Interalliierte Militär-Kontroll-Kommission (IMKK)

Die Interalliierte Militär-Kontroll-Kommission (IMKK) und das Nahkampfmitteldepot Hembergen

Zwischen den deutschen Ministerien, dem Auswärtigen Amt in Berlin auf der einen Seite und der Interalliierten Militär-Kontroll-Kommission - ebenfalls in Berlin - auf der anderen Seite, wurden in den Jahren 1920-1922 beiderseits Noten erstellt und übergeben, mit der Auflage seitens der Alliierten, die "Militäranlage in Hembergen" zu zerstören.

Das Reichswehrministerium am 7. August 1920 an den Regierungspräsident: "[...] unvermutete Besichtigungen in Fabriken, Betrieben (Depots) müssen der IMKK zugestanden werden, unter der Voraussetzung, daß zu jeder derartigen Besichtigung ein Verbindungsoffizier zugesagt wird, dem Ziel und Zweck vorher nicht mitgeteilt zu werden braucht." (Anmerkung: Die Verbindungsoffiziere waren gehalten, sämtliche Angelegenheiten der Kontrollen als Dienstgeheimnisse zu betrachten und ausführlich an die vorgesetzten Behörden zu berichten.)

Der Minister des Innern am 4. Dezember 1920 an den Regierungspräsident: "Alle örtlichen Polizeibehörden müssen die IMKK, falls diese dort Auskunft wünschen, an den RP oder an den Polizeipräsidenten in Berlin verweisen."

Das Amt Greven meldete jedoch selbsttätig an die IMKK am 1. Januar 1921:

Ordnungspolizei (tatsächliche Stärke) 6
Verwaltungspolizei 6
Kriminalpolizei (Budget von 1920) 6
Bevölkerungsziffer 1920 9.631.

Als das Reichsfinanzministerium an den Minister des Innern am 20. August 1923 schrieb: "Das Nahkampfmitteldepot Hembergen habe ich, um es der IMKK, die seine Zerstörung verlangte, zu entziehen, vor kurzem an die Eisenhandelsgesellschaft Ost G.m.b.H in Berlin verkauft", war das wie ein Paukenschlag für die weitere Entwicklung des Depots.

Was war geschehen?

In Zusammenarbeit mit der Landesfinanzbehörde in Münster hatte der Reichsminister der Finanzen in Berlin - vertreten durch den Regierungsrat Ernst Pieszczek - mit der Eisenhandelsgesellschaft Ost (EHG) , mit Sitz in Berlin, einen Kaufvertrag erarbeitet und am 9. August 1923 unterzeichnet. Knackpunkt dieses Vertrages war die Summe, die die EHG für die Immobilie zu zahlen hatte: 100.000 Goldmark! (Anmerkung: Für eine Anlage, die zu Kriegszeiten ca. 11 Millionen Mark gekostet hatte!)

Wer wurde von dem Vertrag noch in Kenntnis gesetzt?

Die Hauptverbindungsstelle der Heeresfriedenskommission wurde über den Vertragsabschluß zwischen der EHG und dem Reichfiskus am 28. August 1923 benachrichtigt, und auch die IMKK in Berlin wurde durch die zuständige deutsche Behörde informiert. Die IMKK bemängelte jedoch einige Paragraphen des Vertrages vom 9. August 1923 (Anmerkung: Siehe Schreiben vom 29. Oktober 1924).

Die EHG brachte erstmals das Thema 'Besiedlung' ins Spiel

Eine weitere Aufforderung der IMKK - das Depot dem Erdboden gleich zu machen - erfolgte am 19. Oktober 1923.

Darauf reagierte die EHG als Besitzerin der Immobile unverzüglich und stellte ein Expose über die Schaffung von 160 Wohnungen vor. Die EHG schrieb Ende Oktober 1923: "[...] ursprünglich ist von der IMKK durch Verfügung vom 19. Oktober 1923 die vollständige Zerstörung sämtlicher Gebäude mit Verladerampen, sowie die Entfernung des gesamten Gleisnetzes gefordert worden. Durch langwierige Verhandlungen hat unsere Firma es erreicht, von der Entente das Zugeständnis zu erhalten, daß die Gebäude stehen bleiben dürfen, sofern dieselben zu Wohnungen umgebaut werden."

