Ein Zeitungsbericht aus dem Jahr 2006 - zusammengestellt von H.-J. Siepert

Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan [...]

Im Jahre 1971 rückten Bautrupps an, um die Bahnstrecke von Münster nach Rheine für den Betrieb mit Elektro-Lokomotiven herzurichten. Damit verbunden war auch ein Umbau des Bahnhofs in Greven, mit der Neuanlage eines breiten Bahnsteiges und eines Fußgängertunnels für die Reisenden. Auch die Streckenausstattung wurde modernisiert und somit verschwanden die oberirdischen Telegrafenleitungen aus der Zeit um die Jahrhundertwende. Nach dem Aufstellen der neuen Oberleitungsmasten wurde die elektrische Fahrleitung installiert und gespannt. Danach erfolgten die Prüfungen, bevor die Spannung von 15000 Volt eingeschaltet wurde.

Bereits ab dem 28. Mai 1972 konnten schon die Güterzüge von einer Elektro-Lok gezogen werden, da der Fahrdraht schon bis zum Rangierbahnhof Rheine reichte. Am 29. September 1972 war es so weit: Der offizielle Eröffnungszug für den elektrischen Betrieb befuhr mit Honoratioren und Gästen der Bundesbahn-Direktion Münster an Bord die Strecke nach Rheine. Ich selbst habe den Eröffnungszug auf dem großen Damm in Herbern bewundern können: Vorn eine mit Girlanden geschmückte rot/beige lackierte Lok 112 498-0, mit drei Erste-Klasse-Wagen in Trans-Europa-Express-Lackierung und einem roten Speisewagen. So wurden die schwarzen Dampfloks durch blaue 110er, grüne 140er und 141er ersetzt. Nur noch selten ließ sich ab da eine Dampflok aus Rheine hier blicken.

Die Dampfloks gingen, aber ein anderer Oldtimer kam: Von den Eisenbahnern wurde sie liebevoll Knödellok oder Bergziege genannt. Diese Spitznamen lassen vielleicht schon erkennen, dass die E-Lok-Baureihe 104 aus der Direktion München hierher gekommen war. Die Lokbaureihe 104 war eine der wenigen Vorkriegs-E-Lok-Typen, die nördlich der Mainlinie, und zwar ab 1968, in Osnabrück zu Hause war. Gebaut waren die Loks der Reihe 104 als E 04 in den Jahren 1933/34 für den schnellen Reisezugverkehr. Sie waren somit oft älter als manche Dampflok bei der Bundesbahn in diesen Jahren. Die Laufruhe der 104er war einmalig im Gegensatz zu den Knallfröschen der Reihe 141, die einen besonders bei geschobenem Wendezug ordentlich durchschüttelte. Die 104 zog flott und ohne merkliche Erschütterungen an. Von außen aber hatte die 104er ein merkwürdig rasselndes Fahrgeräusch. Im Jahre 1981 endete der Einsatz dieses interessanten E-Lok-Oldtimers.

Als 14-jähriger Schüler hatte ich mich im Herbst 1975 bei Herrn Borsdorf, dem damaligen Dienststellenleiter des Bahnhofs Greven, um eine Schulpraktikumsstelle beworben. Ich bekam kurz darauf die Zusage, im Februar 1976 am Bahnhof Reckenfeld für drei Wochen arbeiten zu dürfen. Als Praktikant wurde ich in die Geheimnisse der damals noch vorhandenen mechanischen Stellwerks-Technik eingeweiht und durfte im Stellwerk Reckenfeld Nord richtig mitarbeiten. Hier waren die Schranken hinunter- und hinaufzukurbeln, die Hebel der Signale und Weichen umzustellen und der Streckenblock zu bedienen. Die einmalige Atmospähre in diesem Stellwerk, bestehend aus Ölgeruch, Bohnerwachs und etwas überheiztem Kohleofen, ist mir bis heute noch in Erinnerung geblieben.

Ein paar Tage später war ich mit dem Rangierpersonal auf Tour. Hier galt es mit der kleinen Bahnhofs-Diesellok die Güterwagen in den Anschlussgleisen zu rangieren und die Übergabefahrten von und nach Greven mitzumachen. Die Streckenfahrt mit etwa zwölf Güterwagen auf dem seitlich offenen Führerstand der an ihrer Leistungsgrenze mit 107 PS(!) brüllenden Kleinlok war der besondere Höhepunkt meines Praktikums. Im Güterverkehr war damals noch richtig was los auf den Gleisen in Greven und Reckenfeld.


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