszuführen."

Die Offiziere des Det. 519 und auch der Lagerleitung bemühten sich zwar, dem Übel zu steuern. Die Unterbringung der Ausländer in offenen Ortschaften war indes der Kern des Übels. Die Besatzungsmacht wollte aber gerade diese Menschen von dem jahrelangen Lagerleben befreien! [...]

Schlimmer, viel schlimmer war es, dass seit dem Mai zahlreiche organisierte Banden plündernder Marodeure durch das Land zogen und vor allem die einsam und abseits der großen Straße gelegenen Bauernhöfe überfielen und ausraubten. Was waren dagegen die Holz- und Kartoffeldiebstähle der deutschen Soldaten und der Leute von der Organisation Todt gewesen, über die man sich seinerzeit so aufgeregt hatte! Im Sommer waren es meist Russen (bis Ende August), von da an Polen, die sich zu solchen Banden zusammentaten.

Die Bauern versuchten sich auf vielerlei Weise gegen diese Überfälle zu schützen. Sie stellten Wachmannschaften für bestimmte Bezirke auf, die sogar von der Besatzungsmacht eigene Armbinden zur Kenntlichmachung während der Sperrstunden bekamen, sie beleuchteten ihre Höfe des nachts, betätigten die noch vorhandenen Sirenen oder suchten die Nachbarn durch Schellen oder sonstwie zu alarmieren. Aber was nutzte das viel gegen die meist bewaffneten Plünderer, denen man selbst nur mit einem Knüppel in der Hand gegenübertreten konnte? So mancher Bauer, der sich trotzdem zur Wehr setzte, mußte dabei das Leben lassen.

In Greven und Reckenfeld sah es schlimm aus. Reckenfeld war "restlos demontiert".

Auszüge aus: Greven 1918-1950 von Detlef Dreßler, Hans Galen, Christoph Spieker, 1991

In Reckenfeld gibt es nur polnische Bewohner. Die zentrale Erfassungsstelle befindet sich in Greven. Hier wird dem ankommenden DP seine Personenkarte übergeben, hier erhält er seine Lebensmittelkarte. Danach kümmern sich Angehörige seiner Nationalität weiter um ihn.

Das UNRRA-Team No. 110 hat die Betreuung des Centres Reckenfeld übernommen.

Schwierige Fälle werden in das deutsche Hospital eingewiesen. Das 215. Batallion des 51. Medium Regiments der britischen Armee sorgt für Patrouillen in Greven und Reckenfeld. Straßen werden kontrolliert. Die Grevener Familien erhielten nach der Räumung ihrer Wohnhäuser eine Mietentschädigung. Am Beispiel einer Familie aus der Jürgenstraße, die nach der Räumung in einem Behelfsheim In den Bergen wohnte, stellte sich das Verfahren der Entschädigung so dar: Es wurde zunächst der Einheitswert des Hauses geschätzt: 2.860 RM. 15% (in manchen Fällen auch 10%) dieser Summe wurden als Jahresentschädigung gewährt. In diesem Fall waren es 429 RM, die in Monatsraten zu 35,75 RM an die Familie ausgezahlt wurden. Diese Entschädigung war allerdings eher nur eine formale als eine tatsächliche, wenn man bedenkt, dass die Reichsmark völlig zerrüttet war, und z. B. eine Zigarette auf dem Schwarzmarkt ca. 6 RM kostete.

Entschädigt wurde prinzipiell jeder, auch der ehemalige SA-Führer von Reckenfeld und der NSV-Ortsamtsleiter kamen in den Genuß dieser Mietzahlungen.

Der Reckenfelder NSDAP-Funktionär erhielt eine monatliche Entschädigung von 62,50 RM, also fast doppelt so viel wie z. B. die Familie aus der Jürgenstraße. Dies veranlaßte Amtsbürgermeister Braschoß, sich der Bitte des Reckenfelder Pfarrrektors Müller anzuschließen und die alliierten Behörden zu ersuchen, "dass möglichst bald das Ausländerlager von Greven und Reckenfeld verlegt werden möge, und zwar in ein Barackenlager, z. B. auf einen früheren Truppenübungsplatz, wo die Insassen unter einem wirksamen Verschluß gehalten werden" könnten. Nachdem viele Grevener zunächst noch ihre Gärten im Bereich des DP-Centres hatten benutzen können, wurde am 2. August 1945 in Greven ein Plakat der Militärregierung ausgehängt, das jedem unmißverständlich klarmachte, dass die geräumten Gebiete nicht mehr zu betreten seien, es sei denn in geschäftlicher Angelegenheit und mit spezieller Erlaubnis. Zwei Wochen später wurde den DPs verboten, Lebensmittel aller Art von deutschen Bauern oder in deutschen Geschäftshäusern zu kaufen oder einzutauschen. Selbst der Versuch, dies zu tun, sei strafbar.

Diese Trennung zwischen DP-Centre und der Grevener und Reckenfelder Bevölkerung blieb bestehen. Sie führte dazu, dass auch das Wissen der Grevener über Motivationen, Hintergründe und Lebensbedingungen in den DP-Bereichen gering waren.

Die UNRRA hatte große Probleme, eine einwandfreie Wasserversorgung aufrechtzuerhalten. Die schlechten Lebensbedingungen in den Arbeits- und Konzentrationslagern hatten vor allem unter den sowjetischen Zwangsarbeitern Folgen: Im Mai 1945 wurde bei der Wasserprobenuntersuchung im Assembly Centre ein Wert von 40.000 Paracolibakterien im Trinkwasser gemessen. Trotz energischer Sofortmaßnahmen wurden auch zwei Monate später noch Typhusfälle bekannt. Wie ernst dieses Problem genommen wurde, dokumentieren Karten des Grevener und Reckenfelder DP-Bereiches. Auf ihnen ließ der DP-Arzt Dr. Vanag die einzelnen Brunnen und Wasserversorgungsbedingungen für jedes Haus auflisten.

So konnten verseuchte Brunnen gesperrt und die Trinkwasserversorgung insgesamt kontrolliert werden, eine Maßnahme, die immer wichtiger wurde, je länger das Sammelzentrum bestand und je mehr aus dem Zentrum ein eigener für sich organisierter Ortsteil wurde. Noch im Juni 1945 hatte die 12. Armeegruppe in einer groß angelegten Nachfrage eine "durchgängige Rückkehrbereitschaft" bei polnischen DPs festgestellt.

In Greven und Reckenfeld allerdings wollten nur 55% der befragten Polen in ihr Land zurückkehren, eine Tendenz, die sich immer mehr verstärkte. Schließlich ermittelte die UNRRA in der ersten Maihälfte 1946, dass rund 80% aller polnischen DPs eine Repatriierung ablehnten. Je länger die Displaced Persons in den Camps wohnten, desto stärker gewöhnten sie sich an die Versorgungssituation in Greven. So erklärte ein DP, er wolle erst dann nach Hause zurückkehren, wenn auch dort "Licht aus der Decke und Wasser aus der Wand komme", und meinte damit die Wasser- und Elektriziätsversorgung. Materiell und rechtlich weitgehend abgesichert, erschien den Displaced Persons das Lagerleben günstiger als eine Repatriierung in unsichere Verhältnisse.

In seinem Monatsbericht Nr. 10 beschreibt der Direktor des UNRRA-Teams E. M. Burton die Displaced Persons in Greven. Im Februar 1947 waren von 4.649 DPs in Greven und Reckenfeld ein Viertel Kinder, 2.036 Männer und 1.511 Frauen. 34,7% der beschäftigungsfähigen Personen hatten eine Arbeit, ein Drittel von ihnen im UNRRA-Camp und zwei Drittel außerhalb des Lagers. Von den rund 1.000 Personen, die außerhalb des Lagers beschäftigt waren, arbeiteten 794 für britische Militäreinheiten in Münster, Ladbergen und Greven. 205 DPs arbeiteten in der deutschen Wirtschaft. Die Beschäftigungsmöglichkeiten vor Ort seien gut, notierte der UNRRA-Direktor. Das schlechte Wetter verhindere allerdings Arbeiten an der Kanalisation. Ein Hauptproblem liege in der Antriebslosigkeit der Displaced Persons. Die meisten wollten weder arbeiten noch in ihre Heimat zurückgehen, wenn sie in Deutschland ungestört leben könnten. Diese Einschätzung deckt sich mit den oben genannten Einschätzungen der überregionalen Behörden. Das Fehlen geeigneter Kleidung und Werkzeuge verhindere häufig sinnvolle Arbeiten. Insgesamt seien 71% der Männer und 35% der arbeitsfähigen Frauen beschäftigt. Von den nichtbeschäftigten, aber arbeitsfähigen 1.198 Displaced Persons gehörten 517 Frauen zu der Gruppe von Müttern, die Kinder unter vierzehn Jahren hätten. 221 Personen seien durch Krankheit gehindert, 152 fehlten Schuhe und geeignete Kleidung. Nur 80 würden generell eine Arbeit verweigern. [...]

Am 2. Juli 1947 übernahm die IRO (Internationale Flüchtlingsorganisation) die Aufgaben der UNRRA.

Greven und das DP-Camp

Die Grevener Bevölkerung nahm die Räumung ihrer Wohngebiete für die Displaced Persons als eine zwangsläufige Folge der militärischen Niederlage und der alliierten Besatzungspolitik hin. Wie bereits beschrieben, erhielten die Ausquartierten finanzielle Entschädigungen. Sie hofften, nach Rückkehr der DPs in ihre Heimatländer ebenfalls in ihre Häuser zurückkehren zu können. Die politischen Veränderungen in den Staaten des Ostblocks, die beginnende Konfrontation zwischen den ehemaligen Verbündeten, der kalte Krieg, ließen dieses Ziel für die Grevener in immer weitere Ferne rücken. Aus einer Übergangsregelung wurde ein Provisorium und schließlich ein Dauerzustand.

Den Bewohnern des Grevener Nordviertels und der Reckenfelder Blöcke A und B fiel es zunehmend schwerer, den Status quo zu akzeptieren. Drei Faktoren spielten dabei eine wichtige Rolle:

Die Evakuierten sahen nicht ein, warum ausgerechnet sie ihre Häuser verlassen mußten, während andere Bewohner des Amtsgebietes und der umliegenden Orte verschont blieben. Die Unzufriedenheit steigerte sich, als die britische Besatzung mehr und mehr der von ihr beschlagnahmten Gebäude freigab und sich eine politische Normalisierung zwischen den Besiegten und den Siegern anbahnte, ohne dass sich ihre Situation verbesserte. Die Räumung ihrer Häuser schien den Betroffenen ein Vorgang ohne Ende zu sein. Die Evakuierten wussten nicht, wann und zu welchem Zeitpunkt sie zurückkehren konnten.

Zu den Fragen "warum wir?" und "wie lange noch?" kam bei den Betroffenen die Befürchtung, ihre Häuser und ihr Eigentum gar nicht mehr zurückzuerhalten. Berichte über Zerstörungen in den Häusern sorgten unter den Evakuierten für Unruhe. Vor allem im kalten Winter 1946/47 hatten die Displaced Persons alles zum Heizen gebraucht, was sie an Holz finden konnten. Ein Protestschreiben aus der Bevölkerung veranlaßte die Amtsvertretung am 12. September 1947, eine Untersuchungskommission einzusetzen, um die Hintergründe der Räumung zu klären. Ihr gehörten die Amtsräte Müller, Wallmeier, Lanwer und Körholz an. Ein erster Zwischenbericht konnte im November 1947 ein direktes Verschulden der Verwaltung nicht feststellen. Dennoch wurden weiterhin Anschuldigungen gegen Braschoß laut. Erst zwei Jahre später stellte die Staatsanwaltschaft ein entsprechendes Verfahren gegen Braschoß ein.

Die Amtsvertretung verlängerte am 21. Juli 1949 den Untersuchungsauftrag der Kommission, um mehr über die Reckenfelder Räumung zu erfahren. In einem Abschlußbericht vom 2. September 1949 stellten die Amtsräte nach "eingehender Beratung" fest, "dass es nicht mehr möglich sei, einwandfrei zu klären, ob ein kleiner Kreis von Verantwortlichen die Auswahl des Nordviertels in Greven und der Blocks A und B in Reckenfeld vorgenommen habe. Es sei daher beschlossen worden, [...] die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen."