Die EHG suchte Verbündete

Die EHG trat mit einem Schreiben am 2. Mai 1924 an das Reichsfinanzministerium heran: "[...] Wie Ihnen bekannt, haben wir die Hemberger Speditions- und Lagerhaus-Gesellschaft gegründet, um die einzelnen Lagerschuppen auszunutzen und diese somit dem Zugriff der IMKK zu entziehen. Die Hemberger Speditions- und Lagerhaus-Gesellschaft ist zwischenweilig der Reichsgetreidestelle in Berlin W. 15, Kurfürstendamm 237 als Lagerhalter angeschlossen. Leider sind z.Z. die Zuweisungen der Reichsgetreidestelle äußerst gering. [...] daß für die allernächste Zeit eine verschärftere Tätigkeit der IMKK zu erwarten ist und stehen für uns äußerst schwierige Verhandlungen mit derselben bevor, sofern wir nicht tatsächlich beweisen können, daß die Hemberger Anlagen industriell ausgenutzt werden."

Kontrollbesuche im Depot durch die IMKK

In einem 'Programm über Kontrollbesuche der IMKK für die Zeit vom 8. bis 13.9.1924' wird der Kontrollbesuch in Hembergen für Dienstag, den 9. September 1924 avisiert: "Syndikat: Capitan HAY, Lieutent REID, und ein French-Offizier von Münster oder Düsseldorf."

Der Kontrollbesuch im Beisein eines deutschen Verbindungsoffiziers fand im Depot statt.

Die EHG antwortete auf den Kontrollbesuch mit Absichtserklärungen

Die EHG schrieb an die IMKK in Münster am 10. September 1924; "Wir nehmen Bezug auf die am 9. September 1924 stattgefundene eingehende Besichtigung unserer Hemberger Anlagen und geben wir Ihnen wunschgemäß die Ihrerseits von uns verlangten Dispositionen. Die gesamten Hemberger Grundstücke sind uns von dem Reichsfinanzministerium verkauft worden. Dieselben sind im Grundbuch Band 45, Blatt 640A, auf uns eingetragen. Nach unserem Kaufvertrag sind wir die Verpflichtung eingegangen, sämtliche von der IMKK gestellten Forderungen zu erfüllen. Wir haben uns bereit erklärt, die nunmehr Ihrerseits gestellten Forderungen wie folgt zu erfüllen:

Block C: Die gesamten verlegten Gleisanlagen dieses Blocks werden entfernt. Mit dem Ausbau ist bereits begonnen. Derselbe ist innerhalb vier Wochen durchgeführt. In diesem Block wird eine großzügige Geflügelfarm eingerichtet. Die vorhandenen Baulichkeiten werden zu Geflügelstallungen, Brut- und Zuchteinrichtungen, sowie Lagerräume für Futtermittel- und Geflügelproduktion eingerichtet. Die Bodenfläche wird weitgehendst kultiviert und der Futtergewinnung für das Geflügel dienstbar gemacht. Zunächst wird die Geflügelzucht mit etwa 10.000 Stück Geflügel begonnen.

Block B: In diesem Depot sind z. Zt. vornehmlich Waggons abgestellt, welche zur Reparationsleistung an Belgien bestimmt sind. Etwa 250 Waggons sind bereits nach Nordstern zur Übergabe abgegangen. Weitere 1750 Waggons werden mit wöchentlichen Teillieferungen zum Versand gebracht.

Das Gelände selbst ist von uns vorgesehen zur Errichtung einer erweiterten Waggon-Reparatur-Werkstätte, zumal von den zur Ablieferung kommenden Reparationswaggons 20% als nicht brauchbar uns wieder zugeführt werden.

Block D: In diesem Block werden sämtliche Gleisanlagen wunschgemäß entfernt. In etwa vier Wochen ist dieser Gleisausbau beendet. Die vorhandenen Baulichkeiten werden zu Wohnzwecken ausgebaut und das Land derart parzelliert, daß zu jeder Wohnung 1 Morgen Gartenland hinzukommt. Wir werden den Bau der ersten Parzellierungen jetzt sofort vornehmen, um möglichst schnell die Ansiedlung durchführen zu können, da dringendst die Wohnräume mit dem dazugehörenden Gartenland verlangt werden, zwecks Ansiedlung vornehmlich unserer Arbeiter.

