Fortschreitende Entwicklung Reckenfelds von 1930 bis 1959

Hinweis: Dieses Kapitel besteht aus mehreren Teilen. Diese sind nach Themen untergliedert.

Hier sind die fertigen Themen (Weitere sind in Bearbeitung):


Wohnen und Leben

Die Eigentümerin Reckenfelds (EHG) hatte auch zu Beginn der 1930er Jahre immer noch das Sagen, und nicht nur das!

Wie die EHG mit den Reckenfeldern 'herumsprang' und wie die Reckenfelder damit umgingen, zeigt der WN-Bericht des Zeitzeugen Bernhard Gronotte! [PDF-Datei]

Hauptsächlichst die Jahre von 1930 bis 1933 werden zu sogenannten "Protestjahren". Hier engagieren sich u.a. Reckenfelder und Grevener Mitbürger, um den "katastrophalen Verhältnissen in Reckenfeld" ein Ende zu bereiten. (Anmerkung: Über Protestversammlungen, Protestschreiben sowie die 'Berliner Kommission' wird noch in diesem Kapitel zu berichten sein.)

Ein Zeitzeuge

"Mein Vater kam mit 800 Goldmark nach Reckenfeld und erwarb einen Schuppen. Durch krumme Geschäfte der EHG war das Geld weg: Er war kein Eigentümer des gekauften Schuppens mehr."

Die Siedler, die die 20 Musterhäuser im Ortsteil D kauften, wurden erst mit vierjähriger Verspätung abgesichert. Durch Täuschungen und Manipulationen hatte es die EHG verstanden, die Umschreibungen hinauszuschieben, um somit die Gebäude immer wieder zu ihren Gunsten beleihen zu können. Für die meisten der 20 Siedler war das der EHG überlassene Geld "futsch"!

Das Thema Ansiedlungsgebühren für die Anwesenden als auch für die Neuankömmlinge ging auch in den 1930er Jahren weiter.

Die Amtsverwaltung beschließt im Juli 1931: "Soweit die vorhandenen Gebäude nachträglich zu Wohnungen umgeschaffen worden sind, sollen Ansiedlungsgebühren hierfür gefordert werden. Von den kleinen Eigensiedlern soll eine Ansiedlungsgebühr - d.h. eine Anzahlung - von 200 RM gefordert werden. Der Rest der jeweilig vom Kreisausschuss festzusetzenden Ansiedlungsgebühr soll als Sicherheitshypothek eingetragen und in späteren Jahren - je nach Lage der Verhältnisse - festzusetzenden Raten eingefordert werden."

Nachdem der Kreisausschuss die Höhe festgelegt hatte, beschließt die Verwaltung des Amtes Greven, die Baupolizeibehörde zu ersuchen, dass sie Baugenehmigungen nicht erteilen möge, bevor die Ansiedlungsgebühren in jetziger Höhe voll gezahlt sind.

Die Familie Manß zieht nach Reckenfeld und kauft den Schuppen B2.


Ein Zeitzeuge

"Wir bezogen das Häuschen (Fahrdienstleitergebäude) an der Bahnhofstraße, vorher wohnten dort Klaas. Das Häuschen hatte keinen Keller und war sehr klein für eine Familie mit 3 Kindern. Kartoffeln wurden in einer Miete hinter dem Haus überwintert, so, wie es in Ostpreußen die Familien gemacht hatten. Trinkwasser haben wir mittels einer Pumpe aus einem Brunnen geholt. Nachträglich wurde ein Schweinestall vom Vater angebaut. Ohne ein Schwein zu halten, war das Überleben wohl nicht möglich."



1935 Im Block C


1930er Jahre Im Block C

Ein Zeitzeuge

"Die Schlacke und der Schotter wurden (so haben wir es in B gemacht) aus der Straße herausgeholt, um sie als Fundament zu nutzen. Der Schuppen hatte die Nummer ‚40b'. Die Beschriftung war groß angebracht, besonders die Nummer ‚40', und klein der Buchstabe ‚b'."

Ein Zeitzeuge (Jahrgang 1938)

"Der Reviersteiger Gustav Woblick zog 1927 mit seiner Frau Elfriede von Wanne-Eickel nach Reckenfeld. Sie kauften sich einen kleinen Schuppen (D 18). Zu einem späteren Zeitpunkt wurde der Schuppen zu einem Wohnhaus umgebaut.

Am 2. Februar 1947 verstarb mein Großvater bei winterlichen Temperaturen auf dem Weg zu den Amtsgeschäften (Gemeinderat) nach Greven. Er war mit seinem Kleinkraftrad unterwegs und wurde nach einem Schwächeanfall aufgefunden. Zu dieser Zeit war er auch Mitglied des Kreistages in Münster. Meine Großeltern gehörten mit zu den ersten Reckenfelder Familien. Nach dem Tod meines Großvaters habe ich ungefähr zwei Jahre bei meiner Oma in Reckenfeld gelebt und ihr so gut es ging, geholfen.

Zu dem Wohnhaus gehörte ein großes Grundstück mit einem liebevoll angelegten Garten im mittleren Bereich. Obstbäume verteilten sich über das ganze Grundstück. Kartoffeln und Gemüse waren an der linken Seite neben dem Haus. Entlang der Grundstücksgrenze waren Weinstöcke gepflanzt. Von den blauen Weintrauben stelle meine Oma auch eigenen Wein her. Am Grundstücksende standen ebenfalls Laubbäume. Darunter auch zwei Pappeln, die zu einem "Wahrzeichen" im Block D geworden waren. Eine holländische Familie war an den Bäumen interessiert, da sie aus ihnen Holzschuhe machen wollten.

Es gab auch einen Wintergarten. Unter ihm befand sich ein niedriger Keller, in dem die Äpfel gelagert waren. In unserem Haus hatte Herr Geitz als Mieter Waren gelagert. Natürlich, Hühner und Kaninchen durften nicht fehlen. In der schlimmen Zeit war die Kleintierhaltung wichtig um zu überleben. Später kam noch ein Lämmchen dazu.

In der evangelischen Schule in Reckenfeld war ich in den Jahren 1947-1949. Mein Lehrer war Herr Falkenreck. Das Klassenzimmer erreichten wir über den hinteren rechten Treppenaufgang. Die Fenster waren zur Straßenseite. Es wurden zwei Jahrgänge mit Jungen und Mädchen im Wechsel unterrichtet. Mein Platz war in der vorderen Reihe in der Nähe der Tür. Bei einem Schulausflug sind wir zum Freibad nach Emsdetten gefahren."



Woblick, D 18

Ein Zeitzeuge

"Die Schuppenbesitzer, die einen Keller unter dem Schuppenboden gemacht haben, hatten große Probleme mit dem Grundwasser. Die Keller waren ständig mit Wasser gefüllt. Das Wasser kam an den Stellen hoch, wo die nachträglich gemachte Sohle und das Fundament des Schuppens aneinanderstießen. Was machten die Bewohner? Kehlen wurden an diesen Nahtstellen angelegt. Oder andere bauten Beton-/Zementwannen ein, um dem Wasser Herr zu werden."



Im Block C


1930er Im Block C


Um Platz für Einkellerungskartoffeln, Kohlen etc. zu haben, wurde ein Loch in die Mauer unter der Rampe geschlagen, der Dreck herausgeholt und der Raum dafür genutzt. Eine Tür verhinderte die 'Mitbenutzung' durch andere [...]

Ein Zeitzeuge

"Wieder andere haben den Keller später dadurch dicht gekriegt, als der Zement und die Brühe von eingelegten Heringen zusammen vermischt wurde. Das Wissen hatte Maurer Nolting. Die Mauern im Keller wurden von oben nach unten gemauert, damit die Kellerdecke nicht während der Maurerarbeiten einstürzte."


Ein Zeitzeuge

"Vater verdiente wenig Geld mit dem Verkauf von Brot und anderen Lebensmitteln im Depot, dem späteren Reckenfeld. Ursprünglich wollten meine Eltern wieder nach Emsdetten zurück, um sich Arbeit zu suchen. Mit seiner Unfallrente von 62,50 Mark monatlich haben sie das Haus abbezahlt."


1937


Einige Familien machten sich selbstständig, wenn die Voraussetzungen gegeben waren. Als Beispiel: ein kleines Zimmer im ausgebauten Schuppen reichte, um Lebensmittel verkaufen zu können [...]

1930

Ein kleines Spiegelbild vergangener Zeiten: Grafiken vom Wohnen und Leben (Häuser/Schuppen und Lebensgewohnheiten) ab den 1930er Jahren.

Für den Ort Reckenfeld und die Bauerschaften Greven l.d.E. erläßt 1932 das Amt Greven eine polizeiliche Verordnung, in der alle Wohn- und Schlafräume - auch Küchen - folgenden Vorschriften entsprechen müssen:

Amtmann Hueske vermerkt: "Der Erlaß einer Wohnungsordnung ist unbedingt erforderlich, um eine überstarke Belegung der Wohnungen und namentlich auch einem weiteren Zuzug nach Reckenfeld zu verhindern! Eine andere Möglichkeit bis heute sehe ich nicht."

Die Reckenfelder Mitteilungen, eine Zeitschrift von Rudolf Baehr, sen.

Reckenfelder Mitteilungen, Nr. 12 vom Oktober 1930

Straßenbeleuchtung und elektrisches Licht in Block B: "Leider scheint es mit der Straßenbeleuchtung auch in diesem Winter noch nichts zu werden, so nötig es auch gewiß ist. Wenigstens sollte der gute Wille dazu gezeigt werden, indem schon mal an der Hauptstraße (Anmerkung: die spätere Nordwalder-, heute die Steinfurter Straße) an den Eingangsstraßenecken zu den einzelnen Depots Lampen sein müßten. Weil es bei nebliger und sternloser Dunkelheit geradezu lebensgefährlich ist, ist in der letzten Versammlung im Bürgerverein angeregt worden, ob nicht an einzelnen Häusern Lampen angebracht werden, die an mondlosen Abenden bis etwa 9 oder 10 Uhr brennen. Es ist dankbar zu begrüßen, daß sich mehrere Siedler dazu bereit erklärt haben."

Ein Zeitzeuge

"Die EHG wollte Kunden werben. Und da bot es sich an, Reklame für eine ‚Seidenraupenzucht in Reckenfeld' auf den Weg zu bringen. So wurden dort, wo heute der breite Graben ist, auf dem Stück vom heutigen Marienfried, Richtung Dorfmitte, Maulbeerbäume angepflanzt und versucht, eine Seidenraupenzucht aufzuziehen."

Ein Zeitzeuge

"Meine Großeltern kamen mit ihren drei Kindern im Oktober 1930 von Bochum nach Reckenfeld. Sie wollten eine Wohnung in Block B am heutigen Buchenweg beziehen. In der Wohnung waren keine Türen und der Einzug von der Straße ins Haus erfolgte von ‚weit weg', denn das Fahrzeug blieb im Schlamm stecken und auch sonst war nur Matsche statt Weg."

Die schlecht befahrbaren Wege machte den Siedlern zu schaffen. Hilfe vom Amt Greven war kaum zu erwarten, da musste Eigeninitiative her. Und das geschah dann auch.