Trotz all dieser Unterschiede waren sich im Sommer 1946 alle politischen Strömungen in Greven in dem Ziel einig, möglichst schnell eine Freigabe der geräumten Wohngebiete zu erreichen. Dies zeigte auch die erste politische Willenserklärung der neu gewählten Grevener Amtsvertreter. Sie verabschiedeten eine Eingabe an den "Minister für die besetzten britischen Gebiete". In den Augen der britischen Besatzung hatten sich die Grevener mit diesem Vorhaben wohl zu wichtig genommen. Entschieden antwortete der eigentlich zuständige Kreis Resident Officer schon wenige Tage später: "Sie dürfen unter keinen Umständen direkt an Minister Hynd oder einen anderen Offizier höheren Ranges oder Politiker schreiben." Die Grevener wurden ermahnt, sich in Zukunft strikt an den Dienstweg zu halten.

Kurz nach dieser Versammlung beantragte der Reckenfelder KPD-Vorsitzende Runge eine Delegation zu benennen, die über die Freigabe der besetzten Häuser verhandeln sollte. Die Amtsvertretung lehnte diesen Vorschlag ab. Sie war wohl nicht bereit, einen Kommunisten in die Delegation aufzunehmen. Dann, im Dezember 1946, kam es aber zu einem Treffen in Telgte, wo Heinrich Schwinger für den "Arbeitsausschuß der Grevener Evakuierten" und Amtsbürgermeister Minnebusch den Kreiskommandanten Booth trafen.

Motiviert durch die ersten Freigaben in Greven Dorf versuchten auch Reckenfelder, die Rückgabe ihrer Wohnungen zu beschleunigen. Einen aus der heutigen Sicht kuriosen Vorschlag machte der Kreisgeschäftsführer der CDU, Franz Rock, am 20. August 1947 in einer Eingabe an den Ministerpräsidenten des Landes NRW. Er schlug vor, Reckenfeld in die "Bergarbeiteraktion" einzuschalten. Der Antragsteller nutzte dabei den hohen Stellenwert, den der Bergbau für die Alliierten hatte. Die Reckenfelder seien, so der CDU-Geschäftsführer, "gerne bereit, ein Zimmer ihrer Wohnung für Bergschüler zur Verfügung zu stellen". Die für das DP-Camp benutzten Gebäude der ehemaligen Gauschule und des ehemaligen RAD-Arbeitslagers gäben gute Unterrichtsräume ab. Den Einwand, Reckenfeld liege weit entfernt von jeder Zeche, versuchte der Antragsteller als Vorteil darzustellen: So sei es zumindest nicht möglich, dass Jungbergleute von Straßenmädchen um die Erträge ihrer Arbeit gebracht würden. "Früher machten es diese Mädchen für Brot, heute tun sie es für Punkte. Leider stehen sie oft in ziemlicher Zahl an den Zechen oder vor dem Lager." Der in Reckenfeld mögliche "Familienanschluß" würde die jungen Burschen vor einer derartigen Gefahr bewahren.

Um keinen Zweifel über die Tauglichkeit Reckenfelds für die Unterbringung von Bergleuten aufkommen zu lassen, war dem Antrag eine Liste beigefügt, die belegen sollte, dass in der Siedlung vor allem pensionierte Bergleute und Arbeiter wohnten. Die soziale Differenzierung der Unterschriftenliste wird zwar durch die Berufsangaben der aufgeführten Familienvorstände gedeckt (44 Invaliden und Bergleute, 18 Bauarbeiter, 8 Maurer usw.), aber der Antragsteller selbst glaubte nicht recht an die Stichhaltigkeit seiner Argumente. So gestand der CDU-Kreisgeschäftsführer in einem Schreiben vom 10. Oktober 1947 an den persönlichen Referenten des Ministerpräsidenten ein, die Bergbauaktion sei nur ein Vorwand zur "Befreiung des Ortes Reckenfeld" gewesen. Die Aktion sei völlig falsch angefaßt worden. Rook bemühte sich ein halbes Jahr später auf einer gemeinsamen Fahrt von Emsdetten nach Recklinghausen, den Fall Reckenfeld Ministerpräsident Arnold persönlich vorzutragen. Aber auch der erneute Versuch, "das Reckenfelder Klima für Staublungen" als besonders vorteilhaft zu empfehlen, brachte nicht das gewünschte Ergebnis, wie eine Aktennotiz der Landeskanzlei in Düsseldorf vom 28. Juni 1948 belegt: "Die Lager sind nach einer Vordringlichkeitsliste in drei Gruppen eingeteilt. Das Lager Reckenfeld befindet sich in einer zweiten Gruppe. Mit einer Räumung ist in diesem Jahr kaum zu rechnen, obwohl man bemüht ist, monatlich mehr als 1000 DP abzutransportieren.

Nach diesem erneuten Mißerfolg wurde die Kirche eingeschaltet. Im Juli 1948 machten zwei katholische Geistliche, die Pallottinerpatres Albrecht Wagner und Anton Zeller, eine Eingabe an die Militärregierung, um die Freigabe Reckenfelds zu erreichen.

Unterstützt wurde diese Petition durch das Amt Greven. Amtsdirektor Berlage belegte seine Aussagen mit einem Bericht des Gesundheitsamtes des Landkreises Münster.

Am 4. August 1948 hatte der Amtsarzt des Kreises Münster-Land 30 Wohnungen in Reckenfeld besichtigt und dabei katastrophale Wohnverhältnisse festgestellt. Dabei war die günstigste festgestellte Unterbringung der Bevölkerung die, "dass in einer Wohnung, bestehend aus einer kleinen Küche und einem kleinen Schlafraum, vier Personen wohnen mußten." Auch der lokale Kreis Resident Officer Goodrich meldete seiner vorgesetzten Behörde Wohnbedingungen, die schwere Bedenken für die allgemeine Gesundheit begründeten: Acht Personen lebten in einem kleinen Raum. Die Personen waren männlichen und weiblichen Geschlechts und zwischen zehn und siebzig Jahre alt. Sie schliefen in drei Betten und schliefen, aßen und arbeiteten in einem Raum. Sie stammten aus drei verschiedenen Familien. Derartige Beispiele ließen sich "ad infinitum" anführen. Auch der Kreis Resident Officer sah - ebenso wie der Amtsarzt des Landkreises Münster - eine Hauptursache für diese Wohnsituation in dem DP-Camp, das die Hälfte der Siedlung Reckenfeld in Beschlag nahm. Die Verantwortlichen des Landkreises Münster konnten nach Ansicht des britischen Offiziers die Situation verbessern, wenn sie Teile der Bevölkerung in andere Dörfer des Kreises einquartierten. Da eine Auflösung des DP-Camps nicht wahrscheinlich sei, war etwas in dieser Richtung zu unternehmen.

Das Amt Greven und der Kreis Münster bestanden auf einer Freigabe der für die DP-Camps genutzten Bereiche in Greven und Reckenfeld. Eine Unterbrigung der Reckenfelder in anderen Orten des Kreises lehnten die Behörden strikt ab. Oberkreisdirektor Dr. Stiff war den Reckenfeldern bekannt, weil er 1932/33 maßgeblich die Siedlungspolitik der Eisenhandelsgesellschaft Ost bekämpft hatte. Er unterstützte auch jetzt wieder die Grevener Bemühungen. Über seinen Schreibtisch gingen die Eingaben an den Regierungspräsidenten in Münster und an die Ministerien in Düsseldorf.

Am 4. Oktober 1948 kam es zu dem Treffen in der Landeskanzlei Düsseldorf. Von Grevener Seite nahmen Amtsbürgermeister Minnebusch, Kordsmeyer und Lauscher daran teil. Handschriftliche Vermerke in den Ministerialakten lassen auf die Argumente schließen, die von Grevenern dort vorgebracht wurden: - 18.000 Einwohner in vier Gemeinden waren durch die DP-Camps betroffen. - Von den Räumungen für das DP-Camp in Greven waren vor allem alte Leute und Spinnereiarbeiter betroffen. - Die Grevener Textilindustrie hatte für 5 bis 6 Millionen DM Exportaufträge. - Der Reckenfelder Teil sollte bevorzugt geräumt werden.

Ministerpräsident Arnold beauftragte das Wiederaufbauministerium mit der weiteren Bearbeitung dieser Angelegenheit. Im März 1949 veranlaßte die Düsseldorfer Landeskanzlei eine erneute Anfrage bei der britischen Militärregierung, ob das Lager Greven nun geräumt werden könne. Geprüft werden sollte auch der Vorschlag des CDU-Kreisverbandsvorsitzenden von Münster-Land, Dr. Lauscher. Danach sollten den Eigentümern der demnächst frei werdenden Häuser finanzielle Unterstützungsbeihilfen im Rahmen der Soforthilfe gezahlt werden. Gegen Ende des Monats wandte sich der Oberkreisdirektor Dr. Stiff direkt an den Ministerpräsidenten Arnold, nachdem ihm bekanntgeworden war, "dass der Herr Ministerpräsident persönlich an den durch die Ausländerlager in Greven und Reckenfeld entstandenen schwierigen Verhältnissen Interesse genommen und Nachprüfung in Aussicht gestellt" hatte.

Geschickterweise fügte der Oberkreisdirektor seine bereits gemachten Eingaben und Berichte an den Regierungspräsidenten in Münster und verschiedene Ministerien in Düsseldorf dem Schreiben bei. Das Ministerialbüro kannte nun alle relevanten Schriftsätze über die DP-Camps in Greven und Reckenfeld. In Greven verließ man sich nicht nur allein auf die Ministerien. Es gelang auch, den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) einzuschalten. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Föcher schrieb am 1. April 1949 an die britische Militärverwaltung und den Ministerpräsidenten in Düsseldorf. Zur Begründung seiner Bitte um Freigabe der Camps in Greven/Reckenfeld zitierte er die bekannten Lagedarstellungen lokaler Behörden, die von seinen gewerkschaftlichen Kollegen gewissenhaft geprüft worden seien.

Gleichzeitig und in Reaktion auf das Schreiben des Oberkreisdirektors Dr. Stiff bat der Ministerpräsident am 6. April 1949 die Oberste Militärbehörde in Düsseldorf, Generalmajor W. H. A. Bishof, Greven/Reckenfeld bevorzugt zu räumen. Obwohl bereits ein Jahr zuvor der münstersche Kreis-Resident-Officer die Auflösung des 60. DPAC in Greven-Reckenfeld unter Hinweis auf die Unzufriedenheit der Bevölkerung und die starke KPD-Organisation unterstützt hatte, konnte oder wollte die britische Militärregierung keinen Termin für die Freigabe nennen.

Am 12. Mai 1949 lehnte der Regional Commissioner Sir John Barraclough das Gesuch des Ministerpräsidenten Arnold ab. Ministerpräsident Arnold versuchte sich zum Sprecher der unzufriedenen Grevener und Reckenfelder Bevölkerung zu machen. Diese hatte zuvor in Protestversammlungen gegen eine 12%ige Minderung der Mietentschädigung für geräumte Häuser protestiert. Der "Kanzlerkandidat" aus Düsseldorf besuchte das DP-Camp in Reckenfeld und schaute sich vor Ort die Wohnbedingungen an. Er versprach, so notierte der britische Kreis Resident Officer, zu tun, was in seiner Macht stehe, um die Auflösung des Camps zu erreichen.

Noch am 8. August 1949 informierte Oberkreisdirektor Dr. Stiff Ministerpräsident Arnold über eine, wie er glaubte, entscheidende Sitzung, die am Freitag, dem 12. August, stattfinden werde. Der Oberkreisdirektor aus Münster hatte die Hoffnung, dass die DP-Camps in Greven und Reckenfeld vor der Wahl doch noch geräumt werden könnten.

Die britischen Militärbehörden ließen mit ihrer Entscheidung aber immer noch auf sich warten, Anlaß genug für den jungen Zeitungsreporter Carl Schumacher aus Greven, am 22. August 1949 direkt beim Ministerpräsidenten nachzufragen, was denn wirklich hinter den Gerüchten stecke, dass Greven nun bald geräumt werde.

Aus besatzungspraktischen Gründen hatten die britischen Behörden DP-Lager im Süden NRWs vorrangig freigegeben. Das Grevener und Reckenfelder Lager konnte von den münsterschen Zentralverwaltungen leichter betreut werden.