Block A: In diesem Block haben wir die Teer- u. Öl-Destillation etabliert, welche nunmehr ihre Fabrikationseinrichtung soweit fertiggestellt hat, daß sie in den nächsten Tagen, wie Sie sich überzeugt haben, die Fabrikation aufnimmt. Weiter wird der Block von unserer Konzernfirma, der Hemberger Speditions- und Lagerhaus-Gesellschaft mbH zur Einlagerung von Speditionswaren jeglicher Art ausgenutzt. Wie Sie an Ort und Stelle gesehen haben, ist z. Zt. in den einzelnen Lagerhäusern vornehmlich Brotgetreide eingelagert.

Ein Zeitzeuge

"Das war so um 1930/1931. Mein Vater war Kutscher für die Müllerei Böckmann in Nordwalde. Wir fuhren des öfteren zum Depot Hembergen. Dort lagerte in den Schuppen Getreide der EHG. (Anmerkung: Ob im Block B oder im Block A wußte S. nicht mehr. Es ist davon auszugehen, daß es sich hierbei um den Block A handelte, da im Block B nur zwei Gleise und im Block A fünf Gleise gelegt wurden. Es wird zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nur noch ein Gleis im Block A gelegen haben, denn es ist nicht bekannt, daß die Siedler beim Einzug in die gemieteten/gekauften Schuppen zwischen den Gleisen herumstolpern mußten.)

Wir haben jedoch Aufträge zur Einlagerung von weiteren 3.000 Tonnen Getreide vorliegen, die in den nächsten Tagen eintreffen werden, so daß dann wieder der gesamte vorhandene Lagerraum belegt ist.

Industrieblock: Das Industriegebäude wird zu einer Konservenfabrik ausgebaut, zwecks Konservierung der Produkte der Geflügelzucht.

Abstellbahnhof: Im Abstellbahnhof wurden bisher die Zerlegearbeiten für Lokomotiven sowie Eisenbahnwaggons von uns durchgeführt. Die Einrichtungen zur Schneidegaserzeugung sind vorhanden. Der Betrieb mußte vorübergehend stillgelegt werden, infolge Absatzstockung bei den Westfälischen Eisenwerken. Wir nehmen jetzt wieder neu die Zerlegearbeiten auf. Etwa 10.000t Material haben wir bereits auf Lager, die nunmehr bearbeitet werden sollen. Auftragsgemäß werden wir den Abstellbahnhof für unsere privatwirtschaftlichen Zwecke umbauen und die Ihrerseits gewünschten Gleise herausnehmen.

Gleisanlagen auf dem Bahnhof Hembergen: Diese ca. 3 km Gleise und zwar 3,4 und 5 werden, wie Ihrerseits gewünscht, von uns der Eisenbahn übergeben. Die Durchführung dieser Maßnahme dürfte ebenfalls in kürzester Zeit ihre Erledigung finden.

Nachdem wir bei der örtlichen Besichtigung unsere eingangs erwähnten Dispositionen erklärt haben und Ihre Forderungen voll erfüllt sind, bitten wir Sie, den uns zugesagten schriftlichen Bescheid recht bald zukommen zu lassen."

Es wurden weder eine Geflügelfarm dieser Größenordnung noch eine Konservenfabrik gebaut.

Waren mit dem Kaufvertrag die generellen Bedenken, die die IMKK hatte, behoben?

Nein, das waren sie nicht! Eine neue Aufforderung, die Anlage zu zerstören, folgte: Im August 1924 erhielt das Landesfinanzamt in Münster eine Abschrift (hier die Übersetzung):

Interalliierte Kontroll-Kommission, Düsseldorf, Nr. 9734/C19

Betr. Artillerie-Depot Hembergen.

Dieses Artilleriedepot fällt, ähnlich wie die von Breloh (Anmerkung: Munster-Breloh lag in Niedersachsen; es handelte sich hierbei um eine Erprobungsstelle bzw. ein -gelände ab 2/1916.) und Gerwisch (Anmerkung: Gerwisch lag in Sachsen-Anhalt; es handelte sich hierbei um im eine Munitionsanstalt im Ersten Weltkrieg.) usw., unter Artikel 168 des Versailler Vertrages.