Eine Zeitzeugin

"Unsere Eltern hat es durch einen Zufall nach Reckenfeld verschlagen. Eigentlich wollten sie ein Bauernhaus im Emsland kaufen, sind dann aber betrogen worden und das Geld war weg. Da sind meine Eltern mit einem Freund zusammen nach Reckenfeld gezogen.

Zu dieser Zeit gab es kaum Straßen, vielmehr zierten Schienen die Wege, die zu den einzelnen Munitionsdepots führten. Zunächst war die Familie Kitzmann, so hießen meine Eltern, in dem Optantenhaus untergebracht, dann kauften sie eine Einheit des Depots (Schuppen). Die Öffnungen, die man heute Fenster und Türen nennt, wurden mit Jutesäcken abgehängt. Sie dienten dem Schutz vor Wind, Regen und Kälte und waren zugleich Ersatz für Glas. Mein Vater - Eduard Kitzmann - arbeitete als Heizer bei Schründer & Söhne in Greven. Doch nebenbei ging er bei Bauern in der Umgebung arbeiten, um seine Familie ernähren zu können. Und um das Haus Stück für Stück zu renovieren.

Gleich zu Beginn wurde die Rampe, von der die Munition in die Waggons geladen wurde, vor dem Haus entfernt. Die Betonplatten dienten bis in die 1970er Jahre noch als Gehplatten vor dem Gebäude, um trockenen Fußes von einem Eingang zum anderen zu kommen. Denn schon damals wohnten drei Familien in dem Haus. Anfang der 1930er Jahre wurde das Flachdach in ein Spitzdach verwandelt, um noch mehr Wohnraum zu schaffen, kann sich Nachbar Heinrich Bolte noch gut erinnern."

Reckenfelder Impressionen aus den 1930er Jahren und zu Beginn der 1940er Jahre:



1930er Jahre 1930er Jahre
1935
1930 1930er Jahre

1935 1935
1935 1939
1930er Jahre

1937
1930 1941
1939

1939
1939 1938
1938

1941
1935 1935
1940

1940

1935 1935

1938

Mit der Eisenbahn zu fahren, kostete erstens Geld, und zweitens war der Weg von den entfernteren Blöcken B und D sehr weit. In der Zwischenzeit wäre man bereits in Greven oder Emsdetten.

1930er Jahre 1930er Jahre
1930er 1930er Jahre 1935 1935
1935
1935 1935
1939 1939 1939 1939
1930er Jahre 1930er Jahre
1930er 1930er Jahre
1930er Jahre 1930er Jahre
1930er Jahre
1928 1938
1930er Jahre 1930er Jahre
1934 1934
1940er Jahre
1930er Jahre 1938 1938 1930er Jahre
1942
1942

Der Zuzug nach Reckenfeld war für viele junge Familien ein Versuch, sich eine neue (bessere) Existenz aufbauen zu wollen. Dass zur erweiterten Familie auch die Eltern bzw. ein Teil davon dazugehörte, war keine Seltenheit.

Zum Ende der 1920er bzw. zu Beginn der 1930er Jahre wurden die Verstorbenen zu Hause aufgebahrt und in Emsdetten und Greven beerdigt. Das änderte sich erst, als der evangelische Friedhof (November 1931) sowie der katholische (Dezember 1934) in Reckenfeld entstanden.

Einen Leichenwagen hatte Reckenfeld noch nicht, deshalb musste dieser aus der Nachbargemeinde Herbern ausgeliehen und auch bezahlt werden.

Das "Aufschreibbuch der Bauerschaft Herbern in Greven" gibt dazu folgendes her (wörtlich):

In dem "Aufschreibbuch der Bauerschaft Herbern in Greven" wurde unter dem 3. Mai 1932 vermerkt: "Der Vorsteher wurde dann noch ersucht, mit dem Herrn Landrat Rücksprache zu nehmen, um den Diebstählen in Reckenfeld Einhalt zu thun. [...] Fr. Sch. Eilfing."

Ein Zeitzeuge

"Unsere Spielecken waren in A - dort wo wir wohnten - und auf dem Weg nach Herbern zur Schule. Erst als wir zur ‚alten' evangelischen Schule am Wittlerdamm mussten, lernten wir auch andere Ecken kennen. 1934 habe ich dort meine Schulzeit beendet."

Eine Zeitzeugin

"An der Grevener Straße (heutige Grevener Landstraße) trafen wir evangelischen Kinder unweigerlich auf die katholischen Kinder aus dem Ort. Und dann gab es Kloppe. Das war geschürt von den Eltern!"

Eine Zeitzeugin (14 Jahre alt)

Schulaufsatz: "Wie ich 1936 meine Pfingstferien verlebte. In den Pfingstferien sind wir von Emsdetten nach Reckenfeld gezogen (Anmerkung: Industriestraße) bin morgens um vier Uhr aufgestanden und habe packen geholfen. Es gab sehr viel Arbeit. Das war der zweite Umzug, den ich mitgemacht habe. Als alles gepackt war, kam der Möbelwagen. Da wurde alles drin geladen. Doch wir kamen damit noch nicht aus und mußten noch zwei Autos volladen. Als alles hier ankam, mußten die Möbel ausgeladen werden. Es gab viel Spaß beim Neueinrichten. Die Feiertage sind wir dann in der neuen Heimat spazieren gegangen und haben unsere Tante besucht. Die hat sich sehr gefreut. Die übrige Zeit habe ich mit meiner neuen Freundin gespielt. Der Anfang hier in Reckenfeld ist schwer, aber sonst gefällt es uns hier sehr gut und ich möchte nicht wieder mehr nach Emsdetten zurück."

Während immer mehr Schuppen zu Wohnhäusern um- und aufgebaut werden, haben Bauwillige zu Beginn der 1930er Jahre Reckenfeld an anderen Stellen für ihr Vorhaben entdeckt: An der Bahnhofstraße und Grevener Straße sowie in der Dorfmitte entstehen neue Häuser.

Die Einwohnerzahlen steigen: 1938 sind es schon 1.800, die in Reckenfeld wohnen.

Für die Bewohner entlang der Bahnhofstraße waren die ersten Jahre der Urbarmachung der Grundstücke mit viel Arbeit verbunden, da sie immer wieder auf umfangreiche Schotterrückstände des ehemaligen Abstellbahnhofes (9 Gleise) stießen.

Eine Zeitzeugin (Sie wohnte mit ihren Eltern auf dem ehemaligen Gelände des Abstellbahnhofes. Hier lagen zu Depotzeiten Gleise, Schwellen und viel Schotter [...])

"Nie werde ich das 'Steinesammeln' vergessen. Die gute Wohnlage an der Bahnhofstraße hatte ihre Schattenseiten. Es war kaum vorstellbar, daß man jemals mit einem Spaten da hineinstechen könnte. Und es sollte doch Gartenland daraus werden. Also mußten mein Bruder und ich in jeder freien Stunde Steine sammeln. Die Begeisterung hielt sich natürlich in Grenzen. Allerdings gab es eine 'fürstliche' Belohnung: für jeden bis oben gefüllten Eimer erhielten wir einen Pfennig. Immerhin konnte man damals schon für fünf Pfennige einen Dauerlutscher kaufen. Nach Tagen angestrengten Sammelns glaubten wir oft, schon vieles erreicht zu haben. Doch dann fiel Regen, und zu unserer grenzenlosen Enttäuschung war der ganze Boden wieder von glänzenden frisch abgespülten Steinen bedeckt und die Arbeit mußte weiter geführt werden. Im Laufe der Jahre entstand aber bei uns und den anderen Anwohnern gutes Gartenland."

Familienfotos und andere Bilder.

Kaufverträge wurden abgeschlossen und viele andere Verträge ebenfalls.




1940 wohnten 418 Familien in den Schuppen, davon gaben 416 ihren Beruf an.

Und 1945 wohnten in Reckenfeld 2.396 Menschen.




1930er Jahre 1930er Jahre
1930er Jahre 1930er Jahre

Ein Zeitzeuge

"Die Zählweise der Hausnummern richtete sich nach den Schuppennummern. Unstimmigkeiten konnten zum einen durch neue Bebauungen entstehen. So seien im Block D die Nummern 13 und 14 für zwei Eisenbahnwaggons gebraucht worden. Hier haben Stiller (Stiller sei Heilpraktiker gewesen) und Grobe sich ein Heim eingerichtet. Zum anderen mußten aus den 30- und 50-Meterschuppen weitere Numerierungen erfolgen."

Ein weiterer Zeitzeuge

"Familie C. hatte damals das Grundstück an der Hauptstrasse gekauft. Bevor die Baracke aufgesetzt wurde, haben sie bei uns im Haus (Anmerkung: Aufgebauter ehemaliger Schuppen mit 70qm Grundfläche) gewohnt. Nun waren zwei Familien in dem kleinen Haus mit insgesamt 15 Kindern. Kein fließendes Wasser, keine Heizung im Haus und keine gescheiten Toiletten.

Wir mußten mit zwei oder drei Kindern in einem Bett schlafen. Ich weiß aber nicht mehr wie es war als wir älter wurden. Ich persönlich hatte wohl mein eigenes Bett als ich älter wurde. Wir hatten auch wohl nicht genug Matratzen. In den Betten, wo sie fehlten, hatten wir Strohsäcke. Ab und zu wurden sie geleert und das Stroh ging dann in den Schweinestall. Mit neuem Stroh wurden die Strohsäcke dann gefüllt. Die meisten Schuppenhäuser hatten einen Anbau. In dem befand sich eine Küche und drei Schweineställe und ein Plumpsklo. Wir hatten jedes Jahr zwei Schweine, die im Winter geschlachtet wurden. Der Abfall von dem Plumpsklo und den Schweinestallungen ging in eine Jauchenkuhle, die draußen dem Haus angeschlossen war. Die mußte natürlich regelmäßig leer gemacht werden. Damit haben wir dann unser Land und Wiese gedüngt, was natürlich nicht gut war für das Brunnenwasser! Das Leermachen ging so: mit einem Bollerwagen, einem hölzernes Faß und einer Jauchenschöppe. So ging es aufs Land und es wurde verstreut. Das war sehr unangenehm, überhaupt wenn es windig war.

Wir hatten keine Heizung im Haus. Die Wände in unseren Schlafzimmern hatten Eis dran im Winter. Im Frühjahr wenn es warm wurde, kam alles runter: Das Eis mit den Tapeten und was sonst noch locker war. Ich bin sicher, daß wir nicht die Einzigen in Reckenfeld waren, die so gelebt haben. Ich möchte bald sagen, die Mehrzahl lebte so. Anderen ging es etwas besser, ganz wenigen sogar gut."

Auf der Gemeinderatsitzung vom 30. April 1949 wird protokolliert: "Nach dem Gesetz von 1904 wurde die Ansiedlungsgebühr erhoben. Dieses Gesetz träfe nicht mehr zu , so Dr. Drost, da der Ortsteil Reckenfeld nicht aus Gebäuden bestände, die sich außerhalb einer Ortschaft befänden. Reckenfeld sei im Gegenteil im Zusammenhang gebaut. Es seien ausgebaute Straßen vorhanden und das Schulwesen sei 'einigermaßen' geordnet."

Und weiter: "Die Gemeinde verliert allerdings jährlich 3.000 DM", trotzdem beschlossen die Gemeinderäte beim Kreis zu beantragen, dass die Gebühren für Reckenfeld fortfallen."