Endlich, im Oktober 1949, erreichte Greven die erlösende Nachricht. Mit Datum vom 7. Oktober schickte das Ministerium für Wiederaufbau eine Mitteilung auf den Dienstweg, die die Amtsverwaltung Greven schließlich am 25. des Monats erreichte. Die Grevener Lokalpresse wusste schon am 23. Oktober zu berichten, dass die Räumung des Lagers Reckenfeld bis Weihnachten 1949 erfolgen sollte. Im Anschluß daran sollte mit der Räumung des Lagers Greven begonnen werden. Bereits am 4. November wurden Details der Freigabe zwischen dem Kreis-Resident-Officer Taylor und Amtsbürgermeister Minnebusch in Greven verhandelt.

Am 9. Dezember um 10 Uhr waren in Reckenfeld 140 Häuser und Grundstücke geräumt, wie Amtsdirektor Drost dem Wiederaufbauministerium berichten konnte. Bei dieser Gelegenheit bat der Verwaltungschef um "98.000 DM Darlehen zur Instandsetzung".

Der Kreis Resident Officer berichtete nach London über die gute Presse anläßlich der Übergabe des DP-Camps Reckenfeld noch vor Weihnachten. Bereits vor diesem Termin hatte der Gemeinderat in Greven eine Instandsetzungskommission bestimmt, die das Bauamt bei der Verteilung von Darlehen zur Wiederinstandsetzung beschädigter Wohnungen in Greven und Reckenfeld unterstützten sollte.

Unter Vorsitz von Karl Körholz (SPD) hatte der Ausschuß eine Reihe von Anträgen zu beraten, in denen Betroffene darum baten, die Darlehenshöchstsätze zu erhöhen. Diesen Anträgen wurde in der Regel entsprochen. Auf Unverständnis stießen einige Grevener Fabrikanten, die ebenfalls ihre "Bedürftigkeit" anmeldeten.

Die Presse reagierte unterschiedlich auf das Thema Displaced Persons. Unter dem Titel "Östliche Kultur in Reckenfeld" hatte bereits im September 1949 die Westfälische Rundschau über eine "Schreckenszeit für das Münsterland" berichtet. Reckenfeld als "Bandenzentrum" mache einen "völlig verwahrlosten Eindruck [...] Das einzige Bauwerk, das in viereinhalb Jahren geschaffen [worden sei, sei] eine am Dorfeingang stehende Christus-Statue." Deutsche könnten die "Kultur des Ostens" in Reckenfeld begutachten, kommentierte der Journalist seine Eindrücke. Am 17. Mai 1950 berichtete eine Grevener Lokalzeitung unter dem Titel "Grevens Nordviertel frei von Ausländern" rückblickend: "Aber dann kam die Katastrophe. Mehr als 10.000 Ausländer, zum Teil KZ-Insassen deutscher Abstammung, fielen über das Viertel her, das von wenigen tausend Menschen bewohnt war.

Dieser MZ-Artikel verkürzte auch die Rede des letzten DP-Camp-Leiters, Mr. F. G. Gadd, während die Westfälischen Nachrichten am 17. Mai 1950 durchaus sachlich darüber berichteten.

Auszüge aus Veröffentlichungen in hiesigen Zeitungen

Pastor Martin Frohnhöfer schreibt in der Grevener Zeitung im Jahr 2004

Dr. Stefan Schröder vom Stadtarchiv Greven im Interview mit den Westfälischen Nachrichten

Dr. Stefan Schröder vom Stadtarchiv Greven im Interview mit der Grevener Zeitung

Heiko Habben aus Greven berichtet in den Westfälischen Nachrichten über die DPs in Greven und Reckenfeld im Jahr 2006

Die Westfälischen Nachrichten berichten über die Wohnungsnot in Greven und erwähnen die Besetzung Reckenfelds durch die Polen-DPs.

Vorstellung der Methode, wie die Daten ermittelt wurden

Die Überlegungen zur Darstellung dieses Kapitels (polnische Displaced Persons in Reckenfeld) waren: bereits gemachte Aussagen von Zeitzeugen, Tagebücher, Briefe und Dokumente auszuwerten sowie weitere Reckenfelder/innen und andere Personen zu befragen, was Ihnen noch an Erinnerungen geblieben ist.

Karl-Heinz Sandbaumhüter und Manfred Rech haben in den Jahren 2008 und 2009 mit vorgefertigten Fragebögen bzw. ohne jene Unterlagen Interviews geführt, entweder handschriftlich oder mit dem Laptop das gesprochene Wort aufgeschrieben.

Erstaunlich war, dass, wenn über die damalige Zeit gesprochen wurde, immerhin nach mehr als 60 Jahren, Vieles zum Vorschein kam, worüber wahrscheinlich bei einigen seit Jahrzehnten wenig oder gar nicht erzählt worden ist.

Bei einigen der Interviewten sprudelte es förmlich heraus, so dass erst einmal nur stichwortartig das Gehörte festgehalten werden konnte, um es dann noch am selben Tag im PC zu dokumentieren.

Das Ergebnis dieser Befragungen war hervorragend. Hervorragend deshalb, weil damit Begebenheiten 'während dieser Polenzeit in Reckenfeld' dokumentiert werden konnten, die hoffentlich dazu beitragen, dass spätere Generationen sich die Mühe und Arbeit machen, über die hiesigen Geschehnisse nachzudenken.

Nach mehr als 3 Jahren intensiver Recherchen konnten über 300 Dokumente, davon 120 Zeitzeugenaussagen, ausgewertet werden. Die Ergebnisse sind nach Themengruppen gegliedert und die meisten Texte in Tabellenform als verlinkte PDF-Dateien nachzulesen.

Viele Fotos wurden von den Befragten zur Verfügung gestellt. Sie wurden ebenfalls nach Themengruppen sortiert und verlinkt.

Durch das Befragen von etwa 120 Zeitzeugen, finden sich gleich oder ähnlich lautende Texte wieder. Das zeigt allerdings auch, dass es über das entsprechende Thema mehrere Zeitzeugen gab.

Was verbirgt sich hinter "Namenskürzel". Die meisten Namen der Zeitzeugen wurden durch maschinell erstellte Kürzel anonymiert. Rückschlüsse auf die wirklichen Namen können dadurch nicht gezogen werden.

Allen denen, die dazu beigetragen haben, dass auf dieser Website ein weiteres, für Reckenfeld sehr wichtiges Thema, dargestellt werden konnte, sei hiermit herzlichst gedankt.

Quellen:

  • Interviews durch Sandbaumhüter, Rech

  • Schüler/innen-Arbeiten

  • Biografien

  • Chroniken von Schulen, Kirchengemeinden und Personen

  • Bücher, Tagebücher, Briefe

  • Zeitungsberichte

  • Amtliche Dokumente (Stadtarchiv Greven, Gemeindearchiv Nordwalde, Stadtarchiv Emsdetten)

  • Dokumente von Privatpersonen

Der offizielle Beginn der Besetzung und erste Reaktionen

Gerüchte hin oder her, jetzt war es amtlich: Reckenfeld muss zu einem Großteil sofort geräumt werden, und das sah so aus:

Die Engländer - mit Sitz in Telgte - senden den Räumungsbefehl für Reckenfeld an Grevens Bürgermeister.

Gleich nach Bekanntwerden über die Beschlagnahme von Häusern, Baracken und dem fast gleichzeitigen Auszug Reckenfelder Familien werden Proteste laut. Einer, der lautstark dagegen angeht, ist der katholische Rektor Wilhelm Müller.

Die polnischen Displaced Persons rücken in Reckenfeld ein

Was nach Kriegsende (8. Mai 1945) und zwar einige Tage danach, nämlich am 16. Mai 1945 als Befehlstag, kam, war für einen Großteil der Reckenfelder Familien - im Grunde für alle Reckenfelder -, am 18. Mai 1945 als Einzugstag, eine Katastrophe großen Ausmaßes: Die Beschlagnahme und Besetzung von Häusern in den Wohnblöcken A und B sowie einiger Gebäude in anderen Teilen Reckenfelds durch die Alliierten (Engländer) für die Unterbringung von polnischen Displaced Persons.

Es kommen Zeitzeugen zu Wort [PDF-Datei], die über die Bekanntgabe für die Räumung der Häuser bzw. Wohnungen etwas zu sagen hatten.

Die Wohnblöcke A und B wurden (fast) komplett beschlagnahmt. Es handelte sich hierbei um Häuser und Baracken

Weshalb die Blöcke A und B statt C und D als Unterkünfte für die Polen bestimmt wurden, ist nie ganz geklärt worden. Weil Bürgermeister Heimsath im Block C wohnte, wurde in Reckenfeld getuschelt, dass das was damit zu tun hätte. Beweisen konnte das niemand, deshalb verlief das Thema der "Gerüchteküche" im Sande.

Der Block A mit allen besetzten Häusern und Baracken

Der Block B mit allen besetzten Häusern und Baracken

Eine Gesamtübersicht aller besetzten Häuser [PDF-Datei]

Ausserhalb der Wohnblöcke A und B wurden folgende Häuser in den aufgeführten Straßen beschlagnahmt

Bahnhofstraße

Dorfplatz (Ortsmitte)

Emsdettener Straße (heute: Industriestraße)

Grevener Straße (heute: Grevener Landstraße)

Nordwalder Straße (heute: Steinfurter Straße)

War das Unfassbare einer Zwangsräumung von Teilen Reckenfelds noch irgendwie zu verhindern? An Versuchen des Abwendens hat es nicht gemangelt. Und was sonst noch getan wurde

Rektor Müller vom katholischen Pfarr-Rektorat Reckenfeld verfasst, als die Entscheidung vom 16. Mai 1945 schriftlich vorlag, umgehend einen Brief, auf ganz besondere Familienangelegenheiten hinzuweisen. So schreibt Müller an 'den Herrn Kommandanten in Greven': [...] Zu der Räumung in Reckenfeld (A und B und Bahnhofstraße) bitte ich, folgendes berücksichtigen zu wollen. Die Hauseigentümer haben sich hier aus Kleinstem emporgearbeitet. Alle Bewohner haben gut bewirtschaftetes Gartenland von insgesamt über 200 Morgen. Durch deren Wegfall würde die Ernährung hier erheblich erschwert. Wir sind hier auf die Erträge angewiesen. Auch haben viele Familien Kleintiere, Schweine und Schafe. Insgesamt würden von der Räumung ca. 1.300 Menschen betroffen. Das ist wohl über die Hälfte der Einwohner. Um allzu große Härten zu vermeiden, bitte ich, folgende Familien in ihren Wohnungen zu belassen:

Brüggemann Bahnhofstraße 11 Kinder
Hösker Bahnhofstraße 7 Kinder
Dilla Bahnhofstraße 6 Kinder
Patten Bahnhofstraße 4 Kinder (davon 1 schwer krank)
Schwering A 9 4 Kinder (Schuhmacher)
Merschkötter A 15 6 Kinder
Hünteler A 25 5 Kinder
Reichhardt A 36 6 Kinder
Schnückler A 37 5 Kinder
Rossbicki A 37 5 Kinder
Handschuh A 30 6 Kinder
Henke A 39 6 Kinder
Schiwon A 38 Frau bettlägerig
Gauselmann A 22 Kind krank (Lebensmittelgesch.)
Wildemann B 14 Lebensmittelgesch. / Postagentur
Janotta B 15 Bäckerei
Bosse B 27 9 Kinder
Nytens? A 41 5 Kinder

Was Pfarr-Rektor Müller in seiner Chronik festgehalten hat (PDF-Datei) spricht Bände...

Und noch einmal der katholische Priester, Pfarrer Müller: "[...] Verhandlungen wurden gepflogen mit der UNRRA in Reckenfeld, wie mit der UNRRA und den englischen und deutschen Stellen in Greven, wie auch mit dem Kreiskommandanten und dem Landrat in Telgte. Nichts kam bei alledem heraus, die Polen blieben in den Häusern [...]

In einem Brief des Hauptpostamtes in Münster vom 26.5.1945 wird versucht die Poststelle in Reckenfeld in Block B (14) zu erhalten. "In Reckenfeld befindet sich im Hause des Herrn Johann Wildemann, Block B 14, die Poststelle. Da wir diese Diensträume dringend zur Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebes gebrauchen, legen wir großen Wert darauf, dass uns diese Räume auch weiterhin verbleiben. Aus diesem Grunde und weil in diesem Hause außerdem noch ein Lebensmittelgeschäft betrieben wird, bitten wir, das Haus nicht für andere Zwecke zu beschlagnahmen." Es half nichts, die Poststelle wurde innerhalb Reckenfelds ausgelagert.