Es wird Ihnen nochmals zur Kenntnis gebracht, daß die Erhaltung dieses Lagers auf besonderes Ersuchen der deutschen Regierung ausdrücklich für die Lagerung von Nitroglyzerinpulver gestattet wurde.

Da jetzt vollkommen über dieses Pulver verfügt worden ist, wird entsprechend die Aufhebung dieses Lagers verlangt. Aufhebung soll heißen:

Das Schreiben besagte, daß die eingelagerte Munition (Sieben Millionen Einheiten) als auch die 6.000 Tonnen Sprengstoffe vernichtet worden sind. Somit bestand kein Grund mehr, diese militärische Anlage weiterhin bestehen zu lassen.

Die EHG begann mit der Einhaltung der IMKK-Forderungen

Das teilte sie am 25. August 1924 dem Reichsfinanzministerium mit: "[...] hat die IMKK die Zerstörung sämtlicher Lagerhäuser mit Verladerampen sowie die Entfernung der gesamten Eisenbahn-Gleisanlagen gefordert.

Nach dem Vertrag vom 9. August 1923 sind wir verpflichtet, für Sie kostenlos die von der IMKK verlangten Änderungen auszuführen. [...] haben wir uns entschlossen, zunächst einzelne Gleisanlagen in den Depots auszubauen, um so vielleicht die verlangte Zerstörung der Sprengstofflagerhäuser herumzukommen."

Die nächste Aufforderung der IMKK ließ nicht lange auf sich warten: sie erteilt dem Legationsrat in Berlin eine Rüge!

Das Monitum der IMKK zu Hembergen lautete:

"DEPOT D'EXPLOSIVES DE HEMBERGEN" (Sprengstoffdepot Hembergen)

Das Auswärtige Amt leitete die Beschwerden der IMKK an die zuständigen deutschen Stellen - im Falle Hembergen an das Reichsfinanzministerium - mit der Bitte um Äußerung weiter.

Das in französisch gefaßte Schreiben vom 26. Oktober 1924:

COMMISSION MILITAIRE BERLIN; le 26. Octobre 1924 INTERALLIEE DE CONTROLE ETAT- MAJOR 3éme SECTION

(Die Übersetzung des Schreibens von General Walch, Präsident der IMKK an den Legationsrat Nord, Direktor für Friedensangelegenheiten im Außenministerium, Berlin):

"Im Rahmen der durchgeführten Operationen in den ersten zwei Wochen nach Wiederaufnahme der Kontrollen wurde festgestellt, daß die folgenden Entscheidungen der Kommission mißachtet wurden. Dies betrifft:

Die Kommission wird gegen die Verstöße vorgehen. [...]

[...] die ehrenvolle Aufgabe, um die Durchsetzung der oben genannten Vorschriften sowie die Übermittlung der diesbezüglichen Anweisungen zu bitten." - (Unterschrift).

Eine weitere Note der IMKK

"Herr Direktor, mit Schreiben vom 29. Oktober 1924 hat die Kommission der IMKK die Deutsche Regierung auf die regelwidrige Lage bei dem früheren Depot für Explosivstoffe in Hembergen hingewiesen. Im Verfolg dieser Mitteilung beehrt sie sich, nachstehende Bemerkungen zu dem Verkaufsvertrage über den Verkauf dieser Anstalt an die "Eisenhandelsgesellschaft Ost" zu Ihrer Kenntnis zu bringen.

Es ist daher Sache der Deutschen Regierung, Weisungen für die Freimachung der Gleise des Depots Hembergen und nach Durchführung dieser Freimachung für den Abbruch der in Frage kommenden Gleise zu erlassen. Die Kommission ersucht darum, daß alle sich hieraus ergebenden Maßnahmen getroffen und daß ihr die zu diesem Zweck erlassenen Befehle mitgeteilt werden. - C. Walch, Präsident.