Die Westfälischen Nachrichten berichten: "Zuerst betrug die Ansiedlungsgebühr 1.000 RM, später wurde sie herabgesetzt und nach dem Zweiten Weltkrieg abgeschafft."

Reckenfelds erstes neues Wohngebiet - als eine geschlossene Einheit -, entsteht zu Beginn der 1950er Jahre zwischen den zwei Blöcken C und D auf dem dort befindlichen 500m breiten freien Gelände.

Die Bevölkerung in Reckenfeld belief sich 1950 auf 2.285 Menschen.

Zwischen 1950 und 1952 erhielten die Straßen in Reckenfeld ein weiteres Mal offizielle Straßennamen. Bis dahin orientierten sich die Reckenfelder also nach den alten Blockbezeichnungen A bis D des Munitionsdepots. Die Häuser waren teilweise numeriert und von den Eigentümern beschriftet worden, so daß Post die Einwohner z.B. unter der Adresse "D 11", "C 5", oder ähnlich erreichte. (In den Jahren 1926/1927 gab es eine zwischenzeitliche Vergabe von Namen.

1937 Foto von 1937

Auf Vorschlag des Heimatvereins entschied die Vertretung den Straßen im Block A die Namen von Dichtern, im Block B denen aus der Flora, in C denen von deutschen Flüssen und im Block D denen von Vögeln zu geben. Bei den meisten Namen ist es bis 1975 geblieben.

Ein Zeitzeuge

"1951: Die Taubenstraße wurde nach der Familie Lendzian benannt, die viele Tauben hatte."

Wer wohnte 1951/1952 in Reckenfeld - entweder in den ehemaligen Schuppen als auch in den anderen Gebäuden, die für das Depot gebaut wurden? Eine PDF-Datei gibt hierüber Auskunft!

Wenn Sie außerdem noch wissen wollen, wer vor diesem Zeitraum in Reckenfeld gewohnt und gelebt hat und wer danach, dann Klicken Sie hier!

Eine bildliche Darstellung der 1950er Jahre:

1948 1948 1948 1948 1950 1950 1950 1950
1950 1950 1950 1950 1950 1950 1950 1950
1950er 1950er Jahre 1950er 1950er Jahre 1951 1951 1953 1953
1955 1955 1950er Jahre 1958 1953
1950er Jahre 1950er Jahre 1950er Jahre 1950er Jahre

Noch in den 1950er Jahren standen Baracken in Reckenfeld 'herum', in denen Menschen wohnen mussten. Am Weg vom Block C zum Marienfried stand diese Baracke. Im Vorgarten war ein Gemüsebeet angelegt. "Aber das allein, machte auch keinen besseren Eindruck", wie eine hiesige Zeitung dazu schrieb.

Eine dieser Baracken hatten sich Starczeckis in B gebaut.


Wer nach Greven bzw. nach Emsdetten wollte, mußte teilweise über schlecht zu befahrene Feldwege fahren. Meist wurde die Reise in die Nachbarorte mit dem Fahrrad angetreten, oder die Menschen gingen zu Fuß hin und zurück. Das war keine Seltenheit.

1959 1959

Ein Zeitzeuge (Anmerkung: Dieser Zeitzeuge - Jahrgang 1931 - wanderte 1954 von Reckenfeld aus, und zwar nach Übersee. Nach mehr als 50 Jahren fand er seine frühere Heimat im Internet wieder. Seine Erlebnisse und Eindrücke aus seiner alten Heimat schilderte er in vielen E-Mails, die zum Teil hier und an anderen Stellen wiedergegeben werden.)

"Mein Vater war im Zweiten Weltkrieg (1945) gefallen. Wir hatten ja nun kein Einkommen mehr und ich war der älteste Junge in der Familie. So fing ich bei Schründer & Söhne (Greven) in der Fabrik an. Das war dann von 1947 bis 1954. Ich wurde damals als 15-Jähriger zum Haupternährer erklärt. Welch eine Belastung für mich! Ich habe den Titel so ernst genommen und war überzeugt, daß ich den Lebensstandard von uns erhöhen konnte. In der Baumwollspinnerei, wo ich gearbeitet habe, liefen drei Schichten. Im Regen, Wind und Sturm, mit einem selbst zusammengebauten Fahrrad bin ich die Strecke gefahren. Dann noch keine gescheite Kleidung dabei. Das Schlimmste war die Nachtschicht. Überhaupt im Winter. Das letzte Jahr oder so, wurden Busse eingesetzt, die ich natürlich nicht gebrauchte, weil ich das Geld sparen wollte. Während dieser ganzen Zeit hab ich das Unmögliche versucht zu erreichen. Bis ich es dann eingesehen habe, daß ich es nicht schaffen konnte.

Die Entscheidung, meine Familie in Reckenfeld zu verlassen, war nicht leicht.

Das Jahr 1946 ist kaum zu beschreiben: Armut, Angst und das Ungewisse. Nach diesem Zeitraum hatte meine Mutter Sehnsucht ihre Heimat (Bayern) zu besuchen.

Unser Besitz war jeden Winter überschwemmt, das ganze Land bis zur Haustür. Mein Vater muß wohl das schlechteste Grundstück ausgesucht haben.

Was die Wasserqualität anbetrifft, ganz miserabel. Wir haben immer unser Haar mit Regenwasser gewaschen. Nach dem Waschen haben wir die Haare mit Essig nachgespült. Wir hatten sehr schlechtes Brunnenwasser."

Das Emshochwasser in Greven am 8. und 9. Februar 1946 kam auch bis Reckenfeld. Ein Zeitzeuge: "Wir haben in der Rheinstraße gewohnt und sind auf der Lennestraße mit einer Zinkwanne gepaddelt und die Straße hin und zurückgerudert."

Erinnerungen niederzuschreiben, ist ein probates Mittel, schlimme Erlebnisse zu verarbeiten. Hier kommt ein weiterer Zeitzeuge zu Wort

"Hunger, Kälte, Holzklau, alte Ängste und mittendrin bin ich als Kind in Reckenfeld aufgewachsen:

Der Winter 1946 auf 1947 war sehr schlimm aber nicht nur wegen der Kälte. Mein Vater (W.S.) war im Oktober 1945 aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft in Rimini (Italien), zurückgekehrt. Mit sieben Personen wohnten nun meine Eltern A. & W.S., Großeltern T. & B. S. und meine Tante und Onkel R. & R. N. mit Tochter M. unter einem Dach. Die Enge bot Anlaß genug zu viel Spannungen zwischen den Familien. Aber das war noch nicht alles. Eines Tages kam der Freund (A. G.) vom Opa T. aus Schlesien mit Frau und Kind, so daß nun zehn Personen unter einem Dach lebten. Die Katastrophe war perfekt.

Mein Vater hatte im Sommer 1946 eine Baracke aufgetrieben und so bald als möglich aufgestellt. Im Herbst bezog nun die junge Familie S. ihr neues Heim. Ich war zu der Zeit vielleicht gerade zwei - drei Monate alt. In der Baracke waren nur zwei Wohnräume/Wohnküche und Schlafzimmer. Endlich waren wir drei für uns. Es gab aber so nach und nach ein großes Problem. Der Winter 1946-1947 war ein sehr kalter Winter. Die Wände der Baracke zudem sehr dünn und schlecht isoliert. Der Herd in der Küche viel zu klein und nicht nur das: es gab kaum Brennmaterial. So zogen die Männer in die Wälder - alle im Dorf machten das so - und stahlen sich das Holz (Um Holz zu klauen hatte sich jemand sogar ein Pferd gekauft, so war das Klauen effektiver). Einmal wurden sie vom Förster dabei überrascht. Er stellte sie zur Rede. Aber mein Großvater, welcher normalerweise ein friedliebender Mensch war, fuhr ihn so an, daß er ruhig wurde. Er sagte: 'Wenn ihr schon Holz stehlen wollt, dann geht an die und die Stelle, dort haben die Polen viele Bäume gefällt!' Sie gingen zu der Stelle und fanden viel Holz. Sie konnten soviel herausholen, wie ihnen möglich war. Jetzt hatten sie wieder einen Vorrat für einige Tage. Das frisch geschlagene Holz war naß. So war es oft ein großes Problem, das Feuer anzuzünden. Und wenn es dann endlich brannte, wurde es nicht warm. Tagsüber wurde es nicht wärmer als 8 Grad warm in der Baracke. Meine Mutter bekam Frostbeulen. Wenn sie es irgendwie warm haben wollte, mußte sie ins Bett gehen, mit einer Wärmflasche. Ihre große Angst war, daß ich erfriere.

Am 14. September 1947 sind meine Eltern wieder aus ihrem Behelfsheim ausgezogen und wieder zu Vater und Mutter ins Haus. Der Winter 1947 - 1948 war aber nicht so kalt. In die Baracke zogen nun Familie N. ein. Bei N. war in der Zwischenzeit noch ein Kind geboren: R. Nicht nur die Kälte war das große Problem, sondern auch der Hunger. Es gab damals alles nur mit Lebensmittelkarten. Alle Lebensmittel waren rationiert. Wer kleine Kinder hatte, bekam etwas mehr. Aber es reichte vorn und hinten nicht. Alle hatten Hunger.

Ich soll als Säugling sehr viel geschrieen haben. Meine Mutter wußte manchmal nicht mehr, wie sie mich noch beruhigen sollte. Eines Tages kam ihre Schwiegermutter zu Besuch. Als sie mich schreien hörte sagte sie: 'Gebt dem Kind doch mal was zu essen!' Aber woher nehmen? Meine Oma schickte daraufhin Lebensmittelpakete, sie wohnte in einem Bauerndorf im Lipperland und da gab es mehr zu essen. Und siehe da: Als ich mehr zu essen bekam, hörte die Schreierei von mir auf. Ich hatte allem Anschein nach wohl sehr viel Hunger gehabt. Wenn man die Fotos aus dieser Zeit sieht, dann fällt auf, daß es keine 'dicken Leute' gab. Es gab einfach zu wenig Lebensmittel. Es war eine Situation, wie in der Stadt.

Inzwischen war zwar der Krieg vorbei, aber die Folgen waren noch lange zu spüren. Deutschland hatte den Krieg verloren. Als Kind bekam man nicht viel davon mit, aber die obigen Geschichten von Vater und Mutter waren - als ich etwas älter wurde - die Tischgespräche am Abend. Die Vergangenheit mußte bewältigt werden. Das deutsche Volk hatte in Europa viel Unheil angerichtet und in der Folge selbst viel Unheil ertragen müssen. Der Krieg war vorbei, aber die Besatzungsmächte zeigten ihre Stärke.

Eines Tages standen wir Kinder auf unserem Grundstück als eine riesige Staffel Militärflugzeuge sehr niedrig über uns hinweg flog. Es war unheimlich und doch irgendwo spannend, das zu erleben. Diese Flugzeugstaffeln flogen mehrere Tage über uns hinweg. Wahrscheinlich nur eine Übung. Die Eltern erinnerte dies sehr an den Krieg. Die alte Angst wurde wieder lebendig. Diese Angst wurde auch bei jedem Heulen der Sirenen lebendig. Zu tief steckten die Bombennächte noch in den Knochen als das man einfach locker darüber hinweg gehen konnte.