Unterlagen im Grevener Stadtarchiv belegen den Schriftverkehr auf unterschiedlichsten Ebenen. Entweder, es wurde versucht, die eingetretene Katastrophe rückgängig zu machen, die von der Ausquartierung betroffenen Familien aus ihren Notunterkünften herauszuholen bzw. das Ende der Besetzung durch die DPs voranzutreiben. Dass das jedoch über mehr als vier Jahre so blieb, hatte viele Gründe. Dennoch ist den Männern in der Amtsverwaltung Greven als auch Reckenfelder Bürgern (Müller, Scharpenberg) zu danken, dass Sie es immer wieder versucht haben, der Bevölkerung helfen zu wollen. Schriftverkehr erfolgte u.a. mit folgenden Stellen:

  • Minister für Wiederaufbau in Düsseldorf

  • Deutscher Gewerkschaftsbund Düsseldorf

  • Ministerium für Landwirtschaft und Forsten in Düsseldorf

  • Verkehrsministerium in Düsseldorf

  • Ministerpräsident NRW in Düsseldorf

  • Regierungspräsident in Münster

  • Landrat des Landkreises Münster in Telgte

  • Landtagsabgeordneten Dr. Lauscher, Greven

  • British Resident in Münster Rural

  • Sozialministerium in Düsseldorf.

Auszug aus einem Brief: Der Ministerpräsident von NRW schreibt am 6.4.1949 an den zuständigen General Bishop in Düsseldorf: "[...] bitten, sich für die bevorzugte Räumung der DP-Lager Greven und Reckenfeld einzusetzen, weil die Wohnverhältnisse der ansässigen Bevölkerung in Greven und Reckenfeld über alle Maßen notdürftig sind. Im Amtsbezirk Lahde und die Arbeitsanstalt Brauweiler sollen im April 49 geräumt sein. Die Lager im Südteil des Landes NRW sollen danach geräumt werden. Anstelle dieser Lager sollten doch Greven und Reckenfeld vorgezogen werden. Es ist für die Betroffenen unerträglich, wenn die Aufrechterhaltung der Lager beibehalten würde. Es herrscht hier eine Notlage [...]"

Wo blieben die evakuierten Reckenfelder Familien und wie haben sie gelebt?

Zum Überlegen blieb den Reckenfeldern nicht viel Zeit, es waren Stunden, nicht Tage oder Wochen! "Was können wir mitnehmen, und wo sollen wir hin?"

Was die Zeitzeugen noch wussten, wie es ihre Eltern, Großeltern oder sie selbst geschafft haben, eine Bleibe zu organisieren, finden Sie

hier: [PDF-Datei]

Fotos dazu gibt es auch
Das steht in Akten des Grevener Stadtarchivs
  • Während der Zeit der Besetzung durch die polnischen DPs wurde vom Amt versucht, den betroffenen Reckenfelder Familien irgendwie zu helfen. Als eine Möglichkeit galt es, Baracken aus Wehrmachtsbeständen als Unterkünfte bzw. für sonstige Maßnahmen einzusetzen.

  • Richard Lück, Unternehmer aus Münster, hatte bereits 1945 seine Fühler ausgestreckt, in Reckenfeld Fuß zu fassen. Zwei Behelfsheime, Holzbaracken lässt er im Block A aufstellen. Als die Polen in Reckenfeld ankommen, werden die Baracken von den Engländern beschlagnahmt. Das geschieht um den 16. Mai 1945.

  • Folgende Familien kommen in Wehrmachts-Wohnbaracken unter, Jahre 1946 ff.:

    Name Größe Wert Sonstiges
    Bohnenkamp, Clemens 45,6 qm Wert unbekannt
    Jäkel, Erwin in D 21,78 qm Wert 500 RM Kauf der Baracke für 500 RM am 24.5.48
    Kock, Paul B 13 30,8 qm K. A. Kauf der Baracke am Bahnhof für 450 RM am 24.5.48
    Runge, Wilhelm D 42 30,0 qm Wert 770 RM Kauf der Baracke für 7700 RM am 24.5.48
    Eixler, Willy C 41 11,30m x 3,75m wird ab dem 20.12.1946 bewohnt Baracke ist in einem schlechten Zustand (Mai 1948)
    Hegemann, Bernhard 12,7m x3,80m Wert 945 RM Kauf der Baracke für 1.250 RM am 24.5.48
    Borkenhagen, Josef 6,50 x 8,00m Wert 500 RM Kauf der Baracke für 500 RM am 1.6.48
    Schlick, Reckenfeld ohne Fußboden 48,0 qm Wert 950 RM Kauf der Baracke für 950,-- RM am 5.6.48 ***
    *** Der Amtsbürgermeister im März 1946: "Herr Schlick hat von der UNRRA in Reckenfeld neben seiner Werkstatt eine Baracke aufgestellt bekommen, da er sämtliche Arbeiten für die UNRRA ausführen muss. Er bittet, da er große Unkosten mit der Aufstellung hatte, um Übereignung der Baracke. Bei der Besichtigung der Baracke wurde festgestellt, dass es sich um eine Baracke des RAD handelt, die noch einen Wert von 2.295,-- RM hat. Es wird vorgeschlagen, dass Schlick die Baracke mieten soll.
    Schlick will nicht mieten. Die Baracke sei zwar neben dem Haus aufgestellt, doch arbeite darin die UNRRA. Er will alleine über die Baracke verfügen.
    Im Juni 1947 heisst es: Frau Heinrich Schlick hat nunmehr die von der UNRRA geräumte Baracke zur Benutzung als Werkstatt für sich übernommen. Die Baracke war ohne Fußboden und hat eine Größe von 8 Meter x 6 Meter = 48 qm. Der Mietvertrag wurde ab dem 21.4.47 mit 9,60 RM pro Monat festgelegt.
    Im Mai 1948 hat die Baracke von Schlick nun einen Betonboden, eine Reparaturgrube befindet sich in der Halle, Licht und Wasser ist ebenfalls angelegt. Schlick hat diese Massnahmen aufgrund des polnischen Kommandanten getätigt. Wegen der Investitionen kann man Schlick nicht zumuten, dass diese Baracken für Wohnzwecke zur Verfügung gestellt wird. Die drei Einfahrtstore an der Baracke sind ebenfalls Eigentum von Schlick. Das Dach befindet sich in einem guten Zustand. Der OKD will nicht, dass die Baracke zum Erwerb für Wohnzwecke dem Schlick weggenommen wird.

    Sonstiges:

    • 1948: Amt Greven an OKD in Telgte: Es wird darauf hingewiesen, dass die Baracken, auch wenn die Erwerber eine andere Wohnung bekommen, weiterhin dem Wohnungsamt zur Verfügung zu stellen sind

    • 1948.03: Der OKD bemängelt beim Amtsdirektor, dass seit zwei Jahren eine Baracke leer steht, obwohl Wohnungsnot herrscht. "Es muss doch möglich sein, dass die zuständigen Stellen die Baracke für Wohnzwecke freigeben." Das Amt soll mit der Lagerleitung Kontakt aufnehmen: Antwort des Bürgermeisters von Greven: "Verhandlungen mit dem Lagerkommandanten haben zu keinem Ergebnis geführt. Die Aussage: die Baracke würde für Versammlungen benötigt. Mit dem Stellvertreter des Lagerkommandanten Oberleutnant Slivice wurde erneut verhandelt. Dieser lehnt erneut die Freigabe ab. Sie würde für Badezwecke genutzt."

    • Scharpenberg ist Vorsitzender der Wohnungskommission

Wie war das Verhältnis der Reckenfelder zu den polnischen Besetzern?


Wenn man sich vorstellt, dass die Reckenfelder Bewohner noch Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges am eigenen Leib erfahren sollten, nämlich aus ihren Häusern und Wohnungen vertrieben zu werden, dann ist doch wohl zu erwarten, dass es nicht außergewöhnlich freundlich und zuvorkommend zwischen Polen und den Reckenfeldern zugegangen ist.

Was man über die Polen herausbekommen hatte [PDF-Datei]

Das Leben der Reckenfelder unter dem Einfluss des Polenlagers [PDF-Datei]

Polen und Deutsche haben Fotos vom Lagerleben gemacht, es liegen zwar nicht sehr viele Fotos vor, aber einige konnten entgegengenommen werden.

Zeitzeuge (Ya.)

Nach 22 Uhr durfte niemand mehr auf die Straße!

Zeitzeugin (Gn.)

Samstags oder sonntags war Tanz im Deutschen Haus, von den Polen veranstaltet. Auch Deutsche konnten da hin, vor allem die Fußballer, mit denen einige Polen gute Kontakte hatten.

Zeitzeugin (Al.)

Während der Polenzeit waren wir mit vielen anderen jungen Menschen tanzen, nicht in Reckenfeld, sondern in Hembergen, bei Löbke. Thünemann, sen., begleitete mit einem Schifferklavier. Ein Fußmarsch nach Hembergen war dafür erforderlich. Die Sperrstunde war um 23.30 Uhr.

Landrat Dr. Stiff erlässt am 13.7.1945 (von Telgte aus) eine Verfügung über die Ausgehverbotszeit für die Zeit 15.07.1945 - 20.07.1945 22.00 Uhr bis 04.45 21.07.1945 - 11.08.1945 21.45 Uhr bis 05.15 12.08.1945 - 25.08.1945 21.30 Uhr bis 05.30 26.08.1945 - 07.09.1945 21.00 Uhr bis 06.00

Amtsbürgermeister Berlage erlässt am 14.11.1945 eine Bekanntmachung, die auch in Reckenfeld ausgehängt wird: In letzter Zeit sind im hiesigen Amtsbezirk mit Hilfe unzufriedener deutscher Zivilisten gewisse Verbrechen ausgeführt worden. Aus diesem Grund wird strengstens darauf hingewiesen, dass sich alle Zivilisten, die nach dem Ausgehverbot draussen angetroffen werden, sich der Gefahr aussetzen, dass auf sie geschossen wird, wenn sie in Sicht einer englischen Streife kommen.

Zeitzeugin (Tc.)

In den Nächten wurde Wache gehalten und dabei wurde ein Kartoffeldieb, aber ein Reckenfelder, gestellt.

Zeitzeuge (By.)

Von den Abläufen in Reckenfeld weiss ich nichts, weil ich nicht nach Reckenfeld reingekommen bin. Die ließen einen nicht hinein. Außerdem war das viel zu gefährlich. Auch meine Eltern haben während dieser fünf Jahre ihr Haus nie wiedergesehen.

Zeitzeuge (Jk.)

Oskar L. war Gemeindearbeiter. Er mußte die Jauche der Polen herausholen und abfahren.

Der 1. Vorsitzende Alois Tennie und der 2. Vorsitzende Gustav Retzmann von der Wirtschaftlichen Vereinigung Deutscher Kriegsbeschädigter und Hinterbliebener - Ortsgruppe Reckenfeld - fragt bei der Gemeindevertretung Greven l.d.E. am 5.7.1949 nach, warum dem Schwerkriegsbeschädigten Bernh. Theissing das Jauche fahren aus dem Ausländerlager Reckenfeld untersagt worden ist. Weshalb wurde einem Grossbauern die Angelegenheit übertragen? Wir stellen daher den Antrag, den beiden Schwerkriegsbeschädigten Theissing und Marschewski das Jauchefahren wieder zu erlauben.

Das Bauamt - Greven - schreibt dazu am 7.7.1949: Dem Vorsitzenden Tennis ist vor etwa 2 Jahren erklärt worden: "Der Fuhrunternehmer Theissing war mit der Jaucheabfuhr seit Bestehen des Ausländerlagers beschäftigt. Bei den damaligen Bürgermeister Heimsath sowie bei der Amtsverwaltung Greven liefen laufend von dem damaligen polnischen Kommandanten Klagen ein, dass der Inhalt der Gruben wegen Überfüllung hervortrete. Auf die Seuchengefahr wurde hingewiesen. Der polnische Arzt musste sein Gutachten abgegeben. Es wurde festgestellt

  • Die Gruben zum größten Teil überliefen
  • Die Fuhrstunden nicht immer einwandfrei eingetragen wurden
  • Theissing nicht in der Lage ist, die Gruben restlos reinzuhalten.
  • Ferner wünschten Reckenfelder Bürger nicht, dass Theissing weiter Jauche fahre, da derselbe mit den Ausländern in geschäftlicher Beziehung stünde.