Erneut war die IMKK im Depot

Aus dem ‚Programm über Kontrollbesuche der IMKK für die Zeit vom 3. bis 8.11.1924': "Mittwoch, 5.11.1924, Kontrollbesuch "DAG, Hembergen", Syndikat: Lt.Col. LANGHORNE , Lt.Col. LAST." Notiz der Deutschen Verbindungsstelle: "Die betr. Syndikate werden jeweilig von einem deutschen Verbindungsoffizier begleitet." (Anmerkungen: 1. Der Versailler Vertrag gab den Kontrollkommissionen das Recht, so oft sie es für angebracht erachteten, sich an jeden beliebigen Ort des deutschen Reichsgebiets zu begeben, Unterausschüsse dorthin zu entsenden oder eins oder mehrere ihrer Mitglieder zu beauftragen, sich dorthin zu verfügen. 2. Die Mitglieder der deutschen Kontrollkommission wiesen sich durch gelbe Tätigkeitsausweise aus. Diese Ausweise für deutsche Begleitoffiziere trugen einen Zeitvermerk der IMKK (Gültig von/bis).

Die deutsche Hauptverbindungsstelle ahnte nichts Gutes

Reichswehrministerium - Heeresleitung - Heeresfriedenskommission - Hauptverbindungsstelle 'Waffen', Berlin, den 11.12.1924, schrieb an das Reichsfinanzministerium:

"Aufgrund des Schreibens der IMKK vom 31. Oktober 1924 übersandten Note der IMKK hatte sich die Besitzerin des Depots Hembergen zur Erhaltung ihrer Anlagen mit neuen Vorschlägen an die Distriktkommission in Düsseldorf gewandt. Die Distriktkommission hat geantwortet. Da eine wirtschaftliche Umstellung des Depots Hembergen anscheinend nicht ausreichend erfolgt ist, dürfte seine Erhaltung sehr in Frage gestellt sein. Nach Ansicht des Leiters der Verbindungsstelle Düsseldorf , der sich die Hauptverbindungsstelle anschließt, dürften weitere Schritte für den Fortbestand der Anlagen im jetzigen Zustand aussichtslos sein."

Die EHG setzte aber weiterhin auf die bisher bewährte Methode 'Aussitzen und Abwarten'

Das wird deutlich in einem Schreiben vom 20. November 1924 der EHG an die Deutsche Verbindungsstelle der Heeresfriedenskommission, Köln: "Wir hoffen, daß es Ihnen möglich ist, auf Grund dieser Vorschläge die IMKK davon zu überzeugen, daß wir tatsächlich doch nur unsere kaufmännischen Erwägungen in der ganzen Angelegenheit haben, denn die IMKK wohl zustimmen dürfte, zumal es auch nicht im Interesse der IMKK liegen dürfte, durch eine militärisch wohl belanglose Zerstörungsforderung unsere Firma auf das schwerste finanziell zu schädigen." Die Verbindungsstelle schickte den entsprechenden Text der EHG an die District-Kommission der IMKK, in Düsseldorf.

(Der Text der EHG vom 20. November 1924):

"Wir nehmen Bezug auf Ihre Zuschrift vom 8. cr. aus Düsseldorf und unserem Zwischenbescheid vom 15.cr. und teilen Ihnen mit, daß wir Ihnen für die Depots A und B weitere Vorschläge machen können.

Wir bitten Sie hierdurch, diese neuen Vorschläge Herrn Oberst Langhorne zu unterbreiten. Wir haben zunächst davon Abstand genommen, diese Erklärung der IMKK gegenüber schriftlich zum Ausdruck zu bringen, da wir zunächst gern die persönliche Ansicht des genannten Herrn kennen lernen möchten."