Es gab viel Arbeit. Die Städte waren zerstört und mußten wieder aufgebaut werden. Das Land war überflutet von Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten. Es fehlten Wohnungen. Dann wollte man auch wieder was zu Essen haben. Also bestand das Leben aus Gartenarbeiten, Tiere halten, Einkochen und Bauen. Alles wurde getan, damit wir es einmal besser haben.

Um viel Geld zu verdienen, kam mein Vater eines Tages auf die Idee, in einem Bergwerk zu arbeiten. Nur am Wochenende kam er nach Hause. Drei Monate machte er die Arbeit, dann ging er wieder zum Bau. Entweder war die Arbeit in der Zeche zu anstrengend oder meine Mutter kam mit der Trennung nicht zurecht.

Am liebsten wäre mein Vater Lehrer geworden. Auch in dieser Richtung unternahm er einige Schritte. Er machte eine Aufnahmeprüfung bestand diese aber nicht. Mit mehr Zeit zum Lernen wäre er sicher weitergekommen, aber wie sollte er lernen und gleichzeitig die Familie ernähren. So blieb er Maurer. "Die besten Jahre meines Lebens haben sie mir gestohlen!" meinte er im Rückblick auf die Jahre als Soldat.

Als Kind in diesen Nachkriegsjahren lief man irgendwie einfach so mit. Aber es gab damals noch keinen Fernseher und so hatte wir beim Abendessen noch viel Zeit und dann erzählte er vom Krieg. ich konnte von seinen Erzählungen nie genug bekommen. (Dieser vorstehende Text wurde von mir vor einigen Jahren aufgeschrieben. Heute schreiben wir das Jahr 2006. - Anonymisiert von Manfred Rech).

Eine hiesige Zeitung wirft am 17.1.1987 einen Blick auf die Zeit vor 40 Jahren:

"1947 war wohl ein Schreckenswinter. Im Schreckenswinter mußte man Kohlen klauen, denn Kälte, Hunger und vereiste Ruinen prägten das Bild in den vier Besatzungszonen. Es fehlte überall an Nahrung, Kleidung, Unterkunft und Heizmaterial. Die Menschen waren mit weniger als 1.000 Kalorien dem harten Winter unerbittlich ausgesetzt.

Kanonenöfen zu befeuern, konnte nur der, der Heizmaterial hatte. Heimlich gefällte Bäume oder von der Bahn gestohlene Kohlen halfen zumindest kurzfristig weiter. Temperaturen von minus 20 Grad waren keine Seltenheit, Schneestürme kamen hinzu.

Während des Transportes von Kohlenzügen - Ruhrgebiet - Emden - wurde bei einem Halt die Ladung geplündert. Im Schnitt kamen nur ca. 40 Prozent der aufgeladenen Kohlen am Bestimmungsort an. Der Rest landete bei den Endverbrauchern entlang der Strecke.

In Reckenfeld konnten die Bewohner zum Teil auf vorhandene Holzbestände auf ihren Grundstücken zurückgreifen. Wer aber kein Eigentümer eines Grundstückes war, mußte sich anderes einfallen lassen."

Im Juni 1948 erhielten die Menschen eine neue Währung: Die Umstellung von Reichsmark auf Deutsche Mark. Dadurch mussten auch sämtliche anderen Geldangelegenheiten umgerechnet werden. Zum Beispiel die Grundschuld.

Ein Zeitzeuge

"Es muss so 1948 oder 1949 gewesen sein: Ich wohnte mit meinen Eltern, meiner Oma und meiner Tante, die ein Kind erwartete, in einer kleineren Wohnung (einem ehemaligen Schuppen) in C. Eines Abends schlief ich in den Betten meiner Eltern ein (ein eigenes Bett hatte ich nicht), wurde wach und hatte Hunger. Ich rief: 'Mutti, ich habe Hunger.' Wer kam, war mein Vater. Das Licht wurde nicht angemacht, Vater kramte herum und dann sagte er: 'Hier, ich habe dir eine Schnitte Weissbrot mit Butter geschmiert!' Was war das ein Geschmack: Butter mit Weissbrot, diesen Geschmack, nach was Gutem, habe ich bis heute noch, wenn ich daran denke, im Mund."

Ein Zeitzeuge

"Ich lebte mit meinen Eltern und meiner Oma (väterlicherseits) in der ersten Etage eines aufgebauten Munitionsschuppen. Wir hatten während der Polenzeit (1945-1950) 3 Räume - Wohnküche, Schlaf- und ein weiteres Zimmer. Es mögen ca. 30-35qm gewesen sein. Von der Wohnküche ging es in hinunter in den Anbau zum Plumpsklo (ekelig) schon wegen der Fliegen im Sommer und des Gestanks. Viele Möglichkeiten für eine Wohnung mit besserer Lebensqualität war sowieso nicht zu erhalten. Egal!

Einmal im Monat musste ich "nach unten" zu den Hausbesitzern und die Miete bezahlen. Ich war ca. 8-9 Jahre. Was wir für die Wohnung monatlich bezahlt haben, lässt sich aus der Anlage ersehen: 8 Reichsmark und später Deutsche Mark pro Monat für 3 Räume!"

Auszüge aus der amtlichen Kartei. Es herrscht eine katastrophale Wohnungsnot:

Die Volkszählung im Jahr 1950 brachte für Reckenfeld folgendes Ergebnis:
Zählbezirke: 21
Gebäude: 353
Wohnungen: 606
Haushalte: 746
Arbeitsstätten: 99
Ermittelte Personen männlich: 1.238
Ermittelte Personen weiblich: 1.408
Katholisch: 1.459
Evangelisch: 1.013
Bodenwirtschaftung: 431

Zählung im Sommer 1959:

Eine Zeitzeugin

"Um ein bißchen Geld zu bekommen, hat meine Mutter bei Rickermann (jetzige Wirtschaft) Gänse gerupft. Mein Vater hat beim Bauer Isfort gearbeitet."

Eine Zeitzeugin

"Der alte Herr Patten hatte zu der Zeit eine Idee: er konstruierte einen Blechofen mit einem kurzen, offenen Rohrstutzen an der Vorderseite (unten). Bei Stolte in der Reißerei fiel immer unheimlich viel Abfall an, der in Ballen gepreßt wurde. Dieser Abfall wurde mit einem dicken Knüppel von oben in den Ofen gestampft und unten in dem Rohrstutzen angezündet. Das Feuer fraß sich langsam in die Tiefe und nach oben. Je fester gestampft worden war, desto länger hielt das Feuer an. Es funktionierte tadellos. So fuhren wir laufend mit dem Bollerwagen los zu Stoltes und holten wieder einen Ballen, der für uns nichts kostete."

25. Dezember 1952: Am Abend des ersten Weihnachtsfeiertages wird zum erstenmal in der Bundesrepublik ein Fernsehprogramm ausgestrahlt. Dem Tage entsprechend, besteht das Programm vor allem aus Weihnachtsliedern und ‚Grüßen aus aller Welt'. Die Sendebedingungen sind durch das kleine Studio in Hamburg geprägt, aus dem live übertragen wird. Genau nach einer Stunde und 58 Minuten ist die erste Übertragung beendet. Bislang haben nur etwa 4.000 Familien die erst seit einigen Monaten für 1.150 DM erhältlichen Fernsehgeräte gekauft, aber man rechnet in Kreisen der Industrie nach dem Beginn einer regelmäßigen Ausstrahlung mit einer schnell wachsenden Nachfrage. Am 26. Dezember wird auch zum erstenmal die Tagesschau gesendet, die nun dreimal wöchentlich ins Programm genommen werden wird. Der Empfang des vorerst auf eine Sendezeit von 20 bis 22 Uhr beschränkten Programms ist nur in Norddeutschland und Berlin möglich. Schon vier Tage früher, am 21. Dezember, ist auch in der DDR das erste Programm gesendet worden.

Eine Zeitung gibt einen Stimmungsbericht: "In den letzten Jahren seien bei Neubauten in Reckenfeld gleichzeitig auch primitive Wohnbauten entstanden. Es wird angenommen, dass beim Antrag auf Bau einer Stallung die Genehmigung "erschlichen" worden sei, so der Heimatverein Reckenfeld. Generell sei es so, dass nach Bau eines Neubaus auch ein Anbau (Stall) gebaut werden kann, und nicht umgekehrt, wie es allerdings in Reckenfeld geschehen ist. Das Amt: bei der schwierige Lage in Reckenfeld muss ein Auge zugedrückt werden. Bauten die ‚schwarz' hochgezogen worden sind, und davon gibt es in Reckenfeld einige, das sei nicht so richtig."

Eine Zeitung im Juli 1954: "Mit dem Bau der beschlossenen Unterkünfte für Obdachlose wird im westlichen Teil Reckenfelds in Kürze begonnen. Vorgesehen ist der Bau von 12 Wohnungen."

Und im August 1954: "An der Kanalstraße entstehen auf einem kürzlich erworbenen Grundstück die sogenannten Notunterkünfte. Zwei Häuser werden hier in Zukunft 12 Familien aufnehmen. Gleiche Baulichkeiten stehen in Greven im Het Nieland. Ein massives Ziegeldach, die Zimmerdecken sind aus starken Heraklithplatten, der Fußboden erhält einen Plattenbelag. Eine Wohnungen besteht entweder aus drei oder aus zwei Zimmern. Ein Abstellraum steht auch zur Verfügung. Zwischen den beiden Wohnblocks liegt ein langes Gebäude als Wirtschaftstrakt, das für jede Familie einen Abstell- und Lagerraum enthält. Ein zweckdienlicher Keller und eine Waschküche sind vorhanden. Die Bodenverhältnisse dort sind, weil das Gelände tiefer liegt, schlecht. Selbst die Materialanlieferung musste zeitweise entfallen, weil der Weg dorthin nicht befahrbar war. Die Gemeindearbeiter haben nunmehr Schotter zur Befestigung eingebaut."

Im November sind die Notunterkünfte bezugsfertig. Kaum fertig, sind auch schon einige Monate danach die ersten Mängel aufgetreten: Die Ofenrohre sind in vielen Fällen zu nahe am Holzwerk und oft fehlt ein gemauerter Schornstein bei der Barackenfeuerstelle.

Noch nicht zum Zuge kam die Erweiterung der Straßenbeleuchtung. An der Einmündung der Emsdettener Straße (heutige Emsdettener Landstraße) zur Nordwalder Straße (heutige Steinfurter Straße) fehlt eine notwendig gewordene Lampe. Es fehlen weitere wichtige Lampen: an der Lennestraße und im untersten Teil der Amselstraße (heutige Adlerstraße) wo nun die Häuser der Westfälischen Heimstätte liegen. Nicht zur Durchführung gekommen sind die Verkehrsverbindung nach Greven und die Entwässerung.

Im Februar 1955 werden die Schulen einheitlicher: Die Ministerpräsidenten der Bundesländer unterzeichnen in Düsseldorf ein Abkommen, das die Vereinheitlichung des bundesdeutschen Schulwesens zum Ziele hat. Nach dem Kriege sind unter dem Einfluß der Besatzungsmächte und durch die Kulturhoheit der Länder stark unterschiedliche Schulformen geschaffen worden. Durch das Düsseldorfer Abkommen wird immerhin ein einheitlicher Beginn des Schuljahres nach den Osterferien gewährleistet. Als gemeinsamer Schultyp werden Volks- und Realschule sowie das Gymnasium festgelegt. Weiterhin garantieren die Länder die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen und Prüfungen.