    Beweis zu letztem Punkt: Der Bauer Schulze Robert fährt laufend mit stehenden Wagen und Jauchefässern mit 1.000 Liter Inhalt. Theissing dagegen fuhr mit einem Wagen und mit einem weitaus kleinerem Fass. Zur Abwendung der berechtigten Klagen wurde von mir der Bauer und Spediteur Strotmann, Herbern, aufgesucht. Dieser lehnte die Abfuhr trotz der von mir hervorgestellten wichtigen Vorzüge, wie reichliches Geldeinkommen, Dung für eigene Grundstücke u.a., ganz entschieden ab. Daraufhin wurden mit Schulze Roberg Verhandlungen aufgenommen.

    Zeitzeuge (Jk.)

    Mein Vater musste täglich viele Weißbrote nur für die Polen und Engländer backen. Die Deutschen (Reckenfelder) erhielten Maisbrot.

    Wenn es mal Weißbrot für die Deutschen gab, standen die Reckenfelder Schlange. Es wurde aber auch gekungelt. So war es auch möglich, dass Reckenfelder auch mal in den Genuß von Weisbrot kamen.

    Zeitzeuge (Vo.)

    Die polnischen Jungs dort haben uns abgepasst, wenn wir nach Hause wollten, dann haben sie uns verdroschen. Mit einem Stein hat ein polnischer Junge mir in den Bauch geschlagen.

    Einem dieser Polen bei Strotmann habe ich dann seine Hühner gestohlen, und sie in unserem Keller versteckt. Er meinte, dass ich sie wohl hätte, als ich einen Holzstall für die Hühner gebaut habe

    Drei Hühner habe ich dazugekauft, dann hatten wir 10 Stück.

    Zeitzeuge (Z.)

    Eines Nachts wurde unsere Wohnung im Block D von Polen durchsucht, aber sie haben nichts mitgenommen

    Aus dem Tagebuch einer Zeitzeugin sowie ein Brief an ihre Schwester, die zu dieser Zeit nicht in Reckenfeld wohnte [PDF-Datei]

    Besondere Erlebnisse und u. a.Vorkommnisse [PDF-Datei]

    Aus Unterlagen des Stadtarchivs Greven und weitere Aussagen bzw. Hinweise [PDF-Datei]

    Der sprichwörtliche Fahrradklau war eine Erscheinung, die sich fast täglich abspielte. Reckenfelder/innen fuhren mit dem Fahrrad zur Arbeit, zu Verwandten und sonst irgendwo hin. So lange keine Polen in der Nähe waren, war alles in Ordnung. Nur, waren Polen in der Nähe oder sahen sie auch nur jemand heranradeln, dann wurde es schwer für die oder den Reckenfelder/in. Einige haben etwas zu Protokoll gegeben.

    Fahrräder gelangten des öfteren in fremde Hände und das nicht freiwillig [PDF-Datei]

    Was polnische DPs zu berichten hatten und von anderen DPs in Erfahrung gebracht wurde

    Das Interesse an den DPs, die in Reckenfeld gelebt haben, war auch noch einem Zeitraum von mehr als 50 Jahren recht groß. Von zwei Schülerinnen sind folgende Arbeiten (Interviews) bekannt, und weitere Recherchen ergeben eine detailliertere Einsicht in das damalige Leben.

    Erinnerungen einer Reckenfelderin, die aus ihrem Haus herausmussten [PDF-Datei]

    Erinnerungen einer Polin, die im Reckenfelder Lager war [PDF-Datei]

    Ein Telefongespräch mit dieser Person (Polin) [PDF-Datei]

    Der Lebenslauf eines Mannes, der im Reckenfelder Lager lebte und in Reckenfeld blieb [PDF-Datei]

    Unterlagen und Fotos eines Reckenfelders, der als DP nach Reckenfeld kam und blieb

    Erinnerungen eines Mannes, der ebenfalls in Reckenfeld blieb [PDF-Datei]

    Unterlagen und Fotos eines Reckenfelders, der als DP nach Reckenfeld kam und blieb

    Erinnerungen eines Mannes, der als Kind in Reckenfeld war [PDF-Datei]

    Fotos aus dem Lagerleben in Reckenfeld

    Ein Arzt erinnert sich an die damalige Zeit im Emsdettener Krankenhaus [PDF-Datei]


    Wie sich das Leben in Reckenfeld gestaltete und was es für besondere Ereignisse und Erlebnisse gab

    Wenn man im Jahr 2011 (es ist das Jahr der Übernahme dieses Kapitels ins Internet) auf die damalige Zeit zurückblickt, fragt man sich doch, wie haben es die Reckenfelder Bürger geschafft, mit all den Ploblemen, die Ihnen aufgezwängt wurden, fertig zu werden? "Irgendwie schafft man das immer", hatte ein Zeitzeuge dazu bemerkt...

    Ein ausführliches Interview mit einem Reckenfelder über die damalige Zeit [PDF-Datei]

    Hinweise auf damals von einem Reckenfelder [PDF-Datei]

    Eine Emsdettenerin schildert ihre Erfahrung mit DPs aus Reckenfeld [PDF-Datei]

    Ein Interview mit einer Reckenfelderin, die einen polnischen DP aus dem Lager geheiratet hat [PDF-Datei]

    Ein Interview mit einem Reckenfelder, Jahrgang 1928, über die damalige Polenzeit.

    Gesammelte Werke (Fotos) aus dieser Zeit von 1945-1950:

    Und wie sahen andere Personen die Lage in Reckenfeld? [PDF-Datei]

    Und auch in der hiesigen Presse konnte man das lesen: [PDF-Datei]

    Zwei Berichte: Der Reckenfelder Bote und der Brief einer jungen Frau

    Fotoserie über das Leben im Reckenfelder Lager

    Aufruf der Engländer und Ausweispapiere für die Deutschen

    Zeitzeugin (Kl.)

    Bei meinen Eltern und meiner Schwester (Emsdettener Straße - heute Industriestraße -) standen die Polen schon hinter ihr und rissen der Anneliese noch die Essigflasche aus der Hand, weil sie glaubten, es wäre Schnaps drin.

    Im Ort und in den Bauerschaften ging es böse zu: Die Polen hausten wie Vandalen, stahlen und plünderten, wo sie konnten. Junge Reckenfelder Leute standen überall Wache mit Blashörnern ausgerüstet, um Hilfe herbeizuholen, wenn die Polen wieder aufkreuzten

    Die Polen schlachteten das Vieh auf den Weiden ab und dort, in A und B, wo sie wohnten, fällten sie die Obstbäume und rissen soviel Holz, wie eben möglich war, aus den Häusern, um Brennholz zu haben. In einem Raum hatten sie meist ein großes Loch in den Fußboden geschlagen, Stuhl ohne Sitz darübergestellt, was dann ihr Klo war. Wasser und Kot fielen hinunter in den Keller. Man muß sich den Gestank in den Häusern vorstellen [...]

    Der Landrat Dr. Stiff schreibt am 29.9.1945 an die Bürgermeister von Saerbeck und Greven und teilt mit, dass die Militärregierung sich damit einverstanden erklärt, dass diejenigen männlichen Personen, die die Nachtwache zwecks Vermeidung von Überfällen und zur nachbarlichen Hilfe ausführen, Bescheinigungen erhalten, wonach diese Personen von dem Ausgehverbot innerhalb des Wachbereichs befreit sind. [...]

    Zeitzeuge (Tv.)

    Deutsche Handwerker kamen nur mit der polnischen Polizei in das Lager (A und B). Ich habe heute Verständnis, dass die Polen sich nicht besonders freundlich benommen haben, was hatten die doch mit den Deutschen alles erlebt. Und zu Beißen hatten die doch auch nicht viel. Sie waren genau so arme Schweine wie alle anderen. Es gab auch bei den Polen gute Leute.

    Man kann die Polen nicht so einfach verdammen, wenn sie die Dielen verbrannt haben. Wie sollten sie denn ihre Bude warm kriegen. Man sollte auch darüber nachdenken. Nicht nur auf die Polen schimpfen, wie schlimm alles war.

    Zeitzeugin (Qs.)

    Wir haben alles zusammengepackt, ein Zimmer, so wussten wir, musste erhalten bleiben, damit die Ankömmlinge nicht in ein leeres Haus ziehen mussten. Mindestens Bett, Schrank und Ofen mussten es sein. Meine Eltern und wir Kinder betrachteten das Packen als Pfingstputz. Vater holte sich von einem Bauern Pferd und Wagen (er kannte sich bei den Bauern gut aus) und dann wurde aufgeladen, als man wusste, dass A und B geräumt werden mussten. Die Polen waren zu diesem Zeitpunkt im Anmarsch. Auf dem Weg zur Arbeit - Industriestraße - wurden wir auch von polnischen Männern überfallen, so dass Mutter bei der Schwester Hedwig (in der evangelischen Kirche, Industriestraße) schlafen konnte. Von hier ging sie dann rüber zu Stoltes. Unsere Familie versorgte, als sie wieder zu Hause war, 6 oder 7 junge Deutsche, die kaum Sachen zum Anziehen hatten.

    Bei Brinkmeyer haben wir mit den Polen Karneval gefeiert. Wir hatten oft viel Hass auf die Polen, aber wir haben auch verstanden, dass sie viel mitgemacht hatten. Für ihre Lage und auch für ihr Tun hatten wir auch Verständnis. Dass hat sich heute - nach so vielen Jahren -, noch weiter verstärkt. Die Polen haben alles was essbar war, geschlachtet. Auch unser Hund viel dem zum Opfer. Während der Polenzeit sind wir nicht wieder in oder an unserem Haus gewesen. Viele Polenkinder waren unterernährt gewesen und einige sind als Säuglinge und Kleinkinder gestorben.

    Wir haben unter den Polen viele nette Menschen kennen gelernt.

    Zeitzeugin (Pa.)

    Über die Äcker von Brockmann zu unserer Wohnung bei Patten bin ich zur Bahnhofstraße gelangt. Also hintenherum, wegen der Polen. Im Haus von Dilla lebte eine Polin im Haushalt und wenn Lenfort Milch brachte, haben wir dieser Frau restliche Pfennige in ihre Kitteltasche getan. Darüber hat sie sich gefreut. Das war so um 1944. Weil wir der Polin bei Dilla geholfen haben, sah der Kommandant bei Schwöppes von einer Bestrafung ab. Unsere Menschlichkeit hatte sich hier ausbezahlt.

    Polnische Fußballer haben beim SCR mitgespielt. Die Polen hatten gute Leute. Der Fußballplatz bei Dilla gehörte den Polen. Wir durften da auch mal drauf mitspielen

    Ich habe gehört, dass ein Schiff mit DPs - darunter seien auch Reckenfelder Polen gewesen - sei untergegangen. Fred Riese und Eugen Klaasen und ich, wir waren Mitglieder einer Kapelle. Sie wurde 1947 gegründet. Fred Riese war Berufsmusiker bei der Wehrmacht. Riese wohnte in D in einer Baracke. Polen hatten Riese angesprochen, ob wir Musik bei Feiern im Deutschen Haus machen würden. Die Kapelle ist dann ca. 6-7 mal dort aufgetreten. Beim ersten Mal musste ich ein großes Glas Schnaps auf 'Ex' austrinken. Dann bin ich umgefallen, weil ich sonst nie Alkohol getrunken habe. Auch heute trinke ich ganz wenig, kein Bier. Danach habe ich nie wieder Schnaps von den Polen angenommen. Diesen Schnaps haben sie selber gebrannt.

    Es gab bei den Festen nie Schlägereien oder sonstige Unannehmlichkeiten, obwohl die Polen alle besoffen waren. Ich spielte Schlagzeug und Geige.

    Zeitzeuge (Tv.)

    Deutsche Polizisten durften das Lager nur in Begleitung polnischer Polizisten betreten. Die Polen hatten eine eigene Polizei, so 10 bis 12 Mann

    Zeitzeugin (Js.)

    Zu Beginn unserer Praxis 1949/1950 haben wir auch Hausbesuche in Reckenfeld gemacht, auch Polen in A und B. Wir sind mit Badouin (Taxe) gefahren

    Zeitzeugin (C.)