Die EHG begann ihr Mobiliar zu verkaufen

In der Art und Weise, wie die EHG das machte, mißfiel dem Landesfinanzamt in Münster, und es teilte sein Unbehagen dem Reichsfinanzministerium am 30. November 1924 mit: "[...] habe ich durch die Provinzialverwaltung in Münster erfahren, daß die EHG der Firma Orenstein & Koppel (Anmerkung: Orenstein & Koppel hatten wohl deshalb Kaufinteresse, weil sie selber Gleise und Material herstellten.) rund 1.000 Tonnen Gleise aus dem Nahkampfmitteldepot Hembergen zu 90,-- RM je Tonne zum Kauf angeboten hat. Nach § 8 des Kaufvertrages mit der EHG-Ost hat sich die Käuferin verpflichtet, die vorhandenen Gleisanlagen nicht auszuschlachten. [...] Die EHG hatte die Verpflichtung, sich vor dem Verkauf an mich zu wenden. Anscheinend ist ihr der Eingriff der IMKK sehr zu statten gekommen, denn sie will für die verkauften 1.000t Gleise 90.000 Goldmark erzielen, während das Reich für das gesamte Lager Hembergen nur 100.000 RM erhalten hat." (Anmerkung: Hier treten gleich zwei Irrtümer zu Tage: 1. Es handelte sich beim Kaufvertrag nicht um 100.00 RM, sondern Goldmark, und 2. die Reichskasse erhielt weder die vereinbarten 100.000 Goldmark, sondern wertloses Inflationsgeld!) Die EHG scheint auch nicht in der Lage zu sein, ihren Verpflichtungen aus § 9 des Kaufvertrages gerecht zu werden, wonach sie das Lager nebst den brauchbaren Gleisanlagen industriell unter Beschäftigung einer möglichst großen Arbeiterzahl zu verwerten hat. Denn wie durch den Magistrat Münster festgestellt worden ist, war die Firma bereits gelöscht und ist die Fortsetzung der Liquidation wieder eingetragen worden. Liquidatoren sind Direktor Norbert Birawr, Berlin, und Kaufmann Heinrich Ostrodzki, Berlin. Unter diesen Umständen fragt es sich, ob der Absatz 2 des § 9 zur Anwendung zu kommen hat und damit den Rücktritt des Verkäufers vom Vertrag [...]"

Der Ton der IMKK wurde schärfer

Die Übersetzung des Schreibens vom 3. Dezember 1924 des Westphalian District Committee, Düsseldorf, an die Verbindungsstelle, Heeresfriedenskommission, Köln, als Antwort auf das Schreiben der EHG-Ost: "[...] worauf uns unser Hauptquartier in Berlin benachrichtigt hat, es stände mit der deutschen Regierung wegen dieser Angelegenheit in Verbindung. Gleichzeitig wird bemerkt, daß diese letzten Vorschläge der Firma (EHG) zu unbestimmt und zu phantastisch sind, um sie ernst nehmen zu können.

Der Standpunkt dieser Mission ist des öfteren und klar niedergelegt worden, daß dieses Depot endgültig unter den § 168 des Friedensvertrages kommt. Weiter hat die Firma in ihrem Kontrakt sich verpflichtet, die Forderung der Mission anzunehmen. Kurz gesagt, die Forderungen der Mission sind, daß das Depot so radikal geändert wird, daß es sich nicht mehr für seinen ursprünglichen Zweck benutzt werden kann.

Daraus folgt, daß nur solche Vorschläge in Erwägung gezogen werden können, die das vollkommende Verschwinden des augenblicklichen Systems von Eisenbahngleisen und Nebengleisen und die Umwandlung der Magazine in Wohnhäuser oder ähnlichen Gebäuden, welche sie zum Gebrauch von Magazinen gänzlich zerstören, einschließen." - Gez. Langhorne - Oberstleutnant und Präsident.

Aus dem internen Schriftverkehr deutscher Ministerien

So teilte in einem Schreiben die Abteilung I des Reichsfinanzministerium der Abteilung V am 20. Februar 1925 mit: "Die örtliche Distriktkommission hat eine radikale Umgestaltung der Anstalt, nämlich die Umwandlung der Magazine in Wohnhäuser oder ähnliche Gebäude und die Beseitigung der gesamten Gleisanlagen gefordert. [...] Die Gleise sind zum großen Teil schon entfernt. [...] Verlangt die IMKK die Entfernung der Gleise, so muß die Gesellschaft nach dem Vertrage die nicht zu Siedlungen oder sonst für Wohnzwecke benutzbaren Häuser abbrechen."

Die deutschen Ministerien spielen ebenfalls auf Zeit

Das Reichsfinanzministerium schrieb am 24. Februar 1925 an das Auswärtige Amt als Antwort auf Note der IMKK vom 29. Oktober 1924 mit der Bitte, diesen Text der IMKK mitzuteilen: "Entsprechend den Forderungen der örtlich zuständigen Distriktkommission über eine grundlegende Umgestaltung des Lagers Hembergen, das an die Eisenhandelsgesellschaft Ost verkauft ist, ist mit der Gesellschaft vereinbart worden, daß die Grundstücke und Gebäude an Siedlungsgesellschaften (Westfälische Scholle usw.) abgegeben werden. Die Lagerhäuser sollen zu Wohnhäusern umgebaut werden. Die Gleise sind zum großen Teil bereits entfernt. Für einen Teil der noch vorhandenen Gleise hofft die jetzige Eigentümerin die Zustimmung der IMKK zur weiteren Benutzung zu erhalten. Eine industrielle Ausnutzung der Anlage ist nur insoweit möglich, als die Gleise liegen bleiben können."