Arbeit, Lohn und Brot

Im Jahre 1927, und zwar am 7. Juli, hatte der Reichstag das Gesetz für die Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung beschlossen. Es ist zu dieser Zeit ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der sozialen Verhältnisse. Das Gesetz, das vom langjährigen Arbeitsminister Dr. Heinrich Brauns (Zentrum) vorgelegt wird, macht Deutschland zu einem der ersten Länder der Welt, die Hilfe für Erwerbslose nicht länger als karitative Fürsorge, sondern als Verpflichtung für die gesamte Gesellschaft verstehen: Die Bedürftigkeitsprüfung fällt jetzt fort für Erwerbslose. Jeder, der unfreiwillig arbeitslos geworden ist, hat einen Rechtsanspruch auf Unterstützung durch den Staat.

Die Höhe der Unterstützung ist abhängig vom Verdienst der letzten 13 Wochen vor Beginn der Arbeitslosigkeit. Sie reicht von Wochensätzen von sechs Mark bis 22,05 Mark. Gezahlt wird die Unterstützung über 26 Wochen hinweg, bei außergewöhnlich schwierigen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt auch 39 Wochen lang.

Danach tritt die Krisenfürsorge in Kraft, die aus anderen Mitteln bezahlt wird und bei der weitere und genauere Prüfungen auf Bedürftigkeit nötig sind. Der Versicherungspflicht unterliegen im Reich etwa 16,5 Millionen Arbeitnehmer. Die einheitlichen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung betragen drei Prozent des Grundlohnes. Sie werden je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gezahlt. [...] Die Arbeitslosenversicherung verspricht, den Lebensstandard der breiteren Bevölkerungsschichten zu sichern und ihnen im Notfall Hilfe zu gewährleisten.

Zu Beginn der 1930er Jahre kamen immer mehr Wohnungssuchende nach Reckenfeld, um sich hier eine neue Existenz aufzubauen. Wer materiell nicht so gut gestellt war und sich zudem erhoffte, in Arbeit und Brot stehen zu können, hatte schlechte Karten.

Diejenigen, die Monat für Monat gute Pensions- bzw. Rentenzahlungen zu erwarten hatten oder in anderer Weise finanziell gut abgesichert waren, konnten hier in ihrer neuen Heimat einen ruhigen Lebensabend verbringen. Doch es ging eben nicht allen so gut [...]


So, wie die 1920er Jahre zu Ende gingen, nämlich mit den Schwierigkeiten bei der Einrichtung und Gestaltung einer menschenwürdigen Wohnung, bei der Beschaffung von Arbeit, als auch bei den ganz alltäglichen Dingen, werden auch die 1930er Jahre nahtlos diesen Trend fortsetzen, und das für den größten Teil der Reckenfelder Bevölkerung.

1930er Jahre 50-Meter-Schuppen C 86. 1930er Jahre Im Block D.

Sogenannte "Notstandsarbeiten" wurden angeordnet, und da hatten einige Reckenfelder Männer das Glück, dazu zugehören.

Die Zahlungsmoral muss auch nicht so besonders gut gewesen sein, weshalb sollten sonst kleinere Geschäfte auf Folgendes hinweisen:

Einen kleinen Fingerzeig, wie man mit "eigener Hände Arbeit" ein tägliches Zusatzbrot verdienen kann, kam vom Autor der Reckenfelder Mitteilungen, Rudolf Baehr, sen.



Interessenten und Verkäufer bei der Besichtigung eines Schuppens. Diesen Schuppen kaufte dann die Familie Wildemann.

30-Meter-Schuppen B 14.

Historiker Prinz schreibt zur Lage in Reckenfeld:

"Über die soziale Struktur und die Lebensbedingungen in der Siedlung gibt eine Denkschrift einer Untersuchungskommission 1932 folgenden Bericht:

‚Die Lebensweise der Familien ist sehr unterschiedlich. Eine Anzahl pensionierter Steiger und auch Schwerkriegsbeschädigte leben mit ihren Familien in geordneten Verhältnissen. Viele Kleinrentnerfamilien, hauptsächlich Knappschaftspensionäre, haben jedoch nur eine geringe Rente, von der sie nach Abzug der auf den Kaufpreis des Grundstücks zu zahlenden Raten und Zinsen nicht mehr leben können. Sie fallen deshalb teilweise dem Wohlfahrtsamte Greven zur Last. Von der noch arbeitsfähigen und auf Verdienst angewiesenen Bevölkerung finden nur junge Burschen und Mädchen und auch nur z. T. Arbeit in den Textilfabriken in Greven und Emsdetten.

Der größte Teil der erwachsenen Arbeiter bezieht Arbeitslosen-, Krisen- oder Wohlfahrtsunterstützung. Die vorhandenen Handwerker und deren Hilfspersonal haben sich bisher größtenteils nur durch Ausführung von Bauarbeiten, die auf Grund der Vergabe von Hausbau-Darlehen gemacht wurden, halten können.

Der geringe Ertrag der kleinen Bodenflächen, meist ¾ Morgen, bietet dem Siedler eine kaum nennenswerte Beihilfe, zumal er sich meist finanziell außer Stande sieht, dem Boden den nötigen Dünger zuzuführen. Reckenfeld hat zur Zeit 67 Wohlfahrts-, 52 Arbeitslosen- und 20 Krisen-Unterstützungsempfänger im Gebiet der Gemeinde Greven links der Ems.

Kaum erwachsene Söhne und Töchter von Familien, die den Unterhalt ihrer Kinder nicht mehr bestreiten können, schließen sogenannte Wohlfahrtsehen, um dann auf Grund des nur scheinbar neu gegründeten Hausstandes in den Besitz der Wohlfahrtsunterstützungen zu gelangen und so den Haushalt ihrer Eltern zu entlasten. Viele bestreiten teilweise ihren Lebensunterhalt durch Borgen bei den Handwerkern und Geschäftsleuten in Reckenfeld, Greven und Emsdetten, so daß bei einem weiteren Zusammenbruch der Siedlung auch diese Kreise größeren Schaden erleiden. Manche notleidende Familie durchzieht hamsternd das Land [...]'

Bernhard Gronotte - engagierte Grevener - der sich für die Reckenfelder Belange besonders einsetzte, stellte folgendes Zahlenmaterial aus dem Jahr 1932 zusammen:

Prinz schreibt zur Arbeitslosigkeit der Jahre 1929-1933: Überblickt man das Produktionsprogramm der verschiedenen Grevener Textilunternehmungen dieser Zeit als Ganzes, so zeigt es eine in Deutschland sonst wohl nirgendwo erreichte Vielseitigkeit, die so groß war, daß jeglicher Textilbedarf der deutschen Familie in Greven gedeckt werden konnte. Die schweren Krisenjahre 1929 bis 1933 sind auch an den Grevener Werken nicht spurlos vorübergegangen, doch haben sich in Greven Arbeiterentlassungen größeren Umfangs in all diesen Jahren vermeiden lassen, da die Fabriken ihre Leute weitgehend mit Kurzarbeit (20-24 Stunden wöchentlich) beschäftigten.

Die Höchstzahl der Arbeitslosen wurde im Februar 1933 mit einer Erwerbslosenzahl von 516 erreicht, was aber im Vergleich zu den Ziffern im Reich immer nur erst ein Drittel des Reichsdurchschnittes war! Der größte Teil dieser Arbeitslosen saß in Reckenfeld, das kurz nach dem Krieg durch seine Arbeiterkolonie einst den Arbeitermangel in Greven hatte beheben helfen. Es dauerte noch bis 1937, daß der letzte Kurzarbeiter in der Grevener Textilindustrie wieder volle Beschäftigung fand.

Die Grevener Baumwoll-Unternehmen bemühten sich um die Errichtung einer Jutefabrik von 50 Stühlen in Reckenfeld, um den dortigen Arbeitslosen Verdienst und Brot zu schaffen. Der Verband der deutschen Jute-Industriellen erhob dagegen beim Ministerium für Handel und Gewerbe in Berlin Einspruch, zumal Staatsmittel dafür eingesetzt werden sollten. Der Plan zerschlug sich.

Die Arbeitslosigkeit belastete nicht nur das Privat-, sondern auch das Vereinsleben. So hieß es in einer Einladung der Wirtschaftlichen Vereinigung zum gemütlichen Beisammensein ihrer Mitglieder am 4. Oktober 1932: "Die Not der Zeit hat uns veranlaßt, in diesem Jahr von irgendwelchen Festlichkeiten Abstand zu nehmen. Der Anregung einiger Mitglieder folgend, veranstalten wir daher nur eine gesellige Zusammenkunft und bitten unsere Mitglieder mit ihren Damen vollständig zu erscheinen."

Etwas 'Luft' brachte eine Aktion, die die Kultivierung von 12 Morgen Ödland im ehemaligen Abstellbahnhof, dem heutigen Gebiet zwischen Bahnhofstraße und Grüner Grund, vorsah. Vom Arbeitsamt wurden die dafür die notwendigen Gelder genehmigt und zahlreichen Reckenfeldern, die bis dahin arbeitslos waren, Arbeit und somit Verdienstmöglichkeiten geboten.

Über die Beschäftigung der arbeitenden Bevölkerung legte das Reich Arbeitsbücher an: Hier für Martha Sewzik, die spätere, verheiratete, Martha Stolte.

Eingezogen zum Militär wurde Bäckermeister Hermann Heimsath nur kurz. Er konnte klarmachen, dass er als Bäcker des Ortes für die Reckenfelder 'unentbehrlich' war. Deshalb wurde er nach einiger Zeit auch wieder entlassen.

Die Reckenfelder ließen alles anschreiben, sagt sein Sohn Hermi. Einmal im Monat wurde dann bezahlt. In den Kriegsjahren wurden auch für hier stationierte Kompanien Komissbrote gebacken, insgesamt 400 Stück.

Einige der Reckenfelder Kaufleute machten auf ihr Problem aufmerksam, durch diesen Aufruf! (PDF-Datei)

In den Kriegjahren (1939 - 1945) wurden für einen Teil derjenigen, die nicht in den Krieg ziehen mussten, andere Aufgaben zugeordnet. Der Polizeidienst war dafür eine geeignete Berufssparte.

Franz Buschkühl absolvierte seine Gärtnerlehre bis zum Frühjahr 1943 in Greven, um anschließend seinem gelernten Beruf nachzugehen. Doch die Arbeit wurde abrupt beendet: Der "Ruf des Vaterlandes" erreichte auch ihn!

Einen Teil der Versorgung für die Reckenfelder wollte Metzgermeister Anton Schmelter mit Fleisch- und Wurstwaren übernehmen. Einen Umzug von Münster nach Reckenfeld nahm er dafür gerne in Kauf. Das war 1943. Zu einem späteren Zeitpunkt konnte die Familie Schmelter das realisieren und die Reckenfelder hatten dann tatsächlich die Möglichkeit, z.B. mit einer Kanne bewaffnet für "Schweinebrühe" bei "Schmelters in D" anzustehen. Und gelegentlich brauchte Schmelter beim Schlachten oder für den Stall Hilfe, das gab dann zusätzlich für einen oder zwei junge Kerle die Möglichkeit, sich ein paar Mark oder was zum Essen zu verdienen.