    Einige Polen sind nach Australien ausgewandert. Ein Schiff mit Polen besetzt, soll auf hoher See gesunken sein

    Zeitzeugin (Jk.)

    Wegen des Polenlagers und der Bestimmung, welche Blöcke geräumt werden mußten, hätte der Bürgermeister keine Entscheidungsmöglichkeit gehabt. Es sei bestimmt worden von den Engländern: A und B müssen räumen!

    Zeitzeugin (Jk.)

    Als der Befehl erging, die Reckenfelder müssen raus aus ihren Häusern, hätten sie 48 Stunden Zeit gehabt. Wenn sie zu viel mitgenommen hatten, mussten sie teilweise zurück und das wieder abladen. Oder sie wurden beklaut

    Weitere Zeitzeugen kommen hier zu Wort:

    Zeitzeugin (Uq.)

    Die Polen hatten seiner Zeit kein Trinkwasser mehr zur Verfügung. Den vorhandenen Brunnen hatten sie beschädigt. Das Wasser musste von Emsdetten gebracht bzw. geholt werden

    Zeitzeuge (Tc.)

    Die Großmutter hat das alles gesundheitlich nicht verkraftet und ist dabei durchgedreht

    Zeitzeuge (C.)

    Die Engländer fuhren Streife. Zeitzeuge meint, dass ca. 100-150 Engländer zur Bewachung und Kontrolle hier in Reckenfeld gewesen waren

    Zeitzeuge (E.)

    Vieh haben die Polen in der Wohnung geschlachtet, und wir haben "schwarz" geschlachtet u.a. Schweine. Die Engländer haben dann feste mitgefeiert

    Zeitzeuge (G.)

    Ein Pole ist mit meiner Schwester zu Fuß nach Westrup gegangen und sie hat dort was zu Essen bekommen. Sie ist aber unterwegs belästigt worden

    Ein Hausmädchen (später Studentin) war bei I., Bahnhofstraße, im Haushalt beschäftigt gewesen, sie hat uns helfen wollen. Wir bekamen einen Sack mit Mehl. Leider war statt Mehl nur Wäschestärke in dem Sack

    Zeitzeuge (Nw.)

    Bei Brinkmeyer haben jede Menge Möbel gestanden, die den Leuten aus A und B weggenommen worden waren

    Zeitzeugin (Mb.)

    Wenn wir Mädchen vom Kommunionunterricht nach Hause mußten, haben sich die Mädchen angefaßt und Pastor Müller hat sie bis zur Emsstraße gebracht, da waren dann keine Polen mehr. Die polnischen Jungs wollten die Mädchen verkloppen. Die Jungs standen am Deutschen Haus herum

    Ich habe etwa 1947 zwei polnische Kinder aufgepaßt. Alice hieß das eine Mädchen. Ich war so 9 oder 10 Jahre alt. Es waren die Kinder des Polen Roshak. Das Haus war der ehemalige Schuppen in A 2 an der heutigen Emsdettener Landstraße. Ich blieb mit den Kindern nicht in A, sondern nahm die Kinder mit nach Hause und ging in C damit spazieren. Ich hatte Angst dort in A zu bleiben, denn da waren ja alles nur Polen. Es wohnten zwei polnische Familien in dem Haus in A. Es gab noch zwei weitere deutsche Mädchen, die polnische Kinder betreut haben sollen. Für das Aufpassen habe ich etwas Geld bekommen. Die andere polnische Familie im Haus hatte auch zwei Kinder. Ich wurde von der Frau abgeholt. Sie arbeitete später in Sudmühle in der Gastwirtschaft.

    Ich erinnere mich sehr gut noch die folgende Geschichte, die ich nie mehr vergessen kann: Ich sollte mit einigen Polen in A in ein anderes Haus (A 25), um auch Kinder aufzupassen, und da waren alles nur Männer, sehr viele, die von außerhalb kamen. Die zeigten mir, dem 10-jährigen Mädchen, ein Foto, auf dem ein Jägerzaum zu sehen war. "Diesen Zaun haben Deutsche gemacht, alles aus Knochen getöteter polnischer Menschen, deine Deutschen!" Ich hatte Todesangst, aber keiner hat mir etwa getan, sie wollten mir das zeigen, damit ich das weitererzähle. Danach war es vorbei mit dem Kinderaufpassen. Meine Mutter hatte es verboten.

    Zeitzeugin (Ih.)

    Während der Polenzeit haben wir im Block D gewohnt. Mein Vater verdiente im Monat 98,-- Mark, 28 Mark gingen für Miete drauf, blieben also 70 Mark fürs Leben der Familie mit drei Kindern

    Vater war Fremdenlegionär und als solcher hatte er französische Papiere (die er sich von einer französischen Stelle in Greven ausstellen ließ), und wenn die Polen ihn in Reckenfeld anhielten, zeigte er diese Papiere, und schon war alles klar: Das Fahrrad wurde nicht abgenommen und auch andere Transporte, um Baracken in D bauen zu können, liefen dadurch problemlos ab.

    Zeitzeuge (De.)

    Dann kamen mehrere Polen ins Haus und schlugen einem Stock auf das Mobiliar, was bedeutete, dass diese Gegenstände stehen bleiben mussten

    Daraufhin haben meine Mutter und ich (Vater war noch in Gefangenschaft) aufgeladen, was wir konnten. Mutter die schweren Sachen, ich kleine Teile, ich war ja noch ein Kind

    Zeitzeuge (Mi.)

    Ich habe polnische Kinder gesehen, die dicke Bäuche hatten. Was das für eine Krankheit war, weiss ich nicht

    Zeitzeuge (M.)

    Wir sind einmal aus einem fahrenden Zug geworfen worden. 3-4 Russen haben uns auf halber Strecke dazu aufgefordert. Wir sind aufs Dach geklettert (Güterzug). Mit dabei waren u.a. mein Bruder, Josef R. und Ewald T.

    Zeitzeuge (Kh.)

    Wir wohnten in Westerode und wurden von den Polen aus Reckenfeld überfallen. Wir hatten ein Alarmsystem auf dem Dach angebracht. Über einen Alarmknopf konnte ich 3-4 Autohupen aufheulen lassen, um die Polen zu verjagen und um die Nachbarn zu alarmieren. Je zwei Mann liefen Wache und einmal, das war so kurz vor Weihnachten 1946, ich saß im kleinen Wohnzimmer am Ofen, als es laut knallte. Ich rannte in das Zimmer hinter der Küche und drückte auf den Alarmknopf. Aber nix da. Kein Alarm! Wir liefen alle auf die Tenne oder nach draußen, schrieen laut um Hilfe, aber die Polen liefen nicht weg, es waren so um die 10 Mann, und es war dunkel. Die Polen klauten alles, was sie kriegen konnten. Mantel, Radio und die Schuhe waren weg. Als sie wegliefen, haben sie geschossen und eine Kugel schlug über meinem Kopf in eine Dachpfanne ein. Ich hatte so ein großes Glück, ich hätte auch tot sein können. Das werde ich nie vergessen!

    Diese Bande war aus Reckenfeld, das weiss ich deshalb, weil wir mein Radio später in Reckenfeld aus einem Haus herausgeholt haben. Meinem Bruder haben sie auf den Kopf geschlagen und in den Keller geschleppt. Er musste ins Krankenhaus nach Emsdetten gebracht werden.

    Der Grund, das die Alarmanlage ausfiel, war, dass die Sicherung, die versteckt angebracht war, herausgeschraubt worden war. Also wussten die Polen das, wo die Anlage war.

    Wir und der Nachbar hatten während der Kriegszeit je einen Polen als Arbeiter beschäftigt. Die hatten es gut bei uns. Und diese haben uns gesagt, dass der E. aus Reckenfeld, der mit den Polen gut konnte, die Installation der Alarmanlage an die Polen verraten hat. Das ist sicher!

    Bei unserem Nachbarn hat die Polenbande einmal die ganze Familie in den Keller gesperrt und ein Pole hat auf sie geschossen. Keiner wurde verletzt. Wir und unser Nachbar waren mit einem 80m langen Draht verbunden und damit konnten wir durch Kurbeln uns verständigen, wenn es gefährlich wurde. Bei Schweer waren die Engländer und die haben dann nach dem Überfall einen Wagen in der Diele abgestellt und auch Hilfspolizisten waren ebenfalls auf der Tenne. So wurden wir bewacht. Dadurch wurde es besser.

    Das Amt Greven (Orts-Polizeibehörde) teilt dem Landrat in Telgte am 14.8.1945 mit, dass die große Zahl der hier befindlichen Ausländer eine allgemeine Unsicherheit mit sich gebracht hat, so ist auch noch jetzt der Fall. Es konnte jedoch festgestellt werden, dass seitens der Ausländer gegenüber der Zivilbevölkerung nicht mehr mit der Brutalität, wie es bislang der Fall war, vorgegangen wird. Auch jetzt werden noch laufend Fälle gemeldet, dass Großvieh von den Weiden und Schweine aus den Ställen gestohlen werden. Die Zahl der Fahrraddiebstähle hat sich verringert.

    Die Orts-Polizeibehörde schreibt am 29.10.1945: Die allgemeine Unsicherheit hält auch weiterhin an. Die Einbruchsdiebstähle, die auf Bauernhöfen verübt werden, sind im Zunehmen begriffen. Abgelegen Höfe werden besonders bevorzugt. Die Einbrüche werden zur Nachzeit von 23.30 bis 4 Uhr ausgeführt. Es lässt vermuten, dass es immer die gleichen Elemente sind, denn 3-4 Ausländer dringen durch gewaltsames Öffnen eines Fensters in das Bauernhaus ein, die übrigen zur Bande gehörigen 6-10 Mann umstellen das Gebäude. Die überfallenen Personen werden in den Keller gesperrt, was begehrlich ist, wird mitgenommen. Die beteiligten Personen sind polnischer Nationalität, sie tragen Schusswaffen bei sich, in der Regel Pistolen. [...]

    Die Orts-Polizeibehörte schreibt am 19.12.1945: "Seit dem letzten Bericht hat die allgemeine Unsicherheit in den Bauerschaften des Amtes Greven weiterhin zugenommen. In der Zeit vom 1.12. bis 15.12.1945 wurden 10 Raubüberfälle auf Bauernhöfe ausgeführt. Die sind zweifelslos in den Reihen der hier untergebrachten Ausländer zu suche. Bei sämtlichen Überfällen führten sie Schusswaffen bei sich. Bei den bisher gemachten Erfahrungen ist kaum anzunehmen, dass ohne Überweisung eines Streifenwagens und ständige Überwachung der Bauerschaften zur Nachtzeit durch die Polizeibeamten des Amtes Greven eine Änderung dieses auf die Dauer gesehen unhaltbaren Zustandes eintreten wird.

    Zeitzeugin (Xb.)

    Mit einem Bollerwagen haben wir unsere Sachen transportiert. Bei den Sachen war auch ein Fotoapparat. Das war verboten von den Engländern. Als die Engländer später ohne Anmeldung in der Schule (unsere Notunterkunft) klopften und uns wach machten, fanden sie bei einer genauen Durchsuchung den Apparat. Sie wollten Mutter mitnehmen und alle Kinder schrieen, lass unsere Mutter hier. Die Engländer waren nett und beließen es dabei.

    Mama hielt während der Kriegszeit in A ein Schwein, das haben wir zur Schule mitgenommen und im Keller der Schule gefüttert. Aber dick und fett ist es nie geworden. Wir hatten ja selbst nicht viel.

    Ulla M. hatte Kontakt zu den Bauern, und deshalb hatten sie mehr zu Essen als wir. Ede Janotta hat uns ab und zu mal ein Brot ohne Marken gegeben.

    Die Familien He. und Ha. in A durften in den Häusern bleiben. Kommunisten waren die Alten. Sie richteten sich wohl immer danach, wie der Wind gerade wehte [...]

    Doch auch wir haben in der Schule Freude gehabt: Hänschen Smolnika spielt Musik und wir haben im großen Flur der Schule getanzt. Als wir wegzogen aus A hatte Mutter ein Hitlerbild im Garten vergraben; als wir wiederkamen war es weg. Andere Sachen (Schmuck etc.) haben wir nicht vergraben, wie es andere gemacht haben sollen.

    Als die Polen in Reckenfeld ankamen, sind englische Panzer am MKK aufgefahren.

    Zeitzeugin (Vw.)