Eine erneute Aufforderung der IMKK und die Antwort der Deutschen

Der oberste Chef der IMKK in Berlin - General Walch - schrieb am 13. März 1925 an den Legationsrat Nord in Berlin diese Note:

Antwort auf die Note der IMKK vom 13. März 1925 Nr. 12209 des Reichsfinanzministerium an das Auswärtige Amt am 24. März 1925; "[...] erwidere ich, daß die EHG nach einer Mitteilung der Reichsbahn-Werke Frankfurt a.M. bereits einen erheblichen Teil der beanstandeten Gleise abgebaut hat. Die Behauptung der IMKK, das in dem zwischen Deutschland und Belgien abgeschlossenen Generalablösungsabkommen die Restitutions-Waggons einbezogen und Deutschland daher die freie Wahl habe, ob es Waggons abliefern wolle oder nicht, ist zum Teil unzutreffend. [...] hat sich Deutschland in einer Anlage zu dem Ablösungsabkommen verpflichten müssen, die noch vorhandenen Restitutions-Waggons so weit wie möglich in Anrechnung an Belgien zurückzuliefern."

Die Westfälische Heimstätte sagt ab!

Die EHG teilte dem Reichsfinanzministerium am 27. März 1925 mit: "[...] wir müssen Ihnen leider mitteilen, daß die Westfälische Heimstätte in Münster es abgelehnt hat, den Ausbau der Gebäude zu Siedlungen durchzuführen mit der Begründung, daß nach dem Zustande der Gebäude die Fertigstellung der Häuser nicht billiger sei, als völlige Neubauten. Nachdem nun die WH die Siedlung nicht übernimmt, und der Ausbau nach den Forderungen der IMKK durchgeführt werden muß, wenn nicht die ganzen Gebäude zerstört werden sollen, so bleibt uns nichts weiter übrig, als die Siedlung selbst durchzuführen. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie den Herrn Präsidenten des Landesfinanzamtes in Münster bitten würden, auf den RP einzuwirken, daß uns von den jetzt durch den Wohlfahrtsminister zugewiesene Hauszinssteuerhypothekgelder für Münster die entsprechend zulässigen Beträge sicher gestellt werden."

Die EGH begann einige Monate später mit der Planung und dem Bau von 20 Musterbauten im Depot D.

Das Reichsfinanzministerium am 7. April 1925 in Verfolg auf das Schreiben vom 24. März 1925 an AA " [...] daß die EHG-Ost im Vertrag vom 9. August 1923 die Verpflichtung übernommen hat, alle Forderungen der IMKK zu erfüllen. Hierunter fällt auch das Verlangen nach Entfernung der Gleise. Der Gesellschaft (EHG) war nur ein willkürliches Ausschlachten der Gleisanlagen untersagt, weil sie die Anlage industriell ausnutzen sollte. Am 24. Februar 1925 ist mit der EHG-Ost ein neuer Vertrag geschlossen worden, nach dem für sie kein Verbot mehr besteht, die Gleise auszubauen und zu verwerten."

Nach diesem Zeitraum verliert sich die Spur der IMKK, die bis zum März 1925 noch auf eine Vernichtung der Schuppen und den Abbau der Gleisanlagen bestand.

Ausschnitt meiner Präsentation über die Entstehung Reckenfelds. Thema: "Wie sahen die Alliierten die Abläufe im ehemaligen Depot?" [PDF-Datei]

Fazit

Die Eisenhandelsgesellschaft-Ost (EHG) in Berlin und die Berliner Ministerien hatten es geschafft: die Immobilie "Nahkampfmitteldepot Hembergen" war vor der Zerstörung durch die Alliierten gerettet!

Die Besiedlung Reckenfelds konnte nun fortgesetzt werden!


Seitenanfang
Nächstes Thema:   Zerlegung von Munition
Vorheriges Thema:   Allgemeines über die IMKK
(c) 2006 by www.geschichte-reckenfeld.de    [Impressum]    [Kontakt]