Auch nach dem Krieg wurden die Tätigkeiten der Beschäftigten, die in Lohn und Brot standen, in Pässen und Meldekarten festgehalten.

Der in den 1930er Jahren vom Amt Greven geführte Johann Skirde - wohnhaft in einem ehemaligen Schuppen C 66 - heutige Weserstraße - war von Beruf Bergmann.

Als der Zweite Welkrieg vorrüber war, sendet er 1946 an die Zechenverwaltung der Zeche "Graf Bismarck" einen Einschreibebrief. Es ist anzunehmen, dass er dort nach Arbeitsmöglichkeiten anfragte und sich evtl. auch schon bewarb.

Der Schacht 7 ging bereits 1911 in Betrieb, während der daneben gelegene Schacht 8 zunächst gestundet wurde (Bei der Stundung handelt es sich um eine Genehmigung der Bergbaubehörde, dass der Betrieb für eine bestimmte Zeit ruhen darf. Dadurch bleibt die Berechtigung zum Bergbau erhalten). Schacht 8 wurde von 1920 bis 1923 fertiggestellt, so berichtet Wikipedia

Der Umschlag des Einschreibebriefes von Johann Skirde.

Bekanntgabe über die Zeitung: "Die Ausgabe von Lebensmittelmarken für September bis Oktober 1949 wird vorgenommen."

Die Räte Grohe und Heinrich vertreten die Reckenfelder Interessen. Sie wenden sich gegen eine Eingemeindung Reckenfelds nach Emsdetten. Ihre Argumente: Rund 700 Reckenfelder seien in Greven beschäftigt, Emsdetten sei nicht in der Lage, diese Arbeitskräfte aufzunehmen.

Die allgemeine Ernährungslage in Westdeutschland 1947/1948

Die kritische Ernährungslage in Westdeutschland dauert an und die Lebensmittelrationen liegen zwischen täglich 1.185 Kalorien in Schleswig-Holstein und 1.400 in Württemberg für Normalverbraucher, Schwerarbeiter im Ruhrgebiet erhalten 4.000 Kalorien. Nach erneuten Hungerdemonstrationen und -streiks der Arbeiter erklären die alliierten Behörden der Bizone, die Verantwortung liege bei den deutschen Stellen, die unfähig seien, die Lebensmittelverteilung richtig zu organisieren.

In einer Darlegung der bizonalen Wirtschaftsverhältnisse vor einer CSU-Versammlung in Erlangen führt der Direktor des Wirtschaftsrats, Johannes Semmler, aus: 'Die Konferenzen, auf denen die Zerreißung Deutschlands beschlossen wurde, seien Viermächtekonferenzen gewesen. So habe man gewußt, daß der deutsche Osten der Lieferant für die deutsche Ernährung sei. Geschenkt werde Deutschland nichts, sondern es müsse in Dollar aus deutscher Arbeit und deutschen Exporten dafür bezahlen und sich dafür noch bedanken. Es sei an der Zeit, daß deutsche Politiker darauf verzichten, sich für die Ernährungszuschüsse zu bedanken.'

Die Militärgouverneure Clay und Robertson entlassen Semmler sofort mit der Begründung, er habe böswillige Opposition gegen die Besatzungsmächte betrieben.

Die Zeit der Eingrenzung der Ernährung durch die Ausgabe von Lebensmittelmarken neigt sich dem Ende zu. Die Bevölkerung atmet auf und blickt nun mit mehr Zuversicht in die Zukunft.

Die wirtschaftliche Lage in Reckenfeld

In einem Vermerk vom 7.9.1949 ist Bürgermeister Scharpenberg der Ansicht, dass das Gebäude der Firma Sahle in Reckenfeld für die Unterbringung des Betriebes geeignet ist. Es geht hier um eine Firma aus Leipzig, die die Fabrikation von Eisenwaren für die Herstellung von Spielplatzgeräten macht.

Das Amt Greven teilt der Kreisverwaltung in Münster mit, dass die Firma Albert Sahle an der Eisenbahnstrecke ein großes Gebäude (RAD) besitzt. Sahle ist nicht abgeneigt, das Gebäude bzw. 1000qm aus dem Gebäude zu vermieten. Arbeitskräfte sind in Reckenfeld in ausreichendem Maße vorhanden. Ein Sägewerk befindet sich in unmittelbarer Nähe des Gebäudes.

Dezember 1949: Seit Wochen schon herrscht in der Grevener und Reckenfelder Arbeiterschaft gedrückte Stimmung. Das wirtschaftliche Wohlergehen der Emsstadt und ihre Bevölkerung ist unlöslich mit dem der Textilindustrie verbunden. Von ihr lebt nicht nur die Stadt als Gemeinde, sondern auch der Grossteil der Bevölkerung an Webstuhl und Spindel für Arbeit und Brot.

"Als vor wenigen Wochen bei verschiedenen Betrieben eine Flaute einsetzte, konnte man meinen, es handele sich hierbei um jene Erscheinungen, wie sie fast in jedem Jahr für kurze Zeit zu verzeichnen waren. Die Absatzschwierigkeit spitzen sich jetzt allerdings zu, und das ist neu für die Branche. Kurzarbeit wird eingeführt. Zu Hunderten stehen die Arbeiter vor den Auszahlungsstellen des Arbeitsamtes. Wirtschaftliche Not in den Familien, Lähmung des Geschäftsverkehrs und soziale Spannungen sind die Folge dieser Entwicklung", ist in Carl Schumachers Zeitungsbericht nachzulesen.

Teil II der Volkszählung im Jahr 1950 (Betriebe und Beschäftigte in Reckenfeld)

Im April 1954 arbeiten in Greven rund 1.570 Auswärtige. Davon kommen ca. 600 mit dem Zug, die anderen mit dem Fahrrad. Allein 750 Reckenfelder arbeiten in Greven. In der Textilindustrie arbeiten 4.420 einheimische und auswärtige Arbeitkräfte. Seit Beginn der Wirtschaftskrise sind Hunderte entlassen worden.

Berufsgruppen in Reckenfeld im Jahr 1952. Eine PDF-Datei aus Unterlagen des Grevener Stadtarchivs.

"[...] täglich müssen über 700 Reckenfelder, die in Greven beschäftigt sind, mehr als 20 Schüler und alle diejenigen, die in der Stadtverwaltung oder geschäftlich in Greven zu tun haben, auf der Straße sechs Kilometer, auf schlechten halsbrecherischen Fuß- und Radwegen vier Kilometer Umweg machen, und das bei Wind und Wetter. Es fehlt immer noch eine direkte Verbindungsstraße von Reckenfeld nach Greven", so Bürgermeisterstellvertreter Lothar Fabian im Oktober 1954 in seiner Ansprache an Rat und Verwaltung der Stadt Greven.

Fabian ist überzeugt, dass die Verbindungsstraße kommt. Es gibt allerdings große Schwierigkeiten bei den Verhandlungen mit den Bauern am Wittlerdamm, am Jägerweg und an der Straße Hembergen-Greven.

Während junge Menschen das Heft immer mehr selbst in die Hand nehmen können, weil auch der Arbeitsmarkt weitere Arbeitskräfte verlangt, haben ältere Menschen wenig Geld zum Leben zur Verfügung. Die Lage für diese Personengruppe ist nicht rosig.

"1955 fahren 25 Reckenfelder nach Emsdetten zur Arbeit, manche fahren auch bis Münster zur Arbeit", so ein Protokoll im Amt Greven.

1956 verlassen täglich 1.000 Menschen den Ort, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

"Der Zugang von Bergleuten aus Reckenfeld ins Gebiet von Heesen bei Hamm nahm in den letzten Wochen stark zu. Augenblicklich werden die Bergleute, die meist nur Nachtschicht machen, mit einem Autobus abgeholt", schreibt Carl Schumacher am 15. März 1956 in den Westfälischen Nachrichten.

Im September 1956 entsteht der erste Fabrikschornstein bei der Firma Richard Lück an der Industriestraße. Der Schornstein ist 20 Meter hoch.

Ein Zeitzeuge

"Mama und ich haben oft bei den Bauern mitgeholfen: Bei der Kartoffel-Ernte und beim Runkeln pflanzen. Wir mussten ja etwas Geld dazuverdienen."

Im März 1954 macht sich der Redakteur der WN Gedanken über die künftigen Schulabgänger:

"90 Kinder verlassen die Schulen. Die Schulentlassung steht unmittelbar bevor. Die Berufsfrage nimmt einen breiten Raum im Denken der Kinder und im Familienkreis ein, verbunden mit den Bemühungen um eine Lehrstelle. Ein erheblicher Teil der Kinder ist noch nicht beruflich versorgt. Da im Handwerk nicht ausreichend Lehrstellen zur Verfügung stehen, muss sich ein Grossteil den angeboten Lehrstellen anpassen. Eine erhebliche Anzahl der Kinder kommt in der Textilindustrie und in der ansässigen Polstermöbelindustrie unter. Die meisten der Schüler sind gerade erst 14 Jahre alt geworden, und stehen bereits im Berufsalltag".

1956 werden 50 Kinder aus der Volksschule entlassen. Meist handwerkliche Berufe werden angestrebt: Maurer, Schlosser und Gärtner. Sowohl bei Jungen und Mädchen ist der kaufmännische Beruf noch stark als Wunsch zu verzeichnen.

Immer mehr Männer fanden Arbeit im Handwerk und in Fabriken. Frauen suchten sich ebenfalls Arbeit, auch wenn es für sie schwerer war, neben ihrem 'Beruf' Hausfrau zu sein.

Ein Zeitzeuge

"Reckenfeld sei zwar aus vielen unterschiedlichen Personen zusammengesetzt gewesen, dadurch sei es aber auch interessant gewesen. Es habe nicht nur gescheiterte Existenzen in Reckenfeld gegeben, sondern auch für damalige Verhältnisse gut situierte Personen. So habe der Postbote die Auszahlung der Rente an seinen Vater ( ) einmal mit der Bemerkung kommentiert: ‚Dies müsse ja wohl für 3 Monate reichen.' Es waren vor allem die pensionierten Bergleute, die über eine gute Rente verfügen konnten."


Strassen, Wege und Plätze

Gradmesser für die Entwicklung Reckenfelds sind u.a. die Straßen, Wege und Plätze (Ortsmitte). Ein Teil des Straßen- und Wegenetzes ist in der Entstehung in Deutschland einmalig.

700 Fotos, Zeichnungen und Pläne werden in diesem Kapitel angeboten, die Entwicklung der Straßen und Wege als auch der Ortsmitte zusammenhängend dokumentiert.

Die Karte der Firma "RognerDruck" aus Reckenfeld dient als Wegweiser - hier anklicken! - für die nachfolgende Beschreibung des Reckenfelder Straßen- und Wegenetzes.

Organisatorischer Hinweis: Obwohl es sich hier um den Zeitrahmen von 1930 bis 1959 handelt, werden in diesem Kapitel fast alle zur Zeit vorliegenden Fotos gezeigt, auch außerhalb des obigen Zeitraums. Texte über die Straßen, Wege und Plätze ab dem Jahr 1960 folgen (noch) in einem Extra-Kapitel.