    Zeugin erzählte, dass die Polen Leuchtraketen in die Luft geschossen hätten. Dabei ist eine Rakete nicht in der Luft explodiert, sondern ein Junge wurde tödlich getroffen. Den Namen wusste sie nicht

    Zeitzeuge (Sk.)

    Als meine Mutter was zu Essen auf einer Wiese suchte (Löwenzahn), kam ihr Bauer Wachelau entgegen und fragte, was sie dort mache. 'Ich muss was für meine Kinder haben, wir sind obdachlos!' Wir (6 Personen) konnten auf dem Dachgebäude (Scheune oder so) unterkommen, zwischen Ratten und Mäusen

    Zeitzeuge (Vo.)

    Mein Opa kannte einen Juden, der Samuel hieß. Opa hatte ihn im Krieg versteckt. Aus Dankbarkeit setzte sich Samuel dafür ein, dass wir alle nach vier Wochen wieder zurückkonnten in unsere Wohnungen. Samuel besorgte uns auch einen Opel Blitz für Transporte. Woher er dieses Auto hatte, weiss ich nicht mehr

    Zeitzeuge (Uq.)

    Ein Herr B. wurde mit einer Zaunlatte von den Polen totgeschlagen. Er hatte sich von Krühler ein Stück Land gepachtet und wollte hier Erdbeeren holen

    Zeitzeuge (By.)

    Herr B. hatte, wo es am Wibbeltweg nach B geht, von Leihsing ein Grundstück gepachtet, so 2 bis 3 Morgen. Er hatte dort Erdbeeren gepflanzt und als er eines Tages dort hinkam, hatten die Polen die Früchte gerade geerntet. Er schimpfte mit den Polen. Daraufhin haben sie ihn erschlagen. Gewohnt hat Bücker in A. Er hatte vorher sein Gemüse an Reckenfelder verkauft

    Zeitzeuge (Mc.)

    Von Polen in der polnischen Wache wurde ich zusammengeschlagen und festgehalten und zusammen mit einem Engländer (Offizier) wurde ich von Vater oder Mutter dort herausgeholt. Habe heute noch eine Narbe davon am Kopf

    Zeitzeuge (Op.)

    Es herrschte großer Jammer, als die Polen einzogen. Die jüngste Tochter von Sefziks hatte tagelang bitterlich geweint. Einige Familien in B hatten Wertsachen eingemauert. Auch diese waren nach Rückkehr nicht mehr vorhanden. Tiere, wie Hühner, Enten, Gänse wurden notgeschlachtet. Wenn möglich, wurden Schafe und Schweine mitgenommen. Die sollten die Polen nicht haben! Es gab in Reckenfeld auch Frauen, die sich mit polnischen Männer 'zusammentaten'. Kinder wurden geboren, Frau M. hat auch einen Jungen geboren. Der lebt heute noch.

    Die Polen haben in unserem Haus ein Loch in die Decke geschlagen. Sie haben dort in der Wohnung Schnaps gebrannt.

    Zeitzeuge (Tt.)

    Der englische Wachposten war an der Bahnhofstraße, bei Schwöppe. Jeder wurde kontrolliert, bevor er durchkonnte. Wenn ich vom Bauer Tomdiek nach Hause musste, musste ich auch dadurch

    Einmal hat ein Engländer was zu mir gesagt in englisch, nach einer Abtastung, was ich nicht wiederholen möchte, was ich damals nicht verstanden habe. Doch als ich langsam anfing die Sprache zu erlernen, kam es zurück zu mir, was der damals gesagt hat. Ich kann nur sagen 'das war ein Schwein'

    Zeitzeuge (Mb.)

    Mein Vater war bei der Firma Büscher in Münster Lokführer. Er mußte Schutt wegen der Zerstörung Münsters fahren. Weil er das auch in Loddenheide machen mußte, wurde er nicht eingezogen. Als das Fanziskus-Hospital bombardiert wurde, hatte er Kontakt zu den Ordensschwestern. Ein Pole - Vladis Roshak - von Beruf Ingenieur - mußte bei ihm mithelfen. Vater hätte ihm etwas von dem Essen, was er bekam, abgegeben

    Nach Kriegsende kam dieser Pole nach Reckenfeld, und konnte unsere Familie ausfindig machen

    Als Dank und Anerkennung hat nun dieser Pole meine Mutter mit Lebensmitteln versorgt, als sie an Ruhr so krank wurde. In Reckenfeld gab nur Maisbrot, dass man auf Dauer nicht mehr essen konnte. Es zog Fäden und war teilweise schlecht. Roshak brachte Weißbrot mit und Corned Beef. Meine Mutter war so schwach, dass man sie tragen mußte

    Zeitzeugin (Uq.)

    Nach Auskunft der damaligen Polizisten (Herold und Kubillus) sollten Polen die 'geklauten' Möbelstücke bei einer Kontrolle zurücklassen. Dabei kam es zu einem Schusswechsel mit der deutschen Polizei und ein Pole soll dabei tödlich verletzt worden sein

    Zwischenberichte von offizieller Seite über den baulichen Zustand in Reckenfeld und andere Darstellungen
    Über die Schwestern aus dem Hause Marienfried [PDF-Datei]

    Der sinnlose Tod eines jungen Mannes [PDF-Datei]

    Die Amtsverwaltung verfasst im September 1949 über den Zustand in einen Brief an das Verkehrsministerium in Düsseldorf (Auszüge daraus):

    • In Reckenfeld sind neben den großen Häuserschäden auch sämtliche Straßen innerhalb des Lagers von den Lagerfahrzeugen restlos zerfahren. Die gesamten Straßen befinden sich in einem geradezu trostlosen Zustand, ein Sieb von Schlaglöchern und Zerstörungen

    • 30.000 Quadratmeter Straßendecke profilmäßig sind herzustellen mit einer 3 cm starken Weichasphaltdecke

    • Ausser diesen Straßenschäden ist ebenfalls das gesamte Wassergraben-System einsch. Rohrdurchlässe vollkommen zerstört, versandet, verkrautet und zugefahren. Es ist alles verschlammt und vermurrt. Mindestens 12 km Wassergräben müssen vollständig erneuert werden

    • Die Straßenbeleuchtung in Reckenfeld wurde in ihrer Gesamtheit von den Ausländern vernichtet. Die Holzmasten wurden verheizt, Armaturen, Leitungen, Lampen usw. restlos zerstört.

    • Im Oktober 1949 folgt ein weiteres Schreiben an das Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten in Düsseldorf (Auszüge hieraus):

    • Beschlagnahmt sind für die Ausländerlager noch in Greven 220 und in Reckenfeld 130 Hausgrundstücke

    • Bei den Hausgrundstücken handelt es sich mit je 2 Morgen Gartenland, die als Kleingärten zum Lebensunterhalt ausschließlich genutzt wurden. Sie befinden sich im Zustand größter Verwahrlosung. Diese Grundstücke sind seit Jahren unbestellt. Es ist der deutschen Bevölkerung verboten, dieselben zu betreten

    • Sämtliche Einfriedungen sind zerstört, das Wassergrabensystem einschl. der Rohrdurchlässe sowohl der Gemeinde als auch der Siedler ist vollkommen zerstört, versandet und zugefahren

    • Der größte Teil der Obstbäume, Fruchtsträucher usw. wurde abgeschlagen und verbrannt

    • Jedes Grundstück hatte seine besondere Stallung für die Haltung von Kleinvieh (Schwein, Ziege, Kaninchen, Federvieh usw.). Diese Stallungen sind zu 90 % restlos abgerissen und von den Ausländern zerstört. Der Rest ist so stark beschädigt, dass sie nach der Räumung ebenfalls beseitigt werden müssen

    • Die umliegenden Bauern des Lagers Reckenfeld melden eine Totalbeschädigung von rund 1.000 Morgen Wiese, Felder und Acker an. Es handelt sich hier um Ländereien, die entweder innerhalb des Lagers oder in unmittelbarer Nähe liegen. Sämtliche Drainagen, Einfriedungen wurden entfernt

    • Durch den außerordentlichen Holzeinschlag als Brennmaterial für die Ausländer und den starken Holzraub der Ausländer sind ganze Waldungen verschwunden.

    Es tut sich was [...]

    Der Minister für Wiederaufbau des Landes NRW schreibt am 7.10.1949 über den RP an den Amtsdirektor in Greven: "[...] Auf Grund einer offiziellen Mitteilung der Militärregierung, die mir anlässlich einer Konferenz beim Govermental Officer des Landes NRW am 29.9.1949 gemacht wurde, kann ich Ihnen mitteilen, dass die Räumung des Lagers Reckenfeld bis Weihnachten 1949 durchgeführt sein soll. Im Anschluss hieran soll im Januar mit der Räumung des Lagers Greven begonnen werden."

    Der Ministerpräsident in Reckenfeld [PDF-Datei]

    Auszug aus einer Biografie des RA Lauscher aus Greven [PDF-Datei]

    Die Kreisverwaltung Steinfurt schreibt am 28.9.1949: Durch eine Inhaberin der im Ortsteil Reckenfeld (Gemeinde Nordwalde) von Ausländern belegten Wohnung wird bekannt, dass seit einigen Tagen Ausländer aus diesen Wohnungen in den Abendstunden nach Eintritt der Dunkelheit Möbelstücke herauszuschaffen, die vermutlich von Deutschen in Empfang genommen und mit Fahrzeugen wegtransportiert werden. Da die beschlagnahmten Grundstücke in Reckenfeld nach zunächst noch offiziellen Meldungen demnächst freigegeben werden sollen, gehen die Ausländer jetzt offenbar her, das den deutschen Wohnungsinhabern gehörende Mobiliar, welches bei der Beschlagnahme zurückgelassen werden musste, zu verkaufen bzw. zu vertauschen. Die Deutschen, die in der Nähe wohnen, sind machtlos. Es wird dringend gebeten, eine verstärkte Polizeieinheit dorthin zu legen, die die Ausgänge aus Reckenfeld besetzt hält und Kontrollen durchführt.

    Die Polen verlassen Reckenfeld

    'Das Ausländerlager Reckenfeld ist in der Zeit von Anfang November bis Weihnachten 1949 geräumt worden', das geht aus einem Schreiben der Amtsverwaltung hervor. Dass dennoch 20 Häuser besetzt blieben, tut der Befreiung Reckenfelds keinen Abbruch.

    Am 31. Januar 1950 ist das Lager endgültig geräumt!

    Das ganze Dorf war auf den Beinen, und das Deutsche Haus faßte die Besucher kaum, als Bürgermeister Scharpenberg zu Beginn des Festes zum erstenmal alle Reckenfelder begrüßen konnte. Der Bürgermeister dankte allen, die sich um die Freigabe Reckenfelds verdient gemacht hatten. Nach den Grußworten gestaltete die Laienspielschar zusammen mit dem Männergesangverein und dem Gemischten Chor einen Bunten Abend, der nach fünfjähriger Abstinenz endlich wieder alle Reckenfelder vereint sah. Abschluß des Abends war ein großes Höhenfeuerwerk, das sich mit seiner Großartigkeit der Freude der Reckenfelder anschloß.

    Zeitzeugen über den Abtransport der Polen [PDF-Datei]

    Die Zeitungen berichten über den Abtransport [PDF-Datei]

    Die Wohnungsnot herrscht weit und breit [PDF-Datei]

    Die Polen verlassen Reckenfeld. Wohin geht die Reise?

    Am 22. November 1949 erhält der Amtsbürgermeister von Greven vom "Britisch Resedent Münster Rural" den Bescheid, die Unterkünfte in Reckenfeld, sobald sie leer werden, diese bis zur offiziellen Freigabe durch die Eigentümer als Hausverwalter verwaltet werden.

    Der Amtsbürgermeister erhält ein Schreiben vom British Resident Münster Rural: "Wenn diese Vereinbarung zur Durchführung gelangt, kann weiterer Schaden an Häusern infolge Leerstehens vermieden werden und Ihnen wird es dadurch ermöglicht, dringend benötigte Häuser sofort zu belegen."

    Ein Schreiben des Amtes in Greven an die Kreisverwaltung vom 11. Januar 1950 besagt,

    • "[...] im DP-Lager Reckenfeld sind zur Zeit noch 20 Häuser einschließlich Kirche und das Gebäude des ehemaligen RAD-Lagers von Ausländern belegt.

