Schnad-Gang

Aufgeschrieben von Josef Krüler, Hollingen

Die GODING, d.h. die Gerichtsverhandlung führte der GOGRAF, der aber kein Urteil fällte. Das Urteil wurde vielmehr von der Gerichtsgemende gesprochen. Der Gograf wählte zu diesem Zwecke aus den Umstehenden den sogenannten Urteilsweiser. Dieser besprach sich mit den anderen "burrichtern und burmannen", also den Bauernrichtern und Bauern, die den Gerichtstisch umstanden.

Das Urteil wurde gefunden, denn geschriebene Gesetze, nach denen man sich hätte richten können, gab es noch nicht. Erst seit dem 16. Jahrhundert gibt es gesammelte Urteile, die zu Vergleichszwecken herangezogen werden konnten.

Im Münsterland gab es eine Reihe solcher Gogerichte, für unsere Gegend sind die Gogerichte von Steinfurt, Rheine, Meest und Bevergern nachgewiesen. Die Grenzen dieser Gerichtsbezirke entsprechen nicht den jeweiligen Gemeindegrenzen oder Gaugrenzen. Lediglich die Zuordnung einzelner Gemeinden, Kirchspiele öder Dörfer ist möglich. Andererseits war man bemüht, für jeden Gerichtsbezirk genaue Grenzen festzusetzen, was aber z.T. erst sehr viel später gelang.

Das Einkommen der Gografen bestand in den Abgaben der Gerichtseingesessenen, die Abgaben bestanden sowohl in Geld wie in Naturalien. Auch die Amtskleidung wurde ihnen geliefert. Da der Gerichtsbesitz eine wertvolle Macht- und Geldquelle darstellte, suchten neben den Fürsten und Grafen auch die Bischöfe zu Münster möglichst viele Gerichte in ihre Gewalt zu bringen.

Die Gerichtsherren bekamen im Laufe der Zeit immer mehr Macht über die Gerichte, sie ernannten aus eigener Machtvollkommenheit Gografen, die also nicht mehr gewählt wurden und schließlich nur noch Beamte des Bischofs oder des Domkapitels waren. Nach Erlaß der Landgerichtsordnung 1571 erließ das Domkapitel auch für seine Gerichte Anweisungen, nach denen Recht gesprochen wurde.

Bei diesen Vorgaben wird deutlich, daß die Gerichtsherren ein Interesse daran hatten, die Grenzen ihrer Bezirke zu sichern, gegen "Verschiebungen" zu schützen und den allgemeinen Zustand des Gerichtsbezirks und die Stimmung unter den Bewohnern zu erfahren. Immerhin gab es noch kein Telefon und keine Tageszeitung, mit denen Neuigkeiten verbreitet werden konnten. Diese Feststellungen wurden auf dem Schnadgang getroffen.

Der Gograf umwanderte die Grenzen seines Gerichtsbezirkes, verhandelte aktuelle Fälle und erstattete seinem Gerichtsherrn nach Rückkehr Bericht. Dabei war er oft mehrere Tage, oft eine Woche und länger unterwegs. Die Wege waren schlecht, man ging zu Fuß oder fuhr mit der Kutsche, wichtig war es, zum Abend eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden.

Beim Schnadgang wurde dann auch zusätzlich der Zustand der einzelnen Landwehren überprüft, hierbei handelte es sich um örtliche Befestigungssysteme, bestehend aus Gräben und Wällen, die gegen die damals marodierenden Banden den einzelnen Höfen und Dörfern Schutz bieten sollten. Solche Banden bildeten sich häufig aus versprengten Landsknechten, die bei irgend einem kleinen Krieg, ursprünglich aber auch nach dem Westfälischen Frieden "arbeitslos" geworden waren und sich jetzt von Überfällen nährten.

Die Landesherren hatten natürlich ein erhebliches Interesse daran, daß ihre Untertanen und Steuerzahler nicht ohne Not erschlagen wurden, der Schutz der Landwehren lag ihnen daher sehr am Herzen, zumal sie auch zusätzlichen Schutz gegen landhungrige Nachbarfürsten und -bischöfe boten, die ständig bemüht waren, ihren eigenen Machtbereich zu erweitern.


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