Allgemeines

Als das Militär in Berlin im Ersten Weltkrieg den Bau von weiteren Nahkampfmitteldepots beschloss, fiel den Planern aufgrund ihres Kartenmaterials das Gelände - die Gemarkung Reckenfeld - zwischen Emsdetten und Greven liegend, auf. Das Gelände hatte

Alles Vorteile! Und zusammen waren das ideale Voraussetzungen für dieses Militärobjekt.

Was damals zum Vorteil diente, wurde mit zunehmender Besiedlung Reckenfelds nun zum Nachteil

Im Grunde gab es für die Reckenfelder damals gleich mehrere Probleme auf einmal

Ortsmitte (heutiger Kirchplatz)

In der Mitte Reckenfelds befand sich eine größere Fläche, die von den Reckenfeldern als Dorfplatz bezeichnet wurde. Häuser standen zum Ende der 1920er Jahre noch keine dort. Etwas weiter östlich hatte die Familie Imm 1927 ihre ‚Villa' gebaut und kurze Zeit später folgten das Haus von Schwöppe, die katholische Volksschule sowie die katholische St. Franziskuskirche und das Pfarrhaus nebenan im Jahr 1936. Mit dem Hausbau des Friseurs Klemann konnte allerdings keine Grundstruktur des Ortsmittelpunktes geschaffen werden. Es wurde gebaut, aber nicht hinreichend strukturell. (Anmerkung: Noch heute steht dieses ‚Klemann-Haus' weder zur Steinfurter Straße noch zu einer Straßenführung parallel dazu).

Christian Geitz, engagierter Reckenfelder Bürger, stellte am 5. Juni 1931 bei der Gemeindevertretung den Antrag, die 'Schaffung eines Marktplatzes' in Reckenfeld zu realisieren. Die Gemeindevertretung lehnte in ihrer Stellungnahme den Antrag ab, mit der Begründung: "[...] weil dieser in keiner Hinsicht nötig ist. Und außerdem wären die Kosten in dieser finanziellen Notzeit unverantwortlich." Die Regierung, so schwante die Vertretung, würde eher zu Gunsten der EHG und damit zu Lasten der Gemeinde tendieren. "Es sei jedoch darauf hingewiesen", so der Gemeindeverwaltungsbeschluß, "dass es zwischen der EHG und dem Amt große Probleme, sogar Mißstände gibt."

Um ein weiteres "unkontrolliertes Bauen" in der Mitte der neuen Siedlung zu beenden, beschloß die Gemeindevertretung Greven l.d.E. am 2. November 1937 einen Bebauungsplan für den ganzen Ort zu erstellen. Doch der nachfolgende Zweite Weltkrieg vereitelte dieses Vorhaben.

Redakteur Carl Schumacher schreibt in einem Artikel über die Straßensituation in Reckenfeld im März 1950: "Von den Räten wurde beschlossen, das Dreieck zwischen Grevener Straße und Nordwalder Straße aus verkehrstechnischen Gründen (zwei Gabeln, eine Kreuzung) nicht zu bebauen, sondern hier eine Grünfläche mit einem Ehrenmal zu schaffen. Bürgermeister Scharpenberg betonte jedoch, dass Reckenfeld dann nie ein zentrales Geschäftsviertel erhalten werde. Außerdem würde dann auch nie eine Verbindungsstraße von der Grevener zur Nordwalder Straße mit dem Anschluß an die neue Straße nach Emsdetten gebaut werden. Der Plan für die Errichtung von Geschäftshäusern wurde genehmigt. Es sollen Verhandlungen zum Ankauf von Dreiecksgrundstücken eingeleitet werden", so der Bericht.

Nach Kriegsende bzw. nach der "Polenzeit" begann wieder ein ‚wildes Bauen', auch an anderen Stellen in Reckenfeld. Nun schaltete sich der Heimatverein Reckenfelds ein. Man schrieb das Jahr 1951.

Bei der Gestaltung der Ortsmitte kam ein weiteres Problem hinzu: Das Gelände lag unter Straßenniveau und wurde durch den nahen Walgenbach des öfteren überflutet. Um das für immer zu verhindern, mußten große Mengen Sand und Erde angekarrt werden.

Im Januar 1955 wird durch eine weitere Maßnahme der Ortsmittelpunkt aus verkehrstechnischer Hinsicht entlastet, durch die Verlängerung der Emsdettener Straße über das Dreieck Nordwalder Straße zur Grevener Straße. "Die Gemeindearbeiter sind im Augenblick dabei, den Mutterboden in der Breite des neuen Trasse abzuheben. Die Straßenführung ist nun sichtbar. Unmittelbar neben dem Walgenbach mündet die Emsdettener Straße in einer sanften Krümmung in die Grevener Straße ein. Um die gleiche Höhenlage zu bekommen, muß allerdings noch allerhand Material angefahren werden."

Die Frage der weiteren Gestaltung der Ortsmitte stand häufig zur Diskussion, nicht zuletzt im Heimatverein. "Die Fortführung der Emsdettener Straße über das Gelände zur Grevener Straße haben die Fußgänger und Radfahrer bereits genutzt. Die Ausführung (Zusammenführung beider Straßen) steht noch aus."

Bei einer Veranstaltung sagte Bürgermeisterstellvertreter Lothar Fabian am 3. Oktober 1956: "[...] dass die Gestaltung des Dreiecks in der Ortsmitte als befriedigend gelöst wurde, wie es die Straßenführung nun zeigt."

1957 erfolgte eine weitere Auffüllung des Dreiecks in der Ortsmitte.

Fotos von der Mitte Reckenfelds (Kirchplatz) hier anklicken!

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Eine weitere Zusammenfassung in Wort und Bild habe ich im Jahr 2022 erstellt. Sie soll zeigen, wie es auf Grundlage der Depotwege und Depotplätze in den vier Jahrzehnten (1920er Jahre bis Ende 1950er Jahre) ausgesehen hat. Aber sehen Sie selbst: Hier ist die PDF-Datei. >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

Die Ortsmitte von Reckenfeld

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Bahnhofstraße und Hemberger Weg

Einst zog sich die ehemalige Bahnhofstraße als Feldweg mit Furchen von Ost nach West durch das Reckenfeld. Von Hembergen führte der Weg in Richtung Westen bis zum Max-Klemens-Kanal.

Zu Zeiten des Depotbaus wurde zur besseren Orientierung der Name Hemberger Weg (nicht Hembergener Weg) vergeben.

Der Weg diente den Händlern als Verbindung zu den Nachbarorten Nordwalde, Borghorst, Burgsteinfurt und anderen Orten und den Bauern als Weg zu den Ländereien, die um den Kanal herum lagen. Der Weg wurde auch benutzt, um zu den Mühlen in den Nachbargemeinden zu gelangen.

Erst als die Eisenbahn von Münster nach Rheine führend, das Reckenfeld durchschnitt, wurde der Weg unterbrochen. Wenn nun Bauer und Zug zeitlich am selben Ort ankamen, war es mit der ungehinderten Fahrt des Karrens vorbei. Anhalten! Warten auf den Zug. Und dann ging es weiter.

Eine ganz andere Bedeutung erhielt der Weg, als an seiner südöstlichen Seite der Abstellbahnhof des Nahkampfmitteldepots gebaut wurde. Der Weg wurde ausgebessert und diente u.a. nun den Arbeitskolonnen als Transportweg für Materialien beim Bau des Depots.

Ab Depotmitte fiel der westliche Teil des Hemberger Weges dem Depotbau zum Opfer, der letzte Teil von der Abzweigung zur Wiesenstraße bis zum Max-Klemens-Kanal ist allerdings noch erhalten.

Den Namen 'Bahnhofstraße' erhielt der östliche Teil dieses Weges erst, als die Besiedlung Reckenfelds zunahm.

Gegen einen Ausbau bzw. einer finanziellen Beteiligung wehrte sich auch die Eisenhandelsgesellschaft Ost in den 1930er Jahren, die den Ausbau als nicht notwendig betrachtete, da er nur privaten Interessen diene. Gegen diese Ansicht wehrten sich schon damals in gemeinsamen Erklärungen die Landwirte aus Herbern und Hembergen und hier stellvertretend durch ihren Gemeindevorsteher Heinrich Hovest-Engberding und die Siedler Reckenfelds, da die Bahnhofstraße die einzige gewachsene Verbindung zwischen diesen Menschen darstellte.

‚Die Straße der Siedler', so könnte man die Bahnhofstraße auch bezeichnen. In den ersten Jahren kamen viele Sieder per Zug am Bahnhof Hembergen an, um mit etwas mehr Hab und Gut in ihre neue Heimat umzusiedeln. Vom Bahnhof ging es dann auf der langen Bahnhofstraße in Richtung Westen zu den Schuppen in den Blöcken A, B, C oder D.

Wer mit seinen Möbeln und mit 'Mann und Maus' auf einem Lastkraftwagen Reckenfeld anfuhr, wird ebenfalls über die Bahnhofstraße (aus Richtung Hembergen kommend) gefahren sein, um den angekauften oder gemieteten Schuppen im Ort ansteuern zu können.

"1949 wird die inzwischen unbrauchbar gewordene Bahnhofstraße durch den Kreis bis Herbern als Teerstraße neu hergerichtet", ist einem Protokoll der Gemeindevertretung Greven l.d.E. zu entnehmen.

1954 wird die Bahnhofstraße wie folgt beschrieben: "Die meistbegangene Straße in Reckenfeld ist die Bahnhofstraße. Zu den Hauptverkehrszeiten ist diese dicht bevölkert von Radfahrern und Fußgängern. Notwendig wäre, den Bürgersteig zu verbreitern."

Ein Zeitzeuge

"Der 'Bürgersteig' bestand aus Sand, Dreck und Wasserlöchern auf der linken Seite Richtung Bahnhof. Gut, dass es kaum Pkws gab, die einem entgegenkamen. Und dunkel war es auch auf dieser Straße. Straßenlaternen? Fehlanzeige. Etwas mehr sehen konnte man, wenn mehrere Radfahren an den Fußgängern vorbeifuhren, wenn sie denn Licht hatten [...]."

Fotos von der Bahnhofstraße und Fotos von dem Weg, aus dem die Bahnhofstraße entstanden ist: der Hemberger Weg hier anklicken!

Straßen und Wege in den vier Blöcken A, B, C und D

Ein Kuriosum Reckenfelder Straßenverhältnisse: Die Anbindung an die Schuppen waren ja keine fertigen Wege, geschweige denn Straßen, es waren ehemalige mit Schotter und Sand versehene Trassen, auf denen im Ersten Weltkrieg die Schienen lagen bzw. noch gelegt werden sollten. Und als die Schuppen mit dem umgebenen Gelände von den Siedlern gekauft wurden, wurden bei den meisten Grundstücksverkäufen, die eben beschriebenen Trassen mit gekauft. Wer also zu dem nachfolgenden Schuppen (Nachbarn) wollte, betrat das Grundstück des dortigen Eigentümers. Da kam es dann zu kleineren Problemen. Zur Absicherung hatten einige einen Zaun aufgestellt. Aber auch so, wurde das eigene Terrain bekundet, mit einer Ziege!

Dazu drei Zeitzeugen

"Der Weg (heutige Weserstraße) wurde damals mitgekauft, war also Teil des Grundstückes. Die Anwohner haben den Weg als Garten mitbenutzt, bis die Stadt Greven wieder eine Straße (Weserstraße) daraus machte."