    • Die Räumung dieser restlichen Häuser steht in der nächsten Woche bevor. Wegen Ausbruch einer Epidemie im Aufnahmelager konnte die restlose Räumung nicht durchgeführt werden. Die Übergabe der Häuser erfolgte in einem guten Einvernehmen mit der Lagerleitung."

    Erneut die Amtsverwaltung. Am 2. Februar 1950 teilt die Amtsverwaltung Greven der Kreisverwaltung in Münster mit, dass am 31. Januar 1950 das Lager Reckenfeld endgültig aufgelöst worden ist. (Unterzeichner)

    Am Tag darauf, dem Sonntagmorgen, wurden die Gottesdienste der beiden großen Konfessionen zu einer Kundgebung des Dankes und des Lobpreises an Gott. In den Mittagsstunden veranstaltete die Kapelle Runge vor dem Deutschen Haus ein Platzkonzert, und auf dem Sportplatz fand eine große Sportveranstaltung statt. Höhepunkt der Tage war die Versammlung der Dorfgemeinschaft im Deutschen Haus, wo Bürgermeister Scharpenberg Vertreter von Behörden, Verwaltungen und Geistlichkeit begrüßte. In seiner Festansprache dankte er zunächst allen, die sich um die Milderung der Notlage in dem so schwer mitgenommenen Reckenfeld bemüht hatten. Gleichzeitig gab der Bürgermeister seiner Freude über die Auflösung des Lagers Ausdruck.

    Seitens der Regierung überbrachte Direktor Lichtenberg herzliche Grüße. Besondere Worte fand Grevens Bürgermeister Anton Minnebusch, der sich vor allem an die Jugend wandte, die durch die Evakuierung so lange auf die segnenden Wirkungen eines geordneten elterlichen Heimes habe verzichten müssen. Seine Ausführungen gipfelten in der Bitte um gegenseitige Hilfe innerhalb der Dorfgemeinschaft.

    Eine totale und gerechte Wiedergutmachung der Schäden forderte dann Rechtsanwalt Dr. Lauscher als Vorsitzender des Hilfsausschusses. Er bat vor allem den Bundestagsabgeordneten Peter Nellen um wirkungsvolle Vertretung dieser Bitte im Bundestag. In seiner Erwiderung ging Nellen noch einmal auf die schwierige Lage auch der DPs ein und bat um Verständnis für diesen Personenkreis. Außerdem mahnte er zur Mitsorge an der positiven Gestaltung des Gemeinwesens und des Staates durch Ausübung echter Bürgertugenden.

    Umrahmt wurde die Feierstunde von musikalischen und literarischen Darbietungen des Trios Berger-Klasen-Kocker, des Männergesangvereins, des Gemischten Chores sowie der Laienspielschar, die der Feierstunde einen würdigen Charakter gaben. Das Volksfest gab nicht nur die Freude der Reckenfelder über die Auflösung des DP-Lagers wieder, es war zugleich ein Spiegelbild der Willenskraft der Reckenfelder, die Vergangenheit zu vergessen und mit großem Optimismus in die Zukunft zu blicken...

    Die Reckenfelder feiern ihre Befreiung von Angst und Schrecken
    Wie sah es in Reckenfeld in den Wohnblöcken A und B und an anderen Stellen nach dem Abzug der DPs aus?

    Und nun können die Reckenfelder in ihre Häuser und Wohnungen zurückkehren [PDF-Datei]

    Fotos, von dem, was sie nach der Rückkehr vorfanden hier [PDF-Datei]

    Die Verwaltung des Amtes Greven schreibt an den Kreistag des Landkreises Münster über den Kreisausschuss - z.Hd. Herrn Landrat Dr. Pottebaum -, Münster, am 25. August 1949: "Betr. Ausländerlager Greven und Reckenfeld. Insgesamt sind noch 337 Hausgründstücke und drei Schulgebäude nicht beziehbar, da sie sich im Zustand größter Verwahrlosung befinden. In großem Umfang sind Fußböden herausgerissen, Türen entfernt, Mauerwerk und Fensterrahmen beschädigt und der Verputz herabgefallen..."

    Es wird (allgemein) bestätigt, das nach gänzlicher Räumung des Ausländerlagers Reckenfeld am 31.01.1950 keine brauchbaren von den Eigentümern und früheren Bewohnern vorgefunden wurden. Bei tatsächlich vorgefundenen Möbeln sind jedoch die Beschädigungen so groß, dass sich Reparaturen nicht lohnen. Eine Ausnahme gibt es: Die Ww. Happel, Reckenfeld, Bahnhofstraße 36, hat einen zweitürigen Kleiderschrank und eine Wäschemangel, die jedoch (nur) beschädigt sind, nach der Freigabe vorgefunden. Bestätigt wird das am 2.2.1950 von Dr. Drost.

    (Anmerkung: Das scheint die Ausnahme gewesen zu sein, wie auch anderer Vermerk von Dr. Drost aussagt).

    Die Amtsverwaltung Greven (interner Vermerk) "Die Ausbesserung bedürftiger Straßen in Reckenfeld sind nach Länge und Breite zu berechnen und einzeln anzugeben. Die Gräben und die Kosten der Wiederherstellung der Beleuchtung können in die Summe mit einkalkuliert werden."

    Die Amtsverwaltung Greven veröffentlicht am 25.2.1950, dass "Zur Klärung von Räumungsfragen (insbesondere Zahlung von Mobiliarsentschädigungen, Umzugskosten, Lagerungsschäden u.a.) hat die Kreisfeststellungsbehörde ab sofort für die Bevölkerung Reckenfelds Sprechstunden eingerichtet: Jeden Montag von 14.30-17.30 Uhr in der Gastwirtschaft Brinkmeyer."

    Aktennotiz einer Besprechung bei der Regierung am 24.1.1950 betreffend Abrechnung der Instandsetzungskosten für die geräumten Häuser in Reckenfeld. Teilnehmer: Landrat Meister, Insp. Prinz, O-Insp. Scheffer, Bürgermeister Scharpenberg, Amtsinsp. Frie

    "Vom Bgm. Scharpenberg wurden die Schwierigkeiten, die bei den Instandsetzungen bzw. Abrechnungen der geräumten Häuser in Reckenfeld entstehen, vorgetragen. Besondere Schwierigkeiten bereiten die Abrechnung der Anstreicherarbeiten. Nach längerer Aussprache wurde vom Landrat Meister der Begriff "Schönheitsreparatur" für die Häuserinstandsetzung in Reckenfeld wie folgt ausgelegt und bestimmt:

    • Die Wohnungen sollen in den früheren Zustand wieder hergestellt werden. Falls der Tapetenanstrich den Leimfarbenanstrich kostenmäßig gleichkommt, ist auch die Verwendung von Tapeten gestattet

    • Ebenfalls genehmigt werden: der Fußbodenanstrich, der Fenster-Innenanstrich und Tür-Innenanstrich falls derartige Arbeiten infolge vollkommener Abnutzung, Erneuerung von einzelnen Teilen usw. erforderlich werden

    • Nicht abgerechnet werden können ausgesprochene Schönheitsreparaturen (z. B. überteuerte Tapeten, Schleiflackanstrich u.a.

    Mit dieser Regelung erklärte sich Bürgermeister Scharpenberg einverstanden.

    In einem Aktenvermerk vom 2. Mai 1950 - betr. Instandsetzungsgelder für Reckenfeld - wurden zur Zahlung angewiesen:
    • Für 1949: 138.508,25 DM

    • Für 1950: 6.552,69 DM

    Wer zahlte Entschädigungen für die zerstörten Straßen und Einrichtungen und an die Reckenfelder?

    Amtsdirektor Drost schreibt am 16.3.1950 einen Aktenvermerk (Auszug): Im Wiederaufbau-Ministerium NRW ... seien geringe Geldmittel für Kleinsiedlungen und Kleingärten noch verfügbar. Es ist denkbar, dass für Reckenfeld je Garten 150 DM bewilligt werden. Ein gärtnerischer Sachverständiger aus Münster wird den Antrag begutachten.

    Gab es Entschädigungen für die zerstörten Sachwerte? Es gab sie, wissen Zeitzeugen [PDF-Datei]

    Zeitungen nehmen das Thema über Entschädigung an die Reckenfelder auf [PDF-Datei]

    Die Wiederherstellung wird in Angriff genommen [PDF-Datei]

    Gibt es noch Spuren aus damaliger Zeit (1945-1950) und wer hatte Sehnsucht und das Verlangen nach seiner Herkunft?

    Zu den Spuren aus dieser Zeit sind die 56 polnischen Kindergräber zu zählen. Die Kinder wurden damals auf dem katholischen Friedhof in Reckenfeld, Jägerweg, beerdigt. Die Gräber werden weiterhin gepflegt.

    Es gab mehrere Personen, die nach Jahrzehnten für einen Tag bzw. für mehrere Tage dorthin zurückkehrten, wo sie im DP-Lager für Monate bzw. Jahre gelebt hatten. In diesem Kapitel wird von vier solchen Personen berichtet.


    Bericht einer Zeitung über eine Zeitreise in die Vergangenheit [PDF-Datei]


    Erinnerungen einer Frau, die als Kind im Reckenfelder Lager war [PDF-Datei]


    Ehepaar Pfeiffer aus Australien kam unverhofft nach Reckenfeld, ohne zu wissen, was sie hier erwartet. Als sich dann Manfred Rech auf Hinweis einer Reckenfelder Apothekerin "an die Arbeit" machte, wurde aus dem Ungefähren etwas Konkretes. [PDF-Datei]


    Kristina Barbara Gorajek besuchte am 28. Juli 2018 Reckenfeld, dort, wo sie für mehr als 2 Jahre als DP-Kind gelebt hat. Am 1. Oktober 1947 wurde sie im Grevener Krankenhaus geboren, erzählt sie -, lebte aber danach mit ihren Eltern und ihrer Schwester in einem der ehemaligen Munitionsschuppen - entweder im Block A oder im Block B.

    Der Reckenfelder Bürgerverein (ReBüVe) - vertreten durch Klaus Schwenken, Ferdinand Mehl und Manfred Rech -, bereiteten Kristina Barbara Gorajek einen herzlichen Empfang. Francisco Gorzo aus Greven fungierte als Dolmetscher.

    Der Ablauf am Samstag, dem 28.7.2018, kann hier nachlesen werden. [PDF-Datei]

    Fotos anlässlich des Besuchs von Kristina Barbara Gorajek können hier eingesehen werden. [PDF-Datei]

    Die Lebensgeschichte in Auszügen von Kristina Gorajek wird hier vorgestellt. [PDF-Datei]

    Wie Heimaterde aus Reckenfeld nach Argentinien verschickt wurde. [PDF-Datei]

    Fazit aus der Befragung von etwa 120 Reckenfeldern/innen und der Auswertung von Dokumenten nach einem zeitlichen Abstand von ca. 60 Jahren

    Die Aussagen der Zeitzeugen waren aufgrund ihrer eigenen Erlebnisse bzw. ihrer Eltern/Großeltern rundweg negativ. Darüber hinaus hatten die Zeitzeugen zu damaliger Zeit mitbekommen, was alles über die Polen gesagt und geschrieben wurde: Mord, Totschlag, Raub, Diebstahl und Vergewaltigungen.

    Das führte dazu, dass die Meinung über die polnischen Besetzer noch düsterer wurde.

    Viele fragten sich damals und auch heute noch, warum Reckenfeld? "Warum mussten wir aus unseren Häusern und Wohnungen und nicht andere? Auch andere Unterbringungsmöglichkeiten wie Fabrikhallen, Säle und dergleichen, die gab es doch!"

    Dennoch klang bei einigen durch, dass sie heute Verständnis für das Verhalten der Polen mit fremden Eigentum umzugehen hatten, (Verheizen alles Brennbaren in den Häusern, als Beispiel). "Die Polen haben ja schließlich sehr viel Leid durch die Deutschen erfahren, aber mussten einige der Besetzer, sich so verhalten?"

    Die Frage bleibt, wie hätten wir reagiert, wenn wir an ihrer Stelle gewesen wären. Diese Frage bleibt wohl für immer unbeantwortet.


    Seitenanfang
    Nächstes Thema:   Betriebe und Unternehmen
    Vorheriges Thema:   Der Reckenfelder Bahnhof
    (c) 2011 by www.geschichte-reckenfeld.de    [Impressum]    [Kontakt]