"Meine Eltern sind 1929 nach Reckenfeld gekommen und haben einen Schuppen in B gekauft. Zu dem Grundstück gehörte die Straße vor dem Schuppen. Dieses wurde erst in den 90er Jahren des v.Jh. aufgeworfen und mit der Stadt verrechnet, da das einigen nicht bekannt war. Mein Vater hatte früher versucht, die Straße als Garten zu nutzen bzw. er wollte eine Hecke setzen, weil die vielen Reckenfelder an seinem Haus vorbeikamen um zur Post zu wollen. Das jedoch hat das Amt Greven immer wieder verhindert."

"Die Eisenhandelsgesellschaft Ost hatte sich beim Verkauf der Schuppen in der Siedlungszeit Reckenfelds auch das Wege- und Vorkaufsrecht gesichert und darüber hinaus sogar mit den Grundstücken auch ganze Wegeparzellen mitverkauft. Das führte später zu einem großen Durcheinander. Die Wegebesitzer, die EHG, gehörte natürlich dazu, konnten nach eigenem Gutdünken die Wege sperren: Da vor allem die Gesellschaft mit zahlreichen Bürgern im Clinch lag, war das des öfteren der Fall. Der Willkür war also Tür und Tor geöffnet." (Anmerkung: Das änderte sich erst, als der Nachfolger der Eisenhandelsgesellschaft, die Siedlungsgesellschaft Münster-Land, bei der Zwangsversteigerung im Jahre 1933 das gesamte Areal erwarb und versuchte, geordnete Verhältnisse zu schaffen.)

Die EHG schreibt am 12.5.1927 per Einschreiben an den Landwirt Hesselmann in Hembergen: "Sie haben in letzter Zeit teils selbst, teils durch Ihre Beauftragte, von einzelnen Siedlern in Reckenfeld Schottersteine übernommen und solche zur Wegebefestigung abgefahren. Wir teilen hierdurch höflichst mit, dass die einzelnen Siedler von denen diese Steine, auch von den Privatwegen, werden innerhalb der Siedlung selbst später zum Ausbau der Wege benötigt. Aus diesem Grunde sehen wir uns veranlaßt, die Abfuhr von Steinen zu sperren. Sie sind nur dann in der Lage Steine abzufahren, wenn Sie Wege oder Geländeteile, die unser Privateigentum sind, betreten. Aus diesem Grunde untersagen wir hierdurch, Ihnen sowohl wie Ihren Beauftragten das Betreten unseres Grundeigentums zwecks Abfuhr von Steinen. Vorsorglich machen wir darauf aufmerksam, dass Sie unter Umständen sich schweren Unannehmlichkeiten aussetzen dürften, falls Sie trotz den Erklärungen dieses Schreibens unseren Grund und Boden zwecks Abfuhr von Steinmaterial betreten. Hochachtungsvoll Wilde." (Anmerkungen: Es handelt sich hierbei um Schottersteine, auf denen Schwellen und Gleise lagen bzw. noch gelegt werden sollten.)

Weitere Zeitzeugen zu den Straßen in Reckenfeld

"In den 1930er Jahren wurde die Schlacke und der Schotter (so haben wir es in B gemacht) aus der Straße herausgeholt, um beides als Fundament für den Kellerausbau zu nutzen."

"Ich erinnere mich, dass Autoverkehr nicht existierte und wir Kinder konnten ungezwungen vor dem Haus spielen. Strassen gab es noch keine in den Blöcken, sondern nur Landwege."

"Als mein Vater, seine beiden Geschwister und die Mutter 1930 nach Reckenfeld kamen und in B einzogen, war der Weg zum Haus so matschig, dass das Auto nicht bis zum Haus fahren konnte. Die Möbel müssten von ‚weit her' getragen werden."

1949 - 1953: Amtliche Vermerke und Auszüge aus Chroniken

Zeitzeuge

"[...] ein Grund des vielen Wassers in der Lennestraße ist eine Lehmschicht gewesen. Und die lässt bekanntlich nicht so schnell bzw. gar nicht das Regenwasser durchsickern. Unter der Lehmschicht befand sich Fließsand. Das machte sich besonders beim Erstellen von Fundamenten bemerkbar."

In Reckenfeld gibt es insgesamt mehr als 20 Sackgassen. In den vier Blöcken deshalb, weil hier die Gleistrassen aus der Depotzeit endeten. Das Ende der Straße wurde bis in die heutige Zeit beibehalten.

Fotos der Sackgassen in den Blöcken und in anderen Bereichen im Jahr 2008.

Verbindungsstraße nach und von Greven

Über diese Verbindung von Reckenfeld nach Greven und umgekehrt geben folgende Texte aus unterschiedlichen Quellen Auskunft

Fotos von der Grevener Landstraße hier anklicken!

Verbindungsstraße nach und von Emsdetten

Über diese Verbindung von Reckenfeld nach Emsdetten und umgekehrt geben folgende Texte aus mehreren Quellen Auskunft

Fotos von der Emsdettener Landstraße hier anzuklicken!

Fotos von drei weiteren - während des Baus des Munitionsdepots - angelegten Straßen und Wege

Die heutige Straße 'Grüner Grund" wurde 1917 als Seitenweg am Abstellbahnhof angelegt.

Einen besonderen Anspruch bezüglich der Straßenverhältnisse in Reckenfeld erheben die Instandsetzungsarbeiten in den Blöcken A und B, nachdem die Polen (DPs) Reckenfeld verlassen haben

Die Amtsverwaltung will für die von Ausländern belegten Wohngebiete in Greven und Reckenfeld die Straßen und Wege instandsetzen lassen. Besonders in Reckenfeld stehen größere Instandsetzungsmaßnahmen an. Ein Verwaltungsakt wird in Gang gesetzt: Die Verwaltung des Landkreises Münster schreibt am 8. November 1949: "[...] sind vor einer Entscheidung zur Wiederinstandsetzung der Straßen Reckenfelds noch genaue Daten zu erstellen, welche in Frage kommen, wie lang und breit diese sind, unter Berücksichtigung der Gräben und Straßenbeleuchtung. Ein Kostenvoranschlag ist vorzulegen."

Am 12. Dezember 1949, zu einer Zeit, als die Deutschen wieder die von Ausländern belegten Ortsteile A und B betreten können, werden die Straßen ermittelt, die instandgesetzt werden müssen. Das sind alle in beiden Blöcken.

Block A

Block B

Inzwischen sind alle Polen (DPs) aus Reckenfeld verschwunden und ein Großteil der Reckenfelder ist in ihre Wohnungen und Häuser in den Blöcken A und B sowie in anderen Teilen Reckenfelds zurückgekehrt.

Am 10. Januar 1950 fertigt das Amt in Greven einen Kostenvoranschlag für die Siedlung Reckenfeld, der die Summe von 180.000,-- DM beziffert. In diesem Antrag an das Landesstraßenbauamt wird um die Bezuschussung von 75% der Kosten gebeten.

Was alles gemacht werden soll, wird wie folgt aufgeschlüsselt:

Block B 80.000,-- DM Block A 87.000,-- DM Straßenbeleuchtung 13.000,-- DM

Block A

Strassen I + II

Strassen III+IV+V+VI von Nordwalder Straße bis Querstrasse II

Strassen IIIa+IV+V+VI von Querstraße II bis Ende

Block B (incl. des Nordwalder Teils)

Emsdettener Straße 650lfd.m. = 3.250qm

Grevener Strasse 700lfd.m. = 3.500qm

Dorfplatz 140lfd.m. = 700qm

Nordwalder Strasse 1.120lfd.m. = 5.600qm

Alle vier Straßen: 40t Teersplitt, 13.050qm Oberflächenbehandlung mit 1,2kg Strassenheissteer und 5.220 lfd.m. Gräben 30cm tief.

Im Februar 1950 erinnert die Amtsverwaltung daran, dass immer noch die Bewilligung für eine Bezuschussung aussteht und schreibt: "[...] die Straßen in Reckenfeld sind infolge der schlechten Witterungslage der letzten Zeit völlig unpassierbar geworden sind. Da eine beschleunigte Instandsetzung vorgenommen werden muss, wird gebeten, mitzuteilen, wann die Bezuschussung der durch Auslän-der zerstörten Wege gerechnet werden kann."

Die Verwaltung des Landkreises Münster schickt im Juli 1950 den Bescheid, dass nur 54.000,-- DM (statt der beantragten 180.000,-- DM) genehmigt werden. Das Amt Greven muss selbst 13.500,-- DM dazuschießen.

Nach der Finanzordnung des Landes NRW könnten Gelder zur Wiederinstandsetzung durch Kriegsschäden beim Claims Panel in Herford beantragt werden. Das geschieht am 31. August 1950: "[...] insbesondere sind die Straßen in der Siedlung Reckenfeld z.T. vollständig zerstört. Die Gräben sind dicht bewachsen, das Niederschlagwasser kann nicht abziehen, dadurch wurde die Packlage zerstört. Den Differenzbetrag von 126.000,-- DM bitten wir zu erstatten."

Bürgermeister Scharpenberg reist im Dezember 1950 nach Herford, erhält aber eine Absage vom Claims Panel, weil die Schäden vor dem 1.8.1945 entstanden seien!" Ein Widerspruch bringt ebenfalls nichts: im April 1953 wird endgültig entscheiden, dass vom Claims Panel kein Geld fließt.

Die Arbeiten beginnen und nach einer Entscheidung der Amtsverwaltung können nicht alle geplanten Arbeiten ausgeführt werden. Im späteren Verwendungsnachweis vom 29.1.1951 heißt es: "Die eigentlichen Gesamtkosten belaufen sich auf 180.000 DM. Da nur 54.000 DM Zuschuss bewilligt wurden, konnte nur ein Teil der Straßen in Ordnung gebracht werden. Gesamtkosten = 75.045,89 DM."

Die Gemeinde Nordwalde wird gebeten, sich mit 3.500,-- DM an den Kosten zu beteiligen.

Nach einer Abrechungsaufstellung werden für die Straßenarbeiten folgende Reckenfelder Firmen beteiligt

B. Otte Fahren von Eisenbahnschotter
Potthast Fuhrlohn
Eixler & Sohn Straßenarbeiten
Grohe & Sohn Schotter gefahren
Eisele, Albert Zemtentrohre
Alfred, Riese Lichtmasten gestrichen
Reiss Straßenbeleuchtung in A und B

Die Verkehrsregeln in Reckenfeld im Jahr 1956

Lothar Fabian in einer Sitzung im Jahr 1956: "18.000qm Straßenfläche wurden als Teerdecke angelegt und weitere 7.200qm chaussiert. 14 neue Brennstellen wurden noch durch Bürgermeister Scharpenberg in Angriff genommen."

Nach einer statistischen Auswertung gibt es im Sommer 1959 42 befestigte und bewohnte Straßen mit ca. einer Länge von 23 Kilometern.

Diese (neue) Tabelle zeigt die aktuellen Straßen und Wege an, die es in und um Reckenfeld gibt: Hier! (PDF)

Alle weiteren Themen sind in Arbeit... Stand: Januar 2021

Quellen zu oben stehenden Texten u.a.: Stadtarchiv Greven, Heimatverein Greven, Schul-, Vereins- und Zeitungs-Chroniken

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